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(Donnerstag)
Ein Turnverein bot August Lohmer Gelegenheit. in die Schatten des Nachtschwärmens zu tauchen. »Eintracht« nannte sich der Klub, der den damals kaum sechzehnjährigen, angehenden Bauzeichner aufforderte, sein Mitglied zu werden. Widmete der Geselligkeitspflege vornehmlich Zeit und Sorgfalt.
Nach den Übungen hockte man in die Wirtschaft, um noch ein wenig gemütlich zu sein. Die Kellnerin wurde über den Tisch gelegt. Woche für Woche schlich August im Frühgrau heim.
Samstag auf Sonntag zogen die »Kollegen« unter Singen und Johlen durchs Dirnenquartier. Die alte Frau Lohmer weinte. Sagte ein schlimmes Ende voraus. Verdientes Geld hatte August kaum. Kameraden zahlten.
Im Winter gab es ein Turnverein-Kränzchen. August wurde befohlen, seine Dame mit hinzubringen. Dem Lehrbuben gefiel vor allem, daß ihn die Mädchen den anderen vorzogen. Bekam große Augen für Seide und Bändchen, für Strümpfe und Schuhe. Ließ sich in Motordroschken mitführen. Einladen, bei ihnen zu nächtigen. Am folgenden Tag »Blauen« zu machen.
Von den Männern des Tanzkurses arbeiteten die wenigsten. Die meisten waren vorbestraft. Die neuesten »Sachen« wurden verhandelt. Sie schalten August einen dummen Jungen, weil er ins Bureau ging. Ein so flotter Bursche! Hätten doch auch immer »Pulver«. Ohne einen Streich zu tun.
Ihre Lehren zündeten, gar, wenn die Saufgelage, die häufig in Raufereien ausarteten, im Gange waren. Manches violette Auge trug er davon. Bedeckte es dann mit schwarzer Binde, die er eigens zu dem Zweck angeschafft hatte.
Um einer Kleinigkeit willen geriet er mit einem Techniker im Geschäft hintereinander, lief kurzwegs davon. Verschwor sich, keine zehn Pferde sollten ihn zurückschleppen.
Vom Morgen zum Abend saß August in schmieriger Vorstadtbeize und verlustigte sich mit der Wirtstochter. Sie dang ihm das Heiratsversprechen ab. Stopfte ihn unter dieser Bedingung voll Essen und Trinken. Soviel sein Herz begehrte. »Traurig, aber wahr,« wie er vorgestern trocken dazu bemerkte.
Mit dem Einnachten erschienen ein gutes Dutzend Zuhälter, Weiber, Spitzbuben. August war stolz auf die feine Gesellschaft. Das Automatenklavier, Italienerorgel benannt, kam nicht zum Verschnaufen. Für Chianti, Lambrusco, Veltliner sorgten die Dirnen. Bis gegen zwölf Uhr die Gemüter in Siedewallung brodelten und ein findiger Kopf den Vorschlag durch die Pinte rief, die »lustige Nacht« zu eröffnen. Automobile bestellen. Hineingepfercht, was nur ging. Einige oben aufs Dach des Gefährts und fort, über Land!
Abseits vom Dorfe nahm ein Wirtshaus sie auf. Fünf, sechs Wagen lagen schon vor Anker. Mit Indianergeheul wurden die neu Angekommenen begrüßt. Im Saale, wo man tanzte und becherte, Plätze geräumt.
Was sich alles traf im schummrigen Fastnachtsgewimmel: Griechen, Spanier, Franzosen, Südamerikaner, sämtliche Nationen, Studenten und Herrensöhnchen, Tingeltangelchansonetten, Cabaretsterne, Freudenmädchen jeder Schattierung.
August, mit Beinamen »Bubi«, wurde verwöhnt. Die Schönen zogen ihn statt ihrer Hündchen auf den Schoß. Wenngleich es ihn vor den runzligen, verlebten Gesichtern unter Puder und Schminke anfangs angeekelt hatte, tat er zärtlich und verliebt. Nur um seine Zeche bezahlt, ja sogar bares Geld zu erhalten. Dann mußte er mit der einen oder anderen in das erste Stockwerk hinauf. Zimmer mit roten Plüschmöbeln, Divans, Himmelbetten lernte der blonde Lehrling kennen. Ampeln, die aus versteckten Nischen gedämpftes Licht blinzelten. Eine kitschige Pracht, die ihn vollends benebelte.
Gab er seiner Bewunderung Ausdruck, redeten die übrigen von Stuttgart, München, Berlin, Paris und lachten den Toren aus.
Gegen die Dämmerung ward es allgemach ruhiger. Man schlief in den »Salons«, oder saß und lag an und unter den Tischen im Saal.
Mit dem Hellwerden erschien der Wirt. Warnte vor Bauern, die Milch in die Stadt führten.
Dann kleidete es sich an; da wurde gekämmt, gepudert, gefärbt, zurechtgerückt, ratterten die in Gang gesetzten Motore und rasselten die Taxameter zum Morgenimbiß vor die städtischen Kaffeehäuser.
Selbzweit und selbdritt schlüpfte man meist noch bei einem Weibsbild unter, welches Getränke aufstellte, so daß der Lustbarkeiten kein Ende war.
Moneten flossen von allen Seiten herbei. Doktoren, Hochschüler, Geschäftsleute, Verheiratete und Unverheiratete, alle ließen sich von Burschen und Mädchen aussaugen. August lernte das Drohen: Einer ahnungslosen Gattin Bericht zu erstatten. Geprellte Mitsünder um die Finger zu wickeln.
Blieb er ausnahmsweise einmal zu Hause, aß er den auf Arbeit abwesenden Pflegeeltern das in der Wohnung Genießbare vorweg. Preßte der Mutter das letzte Kupferstück aus. Würgte sie, wenn sie nicht nachgeben wollte. Bitterlich weinte sie. Verfluchte ihn. Ab und zu geschah es, daß er ihr nachschlich, Verzeihung erbettelte. Geld aber brachte er niemals zurück. Ihre Rappen langten für Zigaretten und Bier. Um die großen Ausgaben sorgten sich seine Dirnen. die er auf die Straße hinauszwang. Wehe, kehrten sie nicht mit vollen Händen wieder. Dann schlug er zu. Schleifte sie an den Haaren einher. Verkaufte ihre Kleider. Je frecher und böser er ward, desto anhänglicher wurden sie ihm.
Endlich nahm die Polizei das Nest am Dorfrand aus.
Das wirkte anfänglich auf August.
Er bewarb sich bei einem Schlosser um einen anderen Lehrplatz. Wich dem Gesindel aus. Stellte sich mit Vater und Mutter so gut als möglich. Bis an den jugendlichen Sklavenhalter eine neue Versuchung herantrat.
*
Auch August Lohmer war, bevor er dorthin gelangte, wo wir ihn bereits getroffen haben, allmählich, von Stufe zu Stufe gesunken.
342 schrie seiner Lebtag nach Liebe. August Lohmer fehlte sie eigentlich nicht. Trotzdem er unehelich das Licht der Welt erblickte. Weder Vater noch Mutter je gekannt hatte.
Dieweil sich von selber keine Paten einfanden, mußte der Pfarrer seine innerschweizerische Gemeinde von der Kanzel aus darum bitten. Bei der Taufe trat ein kinderloses Bauernpaar an den Stein. Trug den vom Weinen aufgedunsenen Säugling, der in einer Küchenschürze hinterlassen worden war, mit sich nach Hause. Leider spekulierten die Pflegeeltern später und zogen, um nicht zum Gelächter der Nachbarn zu werden, mit dem sechsjährigen August in die große Stadt.
Vater Lohmer verdiente sein Brot als Handlanger. Seine Frau ging spetten. Eine Schwester Lohmers, die auf dem nämlichen Boden wohnte, ihre Stube voll Göhren hatte, grollte dem Knaben. Denn an seiner statt hätte eines der ihrigen angenommen werden können. Sie verprügelte ihn, wenn die alten Leute nicht zugegen waren und sperrte ihn einmal in einen Schweinekoben. Zwei Tage und Nächte blieb er dort liegen. Man suchte ihn an allen Ecken und Enden. Entdeckte ihn erst, als man die Böse zum Stalle schleichen und hineingucken sah, was er mache. Sie erfror einige Jahre nachher im Rausch auf der Straße.
Vater Lohmer war zunächst streng mit dem Buben. Und als dieser, der gern hinter Seiltänzern und Zirkusleuten herrannte, einmal den Kopf voll »Genossen« heimbrachte, schloß man ihn endgültig in die Küche, bis sich die Eltern vom Arbeitsort einfanden.
Später wurde die Zucht etwas lockerer. Der Vater, der es auf keinen grünen Zweig mehr bringen konnte, fand mehr und mehr Freude am Wein. Eine Kostgängerin der Mutter verhandelte allabendlich Spuk- und Mordgeschichten, die August im Traume wiedererlebte. Nick Carter, Sherlock Holmes, der große Unbekannte, Kapitän Stürmer, die Wachsmaske, die Geisterschlucht, Nat Pinkerton, der König der Detektivs und andere Schundromane liefen ihm und seinen Kameraden durch die Hände. Wurden auf dem Estrich verschlungen.
Neubauten bildeten das Reich ihrer in die Tat umgesetzten Kenntnisse. Elektrische Läutwerke, Elemente, Drähte, Werkzeuge, Nägel füllten ihr bei Ernst Mieder untergebrachtes Museum. Ernsts Vater war immer beduselt. Ließ die zweiköpfige Kinoräuberbande, die »schwarze Hand« gewähren.
August lebte zu Hause als Schleicher. Hatte sein schlechtes Gewissen vor den Paten, die sich über seine zunehmende Scheu und Verschlagenheit grämten.
Dann kam die Zeit eines den Nachbarn entwendeten Doktorbuches. August und Ernst studierten darin. Lockten mit ihrem Geheimnis dessen Schwestern. Legten sich mit ihnen zu Bett. Eine Schar meisterloser Kinder – ihrer aller Eltern waren tagsüber in den Fabriken – gesellte sich dazu. Bis eines der Mädchen erkrankte. Die ganze Geschichte ward ruchbar. Man wies August aus der Schule. Die Pflegeeltern verlangten, daß die Heimatsbehörde sich seiner annehme.
In der Stube des Gemeindepräsidenten, wohin August eines Mittags durch einen Kanzlisten begleitet wurde, lief das halbe Dorf zusammen, um ihn zu begutachten. Man habe sich's ja gedacht, daß die Lohmers damit abschnitten, war noch das Zartfühlendste, was man ihm außer einem Stück trockenen Brotes bot.
Gegen Abend holte ein Bauer den Burschen ab. Nur deswegen, weil er die Alten gut gekannt habe. Gras schneiden. Die Wagen in Ordnung halten. Ohrfeigen einheimsen, sofern nicht alles klappte. Zum Frühstück ein Gläschen Zwetschgenwasser mit Nüssen. Zu jeder Mahlzeit knauserndes Abwägen, wieviel er herausschöpfe. Daß er auch dieses nicht verdiene. Nach dem Abendessen den schwerfälligen und vielen Kindern die Aufgaben machen. Als der Sommer und die strengste Zeit vorüber, setzte man ihn einfach auf die Straße. Mit der Weisung, sich dem Präsidenten zu melden.
Der schickte ihn zum Schloßmüller. Ein Dach vereinigte Mühle, Sägewerk, Backstube und Fuhrhalterei. Dem Gesinde, vier Knechten und einer Magd, wurde August mit den Worten vorgeführt, er sei für jedermann da. Man möge ihn unbedenklich für jegliche Arbeit verwenden. Die Kammer bot Platz für zwei Ruhestellen. Außerdem Augusts Lager: Laubsack, Strohkissen und schmutzige Pferdedecke. Die dürftigen Kleider wurden unter den Schragen gestopft.
In der Hergottsfrühe begann sein Tagewerk mit Hafer mahlen, Holz herauftragen, füttern, melken und das Backwerk in die Wirtschaften der Umgegend bringen. Stimmte die Verrechnung nicht, wurde es dem Knaben vom Morgen- oder Abendessen abgezogen. Bis zur Nacht an den Mahlsteinen, mußte er erst noch den Stall ausräumen, um schließlich trotz allem Ekel vor dem schmierigen Schlafzeug darauf zusammenzusinken.
Zwei Monate hielt er's aus. Dann erkrankte er. Bevor man den Arzt rief, legte man ihn schnell in ein richtiges Bett.
Nach der Genesung durfte er ins Bureau zum Helfen. Als er unversehens dort eintrat, überraschte er die Meisterin mit einem Kunden in verfänglichster Umarmung. Hatte von nun an Oberwasser im Hause.
Die Müllerin fürchtete sich vor seiner Zunge. Behandelte ihn infolgedessen geduldig. So daß er sich dafür dankbar erzeigen wollte und die Buchführung der Knechte, die nach Gutdünken Mehl und Mais verkauft und die Hälfte aller Beträge eingesteckt hatten, überwachte.
Die Pflegeeltern empfanden mittlerweile Sehnsucht nach August. Luden ihn in die Ferien ein. Er wanderte ab. Froh, der Mühle entronnen zu sein.
Vater Lohmer kehrte den Strengen heraus. Drohte bei jeder Kleinigkeit, den Unehelichen davonzujagen. Tat ihn zu einem Bauzeichner in die Lehre. August nahm sich zusammen. Bekam darum mancherlei Händel mit früheren Schulkameraden, die ihn ob seiner Bravheit scheel ansahen und auspfiffen. Was man mit Fäusten ausglich. Klagen blieben den Paten freilich nicht erspart.
Vater Lohmer wurde giftiger, unleidiger. Es wurmte ihn, daß er allein auf Erwerb ausgehen mußte. Habe auch nichts lernen dürfen. Handlangern sei lange gut. Nährte Augusts innig gehätschelten Plan, der Arbeit davonzulaufen. Zumal er den mühelosen Verdienst unter Dirnen und Zuhältern unterdessen ausprobiert hatte. Sogar Erpresser geworden war.
*
Nach Aushebung des Freudennestes am Dorfrand machte August das böse Gewissen ein halbes Jahr scheu. Worauf er in einem Seewirtshaus sichtbar wurde. Der Beifall, der den eben siebenzehnjährigen alten Tanzbruder bei seinem Wiederauftreten begrüßte, war kein karger. Man ernannte ihn zum Vorstandsmitglied eines Trinkerklubs, der sich aus lauter ehemaligen Schulkameraden rekrutierte. Wieder bezahlten andere. Aber es behagte ihm nicht mehr.
Einer der Kumpane rief ihn auf die Seite. Ein Herr interessiere sich für ihn. Verwundert darüber, teilte ihm der Eingeweihte mit, daß solches vorkomme. Abendessen, Liköre, Zigarren tischten sich vor August auf.
An Münze hätte es fortan nie mehr gemangelt, wäre nicht die erste Vorladung der Bezirksanwaltschaft eingetroffen. Die untröstliche Pflegemutter begleitete August, der leugnete und am Ende straffrei ausging. Den Pflegevater erhielt er zum Vormund.
Was verfing dies alles? August wußte, wo Barmittel zu holen waren. Die Eltern ahnten von seinem Treiben viel zu wenig, vermochten ihm die richtigen Vorwürfe nicht zu machen, hätten kaum fassen und glauben können, was für Leute es sonst noch auf dieser Welt gab. Die Mutter fragte immer voll Angst, wo er sich die Nächte herumtreibe. Schloß ihn oftmals aus. Aber August kletterte ganz einfach an der Dachrinne empor in sein Zimmer und lag am frühen Morgen zum Erstaunen der beiden Alten im Leinzeug. Stahl er sich beim Dunkelwerden von Hause fort, hörte er wohl, wie die Nachbarn sagten, es dustere da einer wieder zu seinen Menschern. Oder: wenn die einen zu schlafen begehrten, stünden die übrigen meist auf. Das dünkte ihn komisch.
Unter Seinesgleichen galt er als heller Bruder. Zuweilen behauptete er, ein Funken Ehrgefühl sei stetsfort sein eigen gewesen. Betrunken habe er oft mit unsäglicher Wehmut sein schändliches Leben an sich vorbeiziehen lassen.
In einer derartigen Anwandlung entschloß er sich, nach Paris zu verduften. Die Eltern scharrten mit emsigem Fleiß an hundertundsiebzig Franken für die Reise zusammen. Vertrauten August einem gewissen Kaspar an, der früher schon einige Jahre in der Großstadt gewesen war. Die Hälfte des Fahrgeldes floß bei der Abschiedsfeier in die Gosse.
An der Seine wähnten sich die beiden elegant. Bestiegen den Eiffelturm, das große Rad, die Moulinsrouges und die Verbrecherkeller. Solange noch ein Rappen da war, suchte keiner nach Arbeit. Hunger erzwang es. August fand Unterkunft bei einem Vorortgärtner. Karrte Erde für schäbigen Lohn. Klagte bei Kaspar. Der lachte. Er habe August nur mitgenommen, weil ihn selbst einige Schweizerkantone nicht mehr gern beherbergten. Und die Schulden ihm allerorts die Ohren eindeckten. Da sei halt ein Esel so freundlich gewesen, halbe Fahrt und Futtersack mitzutragen.
Nun tat's August das Heimweh an. Sparte für das Bahnbillet. Prellte, einen mit Steinen beschwerten Koffer zurücklassend, das Hotel um die Zeche. Eilte nach keinen vier Wochen der Grenze entgegen.
Sein Leben verdarb immer gründlicher. In Genferspelunken zog er sich Krankheiten zu. War außer sich. Beschimpfte. Beschuldigte. Geriet in eine Stecherei. Entfloh mit zwei »Kollegen«, davon einer ein Loch im Kopf, der andere einen Handstich hatte, übers Waadtländische nach Hause.
Als er mit zerrissenen Kleidern anlangte, brach gerade der Krieg aus. Der Militärdienst nahm ihn in Zucht. Aber, er lernte das Kartenspiel. Im Urlaub bei den Eltern, verkrempelte er ihren aus guten Zeiten herübergeretteten Kupferkessel. Saß fünf Tage in Untersuchungshaft. Auf der Mutter Fürbitte ließ man ihn laufen. Der Vater jedoch weigerte sich, weiter Vormund zu bleiben und das Waisenamt überantwortete einem Gymnasiallehrer die schwierige Aufgabe.
Der wohlwollende Mann gab sich redliche Mühe mit August. Redete eindringlich auf ihn ein. Schenkte ihm Kleider. Rauchwerk. August pumpte ihn an. Blieb nunmehr gegen alle Aufforderungen, wieder bei ihm vorzusprechen, taub.
Lohmer war mit neunzehn Jahren ein richtiger Rauf- und Trunkenbold geworden. Äußerlich trug er zwar ein knabenhaftes, wenn auch verdrücktes Wesen zur Schau. Niemand hätte seiner geschleckten Larve die unzähligen Laster zugerechnet.
In der »Stadtbahn«, in der ich ihn jetzt aufgesucht habe, vereinbarten er und zwei Spießgesellen ihren Diebstahl. Mit schwarzen Tüchern maskiert, drang man bei Nacht und Nebel in eine verlassene Fabrik und entwendete Nickelplatten. Der Hehler war schon vorher verständigt. Betrog in der Eile die drei, die samt ihrem Raube, nachdem sie sich Lackschuhe und Anzüge angeschafft hatten, nach Genf verschwanden. Daß sie dort mit dem Plane umgingen, sich in die Fremdenlegion anwerben zu lassen, versteht sich von selbst. Im letzten Moment erwischte man sie.
Lohmer kam für neun Monate ins Arbeitshaus.
Unterdessen begegneten sich Schutzaufsichtsinspektor und Vormund, um dem Entgleisten die Wege zu ebnen. Büren klopfte an vielen Türen an. Erwirkte einen Platz als Hilfsdreher. Voller Weh- und Demut kehrte August aus den Mauern zurück. Gelobte, ein neuer Mensch zu werden. Versprach, was man wollte. Der Vormund, den er aus dem Gefängnis als ersten aufgesucht hatte, tischte ihm das beste auf, was seine Küche, sein Keller boten. Kaufte ihm Schaftstiefel. Gab Wäsche, Krawatten, Hosen. Aus dem eigenen Schrank. Bat ihn allabendlich zu sich. Füllte bei jedem Besuch seine Taschen mit Zigaretten.
Zwei Wochen tat August gut. Dann traf er die ehemaligen Zechbrüder. Wieder einige Tage, und er hockte in der »Stadtbahn«. Kopierte zur Belustigung der Anwesenden die runden Brillengläser des Vormundes. Ahmte die erbaulichen Worte des Inspektors nach. Nahm eine alleinstehende Dirne. Und ließ sich mit von Panjeczek aufs Spekulieren ein.
Wer hilft? Die Wohltätigkeit? Ich, der ich ihn kenne? Ihr Anderen? Ihr Organisierten? Einer unter Euch, der Muße und Mut hat, auf Schritt und Tritt hinter ihm her zu sein.