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Und jetzt, Mütterchen Leipä», sagte Dr. Mancipéus, nachdem er den Jungen nochmals auskultiert hatte, «wenn du deinen Loulu gesund haben willst, so schick ihn nach dem Süden. Hier in Oulu ist der Winter zu hart für ihn. Ich stehe für nichts, wenn er bleibt. Sieh ihn doch nur einmal an, man kann ja alle Rippen an ihm zählen! Was haben wir jetzt? Mitte August. In ein paar Wochen kann es schneien. Also! Verstanden?»
Leipä und Loulu sahen bei diesem Bescheid über die Maßen erbärmlich drein; es war, als ob ihre Augen plötzlich erloschen, wie die eines sterbenden Hasen.
«Du lieber Gott», murmelte die Alte, «wo sollen wir das Geld hernehmen! Tampere ist weit.»
«Von Tampere ist gar nicht die Rede!» rief der Doktor ärgerlich. «Nur keine halben Maßregeln! Zwischen Oulu und Tampere wollte ich nicht die Hand umkehren. Wenn er schon einmal nach dem Süden muß, dann gleich recht. Turku oder Hämeenlinna ist das wenigste. Aber auch das ist noch nichts. Wenn ich ‹Süden› sage, so meine ich Helsinki oder Viipuri oder noch besser Pietari (Petersburg). Ich hätte sogar am liebsten Moskova (Moskau) vorgeschlagen, allein Pietari tuts am Ende auch. So! hier sind zehn finnische Mark; wäre ich reich, so gäb ich euch mehr, ihr müßt schon zusehen, wo ihr das übrige bekommt, und gute Leute gibt es ja in Finnland überall.» Damit war die Konsultation zu Ende, und die beiden schlichen betrübt auf die Straße.
Auf dem Marktplatz setzten sie sich auf einen Balken, in der Hoffnung, es möchten Menschen herbeikommen und mit den Menschen ein Gedanke. Gegenüber, an der Kirche, war ein Zimmermann damit beschäftigt, dem bedenklich windschiefen Holzturm eine Gabelstange unterzuschieben, wie man in der Schweiz einen Apfelbaum stützt. Nach einer Weile machte er eine Pause, setzte sich auf das andere Ende des Balkens, zog ein Stück Speck hervor und verzehrte es langsam und bedächtig.
«Warum so traurig?» fing er endlich an, nachdem er den Speck vollständig bewältigt und das Messer an seinem Rock abgewischt hatte. Die Alte klagte ihm umständlich ihr Leid, wie das Heu nichts mehr gälte und die Lachse im Preise fielen, so daß sie nicht wisse, wo aus und ein, und dann noch die Krankheit ihres Loulu und die Apothekerrechnung, und jetzt sollten sie gar noch in den Süden, nach Pietari. Du lieber Himmel, woher sie das Geld nähmen!
Während ihrer Rede hatte der Zimmermann seine Pfeife ausgeklopft und ausgestopft, und als sie fertig war, qualmte er ein Viertelstündchen dicke Rauchwolken in die Luft, wobei er mit den Händen auf dem Balken trommelte. «Wißt ihr was?» knurrte er endlich in gutmütigem Ton, «machts wie der Peter Kuski von Aavasaksa: schmiert euch mit Tran ein und schließt euch an eine Samojedenbande, so kommt ihr umsonst nach Pietari, und wenn ihrs nicht zu dumm anstellt, gibt euch der Kaiser noch einen Orden für Kunst und Wissenschaft. Geht nur hinüber zum Bürgermeister Henrik Gryneus in der Gustav-Vasa-Straße; er ist ein sanfter Mann, er wird euch schon eine Empfehlung geben.» Nach diesen Worten humpelte er wieder an die Arbeit.
«Was meinst du dazu, Loulu?» fragte Leipä mißtrauisch. Loulu hing sehr am Leben, einmal aus natürlichen Gründen, zum andern, weil er in die schöne Kati, die Tochter des reichen Fischhändlers Missämaksaa, verhebt war. Hoffnungslos natürlich, denn neben der Armut Loulus diente noch seine kränkliche Erscheinung zu seiner Verachtung in den Augen der Kati, denn Naturvölker schwärmen nicht für blasse Liebhaber. Indem wir aber sagen ‹hoffhungslos›, meinen wir nicht, daß Loulu selbst jede Hoffnung aufgegeben hätte, im Gegenteil. Jeden Morgen, wenn er aufwachte, nachdem er im Traume Kati geheiratet hatte und mit ihr durch den Tannenwald auf den Markt gefahren war, den Ellbogen auf ihre Schulter gelegt, das rote, fette, runde Gotländerrößchen lustig auf der steinharten, mit Granit gefütterten Straße trippelnd und der Wagen voll himmelhoch springender Lachse, alle mit rosafarbenen Schuppen und goldenen Mäulern, meinte er, es müsse sein. Sie war es ja doch selbst gewesen, wie sie leibte und lebte, mit ihren großen Augen, und erzählt hatte sie es ihm mit eigenem Munde, wie sie sich nur verstellt hätte und ihn immer gern gesehen und wie er doch, das müsse er selbst gestehen, dumm gewesen sei, es nicht zu merken, er hätte sie nur keck um den Hals fassen sollen und sagen: «Meine Kati». Dann nahm er entschlossen das Ruder und strich über den See, im Herzen noch immer verheiratet, die Traumfarben in den Augen und den Wacholderduft aus dem Tannenwalde in der Nase. Freilich wußte er, daß es nur ein Traum war, aber sie mußte es ihm jedenfalls ansehen, was sie miteinander im Traume durchlebt und daß sie verheiratet zusammen auf den Markt gefahren, und er werde es machen, wie es ihm der Traum geraten, und sie keck um den Hals fassen. Sobald er jedoch Kati selbst sah, schnitt sie ihm ein so verächtliches Gesicht und knurrte so grimmig, wenn er die Hand vorsichtig ihren Schultern näherte, daß er den ganzen Tag nichts essen konnte. Am Abend wurde er endlich vernünftig, schlug sich die Kati aus dem Sinn, lachte und aß; da kam des Nachts wieder ein Traum, und am Morgen fing seine Hoffnung und sein Leid von vorne an. Die Aussicht, in Pietari gesund und stark und schön zu werden, vielleicht auch reich, und einen Orden vom Kaiser zu bekommen, was der Kati nicht wenig in die Augen stechen würde, siegte über die Bedenken, welche in seinem reinlichen Gewissen aufstiegen.
«Ja», sagte er trocken. Und damit gingen sie in die Gustav-Vasa-Straße, zu Henrik Grynéus.
Henrik Grynéus war nichts weniger als ein sanfter Mann, sondern vielmehr ein Hitzkopf. Der Zimmermann meinte das ‹sanft› ironisch. «Kreuz in allen Tagen!» rief der Bürgermeister entrüstet, als sie ihm ihr Anliegen vorgebracht hatten, «was seid ihr für alberne Leute! Und der Zimmermann täte auch besser daran, seiner Arbeit nachzugehen, als einfältige Leute zu nichtsnutzigen Streichen verführen zu wollen. Es ist schon genug, daß er selbst ein fauler Strick ist. Das hat er von den Russen, die haben ihn verdorben; bevor er im Lager von Tavastehüss arbeitete, war er ein nüchterner und brauchbarer Kerl. Herre Gü (Gott)! Ihr seid doch keine Samojeden! Und wenn ihr keine seid, so könnt ihr euch auch nicht für solche ausgeben. Ihr müßtet ja lügen. Tammefan! Hol mich der Teufel! wenn jetzt gar die Finnländer anfangen zu lügen, wo soll die Wahrheit noch ein Plätzchen auf der Welt finden! Muß euer Loulu draufgehen, so tut ers, Kreuz in allen Tagen, als ehrlicher Kerl! Übrigens ist es noch lange nicht an dem, Dr. Mancipéus hat schon andere Dummheiten mehr gesagt.»
Mit einem kleinlauten «Kiitoksia. Ich danke» drückten sich die Bittsteller beschämt aus dem Zimmer, und damit wäre die Sache erledigt gewesen, wenn nicht Henrik Grynéus das Bedürfnis gefühlt hätte, abends beim Gouverneur den Vorfall als Beweis finnischer Naivität zu erzählen.
Der Gouverneur Timofej Timofejewitsch war ein junger Russe aus vornehmer Familie, welcher unlängst abgemattet und abgelebt aus dem Auslande zurückgekehrt war und bei seiner Heimkunft den entlegenen, trostlosen Posten in Uleåborg nicht verschmäht hatte, da er hoffte, sich durch dieses Opfer eine rasche Beförderung zu verdienen; auch sehnte er sich in einem Anfall von Zerknirschung, welche nicht sowohl auf Reue als auf Ekel beruhte, zur Erholung von den großstädtischen Genüssen irgendwo in die größte Einsamkeit weg, je weiter, desto lieber. So war er denn, von allerlei abenteuerlichen Erwartungen auf eine von außen an ihn herantretende Gesundung und Besserung erfüllt, eines Tages in Uleåborg erschienen, mit einem wahren Galgenhumor ausgerüstet, zu keinem ernsten Geschäft aufgelegt, aber zu jedem unnützen Streich bereit. In der Erzählung des Bürgermeisters witterte er sogleich den Keim zu einem jener ‹köstlichen Späße›, wie er sie so oft in Dresden mit verbummelten Offizieren und in Paris mit verdummten Diplomaten ausgesonnen hatte. Dem Publikum, der Polizei und vor allem den Gelehrten von Petersburg einen Possen zu spielen, ihnen biedere, kreuzbrave Finnen lutherischer Konfession, welche den Schul- und Konfirmationsunterricht genossen hatten, zwei Sprachen grammatisch richtig verstanden und besser schreiben und rechnen konnten als mancher russische Kaufmann, als Samojeden zuzuschicken, das erschien ihm als der Gipfel des Humors und des Geistes, als ein ‹unbezahlbarer Einfall›, zu dessen Ausführung er denn auch mit all jenem beharrlichen Eifer schritt, den blasierte Weltleute für müßiges Zeug übrig zu haben pflegen. Zunächst trieb er Henrik Grynéus mit juristischen Sophismen in die Enge. Es sei noch eine große Frage, meinte er, ob der Samojedismus eine ethnographische oder nicht vielmehr eine politische Qualität bedeute. Wenn zum Beispiel morgen Loulu zum samojedischen Ehrenbürger ernannt würde, was dann? Hätte er dann nicht so gut wie ein anderer das Recht, sich einen Samojeden zu nennen? Das sei eine höchst interessante Kontroverse von prinzipieller Bedeutung, ja möglicherweise unter Umständen sogar von praktischer Wichtigkeit, wie sich das zum Beispiel in dem Streit um die Auslieferung des Prinzen Napoleon im Jahre 1838 gezeigt habe, wo es bei einem ähnlichen Anlaß beinahe zum Krieg zwischen Frankreich und der Schweiz gekommen wäre. Übrigens gelte es hier einen humanen Zweck, so daß er als Gouverneur die Sache nicht so gleichgültig auf sich beruhen lassen könne; es handle sich um seine Amtspflicht, und er werde daher die Angelegenheit in die Hand nehmen.
In der Dialektik sind die Russen den Finnen und Schweden und auch noch andern Völkern weit über, zudem verstand Timofej Timofejewitsch, einen so unbändigen Sacheifer zu heucheln, und sah dabei so würdevoll und vornehm aus, daß der gute Henrik Grynéus ganz verdutzt dasaß; wenig fehlte, so hätte er wegen seiner Pflichtversäumnis um Entschuldigung gebeten.
Am andern Morgen schon schritt der Gouverneur an die Arbeit, indem er an den Polizeipristaf von Tundra-Kaupunki an der samojedischen Küste schrieb, um einen Geburtsschein zu verlangen, die Namen werde er schon selbst ausfüllen, das sei seine Sache und Verantwortlichkeit. In der Zwischenzeit, bis das Dokument anlangte, verschaffte er sich mit Geld und groben Worten das nötigste Mobiliar, vor allem ein Dutzend Rentiere und zwei Schlitten nebst Pelzen, Lebertran, Heringen und samojedischen Nationalkostümen; das hielt vom Generalquartier in Uleåborg aus nicht schwer, und nötigenfalls nahm Timofej Timofejewitsch auch mit lappländischen oder gar schwedischen Abzeichen vorlieb; denn in ethnographischen Dingen huldigte er dem Grundsatz: Kraut wie Rüben. Nachdem er dann endlich den Heimatschein erlangt hatte, ging er an die Bearbeitung der Opfer. Mit seiner Galauniform bekleidet, umgeben von einigen Offizieren, die er ins Vertrauen gezogen hatte und denen der Gedanke, die Deutschen von Petersburg zu foppen, gar sehr behagte, beschied er Leipä und Loulu in sein Audienzzimmer, wo er ihnen nun den Heimatschein mit einer langen, feierlichen Rede überreichte. Sie sollten von nun an ihrem neuen engern Vaterlande treu sein, ihre Mitbürger, die Samojeden herzlich lieben und die heimatlichen Sitten und Gebräuche heilig halten; selbst die kleinsten Nationaleigentümlichkeiten seien einem guten Bürger ehrwürdig, so daß sie jetzt statt Wasser Lebertran verwenden müßten und den Heringen und Rentieren dieselbe Sorgfalt angedeihen lassen wie ehedem den Lachsen und Kühen. «Wollt ihr das?» schloß er, «versprecht ihr mir das?»
Die beiden versprachen es, mit Tränen der Rührung in den Augen. «Aber was fressen und trinken die Rentiere?» murmelte Leipä.
«Dumme Gans, was werden sie fressen? Was jedes Vieh frißt: Hafer, Fleisch und Brot und am Sonntag etwas Kuchen, und was das Trinken betrifft, so gebt ihnen nur herzhaft Branntwein, denn Branntwein weist kein lebendiges Wesen zurück.»
«Und die Samojeden, was für eine Sprache reden sie?» «Sagt am liebsten gar nichts, das ist das Gescheiteste, denn etwas anderes als Dummheiten wißt ihr doch nicht zu sprechen. Schüttelt nur immer den Kopf, wenn jemand euch etwas fragt, und wenn es zu lange währt, so ruft ‹Paidi k'tschortu! Geh zum Teufel!›». «Paiti zartu», stammelte Leipä, um es ja nicht zu vergessen.
Dann ließ er ihnen das Handwerk einexerzieren, und als Ende September der erste Schnee fiel, hielt er Generalprobe vor seinem Palast auf dem Marktplatz. Damit die Rentiere nicht davonlaufen konnten, hatte er an die vier Straßenecken je ein Peloton Soldaten kommandiert, welche mit untadelhafter Miene dastanden, wie zur Parade; denn der russische Soldat versteht es gleich einem gutgeschulten Hausdiener, die abenteuerlichsten Launen seiner Vorgesetzten mit unerschütterlichem Respekt mit anzuschauen. Rings im Kreise, vor den Soldaten, war eine große Zahl Neugieriger versammelt, das halbe Städtchen; die Finnen standen mit ausdruckslosen Gesichtern, denen man kaum die Verwunderung ablesen konnte, im Vordergrunde, die Schweden hielten sich mehr zurück, um ihre wenig schmeichelhaften Bemerkungen über den Gouverneur und über die Russen im allgemeinen ungestörter austauschen zu können.
Unsäglich erbärmlich aber schauten die Opfer drein, die vor dem Hause des Gouverneurs in den Schlitten saßen, jeder eine ungeheure, aber leichte Stange haltend, welche vorn in einen Knopf auslief, während die Rentiere mit demütigen Mienen ihre Köpfe auf den Boden hängen ließen wie ausgediente Droschkengäule, die Kühe paarweise angespannt, vorn der Bock mit seinem verkrüppelten und verknüppelten Riesengeweih. Längst hatte die guten Leute ihr Entschluß gereut, namentlich Leipä, seitdem sie verhindert worden war, sich zu waschen und die Bibel zu lesen. Heute aber, vor ihren versammelten Landsleuten, schämte sie sich ihrer Rolle in die Seele hinein, und als Loulu vollends Kati unter den Zuschauern erblickte, überfielen ihn zu dem übrigen Elend noch die Gefühle des Abschieds, des Heimwehs und des Liebesschmerzes, so daß er plötzlich laut zu heulen anfing wie ein Seehund. In diesem Augenblick erschien der Gouverneur. «Ich bitt euch!» rief er mit seiner lautesten Stimme, «ihr seht ja aus, als ob man euch nach Sibirien schicken wollte. Du, Leipä, ist jedes Gefühl der Mutterliebe in dir erstorben, daß du dich nicht freust, deinem Sohne die Gesundheit wieder verschaffen zu dürfen? Und du, Loulu, schlägt kein männliches Herz in deiner Brust? Pulsiert dein Blut nicht schneller bei dem Gedanken, aus einem Schwächling ein ganzer Kerl zu werden, tauglich, seinem Kaiser und seinem Vaterlande zu dienen? Paßt jetzt auf! Wenn ihr vorwärts wollt, so braucht ihr nur zu rufen: ‹Hai! gsgs!› das ist nämlich die Sprache der Rentiere, denn ‹hü› und ‹nu› und ‹brrr›, wie das rechtgläubige Vieh, verstehen sie nicht. Wollt ihr links, so stupft ihr mit der Stange den Bock am rechten Hinterbein, wollt ihr rechts, am linken. Vorwärts marsch! Hai! gsgs!» Und vorwärts, wie vom Sturm getrieben, fegten die Rentiere bei diesem Laute in trippelndem Hundegalopp über den Schnee, wobei ihre Gelenke ein Knistern hören ließen, als wären sie mit elektrischen Batterien geladen.
Auch diese Prüfung ging vorüber; übrigens wendete jetzt Timofej Timofejewitsch seine Tätigkeit nach einer andern Richtung. Die Expedition schien ihm nämlich zu klein, vor allem gehörten Kinder dazu, um ihr einen familiären Charakter zu leihen. Mehrere Tage indessen scheiterten seine Bemühungen, da niemand seine Kinder hergeben mochte, bis er endlich ein armes, von Tür zu Tür wanderndes Waisenmädchen von vierzehn Jahren fand, welches neben ihren eigenen Sorgen noch ein kleines dreijähriges Schwesterchen zu verpflegen hatte. Tukka hieß sie, und ein kluges, folgsames Mädchen war sie immer gewesen, so sehr, daß sie dem Schullehrer zum Muster und Exempel für die andern diente. Tukka war gleich bereit, denn schlimmer konnte es doch nicht kommen, und der Gouverneur legte ihr so viel bares Geld in die Hand, wie sie noch nie zusammen gesehen hatte.
An einem andern Orte aber erlitt der Gouverneur eine für seinen Eigensinn höchst empfindliche Niederlage. Als er nämlich am nächsten Sonntag den finnischen Pastor im schwarzen Talar und hohen Kanonenstiefeln bedächtig zur Kirche wackeln sah, setzte er sichs plötzlich in den Kopf, der müsse mit; ein wahrer Jubel erfüllte ihn bei diesem Gedanken, und schon am Nachmittag begann er, den Pastor zu bearbeiten, mit einer punischen Verschlagenheit und einer Verschwendung der Worte ‹Pflicht› und ‹Gewissen›, welche eines besseren Zweckes würdig gewesen wären. Aber der Pastor, obschon er keinen Gegengrund in seinem Gehirn auszuarbeiten verstand und immer verlegener dreinschaute, als ob er nachgäbe, wurde jedesmal, sobald der Gouverneur geendet hatte, krebsrot vor Zorn und stieß ein kurzes «I» (Nein) hervor. Dabei blieb es. Und so auch die folgenden Tage. Wohl brachte es Timofej Timofejewitsch dahin, daß der brave Pastor vor Aufregung und Bestürzung über die hartnäckigen Anfechtungen sich krank zu Bett legen mußte, aber etwas anderes als «I» war trotzdem nicht aus ihm herauszubringen. Schließlich machte der schwedische Pastor Adolf Procopéus dem Handel ein Ende, indem er den Gouverneur aufsuchte und ihm bündig erklärte, falls es ihm einfiele, seinen ehrwürdigen Kollegen noch länger mit solchen einfältigen, dummen und gewissenlosen Narrenpossen belästigen zu wollen, so werde er die Sache an der Tagsatzung in Helsingfors vorbringen. Das half.
Aber der Ärger darüber surrte in dem Kopfe Timofej Timofejewitsch nach, und irgendeinen Ersatz für den Pastor mußte er haben. Eines Abends, als ihm Iwan, sein Leibkosak, ein prächtiger, baumlanger Kerl mit offenem, ehrlichem Gesicht und großen, braunen, melancholischen Augen, die Stiefel auszog, fuhr er ihn plötzlich mit barscher Stimme an: «Iwan! Kannst du lügen?» «Erbarmen Sie sich, Exzellenz, ich bin kein Lutheraner, sondern ein orthodoxer Christ, ich werde doch nicht lügen.» «Aber wenn ich dir dafür einen Rubel gebe, kannst du dann lügen?» «So viel Sie befehlen, Exzellenz.» «Und wenn ich dir zehn Rubel verspreche? Und wenn ich dir hundert Rubel verspreche?» Der Kosak wurde beinahe ohnmächtig vor Freuden, Timofej Timofejewitsch aber fing jetzt mit veränderter, freundlicher Stimme von vorne an: «So, jetzt sage mir die Wahrheit, kannst du lügen?» Iwan hatte endlich begriffen, und mit einem Tone, aus welchem die heiligste Überzeugung klang, antwortete er fest und klar: «Was das Lügen betrifft, Exzellenz, so darf ich wohl ohne Überhebung sagen, daß von Kijew bis Odessa es kein Rechtgläubiger mit mir aufnimmt.» «Gott sei Dank!» rief Timofej Timofejewitsch mit einem Stoßseufzer der Erleichterung, «es hat aber lange gedauert! Aber ein Hundesohn bist du im Grunde doch, Iwan, oder ist es nicht so?» «Pünktlich wie Sie sagen, Exzellenz.» «Nun gut, du bist ein gescheiter Kerl, mit dem etwas anzufangen ist, und im ganzen auch ein braver, ehrlicher Bursch, einiges Stehlen abgerechnet.» «Nun, ein ganz klein bißchen stehlen –» «Schweig, Durak (Narr)! und paß auf, was ich dir sage. Du weißt, was für ein dummes Volk die Tschuchny (Finnen) sind.» «Erbarmen Sie sich, Exzellenz, wie sollte ich das nicht wissen?» «Und wenn es auch eben nicht schade um sie wäre, so habe ich sie doch auf dem Gewissen. Also: allein kann ich die Bande nicht nach Pitjerburch ziehen lassen, weiß Gott, was für Dummheiten sie dort anstellten, und der erste beste Halunke würde sie bestehlen. Du sollst sie begleiten und dich ihrer in allem annehmen, höflich und freundlich, sage ich dir, oder –» «Einfach wie ein Vater.» «Ein sauberer Vater! aber meinetwegen wie ein Vater – und sie aus der Verlegenheit ziehen und für sie lügen, wo es nötig ist, hörst du?» «Ich gehorche, ss Diesen Buchstaben, Abkürzung von Ssudarj (Herr), flicht der gemeine Russe aus Höflichkeit in seine Rede ein.» «Die Leute können ja nicht reden. Also wenn zum Beispiel ein Budotschnik Budenmännchen, Spottname für Polizeidiener, weil sie in Buden auf der Strasse wohnen. kommt und die Leute abfassen will und behauptet, sie seien keine Samojeden, sondern Betrüger, was wirst du dann tun?» «Ich werde bei meinem guten gnädigen Kaiser und bei der heiligen Mutter von Kasan schwören, daß ich sie selbst aus Samojedien geholt habe, in dem Augenblick, als sie eben einen Walfisch zur Eisbärenjagd dressierten. Und eine Schilderung ihrer Sitten und Gebräuche werde ich machen und eine Beschreibung der Gegend, wie es in Samojedien schön ist. Alles voll Wassermelonen, sage ich Ihnen, man braucht sich nur zu bücken.»
«Durak! kalt ist es in Samojedien, und von Wassermelonen ist dort nicht die Rede. Überhaupt schwatz nicht zu viel und übertreibe nichts, denn in Pitjerburch gibt es ausnahmsweise auch etwa einen klugen Kerl. Kurz, ich verlasse mich auf deinen gesunden Russenverstand, und wenn du deine Sachen gut machst, soll dichs nicht gereuen; hier sind für den Anfang die versprochenen hundert Rubel.» «Überaus danke ich Ihnen, Exzellenz.» «Schon gut, geh jetzt und schnüre deinen Bündel, denn morgen früh um neun Uhr geht das Schiff ab; hörst du?» «Ich gehorche, ss.»
In Petersburg wurde die Ankunft einer Samojedenfamilie von groß und klein, besonders aber von der männlichen Schuljugend mit Jubel begrüßt. Um drei Uhr nachmittags, wenn die Schule zu Ende war (der Unterricht wird fortlaufend von neun bis drei Uhr mit bloß einstündiger Unterbrechung erteilt), eilte das junge Volk von allen Seiten der Stadt über den Admiralitätsplatz an die Newa, stieg die Granittreppen hinunter, schritt im Gänsemarsch dem Fußweg nach, welcher durch das Gletscherlabyrinth von Eisblöcken führte, bis zu dem gebahnten, mit einem Seil eingefriedeten Platze, wo die rauchende Zelthütte stand. Dort zahlte jeder an Iwan, der den Kassier und Karawanenführer spielte, seine zwanzig Kopeken und ließ sich von Loulu kutschieren, zweimal im Kreise herum; wer eine erneute Rundfahrt begehrte, mußte nochmals bezahlen, wie im Karussell. Vor dem Weggehen zog jeder die Leinwandtür des Zeltes an einem Zipfel und wagte mit Schaudern und Selbstüberwindung einen raschen Blick ins Innere, denn das war gratis. Doch war da nicht soviel Interessantes zu sehen, wie man erwartet hatte, nichts als ein qualmendes Feuer, dahinter ein mürrisches altes Weib und ein artiges Mädchen, das immerfort vor sich hin sang und ein kleines Geschöpfchen auf den Knien schaukelte. Auf etwaige Fragen erfolgte stummes abwehrendes Kopfnicken, so daß die wißbegierigen Jungen öfters in heftigen Streit darüber gerieten, was die Leute wohl unter sich sprechen würden, wenn sie sprächen.
Auch die Erwachsenen nahmen an dem Vergnügen teil, die Gebildeten aus den glückstrahlenden Augen ihrer Jungen, das Volk aus seinem eigenen naiven Kinderherzen. Finnen kamen in großer Zahl, brachten aber einen so felsenfesten Glauben an die Ehrlichkeit aller Menschen mit, daß es keinem einfiel, in den künstlich geschwärzten und geölten Ungetümen ihre Landsleute zu vermuten. Überhaupt wurde über die Echtheit der Familie nicht nachgegrübelt; die Polizei begnügte sich mit dem Passe und dem Empfehlungsschreiben des Gouverneurs von Uleåborg, das Publikum nahm die Rentiere für einen Heimatschein. An einzelnen spöttischen Zweiflern fehlte es freilich nicht, die mit höhnischen Reden die Vermutung laut aussprachen, daß man es mit ganz gemeinen Tschuchny zu tun habe; allein das hatte weiter nichts auf sich, als daß sich die Zweifler ihres überlegenen Verstandes freuten; denn obschon die Insassen bei diesen Reden, die sie halb verstanden und zur andern Hälfte errieten, auf den Tod erschraken, schützte sie ihr hölzernes, apathisches Finnengesicht davor, daß ihre Bestürzung sichtbar wurde. Iwans handfeste Lügen aber erweckten das sympathische Lachen aller Umstehenden.
Mit Loulus Gesundheit ging es in der Tat gleich von Anfang an zusehends besser, ob nun gerade wegen des südlichen Klimas, wollen wir nicht entscheiden. Vielleicht übte der beständige Aufenthalt im Freien, die reichliche Kost (denn die ewig gefüllte Kasse im Verein mit den unzähligen Geschenken erlaubte ein wahres Wohlleben) und die Abwesenheit der bösen Kati, deren Anblick ihm zu Hause täglich das Herz verzehrt hatte, einen günstigen Einfluß. Welches übrigens die Ursache sein mochte, Loulus Wangen wurden allmählich dick und rot, und seine trübseligen Augen fingen an, mutwillige Blicke auszusenden. Das scheue Erstaunen, mit welchem er zuerst die prächtigen Paläste zu beiden Seiten des Newagletschers angestaunt hatte, verwandelte sich in großstädtisches Bewußtsein, und wenn er am Abend die endlose Feuersternenallee der Gaslaternen schaute, die sich an den Ufern nach ungeheuren Fernen erstreckte und zuletzt in ein unbestimmtes Meer von Glanz und Schimmer mit den Himmelssternen zusammenfloß, dann dachte er nur mit verächtlichem Lächeln, als ob er schon ein Petersburger geworden wäre, an das dunkle, trübselige Oulu, eine Verachtung, von welcher selbst auf Kati ein kleines Teilchen abfiel. Und wie still war es bei all dem märchenhaften Glanze in der mächtigen Hauptstadt! Finstere Nacht bedeckte die Mitte der Newa, und aus der Nacht schauten die labyrinthischen Gebilde der Eisblöcke gespenstig wie weiße Gräber hervor, ein Leichenfeld Ezechiels, welches man alle Augenblicke glaubte lebendig werden zu sehen. So meinte die bibelfeste Leipä. Gegen die Ufer hin wandelte sich die Finsternis allmählich in Dämmerung, weiter in Tageshelle, bis sich zuäußerst die Stadt im Sternengefunkel weiß und leuchtend erhob, unterbrochen von einer riesigen dunklen Masse, dem Palast des Kaisers. Gegen die Häuser zu dampfte hie und da eine Wolkensäule blendend in die Luft: das waren Wasserdünste, die aus den Waschlöchern emporstiegen. Und kein Geräusch, kein Ton. Wohl bewegte sich allerlei Schwarzes mit je einem Lichtstern davor in raschen Linien von einer Stadt zur andern, einiges hoch oben auf der Brücke, anderes unten über das Eisfeld; aber das sah man nur, hören konnte man nichts, es war zu weit. Nur zweimal in der Woche, am Maanantai (Montag) und Keskiviikko (Mittwoch), ertönte aus der Ferne, vom englischen Kai her, Musik; dort hielten die Fremden Schlittschuhball, und man konnte deutlich sehen, wie ein kleines Fleckchen Newa festlich erleuchtet war. Dann holte Loulu die schlanke Tukka aus dem Zelt und hopste mit ihr ein paar ungeschlachte Hüpfer; waren sie müde geworden, so setzten sie sich zusammen in den warmen, mit Stroh bis oben angefüllten Schlitten und hörten der Musik zu. In den langen Pausen aber sangen sie ein heimatliches Lied, leider, wie ich gestehen muß, keines aus der Kalewala, denn von Kalewala wußten sie nichts, sondern ein Lied, mit welchem der Gesangverein Urpi (Orpheus) von Oulu am Österbottnischen Musikfest zu Turku den ersten Preis erworben hatte. Loulu hatte damals im ‹Tenori› mitgeholfen, wenn auch schüchtern und schwächlich, denn er war ein betrübter Sänger; dagegen trug Kati Missämaksaa mit ihrer prächtigen Stimme im ‹Altto› das meiste zum Siege bei, so daß sie bei der Heimkehr mit einer besondern Ansprache begrüßt wurde. Seit jenem Ehrentage galt das betreffende Lied als der Nationalgesang von Oulu. Es fing folgendermaßen an:
«O Finnensprache, Finnenlaut,
Hoch über alles schön und traut!
Wohl gibt es andre Sprachen mehr,
Doch keine also stolz und hehr.»
Das sang nun Loulu in der Fremde, auf der stillen Newa, und Tukka sang gelehrig und willig mit. In den ersten Wochen überschlich Loulu bei der Erinnerung an Katis Stimme jedesmal die Rührung; in solchen Augenblicken schleuderte er Tukka einen unwilligen Blick zu und sprach kurz: «Geh fort!» was sie auch schleunigst befolgte. Vom zweiten Monat an aber durfte sie bleiben, und die nächtliche Eisidylle im Strohschlitten dauerte immer länger, häufig so lange, bis Iwan als besorgter Vater den Kopf aus dem Zelt hervorstreckte und im Namen der Gesundheit zur Ruhe mahnte.
Iwan bewährte sich überhaupt wider Erwarten. Abgesehen davon, daß er als Kassier einen kleinen Teil der Einnahmen in seine Taschen wandern ließ und ungerechnet einige zärtliche Zudringlichkeiten, die er sich anfänglich gegen Tukka und später, als er sich hiebei einen Rippenstoß von Loulu geholt hatte, gegen die alte Leipä erlauben wollte, sorgte er unermüdlich und selbstlos für seine Schutzbefohlenen, schleppte Holz herbei, das er aus den Schiffen bei Wassiljewskij Ostrow gestohlen, schacherte die Nahrungsmittel aus dem nächsten Kabak (Pinte) zusammen, wusch die Kleider, besorgte das Amt des Coiffeurs, spielte stundenlang auf treuherzige Weise mit Tukkas kleinem Schwesterchen Kuspimuspi, so daß das Kind sich mit einer wahren Leidenschaft an ihn schloß, und pflegte die knurrige Leipä mit einer wahren Engelsgeduld, wie der barmherzigste Bruder.
Leipä war nämlich krank geworden oder etwas dergleichen. Und zwar aus Ärger. Erstens hatte sie durchaus zur Kirche gehen wollen, als sie eines Sonntags von der Offiziersstraße her die lutherischen Glocken, die sich von den orthodoxen im Klang gar wohl unterscheiden lassen, hörte; mit Gewalt mußte man sie zurückhalten. Zweitens war ihrem finnischen Reinlichkeitsgefühl die samojedische Fischtrantoilette, der sie sich täglich unterziehen mußte, ein Greuel; wie ein ungezogenes Kind strampelte sie des Morgens, so oft Iwan mit dem Lebertrantopf ihr nahe kam. Drittens faßte sie das Heimweh, aber solch ein Heimweh, daß sie mit vorgebogenem Kopf blindlings nach Kronstadt ins Meer hinaus gelaufen wäre, wenn nicht die mütterliche Liebe sie an Loulu gebunden hätte. So blieb sie, aber willen- und leblos, immerfort hinter dem Feuer kauernd und schreckliche Verwünschungen gegen ‹Sachsen› ausstoßend. Mit ‹Sachsen› meinte sie Rußland. Von Pietari wollte sie nichts hören noch sehen, nachdem man ihr die Kirche verboten; sie ist die ganze Zeit über nicht ein einziges Mal ans Land gegangen. Da spendete nun Iwan den Balsam seiner Rede trotz einem Benediktiner; keine Verwünschung, keine Beleidigung vermochte ihn zu erzürnen, und je unerträglicher ihn Leipä behandelte, desto hingebender pflegte er sie.
Der andere gute Geist der Familie war Tukka. Was Iwan zu tun übrigließ, und er ließ viel übrig, das tat sie, und sie allein, denn Leipä machte sich gänzlich unnütz, und Loulu spielte allmählich den vornehmen Herrn, der sich um nichts kümmerte, sich bedienen ließ und seine Nebenmenschen nur insoweit beachtete, als er Anforderungen an sie stellte. Kurz, ein echter Nomadenpatriarch, der seinem Samojedenzeugnis Ehre machte. Nachts im Zelte beanspruchte er stets den besten Platz, streckte sich in dem engen Häuschen lang, breit und bequem hin, mit den Füßen entfernend, was oder wer im Wege lag. Keifte die Alte, so schrie er wie ein Heide; Iwan und Tukka aber kauerten sich bescheiden in ein Eckchen. Der Herrendienst, der Kutscherberuf, der tägliche Anblick vornehmer Leute hatten Loulu verdorben. Der niedlichen kleinen Kuspimuspi schenkte er keinen Blick und kein Wörtchen, und alles, was er Tukka sagte, klang wie Befehl, außer des Abends, wenn er ihr die Gnade gönnte, mit ihm zu tanzen und zu singen. Nur vor Iwan hatte er zuzeiten Respekt, weil er dessen überlegene Nationalität fühlte. Tukka unterzog sich seinen Launen mit der Ergebenheit eines Dienstmädchens, immer fröhlich, für jedes gute Wort dankbar, sogar für die Abwesenheit eines erwarteten schlimmen. Die immer häufiger werdenden Zänkereien zwischen der knurrigen Leipä und dem verwöhnten Loulu schlichtete sie im Verein mit Iwan, wobei Iwan der Mutter, sie selbst Loulu zuredete. Die kleine Kuspimuspi hörte indessen verwundert und erschrocken zu, ohne zu schreien, als Kind schon Entsagung und Selbstbeherrschung übend, da ihr Instinkt und Erfahrung sagten, daß sie hier nichts gelte. Und so war es denn ein vollkommenes Familienleben, wo stets der Rücksichtsloseste regiert und derjenige die meiste Liebe und Fürsorge genießt, der sie am wenigsten verdient.
Der Winter ging ohne Zwischenfall vorbei, und das Frühjahr hätte wohl dasselbe getan, wenn nicht den Gouverneur von Uleåborg der Champagner gestochen hätte, seinem Spaß die Krone aufzusetzen. Als er nämlich durch Privatnachrichten aus Petersburg erfuhr, wie gut die Sache ablief, schien ihm der Hauptteil der Komödie, die Verwicklung, zu fehlen, und so geriet er denn auf den abenteuerlichen Einfall, an die Petersburger Akademie der Wissenschaften ein Schreiben zu erlassen, um dieselbe ausdrücklich auf die ethnographische Merkwürdigkeit aufmerksam zu machen, die sich ihnen noch auf wenige Wochen an der Newa biete; es sei ihm nämlich Gewissenssache, das politische Amt, das ihm der Kaiser anvertraut, zugleich im Interesse der Wissenschaft zu verwerten.
Unglücklicherweise war Galasitzung, als das Schreiben eintraf, und demgemäß wurde an jenem Tage die Akademie von ihrem Ehrenpräsidenten, dem Großfürsten Welikan Welikanowitsch, in Person geleitet. Welikan Welikanowitsch suchte begreiflicherweise bei solchen Anlässen nach einer Gelegenheit, seinen wissenschaftlichen Eifer an den Tag zu legen, um sich seines Ehrentitels würdig zu zeigen und der Akademie zu beweisen, daß er in seinen militärischen und kaiserlich-häuslichen Geschäften keineswegs aufgehe. Als daher auf das Schreiben des Gouverneurs von Uleåborg hin beschlossen wurde, eine Kommission von fünf Mitgliedern zu wählen, welche die ethnologische Kuriosität auf der Newa im Geiste der Wissenschaft prüfen sollte, legte der Präsident eine so überaus wohlwollende Betonung in den Vortrag des Beschlusses, daß er als erster in die Kommission und später zu deren Präsidenten gewählt wurde. Von den übrigen Mitgliedern waren die bedeutendsten die Herren Professor Hafner, ein Deutscher, berühmt durch seine Untersuchungen über den ostjakischen Konjunktivus, und Professor Meergrün, ein Schwede, der sich durch seine Geschichte des lappländischen Dramas einen Namen gemacht hatte.
Am folgenden Morgen gegen elf Uhr begab sich die Kommission auf die Newa zu den Samojeden. Iwan, nur mit Hemd, Hosen und Pelzschlafrock bekleidet, erschien beim Geräusch der Stimmen verschlafen und verdrossen in der Tür, erkannte jedoch sofort an der stolzen Erscheinung und dem feingeschnittenen Profil in Welikan Welikanowitsch ein Mitglied der kaiserlichen Familie und stellte sich in Positur grüßend auf. «Belieben Eure Hoheit», flüsterte er, indem er die Leinwand aufschlug. «Guten Tag!» rief Welikan Welikanowitsch freundlich mit seiner mächtigen Stimme. Keine Antwort. Drinnen war es so dunkel, daß man zuerst nur ein unbestimmtes Grumseln wahrnahm.
«Entschuldigen Sie, Eure Hoheit», begütigte Iwan, «es sind arme unwissende Leute, die nur zu Weihnachten und Ostern den Mund auftun. – Heda, Kinder, steht doch auf und grüßt die Hoheit, es ist ein guter Mann, ich sage euch, ein so guter Mann, wie ihr noch keinen gesehen.» «Paiti zartu!» knurrte jetzt Leipä. Der Großfürst lachte hell auf. «Seht einmal die Hexe an, wo mag die das gelernt haben.» Hierauf verbeugte er sich gegen seine Begleiter und bemerkte in wissenschaftlichem Ton: Was ihn am meisten wundere, sei das, daß die Samojeden, die sich doch bekanntlich gegenseitig auffressen, in einem und demselben Zelte wohnten. «Freilich», fügte er mit feiner Miene hinzu, «dient ihnen der Schmutz gewissermaßen als Schutz, denn appetitlich zu essen sind sie jedenfalls nicht. Sollten sie sich vielleicht darum mit Lebertran einseifen?» Die Akademiker hatten die Höflichkeit zu lächeln, dann korrigierte Professor Meergrün vorsichtig von weitem her den Irrtum des erlauchten Präsidenten. Es sei ja freilich gar wohl möglich, ja sogar höchst wahrscheinlich, daß die Samojeden vor Zeiten sich selber aufgefressen hätten, obschon ohne Zweifel mit einigen Ausnahmen – hier lächelte Welikan Welikanowitsch verständnisvoll und beifällig –, sonst würden sie ja längst ausgestorben sein. Doch sei glücklicherweise jene abscheuliche Sitte, ohne Frage unter dem zivilisatorischen Einfluß Rußlands, schon seit Jahrhunderten völlig verschwunden. Übrigens wäre es nicht ganz unmöglich, daß sich das Gerücht von der Menschenfresserei der Samojeden einfach aus einem populären Mißverständnis erklären ließe. Der russische Name ‹Samo-jed›, Selbst-fresser, sei nämlich eine bloße Verstümmelung von ‹Suomo-jed›, und das bedeute in der Landessprache ‹Sumpflandbewohner›, ähnlich wie zum Beispiel, wie Seine Hoheit Welikan Welikanowitsch wohl wisse, Finnland auf finnisch ‹Suomi›, Sumpfland, heiße. Der Großfürst hörte aufmerksam mit bescheidener Miene zu, wie ein Schüler dem Lehrer; darauf bedankte er sich mit höflicher Verbeugung für die Belehrung. «Was meinen Sie, meine Herren Kollegen», meinte er darauf, «sollte es nicht interessant sein, die Schädel der Leute zu messen? Es ist zwar eine schmutzige Arbeit, indessen müssen sich die Herren Ärzte oft zu noch Schlimmerem bequemen; was tut man am Ende nicht für die Wissenschaft! Und wenn es Ihnen gelänge, die Bande zum Sprechen zu bringen, so würde Ihnen die Akademie dankbar dafür sein.» Mit diesen Worten trat er beiseite, und die beiden Ethnographen krochen in das Zelt. Ein unwirsches Knurren, gefolgt von einem dreistimmigen zornigen «Perkele! Teufel!» begrüßte ihren Eintritt. Bei dem Ausruf «Perkele». stutzten die Akademiker, dann sahen sie einander lachend ins Gesicht. Ein weiteres bedurften sie nicht mehr, um zu wissen, woran sie waren. Doch gönnten sie sich das Vergnügen, den Betrügern zur Strafe einen wohlverdienten Schrecken einzujagen. «Gute Leute!» rief Professor Hafner in finnischer Sprache, «schade um sie!» «Warum schade?» entgegnete Professor Meergrün. «Ja, wissen Sie denn nicht, daß der Kaiser auf heute abend Samojedenbraten bestellt hat? Die Ärzte haben es ihm verordnet; er soll gut gegen Kopfschmerzen sein und die Verdauung befördern.» Wie sie voraussahen, erhob sich bei diesen Worten ein jämmerliches Wehgeschrei: «Wir sind ja gar keine Samojeden, wir sind gute lutherische Finnen wie ihr», und in wenigen Minuten hatten sie natürlich die ganze Geschichte heraus. «Nun was, meine Herren?» fragte der Großfürst, als die Professoren wieder zum Vorschein krochen, «Sie sind ja, erlauben sie mir zu sagen, wahre Hexenmeister! Die stummen Leute haben ja geschwatzt wie die Elstern. Aber was ist nun Ihr Urteil?» Die Ethnographen husteten. «Es ist freilich interessant, Eure Hoheit, in gewisser Beziehung sogar sehr interessant, obschon wir nach allen Indizien vielleicht eher auf einen verwandten finnischen Nachbarstamm schließen möchten als auf Samojeden im eigentlichen Sinne des Wortes.» «Wirklich? Das ist allerdings interessant; würden Sie vielleicht die Mühe nicht scheuen, Ihre schätzenswerten Beobachtungen der Akademie schriftlich vorzulegen? Aber warum haben denn die Leute so mörderlich geschrien?» Die Ethnographen bekamen einen heftigen Hustenanfall. «Es ist ein abscheulicher Rauch in dem Zelte», begann endlich Professor Hafner, «eine völlig zutreffende Antwort auf die Frage Eurer Hoheit ist nicht ganz leicht; ich möchte sagen, das Schreien ist bei diesen Völkerschaften der Ausdruck einer plötzlichen Gemütsbewegung, welche mit Überraschung gemischt ist.» Dem Großfürsten schien diese Erklärung allerdings nicht ganz tadellos, denn er dachte einen Augenblick nach; mit einem Male aber hub er mit völlig veränderter Stimme kräftig und fröhlich an: «Aber nun, meine Herren, genug für heute! Wir haben unser Tagewerk getan! Erlauben Sie mir einen Vorschlag: Wollen Sie mir das Vergnügen schenken, mich zum Frühstück zu begleiten? Ich wohne zwar, wie Sie wissen, ein bißchen weit, aber wenn Sie sehr hungrig sind, so können wir auch zu Papascha, dem Kaiser, hinüber, der steht früh auf und wird wohl etwas zu essen für uns haben. Also, wie steht es? was ziehen Sie vor? Erweisen Sie mir die Ehre und antworten Sie offen. Sie wissen ja: ganz einfach, wir sind nicht in Paris, aber gemütlich und herzlich!» Die Herren entschieden einstimmig für den Palast des Großfürsten. Dieser bedankte sich für die Wahl, indem er jedem besonders mit einer Verbeugung die Hand schüttelte, als hätte er einen wichtigen Dienst empfangen; dann winkte er dem Kutscher drüben am Ufer und nahm von den Samojeden Abschied. «Mit Gott!» rief er freundlich, indem er eine Hundertrubelnote ins Zelt warf. «Kiitoksia», erscholl dumpf und brummend die Antwort. Dem langen Iwan jedoch schlug Welikan Welikanowitsch freundlich, aber unsanft auf die Schultern. «Und du, Hundesohn, sorgst du auch gut für deine Samojeden?» Iwan schwur die Sterne vom Himmel herunter, wobei sein Gesicht über die Gnade strahlte, daß ihn der Großfürst so vertraulich wie ein Kamerad ‹Hundesohn› genannt hatte. «Nun gut», fuhr Welikan Welikanowitsch fort, «womit kann ich dir eine Freude machen?» Jetzt zog Iwan ein klägliches, erbarmungswürdiges Gesicht, wie ein Bettler von Beruf: «Erlauben Sie, erbarmen Sie sich meiner, Eure Hoheit! Was ich möchte? So ein kleines, fettes, hübsches, junges, schwarzäugiges Weibchen, Eure Hoheit.» Der Großfürst runzelte zornig die Stirn, um nicht lachen zu müssen. «Sehen Sie einmal, meine Herren, diesen Hundesohn! Einen Kuppler will er aus mir machen! Wie gefällt Ihnen der Einfall?» Damit schritt er majestätischen Ganges, so gut es die schlurfenden Gummischuhe erlaubten, von dannen.
Unterwegs im Wagen aber schien es ihm schicklich, noch ein letztes Mal auf die Wissenschaft zurückzukommen. An das «Kiitoksia» anknüpfend, fragte er seinen Nachbarn, Professor Meergrün, ob nicht die Sprache dieser Samojeden eine auffallende Ähnlichkeit mit derjenigen der ‹Tschuchny› habe, wie man sie auch in Pitjerburch zuweilen höre? «In der Tat, nicht bloß eine Ähnlichkeit, sondern sogar eine weitgehende Verwandtschaft, wie Eure Hoheit ganz richtig bemerken; ich könnte sogar Ihre Beobachtung mit Beweisen unterstützen.» Diese Antwort versetzte Welikan Welikanowitsch in die vergnügteste Stimmung, und das saftige, reichliche Frühstück verminderte die allgemeine frohe Laune keineswegs.
Der Kommissionsbericht an die Akademie blieb aus, trotz dem wiederholten Drängen des Großfürsten; die Herren Professoren Hafner und Meergrün entschuldigten sich immer von neuem mit unaufschiebbaren Geschäften. Dagegen erschien in den nächsten Tagen ein Polizeiunteroffizier am Samojedenzelt mit einem Schreiben, welches die Frage stellte, ob es nicht vielleicht dem Bauern Loulu Vampi und der Witwe Leipä Vampi, lutherischer Religion, wohnhaft in Uleåborg in Finnland, möglich wäre, ihren Aufenthalt in Petersburg etwas abzukürzen und diesen Abend noch abzureisen. Das würde ihnen in jeder Beziehung zum Vorteil gereichen und ihnen möglicherweise viele Unannehmlichkeiten ersparen. Die mündliche Erklärung des Budotschniks lautete deutlicher.
Timofej Timofejewitsch aber fand eines Morgens ein amtliches Schreiben auf dem Frühstückstisch, bei dessen Einsichtnahme er erblaßte; es war nämlich eine kurze, bündige Mitteilung aus dem Ministerium, daß er seines Postens in Uleåborg enthoben sei. Mechanisch, noch vom Schrecken der Gedanken beraubt, und mehr um sich zu zerstreuen, als um zu lesen, öffnete er endlich noch einen Privatbrief, der mit derselben Post angelangt war und dessen Handschrift ihm bekannt vorkam. Der Brief lautete:
Lieber Timofej Timofejewitsch!
In Deiner finnischen Verbannung wirst Du schwerlich erfahren haben, daß ich seit zwei Monaten Minister geworden bin. Nun, es ist ein Amt wie ein anderes und hat seine guten und seine schlimmen Seiten. Unter die guten Seiten rechne ich vor allem die Macht, einen lieben Freund aus einer Unannehmlichkeit zu ziehen. Du hattest einen sehr hübschen Einfall mit Deinen gefälschten Samojeden, aus welchem ich namentlich mit Freuden glaube schließen zu dürfen, daß Du gesund und munter bist. Der Spaß war an sich gut, ja sogar sehr gut; nur glaube ich, wenn ich mir darüber ein Urteil erlauben darf, Du bist ein bißchen zu weit gegangen, indem Du die Kaiserliche Akademie der Wissenschaften hineingemischt hast. Das Unglück wollte es, daß der Großfürst Welikan Welikanowitsch, Präsident der Akademie, wie Du weißt, in die Sache verwickelt wurde; auch haben die Herren Meergrün und Hafner, welche nicht ganz so dumm sind, als sie eigentlich als Deutsche zu sein die Pflicht hätten, den Spaß entdeckt und als eine Beschimpfung der Akademie aufgefaßt. Sei also in Zukunft etwas vorsichtiger; es hat mich einige Mühe gekostet, die Angelegenheit wieder zu ordnen.
Was nun die Amtsentsetzung betrifft, die ich Dir beiliegend zugesandt habe, so bist Du gescheit genug, dieselbe nicht ernst zu nehmen. Wenn es Dir in Uleåborg gefällt, so bleibe ruhig dort, ich will schon dafür sorgen, daß sich kein Nachfolger einstellt. Warum ich Dir die Abberufung schickte, hat folgende Bewandtnis: Erstens mußte ich etwas gegen Dich zu tun scheinen, denn anders ließ sich die Entrüstung der Akademiker nicht beschwichtigen. Bedenke, es sind Deutsche, die verstehen so etwas nicht. Hätte ich nicht versprochen, Dich zu maßregeln, so würden sie dem Großfürsten alles haarklein erzählt haben, und dann: Adieu Deine ganze Karriere! Zweitens tuts mir in meiner neuen Stellung gut, wenn ich einen Akt der Unparteilichkeit vorweisen kann. Drittens bin ich fest davon überzeugt, daß Du Dich in Uleåborg zum Sterben langweilst. Halte nur noch aus bis zum nächsten Winter, denn ich möchte Dich gern im Sommer besuchen, um mit Dir Haselhühner zu jagen; bis nächsten Winter habe ich Dir jedenfalls einen schönen Posten. Willst Du in die Armee oder in den Staat? oder etwa lieber in den Heiligen Synod? Daß der Gesandtschaftsposten in Peking jederzeit frei ist, weißt Du, doch würde ich Dir nicht dazu raten; bei diesen Kanaillen von Chinesen hält es kein Mensch aus; Adelsmarschall ist gut für seßhafte Familienväter, und vor solchem Schicksal möge Dich der Himmel noch lange bewahren. Item, wir werden sehen, und Du kannst mir Deine Wünsche mündlich mitteilen, wenn ich zu Dir komme. Einstweilen will ich versuchen, ob ich Dir anläßlich der Maiparade den Generalsrang verschaffen kann. Hast Du den Georgsorden schon? Oder willst Du lieber den Andreas? Bitte, schreibe mir, welche Orden Du schon hast und welche Du wünschest. Ich kann Dir freilich nichts Positives versprechen, Du begreifst ja, das liegt nicht bei mir; aber als Minister kommt man doch an allerlei Orte und kann unter Umständen mancherlei sprechen. Alles andere mündlich.
Von ganzem Herzen Dein Walodja
Nachschrift. Du weißt wohl noch nicht, daß Alphonsine von den «Folies-Bergère» für das Theater «Berg» engagiert ist? Ich hoffe auch auf Blanche Matin, obwohl die Unterhandlungen noch nicht zu Ende gediehen sind. Fürst Trutschnikow in Paris gibt sich alle Mühe, und ich erwarte stündlich eine Depesche. Wenn wir sie haben, so schreibe ich Dir; Du mußt unbedingt kommen, denn sie ist ein herrliches Geschöpf, doch Du wirst sie ja, wie ich bestimmt hoffe, selbst sehen.
W.
Dieser Brief heilte die Wunde, welche das amtliche Schreiben geschlagen, mit Zauberkraft. In der angenehmsten Stimmung der Welt überflog ihn Timofej Timofejewitsch drei- und viermal, dann überließ er sich holden Träumereien, in welchen Orden, Titel und allerlei Blanches und Alphonsinen rosig durcheinandergaukelten. Uleåborg, obwohl er noch ein Häufchen Monate hier verweilen mußte, schien ihm schon in ferner Vergangenheit zu liegen, wie einem, der seinen Koffer gepackt hat und bis zum Abgang des Zuges nur noch mit seiner körperlichen Gegenwart notgedrungen zurückbleibt. Ob ihm Uleåborg verleidet war! Walodja hatte recht geraten. Kein menschliches Wesen in der ganzen Stadt! Nichts als Finnen und Schweden! Dazu wurden die Schweden nach und nach unangenehm. Henrik Grynéus besonders war in der letzten Zeit unausstehlich; er ärgerte den Gouverneur, wo er nur konnte, indem er überall Kompetenzstreitigkeiten erhob, Ordnung haben wollte, von Geschäften sprach, Verbesserungen beantragte, Bittschriften einreichte, als ob ein Gouverneur nichts anderes zu tun hätte, als an die Politik zu denken. Wäre er doch wenigstens ein anständiger Kartenspieler gewesen, aber nicht einmal dazu war er zu gebrauchen. Und dann der Pastor Procopéus! wenn er den nur sah, so lief ihm die Galle über. Und die andern um nichts besser. War das eine Geschichte und ein Geschrei und eine Lamentation gewesen, als er die schwedischen Sängerinnen in seinen Palast einquartiert hatte; ein Gejammer, als ob die Welt untergehen sollte. Und doch war Erika, die zweite Sopranistin, ein ganz leidliches Ding, freilich keine Französin, aber wenn der Teufel keine Wachteln bekommt, so frißt er Fliegen. Doch was versteht so ein Finne davon! Wahrscheinlich hätte er hier in Uleåborg leben sollen wie der heilige Antonius. Danke sehr! Und für die schönen Augen wessen?
Die Rückkehr Loulus festlich zu begehen, schien ihm schon darum Pflicht, weil er sicher sein durfte, damit den Bürgermeister und den Pastor zu ärgern. Anderseits hatte er Takt genug, zu begreifen, daß er gegenüber seinem hohen und großmütigen Freunde, dem Minister, eine Unhöflichkeit begehen würde, wenn er den Spaß weiter verfolgte und den entlarvten Samojeden einen amtlichen Empfang bereitete. Darum wählte er den Ausweg, sich hinter das Volk zu verstecken und sich damit zu begnügen, seinen Einfluß auf private Weise zu verwerten. Zwei Korporationen wußte er seinem Vorhaben günstig gestimmt: Einmal die Fakultät, bestehend aus Dr. Mancipéus und dem Apotheker Lindequist; der erstere rechnete sich das Resultat der klimatischen Kur zu seiner Ehre an, dem letztern war Loulu als einer seiner besten Kunden teuer geworden und er ihm. Dann den Gesangverein «Urpi», welcher Loulu zu seinen Mitgliedern zählte. Beide zu einem feierlichen Empfang zu bewegen, hielt nicht schwer, denn in Finnland ist man ebensogut wie anderswo stets bereit, Ehrenbezeugungen ins Werk zu setzen, die der eigenen Eitelkeit schmeicheln; Reflexivehren, um es mit einem Wort zu benennen. Der Gesangverein versprach, Loulu in einer bekränzten Barke abzuholen, und Dr. Mancipéus studierte eine Anrede. Er hatte Zeit genug, denn zwei Monate währte es noch, bis das Eis aufging und die Schiffe wieder im Bottnischen Meerbusen fahren konnten. Unterdessen gastierte Loulu in Helsingfors und Ekenäs, da er einmal das Handwerk gelernt hatte; auch beeilte er sich keineswegs, als Anfangs Juni die Dampfschiffe ihren Kurs wieder begannen, denn es war eine Art Schauspielerlust und Komödiantenromantik über ihn gekommen. Erst aß er mit den Seinigen in zweiwöchentlichem Schmause die jüngsten und fettesten Rentiere auf, die übrigen verhandelte er um schönes Geld an einen ehrgeizigen Major für den zoologischen Garten in Petersburg; dann schlief er ein paar Tage lang am Meeresufer bei Ekenäs; endlich beliebte es ihm sich einzuschiffen, nachdem er für sich und die Seinigen neue, echte, dauerhafte Finnenkittel eingekauft; denn der ererbte Bauernstolz siegte schließlich über den angelernten Komödianten. Er wollte als reicher Mann heimkehren, der sich von seinem Geschäft zurückgezogen.
Es war ein schöner Sommertag, als das Dampfschiff vor den Schären bei Uleåborg anhielt. Vom Lande her, das Uleåflüßchen herab, nahte eine bekränzte Barke, begleitet von vielen Schiffchen. Aus der Barke erscholl ein mächtiger vielstimmiger Gesang, mit kunstgerechten Anschwellungen und festen Intonationen, denn seit dem Preise in Turku übte der «Urpi» jahraus, jahrein dreimal wöchentlich, um den erworbenen Ruhm zu bewahren und die Hegemonie an den Österbottnischen Musikfesten zu behalten; ein harter Kampf und eine schwere Aufgabe, denn der Ilolintulaulukööri (Nachtigallenchor) von Turku und der Yksimielisyys-miehinenhenkilaulukööri (Eintrachtmännerchor) von Pori strengten sich gewaltig an und übten täglich, wobei sie jedesmal nur einen Takt in Angriff nahmen. Katis Stimme war wiederum von weitem zu erkennen; solange der «Urpi» diese Stimme besaß, konnte er froh in die Zukunft sehen, denn einen ähnlichen ‹Altto› gab es in ganz Österbotten nicht mehr.
Nachdem die Barken vor dem Schiff angekommen waren, kletterte Dr. Mancipéus mit dem Apotheker Lindequist auf das Verdeck und hielt seine Ansprache, die Loulu mit einer Würde anhörte, als hätte er das von Jugend auf geübt. Dann wurden die Mitglieder der Expedition medizinisch inspiziert, auskultiert und perkutiert, mit Augen-, Ohren- und Rachenspiegeln geprüft und endlich gemessen und gewogen. Loulu hatte um dreißig, sage um dreißig finnische Lispfund zugenommen, also ein geradezu phänomenaler Erfolg; Ähnliches ergab sich bei den übrigen. Die arme Tukka, die wie ein mageres, gerupftes, fröstelndes Hühnchen davongefahren war, sah jetzt rundlich und nett und mutwillig aus wie eine junge Wachtel im Juli; vollends Kuspimuspi konnte sich vor fettem Wohlbehagen kaum mehr bewegen, so reichlich war sie von den Damen Petersburgs mit Nougat und Kuchen ausgestopft worden. Iwans Gewicht schien einigermaßen im Widerspruch zu seiner Magerkeit zu stehen; endlich fiel es dem Apotheker ein, ob er vielleicht etwas Schweres in der Tasche habe, und da zeigte sich denn bei der Untersuchung, daß er seine sämtlichen Kleider mit handgroßen kupfernen Fünfkopekenstücken wattiert hatte, natürlich mit gestohlenen. Nur bei Leipä war die Diagnose ungünstig: Puls klein und remittierend, Psyche apathisch, Gewicht um sechs finnische Lispfund vermindert, und der Dr. Mancipéus schüttelte schon bedenklich den Kopf, da kam der finnische Pastor mit einem halben Dutzend Piplia auf das Verdeck gestiegen, und alsogleich schnellte Leipä in die Höhe wie des Jairus Töchterlein, niemand konnte sie jetzt mehr vom Lesen abbringen; an die Offenbarung Johannes und den Propheten Ezechiel, ihre Lieblingsbücher, mit wahrer Fieberwut geklammert, kümmerte sie sich um nichts, was um sie her vorging, selbst nicht um Loulu. Da nahm sie der finnische Pastor, von so viel Frömmigkeit gerührt, mit sich heim. Sie haben sich später, wie ich neulich aus einem Privatbrief erfahren habe, geheiratet.
Nach der Fakultät kam der Gesangverein an die Reihe; vier Jungfern, zwei vom Sopraano und zwei vom Altto, unter ihnen natürlich Kati Missämaksaa, erstiegen das Deck, alle vier mit Kränzen auf dem Kopf und mit funkelnagelneuen, glänzenden und nach Wichse angenehm duftenden Kavalleriestiefeln. Von Singen oder Sprechen oder Grüßen war keine Rede, sie stellten sich einfach in Linie auf, die Fußspitzen nach innen gekehrt, die Ellbogen nach außen und Loulu seitwärts anguckend. Diesen übermannten beim Anblick seiner Kati, die ihn jetzt durchaus nicht mehr unfreundlich anblickte, alte, vergessene Gefühle; die Tränen rutschten ihm in die Augen, und schon wollte er ihr entgegeneilen, um ihr die Hand zu drücken, da flüsterte Tukka, die heimlich an ihn herangeschlichen war: «Sieh dort das prächtige Mädchen! wie schade, daß sie so plumpe Füße und Hände hat, das ist ihr einziger Fehler, denn die großen Ohren, das macht nichts, die Haare verdecken sie. Und wunderbare Zähne hat sie, wenn man bedenkt, in ihrem Alter. Glaubst du, sie seien echt?» Und Loulu, sei es nun wegen der Worte oder wegen der Stimme Tukkas, grüßte Kati nicht.
Abends veranstaltete der «Urpi» noch eine öffentliche Versammlung im großen Saal zur «Mitternachtssonne», damit Loulu seine Erlebnisse und Beobachtungen vortrage. Jedermann war eingeladen. Es erschienen unter anderm auch der Gouverneur mit mehreren russischen Offizieren, die begierig waren, die Wahrhaftigkeit der Erzählung zu kontrollieren. Auf dem Tische des Redners schaute man einen Globus und daneben eine Schicht von Landkarten; neben Loulu saß Tukka als Gefährtin der Expedition, Kuspimuspi zwischen den Knien schaukelnd, um ihre Verlegenheit zu verbergen. Leipä war abwesend in des Pastors Haus, Iwan stand regelrecht als Diener hinter dem Stuhle des Gouverneurs, mit Schnüren und Troddeln überhängt, eine imponierende Erscheinung für die Finnen.
Und Loulu, ohne es zu wollen – es kam ganz von selbst, als er die erwartungsvolle Menschenmenge vor sich sah und im Geiste die Einteilung seines Stoffes überlegte –, log, daß die anwesenden Russen sich vor Vergnügen kaum zu halten wußten. Bei der geographischen Einleitung ging es noch leidlich, denn er stellte Pietari ungefähr auf den richtigen Platz, zwischen Suomi und Venäjä (Rußland); in der ethnographischen Sittenbeschreibung, bei welcher er, von einem neu erwachten rhetorischen Instinkt geleitet, pompös ausholte, blieb er plötzlich stecken, wie der finnische Pastor, nachdem er etliches von der russischen ‹Botwinja› (Fischsuppe), dem ‹Schtschi› (Kohlsuppe) und dem ‹Quaß› (Kornbier) geflunkert. Bei der klimatischen und topographischen Schilderung aber bemerkte er, wie ihm seine Worte leicht kamen, und damit geriet er zuerst in Fluß, dann in Schwung und schließlich in das Reich der bodenlosen Lüge. Die Milde der Luft, die langen Tage mitten im Winter, die prächtige Vegetation Petersburgs, wo im Dezember noch Blumen in den Gärten wüchsen, und ähnliches mehr schilderte er in glühenden Worten; und als er endlich gar auf die Newa zu reden kam, war es natürlich mit jeder Spur von Wahrheit für immer vorbei. Er zügelte seine Phantasie um so weniger, als er von Satz zu Satz mit gewaltigen ‹Hyvä› (Bravo) belohnt wurde, und Tukka schaute von Zeit zu Zeit so innig bewundernd zu ihm auf, daß ihm war, er könnte noch eine ganze Woche lang weiter reden. Tukka war nämlich fest überzeugt, daß alles pünktlich so gewesen sei; denn Loulu sagte es, und Loulu hatte bei ihr überall recht, selbst gegenüber ihren Augen. Der Gouverneur aber, der sich vor Lachen schüttelte, flüsterte dann und wann zu Iwan: «Siehst du, Hundesohn, wie weit es der Halunke gebracht hat? Er ist ein ganzer Kerl geworden; nimm dich zusammen, er kanns noch besser als du.» Und Iwan stand verdutzt da, als ob er den Redner um seine Lügenkunst beneide.
«Und nun, mein Lieber, was denkst du anzufangen?» sprach Timofej Timofejewitsch freundlich zu Loulu, als die Zuhörer anfingen, den Saal zu verlassen. «Heiraten», entgegnete Loulu kurz. «Und wen, wenn es mir erlaubt ist zu fragen?» Bei diesen Worten trat Kati Missämaksaa aus der Gruppe der Abziehenden hervor und pflanzte sich Loulu vor das Gesicht, indem sie ganze Salven von Blicken aus ihren großen Augen gegen ihn abbrannte. Loulu stierte sie lange an, dann blinzelte er zu Tukka hinüber, die sich tief über die stets geduldige und artige Kuspimuspi gebückt hielt; endlich schleuderte er den Arm in der Richtung nach Tukka und brummte: «Die da.» Zornig und heftig wie eine Katze verschwand Kati, und von diesem Augenblick an sang sie nie mehr im «Urpi», wie viele Deputationen man auch an sie senden mochte. Selbst die Niederlage des «Urpi» am Sängerfest in Kokkola rührte sie nicht, so daß der Ruf des «Urpi» immer schlechter wurde, bis eines Tages zum Vorschein kam, daß Tukka über einen wunderhübschen weichen Sopraano verfügte, der sogar zum Sololaulu (Sologesang) taugte. Da beschloß der «Urpi», einen Haupttrumpf auszuspielen, ließ auf den Rat des Pastors Procopéus das «Sielumessu» («Requiem») von Verdi kommen, übte zweimal täglich drei Jahre lang eine einzige Nummer und errang hiemit nicht allein in Österbotten, sondern sogar auf dem Allgemeinen Finnischen Gesangfest in Helsinki den ersten Preis.
Doch kehren wir wieder in den Saal der «Mitternachtssonne» zurück. «Aber was willst du mit der kleinen Kyischpyi-Myischpyi, oder wie heißt das Ding, anfangen?» erwiderte der Gouverneur. Loulu kratzte sich hinter den Ohren. «Erlauben Sie, Exzellenz», sprach jetzt Iwan, «Kyischpyi-Myischpyi ist mein; sie liebt mich, sage ich Ihnen, ss, wie einen Vater, und sonst liebt mich ja niemand. Natürlich, wer sollte auch so einen dummen, liederlichen, nichtsnutzigen Hundesohn lieben, wie ich bin. Lesen lehren will ich sie, sage ich Ihnen, ss, und ihr des Nachts zum Einschlafen die ‹Kamarinskaja› ein russisches Nationallied und den ‹Roten Sarafan› vorsingen, und wenn sie erwachsen ist, will ich ihr einen Mann verschaffen, einen Mann, sage ich Ihnen, ss, einen Offizier, einen Baron, einen Lehrer, einen großen, großen Herrn, denn ich bin jetzt reich. Und mein Dienst bei Ihnen, Exzellenz, ich schwöre es, soll nicht darunter leiden.» «Schon gut, Iwan, du bist ein braver Russe, du hast die Kinder lieb; wir wollen später darüber sprechen, denn ich habe diesen Abend einen Brief vom Minister erhalten und muß dringender Amtsgeschäfte wegen morgen früh nach Pitjerburch; geh heim und packe meinen Koffer, und vergiß die Zigaretten nicht. Hörst du?»
«Ich gehorche, ss», antwortete Iwan und machte sich bereit zu gehen; in diesem Augenblick flog ihm Kuspimuspi entgegen und weinte und bettelte, bis der Kosak sie rittlings auf seine Schultern setzte und mit heimtrug.
«Und du dort, dumme Gans!» rief Timofej Timofejewitsch ärgerlich zu Tukka, die mit feuerrotem Gesicht im Winkel saß, «warum küssest du nicht deinen Bräutigam? Vorwärts marsch!» Und damit stieß er den beiden Verlobten die Gesichter zusammen, lehrte sie den Arm in den Arm hängen, «auf französisch», und trieb sie vor sich her auf die Straße, wo sie über die Maßen verlegen, obschon von den Vorübergehenden jauchzend begrüßt, einherschlichen. «Aber zur Hochzeit werdet ihr mich hoffentlich einladen», rief ihnen Timofej Timofejewitsch zum Abschied nach, indem er in bester Laune um die Ecke bog.
Als sie in der Gustav-Vasa-Straße vor dem Hause des Bürgermeisters vorüberkamen, lag Henrik Grynéus am offenen Fenster. «Wartet einmal», rief er, «euch habe ich noch etwas zu sagen.» Einen Augenblick darauf erschien er auf der Straße, und dort, vor dem Volke, das immer zahlreicher herbeiströmte, hielt er an Loulu folgende Ansprache: «So! gut ist es abgelaufen! aber ein liederlicher, erbärmlicher, niederträchtiger Kerl bist du doch, Loulu! das kannst du mir glauben. Tammefan! einen ganzen Winter über alle Welt anzulügen und schweres Geld für Betrug einzustecken! Meinst du, auf dem Wege werde dir etwas Gutes erwachsen? Kreuz in allen Tagen! Wenn ich dich nicht noch im Zuchthaus von Tavastehüss antreffe, so will ich ein Russe werden! Tammefan! Ich habe große Lust, dich dem Windbeutel von Gouverneur zum Trotz vor Gericht zu ziehen.» Hier fing Tukka kläglich an zu weinen, was Henrik Grynéus ein wenig milder stimmte. «Nimm dir ein Beispiel am Zimmermann, dem Lumpen», fuhr er etwas gnädiger fort. «Dort im Spital liegt er, und wenn er nicht im Spital läge, so säße er im Gefängnis. Mit Lügen fängt man an, dann kommt Faulheit und Trunksucht, und endlich stiehlt so ein Halunke. Kreuz! was mit den Russen zusammenkommt, das ist verdorben. Herre Gü, sag einmal, du Samojede von Uleåborg, willst dus etwa noch weiter mit den Russen halten? Sollen wir dich aus dem Register streichen, damit du zur orthodoxen Religion übertreten kannst? Geld geben sie dir schon dafür oder wenigstens Versprechungen. Entscheide dich und rede, denn ich will wissen, ob ich es mit einem ehrlichen finnischen Kerl zu tun habe oder mit einem verdrehten, verlogenen Kosaken. Tammefan! ich pfeife auf den Gesangverein, wenn er nicht einmal den Mut hat, so einen pflichtvergessenen Betrüger auszustoßen! Was scheren mich diese dummen Gesangfeste! Auch so eine fremde Sitte, welche die Eitelkeit im Volke groß zieht, statt daß es seine Ehre in redlicher Arbeit sucht. Ja, heule nur! es tut dir gut, und von denen, die da herumstehen, dürften noch viele mitheulen, denn ich sehe da manchen, der nicht um ein Haar besser ist als du!» Die Finnen nahmen die Mütze ab wie in der Predigt; Loulu und Tukka aber schluchzten, daß es eine wahre Erbauung war. «Pack dich jetzt! und bessere dich! und gehe heim und arbeite, damit du die arme Tukka, die hundertmal mehr wert ist als du, nicht unglücklich machst. Und Kreuz in allen Tagen! das sage ich dir und jedem der Laffen, die da herumstehen, wenn ich – Tammefan! –, wenn ich dich noch einmal beim Lügen antreffe – alle viermalhunderttausend Teufel von Stockholm! –, so schlag ich dir mit der Faust um die Ohren, daß dir die Mütze bis nach Kopenhagen fliegt, und da mag der geschniegelte, hohlköpfige Narr, der Gouverneur, dabei stehen oder nicht, es ist mir ganz gleich!» Sprachs und verschwand unter der Pforte.
Das Volk faltete noch eine Weile die Hände, und Loulu schlich still mit Tukka von dannen, zerknirschter Seele, aber glücklichen Herzens, denn es schien, als wären sie jetzt, nachdem sie die fürchterliche Predigt erlitten, rechtgültig verlobt. Übers Jahr im zweiten Herbst machten sie Hochzeit.
Dr. Mancipéus schrieb eine Broschüre, worin er Petersburg als internationalen Luftkurort für den Winter empfahl. Die Broschüre wurde in vier Sprachen übersetzt und der Verfasser zum Ehrenmitglied mehrerer medizinischer Akademien ernannt.