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Ich hatte der Bergfeldten – merkwürdig, daß ich sie immer wieder nach ihrem ersten Manne nenne, den sie doch eine Reihe von Jahren hinter sich hat – also richtiger der Frau Butsch versprochen, sie baldigst nach der Eröffnung mit nach der Ausstellung zu nehmen und ihr durch meine allmählich erworbene Platz-Plankenntniß in kürzester Zeit einen Ueberblick beizubringen, daß sie zu Hause Rechenschaft ablegen kann. Denn dies ist die Hauptsache. Alle Kunden fragen in der Weißbierstube, wie es sich mit der Ausstellung verhält und Herr Butsch hat nichts gesehen und sie noch weniger und die Gäste betrachten das Lokal nachgerade als ein Nebengeschäft der Idioten-Anstalt. Wer nichts von der Ausstellung zu sagen weiß, gilt allmählich für unbetheiligt an der Civilisation.
Weil sie nun mir so freundlich mit dem Zimmer aushelfen will, bin ich ihr auch gern wieder gefällig und schrieb ihr auf einer Fahrrad-Karte, daß ich sie zu einem gemächlichen Nachmittag erwarte.
Sie hat sich in der letzten Zeit bedeutend gebessert. Verhältnisse ändern zum Guten oder zum Schlimmen, je nachdem der Mensch hineingesetzt wird. Herr Butsch läßt sich wenig gefallen. Wenn man so seine Statur betrachtet, da muß sie klein beigeben, wogegen Herr Bergfeldt weder die Beamtenluft vertragen konnte noch die häuslichen Zustände. Den tödteten die Sorgen, ehe er starb.
Wenn man mit Leuten im Leben Freud und Leid durchgemacht hat, Erzürnen und Vertragen und, was die Zeiten so brachten, steht man sich näher, als man oberflächlich zugiebt. Das jüngere Geschlecht wächst heran, dem Zukunftslichte zu und läßt uns Aelteren in dem Schatten der Vergangenheit. Aber wir sehen auch hinaus in das Helle, blos mit dem Unterschied, daß wir einen ganzen Kasten voll Erfahrungen haben: Früchte des Lebens, die wir öfter anbieten, als sie von der klügeren Jugend abgenommen werden. Aber man knabbert selbst daran und freut sich der Zeiten, als man sie sammelte.
So dachte ich mit der Butschen den Ausstellungsnachmittag zu verbringen: das Neuere und Neueste bestaunen, Meinungen darüber austauschen, obgleich immer nur zwei Ansichten sein können, meine oder die verkehrte, zwischendurch den Gastwirthen etwas zu verdienen geben und während des Ausruhens vergangene Erlebnisse aufwärmen und in aller Behaglichkeit vieräugig plaudern, mit einem Worte von seinem Dasein etwas haben. Aber in der Butschen waltet immer noch die Bergfeldten.
Konnte sie denn nicht alleine kommen? was mußte sie die Fräulein Pohlenz mitbringen, die ich stets freiwillig übersehe, sobald sie mir begegnet, da ich sie drei Schritt vom Leibe am liebsten habe. Und wenn sie sich an die Butschen anklettet, muß die soviel Mumm haben, daß sie sagt: Fräulein Pohlenz, ich glaube nicht, daß Sie heute angebrachter Maaßen sind oder wie sie sonst abwinkt. Gegen gute Freunde kann man ja deutlicher sein, als gegen Fremde.
Ich durfte deshalb mein Mißfallen nicht in passende Worte kleiden, sondern mußte die Pohlenz mit übernehmen, wie sie da war: aus dem ersten Jugendtraume längst erwacht, aber immer noch sich gehabt, wie eben aus der Wiege. Und das kann ich nicht ausstehen, wer dumm geboren ist, den entschuldigt man mit der Vorsehung, die wohl ihre Gründe gehabt haben mag, aber wer sich dumm stellt, der hält Andere für noch dümmer, und das ist eine Beleidigung.
»Sie hat so'n Gieper auf die Ausstellung,« sagte die Butsch, »daß ich sie endlich mitnahm. Und als einzelnes Mädchen allein unter die Menschenmenge lassen, das kann man auch nicht gut verantworten.«
»Ich glaube, Sie bilden sich was ein, Fräulein Pohlenz,« bemerkte ich.
»Ach nein,« sagte die mit niedergeschlagenem Blick, »aber draußen im schlesischen Busch ist doch schon mancherlei passirt ...« Weiter kam sie nicht, sondern hustete den Schluß ihrer Rede.
»Fräulein Pohlenz,« entgegnete ich, »der schlesische Busch hat mit der Ausstellung keine Gemeinschaft, alle Penn- und sonstigen Brüder sind durch Drahtgitter polizeidicht abgesperrt und die vollziehende Straßengewalt sorgt zu Pferde für strengste Draußenverbleibung sämmtlicher sogenannter Elemente. Also was kann da groß an Ihnen verdorben werden?«
Sie suchte zu erröthen und hustete.
»Und aus den Schüchternheits-Jahren ist sie,« stand die Butschen mir bei. »Wenn ihr jedoch ja was geschieht, dann braucht sie blos ordentlich schreien.«
»Ganz recht,« bediente ich in derselben Farbe, »die Kraft der Schwachen liegt im Schreien«. – »Damit wehr' ich mich auch immer gegen die Mause,« sagte die Butschen.
Weil in meiner Absicht lag, den Kaffee draußen zu nehmen, bot ich den Damen ein Gläschen Maltonsherry, der ihnen derart mundete, daß sie sich zur zweiten Auflage so gut wie gar nicht nöthigen ließen, dabei einen Posten von Kokosnußmakronen, selbstgebackene Probe für den Sommerbesuch. Sie sollen billiger sein als aus Mandeln, aber ich vermuthe, die Berechnung bezieht sich mehr auf die Breitengrade, wo die Nüsse umsonst wachsen. Von Geschmack fanden sie Beifall.
»Ist Ihnen ein Krümel auf das unrechte Stimmband gerathen?« fragte ich die Pohlenz, die, wie ich wiederholt beobachtete, einen sehr aufbegehrenden Kehlkopf hatte, »oder haben Sie sich erkältet?«
»Ein ganz klein wenig,« gab sie zu.
»Da müssen Sie vorsichtig sein, vernachlässigte Erkältungen zersetzen oft die Athmungsorgane.«
»Meinen Sie?«
»Ich nicht. Aber die medicinische Wissenschaft. Mein Schwiegersohn, der Sanitätsrath, sagte vor ein paar Tagen noch, es sei ein gefährliches Lungenwetter. Wer Symptome weg hätte, bliebe am besten im Zimmer und hielte sich warm, wie lange husten Sie schon?«
Die Pohlenz wurde ängstlich und besann sich.
»So,« dachte ich, »noch ein paar Rathschläge und sie ist so vernünftig und zoppt rückwärts nach Hause; dann hätten die Butschen und ich unseren Nachmittag reizend für uns.« Eben wollt' ich von einer Frau erzählen, die sich auch nicht warm gehalten und innerhalb dreier Tage ihren trostlosen Gatten zum Wittwer gemacht hatte, als die Butschen dazwischen fuhr: »Mir sagten mal der Herr Sanitätsrath, beim Husten nur ja nicht die frische Luft abgewöhnen.«
»Bei Ihnen, halb auf dem Lande, trifft das zu,« entgegnete ich, »aber hier bei uns doch nicht.«
»Die Pohlenz wohnt ja in unserer Gegend, also muß sie an die Luft.«
»Dann wollen wir auch nicht länger zögern,« entschied ich und blickte die Butschen mit tadelndem Kopfschütteln an, das sie natürlich nicht begriff. Hätte sie sonst gesagt: »Ich halt es auch nicht für schlimm. Husten reinigt.«
Wir trabten nach dem Alexanderplatz-Bahnhof, kauften am Schalter mit dem Fahrschein gleich unsern Ausstellungseinlaßzettel und wegen des Sonnabends war ganz commodes Mitkommen auf der Stadtbahn. Sonntags wird es jedoch engbrüstiger zugehen.
Wir stiegen Bahnhof Treptow aus, gingen die Chaussee lang und näherten uns dem Haupteingange. Die Pohlenz, naiv wie immer, wollte durch das Central-Verwaltungsgebäude eindringen, indem sie es für ein Thorhaus hielt. »Meine Liebe,« belehrte ich sie: »Das Publikum theilt sich rechts und links und geht durch die Kassen-Kontrole an den Seiten. Auf dem Rückwege dürfen Sie durch die Mitte, nachdem Sie sich durch die Drehzähler gequetscht haben, die jedoch ohne Nummerwerk sind.« – Dies bewunderte die Pohlenzen sowohl, wie die Butschen, aber mich mit ihnen auf das statistische Gebiet zu begeben, schien unangebracht. Wo wenig Verstand ist, muß man ihn für wichtigere Aufgaben schonen.
Als unsere Eintrittsscheine richtig befunden waren, schlüpften wir auf das Ausstellungsgelände. Die Pohlenz wollte ihren bis dahin verhaltenen Ueberraschungsgefühlen Ausdruck verleihen, aber, da es so eingerichtet ist, daß man anfänglich nichts sieht, machte sie ein Gesicht, wie Eine die ein bischen mager zu Weihnachten bekommen hat. Die Bergfeldten war inzwischen in Ablehnungskampf mit einem von den officiellen Jünglingen gerathen, die das verbriefte Recht haben, die Tagesprogramme feil zu halten. Da die Pohlenzen sofort in dieselbe Verlegenheit gesetzt wurde, war ich neugierig, ob sich wohl eine von den Beiden so anständig zeigte, eins zu kaufen. Aber nein.
Wenn sie jedoch dachten, ich würde den Groschen in's Allgemeine Beste werfen, täuschten sie sich gründlich und deshalb winkte ich dito Schippen.
Wir gingen nun rechts die künstliche Anhöhe hinauf, die, genau besehen, eine Brücke über die elektrische Eisenbahn darstellt, und betraten nach und nach die Hauptbetrachtungswürdigkeit, die Anlagen zwischen dem Neuen See und dem Industriegebäude. »Meine Damen,« sagte ich, »sehen Sie sich erst um, wenn ich vernehmlich rufe: Nu! So verfahren gewiefte Reisende, wenn's wo schön ist.« – »Ich schiele nicht,« antwortete die Butschen, »hingegen für die Pohlenzen übernehme ich keine Garantie.« – »Woso?« begehrte die auf. – »Sie kann mit zugemachten Augenlidern um die Ecke glupen,« setzte die Butschen hinzu, »und sieht mehrstens gerade stets, was sie nicht sehen soll. Woher weiß sie sonst Alles?«
Um Zwistigkeit zu verhüten, schritt ich rasch bis zum Bismarckstandbild und machte Halt. »Schlagen Sie Ihre Sehorgane auf,« befahl ich, »und begrüßen Sie dieses Bildniß aus Erz. Hier hat Berlin seinem Ehrenbürger ein Monument gesetzt, das der Ausstellung zum Ruhm gereicht. Wo der große Mann gewirkt hat, ist noch alles zu Heil und Segen ausgefallen.« Ich wollte einige fernere Worte hinzufügen, aber ein Programm verkaufender Jüngling litt es nicht. – »Danke, wir sind schon versehen,« verscheuchte die Pohlenz ihn. Wie Eine angesichts Bismarckens so lügen kann, ist mir unbegreiflich und mindestens das Zeichen eines sehr fleckigen Charakters.
Nach etlichen Schritten rief ich: »Nu!«
Die Wirkung war, wie ich gedacht.
Die Meeresfläche, im Hintergrunde mit dem weißen Wasserthurm und dem Hauptrestaurant, vorne die Blumengefilde, die Obelisken und dazu Musik aus den Pavillons, das war wirklich wunderschön. Und dann durch einfache Umdrehung des menschlichen Körpers der Blick auf das Industriegebäude mit der Kuppel und den Thürmen, deren Aluminiumkappen in der Sonne glänzten wie nagelneue Suppentöpfe und die Orangenbäume auf dem Dache des Vorbaues, der in zwei Wandelhallen ausläuft, die das Ganze in übersichtlicher gerader Linie durchschneiden, dies wirkte verstummend auf die Beiden, die derartiges noch nie in ihrem Leben gesehen hatten. Die Pohlenz that so überwältigt, daß sie auf einen der vielen Stühle sank, die einladend an den Ufern des Sees entlang stehen.
Kaum jedoch war sie gesunken, als flugs ein Knabe nahte, der zehn Pfennige Stuhlmiethe verlangte. Sie sich gesträubt. Es half ihr aber nichts und so kaufte sie für einen Nickel Sitzgerechtigkeit, die für den ganzen Nachmittag gilt.
Dies war die Strafe dafür, daß sie kein Programm gekauft hatte, worin zu lesen steht, was per naß ist, und was Auslagen verursacht.
Als ich nun für angebracht hielt, den Kaffee zu nehmen, wollte die Pohlenz für ihre zehn Pfennige weiter sitzen, »wie Ihnen beliebt,« bemerkte ich, »aber einmal getrennt ist Wiederfinden ein Glückszufall. Kommen Sie, Butschen, wir gehen in's Café Bauer.«
Dieses erreichten wir unangefochten und nachdem wir einen Tisch mit bester Mitten-Aussicht gefunden hatten, bestellten wir dreimal Melange, wir nennen es sonst Kaffee mit Milch, aber die Oesterreicher kennen es nicht anders und den Dreibund-Gebräuchen muß man sich fügen.
Der Kellner brachte das Verlangte. »Auch Gebäck gefällig?« fragte er und stellte einen Korb mit feiner Backwaare auf den Tisch.
»Nee,« rief die Butschen, »nehmen Sie den man wieder mit. Wir haben selber.« Und ehe ich mich von meinem Schreck erholen konnte, sagte sie zur Pohlenz: »Nu man heraus mit den Gesangbüchern, ich hab' Hunger.«
Die Pohlenz denn auch ihre Handtasche aufgemacht und einen Packen Klappstullen hervorgeholt, als wäre Hungersnoth in Sicht. »Wollen Sie mit Wurst oder mit Käse?« bot die Pohlenz mir an. – Ich dankte. – »Es ist delinquente Schlackwurst und prachtvoll durcher Ramadour.« – »Danke,« lehnte ich nochmals ab, »den hab' ich bereits gerochen.«
War dies glaublich? In dem feinen Café, wo die Kellner herumlaufen wie die Ballherren während der Tanzpausen und der Zählkellner es mit jedem Bräutigam aus der höchsten Noblesse aufnimmt, entblödeten die beiden Weiber sich nicht, den Eßkober zu entfalten, als machten sie eine Landpartie nach der Wuhlheide. Und die spietschen Physiognomieen von den Wienern. Und meine Angst, daß Bekannte kämen. Ich fürchte doch, die Butschen wird in der Weißbierstube ihres Mannes nach und nach gemischt. Von der Pohlenz sage ich nur: Kein Mensch kann über seinen Horizont.
Ich zahlte ohne Ansehung des Kellners und that, als ob ich die Bemerkung der Pohlenz über die kleinen Tassen garnicht hörte. Ob sie Trinkgeld gegeben haben, weiß ich nicht, mir war blos, als ob das »Hab' die Ehr'!« den Beiklang eines Hinauscompliments hatte.
Die Butschen wollte hierauf in das Hauptgebäude, was mir jedoch insofern nicht recht war, als meines Karls Aufbau noch der letzten Krönung mit dem Adler aus echtschwarzen Socken ermangelte, allein, was vermochte ich gegen zwei Stimmen, da die Pohlenz auf der Butschen Seite stand, innig durch die Klappstullen verschwestert? Ich folgte willenlos.
Vor dem Portal blieb die Butschen stehen. »Herrjeh,« rief sie, »das ist ja eine ganze neue Mode: da raucht Einer aus zwei Cigarrenspitzen auf einmal.« – »Wo denn?« – »Da über dem Thürbogen der Kopp.«
»Nein,« erwiderte ich, nachdem ich das Bildhauerische ergründet hatte, »das bezieht sich nicht auf Tabak, das ist der Ruhm, der bläst auf der sogenannten Fama, wie die Trompeten im Alterthum hießen.« – »Da gehört aber eine tüchtige Puste dazu,« sagte die Pohlenz. – »In früheren Zeiten waren die Lungen kräftiger,« gab ich ihr zu verstehen, »aber man schonte sich auch mehr bei Erkältungen und blieb zu Hause.«
Wir traten ein, in der Vorhalle den Löwenbrunnen zu besichtigen, wobei wir von einem Blumenmädchen anmuthig unterbrochen wurden. Sie war weiß gekleidet mit einer Achselschleife in den deutschen Farben, hatte aber kein Glück mit uns. Auch einer schwarz gekleideten erging es ebenso. Eine dritte, die dies sah, wagte sich nicht erst heran. Mir war auch nicht blumenkauferig.
Mein Karl hält abgeschnittenen Blumenhandel ebenfalls für unnöthig. Warum? Man ist eben aus den sogenannten Galanteriejahren heraus.
Die Pohlenzen strebte vorwärts: sie hätte so viel von dem Deckengemälde in der Kuppelhalle gelesen, das müßte sie betrachten. »Gewiß,« willigte ich ein, »Gemälde bilden.« – »Man sagt ja auch, Kinder wie die Bilder,« setzte die Butschen hinzu. Was sie damit meinte, war mir unerfindlich und wird wohl für immer räthselhaft bleiben, denn, gerade als ich nachfragen wollte, stieß die Pohlenz einen Mordsschrei aus und legte ihre linke Baumwollen-Handschuhhand wie eine Scheuklappe an die Stirn.
»Was ist Ihnen?« fragte ich besorgt. – »Haben Sie sich den Fuß verknaxt?« fragte die Butschen. – »Nein, nein,« ächzte die Pohlenz, »Gott nein. Nein, nein, ich kann das nicht sehen ...« – »Was nicht?« – »O nein ... nein ... die Puppen.« – »Was für ...« – Wir hielten nun auch einen Rundblick und entdeckten an einer Ecke der Halle ein paar Museumsriesen in der bekannten klassischen Auffassung, bei der das Stoffliche vernachlässigt wird, weil doch die Marmorfiguren aus dem sonnigen Griechenland entspringen und es im Alterthum keine Confectionsgeschäfte gab. Aber wegen der Größe und der Fleischfarbigkeit mochte die Pohlenz sie wohl für lebendig gehalten haben und gedacht, sie thäten ihr was.
»Es sind ja nur gipserne,« suchte die Butschen sie zu beschwichtigen. – »Nein, nein,« blieb die Pohlenz bei, »ich kann so was nicht sehen.« – »Denn kommen Sie man raus,« griff ich ein, »draußen sind die Blümelein und die rauschenden Gewässer und was sonst unerröthend ist. Für Kunst sind Sie noch nicht reif, die hat das Unbekleidete einmal so an sich. Oder wollen Sie nach den Wilden?«
»Nein ... nein. Aber nach den Marineschauspielen will ich, dazu hab' ich ein Freibillet.« – »Wie kommen Sie dabei?« Sie stach sich noch röther an, und lispelte kaum verstehbar: »Geschenkt.«
Ich drang nicht weiter in ihre maritimen Verhältnisse, sondern war froh, daß wir um die aus Strikegründen unvollendete Ausstellung meines Karls herum kamen, und fragte: »Wann ist denn der Zauber?« – »Das weiß ich nicht genau, es steht wohl irgendwo zu lesen.« – »Freilich in dem Programm.« – »Haben Sie eins?« – »Nein.« – »Sie auch nicht, Frau Butschen?« – »Ih, wo werd' ich! ... Aber ich kann ja mal den Kaffee-Kellner fragen.«
Sie hin. Der Frackmensch sie mit ziemlicher Obenherabheit betrachtet, aber doch höflich geantwortet, sie müßte sich wohl irren, von Marineschauspielen wüßte er nur, daß sie vor längerer Zeit bei Kiel stattgefunden hätten. Ob sie vielleicht die Fischerei-Ausstellung meinte, die wäre bitte jenseits am diesseitigen Ufer der Spree gelegen.
»Wir werden es schon finden,« sagte die Pohlenz. »Mir recht,« entgegnete ich. – Bei dem Durchwandeln des Parkes konnte ich wundervoll feststellen, wie angestrengt in den letzten Tagen gearbeitet worden war und wie die Ausstellung immer completer und schöner wurde. Es will eben alles seine Zeit haben, selbst der simpelste Hefenteig.
Schritt vor Schritt gab es etwas zu betrachten, eine von uns Dreien blieb immer irgendwo hängen und war nicht mit zu kriegen und, als wir glücklich bei den Marineschauspielen anlangten, war die Vorstellung justement vorbei.
Die Pohlenz, nun beleidigt gethan und vorgeworfen, wir, als die Butschen und ich, hätten absichtlich gebummelt, damit sie zu spät käme und so wie ich hätte mich gerühmt, Bescheid zu wissen und das schiene doch nur sehr plundrig. Grade ihrem Husten hätte die Marine-Seeluft gut gethan. Aber man gönnte ihr nichts Gutes. In denselben Ton verfallen war meinerseits nicht, obgleich sie es war, die am meisten stehen blieb und überall hineinwollte, wo noch garnicht eröffnet wurde. Hocharistokratisch entgegnete ich daher: »Mein Fräulein, die Ausstellung ist zu groß, als daß sie auf ein- oder zweimal in den menschlichen Geist geht. Schuld allein ist die Gnietschigkeit, sich kein Programm zuzulegen.« – Das könnten Andere sich nicht minder zuziehen, schnatterte sie gegen in ihrer sticheligen Manier und bewies dadurch wieder, wie sehr es ihr zwei Finger hoch über der Nase fehlt.
Mir fiel sofort plötzlich ein, daß ich meinem Karl versprochen hatte, rechtzeitig wieder zu Hause zu sein, und, indem ich zur Butsch sagte: »Sie bleiben wohl noch,« machte ich eine absichtlich gelenkarme Verbeugung, woran die Pohlenz etwas zum Nachdenken hat, und verabschiedete mich. Mir war klar geworden, daß es bei Ausstellungen doch sehr auf die Gesellschaft ankommt, mit der man sie besucht.