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Historische Tragödie
Zweiter Akt
PersonenAhab, König von Samarien Jesabel, Königin, sein Weib Joram, ihr Sohn Thamar, ihre Tochter Obad-Jah, Feldherr von Samarien Zadik, Oberster des Palastes Hasael, Gesandter der Syrer Pagen, Wachen und Soldaten Diener und Dienerinnen Kinder |
Thronsaal. Pagen am Thron. An der Mitteltür Wachen. Zadik. Jesabel tritt von der Seitentür ein, mit Thamar und Joram und Gefolge.
Jesabel zu Zadik
Habt Ihr die Botschaft meinem Volk verkündet?
Zadik
Wir Ihr befahlt, Gebieterin! Vom Tor
Der Burg und von den Tempeln und den Türmen
Und um die äußre Mauer. Seit dem Abend
Bis Mitternacht und wieder früh am Morgen
Bis um die Zeit des Markts geschah die Meldung.
Jesabel
Daß jedermann im Hause Jesabels
Für sich und seine Kinder Nahrung finde?
Zadik
Und ohne Kaufgeld, als Geschenk der Fürstin.
Jesabel
Und unbesehn die Götter und die Heimat?
Zadik
Ohn Ansehn seiner Herkunft, welchen Gott
Er auch bekenne, welche Sprach er rede.
Jesabel
Gut! Bringt die Speisen! Laßt das Volk erscheinen!
Dem königlichen Saal, der Recht und Gnade
Gesehn, geziemts, Barmherzigkeit zu schauen.
Wachen und Dienerinnen ab, die ersten, um das Volk, die letztern, um die Speisen zu holen. Sie stellt sich vor den Thron. Die übrigen in der Weise, daß ein großer Platz für die Erwarteten bleibt.
Die Dienerinnen mit Speise. Die Wachen kommen zurück mit zwei alten Männern und drei Kindern. Alle schauen nach der geöffneten Tür und auf Jesabel. Endlich, nach einer langen Pause, wird die Tür geschlossen.
Jesabel mit Schmerz und Entrüstung sich abwendend
Das ist mein Volk! Nach zwanzig langen Jahren
Voll Opfer und voll Leid: ist das mein Volk!
Pause
Sie hungern. Auf den Straßen, an den Toren
Der Mauer liegen sie umher, verschmachtend,
Und schrein nach Brot. Doch eher als von mir,
Der Königin, das Leben anzunehmen
Für ihre Kinder, wählen sie den Tod.
heftig
Bin ich denn giftig? Klebt an diesen Händen,
An diesen Armen Pestilenz und Aussatz?
Manch einen Herrn der Völker, manchen Edlen
Weiß ich, er würde Tempel und Altäre
Der Liebesgöttin weihn, wenn einmal nur
Er dürft auf diese Hand die Lippen drücken.
düster
Hätt ich dies wilde Volk mit Blut erstickt,
Hätt ich ein Heulen und ein bleiches Grausen
Mit Schwert und Feuer um mich her verbreitet,
Sie küßten jetzt den Staub von meinen Füßen.
Ich wollt es nicht. Ich suchte durch Astartes
Geduld und Mild ein Tor zu ihren Herzen.
Für alles das ist dieses ihre Antwort.
zu den beiden Alten zurückkehrend
Ihr mußtet hart und bitter leiden, Freunde,
Damit ihr kamt zu mir. Wohlan, ich dank euch!
Der schwere Gang, er soll euch nicht gereuen.
Sie nimmt von den Speisen, legt sie hastig wieder weg.
Was tu ich? Ich vergaß: die Hand ist unrein.
Ich will den Hungrigen den Aufschub sparen,
Zum Tempel hinzugehn, damit der Priester
Jehovas reinige, was ich berührt.
zu Joram und Thamar
Ihr, teure Kinder, gebt an meiner Stelle.
Ihr seid von Ahabs Stamm. Nein, dieses nicht,
Ich faßt es an, gebt ihnen reine Speise.
Sie laden ihnen auf. Die Alten küssen Jesabel den Saum des Gewandes und entfernen sich.
Jesabel zu den drei Kindern
Die wissen noch von keinem Haß.
küßt sie
Kommt, wählt,
Was ihr begehrt. Soviel ihr wollt, ist euer.
Führt sie herzu. Die Kinder nehmen und essen mit Ausrufen des Entzückens.
Erstes Kind
Ich weiß es, wer die Hungersnot gemacht hat!
Zweites Kind
Die böse Jesabel, die Heidin.
Alle außer Jesabel
Schändlich!
Zadik zornig
Wer hat die Kinder hergebracht?
Jesabel winkt ihm zu schweigen; zu den Kindern
Was sagtet ihr von Jesabel? Was wißt ihr?
Erstes Kind
Des Nachts, wenns dunkel ist, so zündet sie
Die Felder an, daß alles muß verhungern.
Zweites Kind
Und in die Brunnen wirft sie tote Hunde.
Erstes Kind
Absichtlich, um das Wasser zu vergiften.
Thamar aufgeregt, zu den Kindern
Wenn wieder jemand euch von Jesabel
Böses erzählt, sagt ihm, er sei ein Lügner.
Hier diese gute Frau, die euch dies alles
Gegeben zum Geschenk, ist Jesabel.
Die Kinder werfen die Geschenke weg und fliehen weinend nach der Tür.
Jesabel
Thamar weinend, Jesabel umarmend
O meine arme Mutter!
Jesabel sie küssend
Fasse dich, Thamar!
Thamar schluchzend
Nein, das ist zu schlecht,
Zu schändlich!
Jesabel sie und Joram tröstend
Also dankt ein Volk den Herrschern.
Das ist so Brauch. Ihr müßt euch dran gewöhnen.
Doch wenn in eurem Herzen der Altar
Der Götter rein und strahlend steht, so gleitet
Wie Schmutz vom Marmor spurlos die Verleumdung
An euch hernieder. Schaut mein Angesicht:
Bin ich nicht heiter? Schon ists überwunden.
sich losmachend
Geht, meine teuren Kinder, nehmt die Speisen
Und bietet ihnen an, was sie zu holen
Verschmähn. Allen, die meinen Namen ehren
Und segnen Baal, den gütgen Gott des Himmels,
Gebt ihnen ungezählt, mit vollen Händen.
düster, drohend
Doch treffet ihr, die meinem Namen fluchen
Und speien aus vor Baal und Astaroth
Und lästern mich,
drohend
denen –
mit veränderter Stimme
gebt auch.
Joram und Thamar mit den Speisen ab.
Zadik herantretend
Erhabne Herrin, Euren Edelmut
Wird Baal, der Höchste, lohnen. Aber wir,
Obschon gering an Zahl und Wert und Herkunft,
Laßt uns die Wunde, die Euch Bosheit schlug,
Versuchen mit ergebner Treu zu heilen.
Jesabel mit Wärme, ergriffen, zu den Umstehenden
Ja, ihr seid treu! Ihr stammt aus meinem Volk!
Aus jenem Volke, das die lichten Götter
Des Himmels ehrt mit schöngeformten Bildern
Und Blumen und Gesang und milden Werken.
Gleich einem Kaufmann, der mit seiner Schar
Vom Heimatstrande fährt ins fremde Meer,
Rings um ihn her die wutentbrannten Wogen,
Doch auf dem Schiffe herrscht Befehl und Ordnung –
So wohn ich hier verhaßt im Land Samarien
Und habe niemand außer euch. Zu mir!
Näher zu mir! Ihr alle! Eure Augen
Glänzen vom Widerschein der heilgen Heimat
Und eure Stirn vom Anblick meines Vaters.
Wißt ihr das Lied noch, das sie uns zum Abschied
Am Tore sangen mit Schalmei und Harfen?
Sagt mirs! Mein Herz verlangt nach jenem Liede.
Zadik
Es war ein weiches Lied, und viele Jahre
Hört ich es oft im Traume wieder klingen.
Doch jetzt ists lange her.
Gefolge bleibt stumm
Jesabel
Ich wills euch sagen.
nachdenkend, dann einfach und langsam
Meereswellen, Meereswogen
Singen an der Heimat Strand,
Jesabel, die junge Fürstin,
Zieht hinweg ins fremde Land.
Zieht hinweg zu Glück und Freude,
Pause der Bewegung, des Kontrastes
Glanz und Ruhm ist ihr Geleit.
Strahlend überm Bergesgipfel
Steht der Bräutigam bereit.
Steht bereit mit Gold und Weihrauch.
Von der Felsen hohem Grat
Blickt er nach dem grünen Tale,
Ob die holde Fürstin naht.
Meereswellen, Meereswogen,
Bewegung. Pause. Dann in steigender Rührung
Singet von den Eltern traut,
Von der Heimat, von den Freunden
Einen Gruß der edlen Braut.
hastig, ergriffen
Reicht mir die Hand! Flieht nicht vor mir zurück!
In dieser Einsamkeit, in dieser Kälte
Laßt mich berühren etwas Warmes, Treues,
Lebendiges!
Sie zögern vor Ehrfurcht. Heftig
O unglückselig Los!
Die einen meiden mich aus Furcht und Haß,
Aus Ehrerbietung fliehen mich die andern!
Sie drängen sich heran, mit Zeichen der Ergebung und Liebe, die von Jesabel erwidert und provoziert werden.
Zu den Entferntern
Ihr dort? Zählt ihr auch nicht zu den Getreuen?
Sie eilen herzu, ihr die Hand zu küssen.
Zu den Pagen
Und ihr? Liebt ihr nicht eure Fürstin, Kinder?
Die Pagen eilen heran, knien nieder; Jesabel küßt sie.
Jesabel, übermannt, setzt sich nieder; dann, nach einer Zeit, aufstehend, mit fester Stimme und entsprechender Gebärde
Habt Dank! Nun fühl ich mich gestärkt und mächtig.
Alle ab, außer Jesabel, Zadik und Pagen und Wache.
Jesabel
Von König Ahab kam kein Bote noch?
Zadik
Noch nicht, erhabne Herrin.
Jesabel
Was bedeutet
Nach Eurer Meinung die Verspätung? Redet!
Bedeutets Schlimmes?
Zadik
Unerklärliches.
Jesabel
Das ist auch meine Meinung. Zweimal täglich
Gelobt er, mir zu senden Gruß und Nachricht.
Und König Ahabs Worte sind wahrhaftig.
Was für ein Volk wohnt auf dem Berge Karmel?
Zadik
Ein Volk, das diesen Namen nicht verdient:
Propheten, Zauberer und Wettermacher
In kleiner Zahl, verborgen in den Schluchten.
Jesabel
Ist unter ihnen nicht ein Mann: Elias?
Man sagt, er haßt mich mit besonderm Ingrimm.
Warum? ich weiß es nicht. Fragt Haß nach Gründen?
Zadik
Des Mannes Namen hab ich nie gehört.
Jesabel
Es war nicht klug, ich hab es widerraten,
In dieser Zeit des Hungers und des Aufruhrs
Mit allen Priestern durch Gebirg und Tal
Ins ferne Land zu ziehen ohne Kriegsmacht.
Doch Obad-Jah, der Feldherr, wollt es so,
Und seinem starken Willen mußt ich weichen.
Zadik
Seid unbesorgt, erhabne Königin!
Denn Ahab, unser guter, edler Herr
Hat keinen Feind.
Jesabel
Ja, Ihr habt recht.
Nur mir allein gilt aller Fluch und Haß.
Ich bin ‹die Fremde›, und die Fremde bleib ich.
nachlässig, geschäftsmäßig
Meint Ihr, der Abgesandte Ben-Hadads,
Des Syrerkönigs, der seit dreien Tagen
Ruht vor der Mauer, bringe gute Botschaft?
Zadik
Vertrag und Freundschaft binden Ben-Hadad
Mit Israel.
Jesabel
Allein es ist nicht Brauch,
Daß ein Gesandter wohnt im freien Felde.
Des Boten Heimat ist das Haus des Königs.
Page eintretend
Der Syrer Hasael begehrt Gehör.
Jesabel
Laßt ihn erscheinen. Rüstet ihm den Thron.
Sie besteigt ihren Thron. Die Wachen stellen sich davor.
Hasael, von Pagen zu seinem Thron geleitet. Die Wachen stehen in der Mitte vor Jesabels Thron.
Jesabel
Es kostet Überwindung, will mir scheinen,
Mein Angesicht zu sehn. Drei Tage braucht Ihr
Zu dem Entschluß. Die Botschaft, die Ihr bringt,
Fand Zeit, in dieser Frist zu reifen. Sagt sie!
Hasael
Ich bringe gute Botschaft, edle Fürstin,
Vorausgesetzt, daß nicht der schnelle Zorn,
Sondern Geduld und Mäßigung sie anhört.
Jesabel
Vorausgesetzt, ich denke, bleibt vor allem,
Daß Bündnis und Vertrag und Eid und Schwur
Sind heilig.
Hasael
Ohne Zweifel, hohe Herrin,
Wenn sie geschehen sind mit Billigkeit
Und Recht. Doch König Ahab setzte stolz
Den Fuß auf unsre Stirn und unsren Nacken.
Was er befahl, das mußten wir beschwören.
Jesabel
Und jetzt, weil eure Augen sehn Samarien
Von Hungersnot und Teuerung und Pest
Verheert, glaubt ihr euch stark, zu stehlen,
Was euch zu rauben Ahabs Hand verwehrte.
Doch König Ahabs Schwert, bedenket wohl,
Bedarf des Brotes nicht. Und fühlt es Hunger,
So lechzt es nach dem schwarzen Blut der Syrer.
Hasael
Die Not Samariens, Fürstin, ist es nicht,
Worauf wir bauen. Wenn die Götter treffen,
Geziemt es Menschenhänden nicht zu schlagen.
Auch meld ich Euch im Auftrag meines Fürsten,
Des Königs Ben-Hadad, des Herrn der Völker,
Daß Ihr die Heeresmacht, die von Damaskus
Heranzieht durch die Wüste nach Samarien –
Jesabel macht eine Gebärde des Zornes.
Gestattet mir zu enden, Königin!
Und in dem Schlangenkorb, der Euch erschreckt –
Jesabel
Erschrecken ist es nicht, es ist Entrüstung.
Hasael
Werd ich Euch zeigen einen leckren Aal:
Zum Angriff nicht, vielmehr zu Eurer Rettung
Vor Euren Feinden eilen wir heran.
Jesabel
Wir haben keine Feinde – außer euch.
Hasael bedeutsam, betonend
Ihr redet zuversichtlich, edle Fürstin.
Jesabel unruhig, dann sich fassend
Und Ihr in dunklen Bildern und in Schleiern.
Hasael
Mit dunklen Bildern und mit Schleiern dämpft
Ein Freund dem Freunde die zu grelle Wahrheit.
Pause
Hat man Euch nie gesprochen von Elias ?
Jesabel unruhig, sich nicht mehr beherrschend
Dem Zauberer?
Hasael
Dem Gottesmann. So wißt Ihr,
Elias hat sein Haus am Berge Karmel,
bedeutsam, betonend
Und König Ahab weilt zur Stund auf Karmel.
Jesabel entsetzt aufspringend
Baal und Astarte, rettet König Ahab!
Sein Antlitz legt er in den Hals des Löwen!
Hasael
Das Antlitz König Ahabs ist gesalbt,
Und der Prophet ist gottesfürchtig. Aber –
Verzeiht mir, daß ich rühr in Eurer Wunde,
Um sie zu heilen – Euer Angesicht,
Von Glanz umstrahlt und heilig jedem Edlen,
Dem Volke von Samarien ists ein Greuel.
Was Euch geschehen würde, wenn der Aufruhr,
Der sich in dieser Stunde wild und blutig
Von allen Bergen wälzt herab zur Hauptstadt –
Jesabel die Stufen herab gegen ihn dringend
Halt ein, eidbrüchiger Verräter! Weh Euch!
Ihr steht im Bunde mit den Volksverführern.
Hasael ruhig
Der Bund ist locker. Eure feine Hand
Vermag ihn rasch zu lösen. Hört das Wort
Des Syrerkönigs, Eures mächtgen Freundes:
Begebt Euch in des Syrers starke Obhut,
Und legt in seines abgesandten Knechtes
auf sich deutend
Getreue Hand die Zügel von Samarien.
So wird gleich einem Felsen, der am Ufer
Die Brandung bricht und die erzürnten Wogen
Hinunterschleudert in die Nacht des Abgrunds,
Die Furcht des Namens Ben-Hadad den Aufruhr
Zerschellen vor der Burg und Stadt Samarien
Und ihn vertilgen seines Schwertes Schärfe.
Das ist die Botschaft Ben-Hadads, des Herrn
Des Libanon und Syriens und Damaskus,
An Jesabel, die Fürstin von Samarien.
Jesabel nach einer Pause, ruhig und feierlich
Dem Mund der Fürstin ziemt das Wort der Weisheit,
Doch Eurem frevlen, schändlichen Verrat
Gebührt der Schrei des Zorns. Drum will ich schweigen.
Ihr werdet den Bescheid, den Ihr verdient,
Aus König Ahabs Munde selbst vernehmen.
Drohend
Ihr lächelt? Macht Euch König Ahabs Name,
Vor dem entsetzt die Syrer flüchten, lächeln?
Hasael sich lächelnd verneigend
Wo einem stolzen Namen, Königin,
Der Inhalt fehlt, da pflegt der Mensch zu lächeln.
Jesabel mit hervorbrechendem Zorn
Fürchtet den toten Löwen, Hasael,
Mit Zittern betet für des Königs Leben.
Hasael sich zum Abgehen rüstend, gleichgültig und sich verneigend
Aufrichtig und inbrünstig will ich beten.
Jesabel
Und daß Euch in dem heiligen Gebet
Kein Menschenantlitz störe, weiß ich Euch
Ein stilles Kämmerlein, wo kein Geräusch
Hemmt Eure Andacht. Zeiget ihm den Weg.
Hasael aufbrausend
Die unsichtbaren Götter, Jesabel,
Stehn zwischen Euch und mir.
Jesabel losbrechend
Wohl seh ich sie
Und höre sie, die Götter, wie sie rufen:
«Fasse den Gottesleugner und Verschwörer!»
Glaubt Ihr mich also blöd und sinnverlassen,
Euch freizugeben, daß Ihr neuerdings
Mit Mördern und Verschwörern Umgang pfleget?
Das hofftet Ihr! Ich sehs an Eurem Antlitz.
Legt eure Hand an ihn und führt ihn weg.
Hasael feierlich
Wer wagt es, an des Syrerkönigs Boten
Die Hand zu legen? Fluch und Weh ihm!
Sie zaudern.
Jesabel
Zadik, legt Eure Hand an diesen Mann.
Zadik tut es. Währenddessen weicht Hasael zurück und sucht seinen Gürtel durch das Fenster in den Hof zu werfen, allein falsch, so daß der Gürtel im Zimmer an das Fenster fällt. Nachdem Zadik angefaßt, ergreifen auch die übrigen den Gesandten.
Jesabel zu dem Gesandten, an ihn herantretend
Und nun geht hin und betet für den König.
Wie Ihr gesagt, inbrünstig, recht inbrünstig.
Denn falls ein Leid dem König widerfährt –
Mit diesem Dolch durchbohr ich Eure Zunge,
Die wider den Gesalbten sich verschwor.
Geht hin! Und wenn Ihr betet, lächelt nicht!
Sie führen Hasael ab. Pagen bleiben
Zadik leise
Habt Ihrs beachtet, Königin, er warf
Den Gürtel nach dem Fenster.
Jesabel
Werft den Gürtel
Hinaus, und achtet, wem das Zeichen ruft.
Zadik tut es und späht hinaus. Plötzlich weicht er entsetzt zurück.
Jesabel
Sagt an, wer ists?
Zadik stammelnd
Der Feldherr Obad-Jah.
Jesabel
Ihr redet irre!
Zadik
Schauet selbst.
Jesabel zum Fenster hinaussehend, Ausruf des Schreckens
Verraten und verloren! Feinde rings,
Der König fern, und in der Burg Verschwörung!
Zadik am Fenster
Mit heftigen Gebärden, gleich wie einer,
Der mit dem eignen Herzen streitet, ballt er
Die Faust und stößt den Fuß zu Boden! Ha,
Ermannet Euch! Er eilt hinan zum Schlosse.
Jesabel in Furcht und Verwirrung
Ermannen! Welch ein Hohn! Ich armes, schwaches,
Verlaßnes Weib! Und nirgends Hilfe! Handeln
Müßt ich und finde nicht die Kraft zum Denken.
O helft mir denken! Schnell! Wir müssen denken.
Des Königs Thron, das Leben meiner Kinder,
Samariens Wohlfahrt hängt an Eurem Witz.
O schweiget nicht!
Lärm draußen.
Vorbei! Es ist zu spät!
schnell und leise
Achtet auf alles, schaut auf meine Zeichen!
Ihr müßt verstehn das Winken meiner Augen.
Doch handelt nicht, bevor ichs Euch erlaube.
Ihr schützt mich, schützt Ihr mich vor Eurem Eifer.
Die Wachen kommen zurück. Gleich darauf Obad-Jah, zuversichtlich und gebieterisch. Er sieht sich nach Hasael um.
Jesabel
Ihr scheint jemand zu suchen, Obad-Jah!
Ist meine Gegenwart Euch nicht genug?
Obad-Jah herrisch
Genug, wofern sie mir allein gehört.
Zu wenig, wenn ich sie mit andern teile.
Laßt alle, welche zwischen Euch und mir
Zuviel sind, sich entfernen, so genügt mirs.
Jesabel
Ihr seid genügsam, da Ihr Euch vor mir
Allein mit Eurem Geist begnügt. Entfernt euch.
Alle ab, nur Jesabel und Obad-Jah bleiben.
Herablassend
Ihr kamt zur rechten Stunde, Obad-Jah.
Ich wollt Euch rufen. Eure weise Umsicht
Kam mir zuvor. Empfanget meine Gnade.
Reicht ihm die Hand zum Kusse; er zaudert.
Verschmäht Ihr meine Gunst?
Obad-Jah
Nein, Königin!
er küßt die Hand
Auf Erden ist kein Mann, der Eure Huld
Andächtiger als ich entgegennähme.
küßt leidenschaftlich
Allein in diesem Augenblick vielleicht
Hab ich sie nicht verdient: Zum Hören nicht,
Sondern zum Fragen, Fürstin, kam ich her.
Jesabel
Und könnt Ihr, statt zu ‹sondern›, nicht vereinen
Das Hören mit dem Fragen?
Obad-Jah etwas frech
Heute nicht.
Jesabel bestimmt und streng
Wohlan, ich wills Euch lehren! Erst das eine,
Hernach das andre. Ists nicht so?
Obad-Jah unsicher
Gewiß.
Jesabel
Und welches, glaubt Ihr, wird sich mehr geziemen?
Daß Ihr zuerst mich fragt und ich Euch höre?
Oder daß Ihr vernehmt, was ich gebiete?
Obad-Jah einlenkend
Ihr tut mir unrecht. Ferne war von mir,
Daß ich vergäße Eure heiige Hoheit.
Redet, erhabne Fürstin, und ich höre.
Jesabel
So sammelt Euren Geist und merket auf.
Der Syrer von Damaskus, Ben-Hadad,
Zieht gegen uns heran. Zu gleicher Zeit
Vom Berge Karmel naht ein blutger Aufruhr.
Ihr seid an Königs Statt. Antwortet mir:
Ist unsre Mauer, ist die Burg Samariens
Sicher und fest, dem Doppelsturm zu trotzen?
Obad-Jah
Samariens Mauer und Samariens Kriegsmacht
Ist stark, zu trotzen jedem Feind und Ansturm.
Jesabel
Und wem verdanken wirs? Wer hat die Burg,
Wer hat die Stadt befestig? Nennt den Namen!
Ihr zögert? Gut, ich will für Euch ihn nennen:
Es ist des Königs Feldherr: Obad-Jah.
Ihr habt ein edles Amt: An Königs Statt
Ist Euch gegeben, Euer Väter Land
Und Eures Königs Weib und seine Kinder
Zu schützen an dem Tage der Gefahr.
Ihr seid des Amtes wert, und Euren Wert
Vor aller Augen offen darzulegen,
Ernenn ich Euch hiemit durch dieses Siegel
zieht den Ring vom Finger
Zum Herrn der Burg und Stadt für Euren König.
indem sie ihm den Siegelring an die Hand legen will, nachlässig
Der Syrer Hasael hat es gewagt,
Mit lügnerischen Worten meinen Glauben
An Euch und Eure Treu zu untergraben.
Ihn warf ich in den Turm für seine Lügen.
Doch Euch, mein Freund, erteil ich diese Antwort.
Obad-Jah der in Bewegung, endlich abwehrend zurücktritt, heftig
O Königin, für Euch und Eure Kinder
Bin ich bereit, mit Freuden Gut und Blut
Zu opfern wider Syrer und Ägypter.
mit wildem Haß
Allein für König Ahab, meinen Feind –
abwehrend
Nehmt hin das Siegel, Ahabs Namen führt es!
Jesabel
Warum heißt Ihr den König Euren Feind?
Obad-Jah leidenschaftlich
Weil er den Schmuck und Edelstein der Frauen,
Die stolze Jesabel, den Stern von Sidon,
Vor Gott sein eigen nennt.
Jesabel
Schweigt, Obad-Jah!
Obad-Jah
Geschwiegen hab ich oft, jetzt will ich reden.
Er ist der Gnade unwert, die der Himmel
Blindlings auf ihn, und nur auf ihn allein
Verschwendet, da er ihm gestattet, täglich
Und stündlich Euren Blick und Eure Stimme
Und Eure Lieb und Freundschaft zu genießen.
Er ist nicht wert der edlen Jesabel,
Der Schwächling, der im Felde wie ein Kriegsknecht
Das Schwert gebraucht, doch sitzend auf dem Thron
Dem Kinde gleicht, beherrscht von jedem Willen.
Jesabel
Verflucht sei Eure Zunge, Obad-Jah.
Obad-Jah
Sie spricht die Wahrheit. Wahrheit frevelt nicht.
Er ist ein Schwächling, dessen Kraft von Euch
Geliehen ist und dessen falscher Ruhm
Als Abglanz strahlt von Eurem lichten Haupte.
Entfernt von Euch ists ein entnervter Feigling.
Jesabel
Ihr nennet Frevel ‹Mut› und Tugend ‹Feigheit›.
Und wen denn schätzt Ihr mehr als Ahab wert,
Mein Herr zu heißen und Gemahl?
Obad-Jah
Den Mann,
Der Eurem strengen, hohen Willen
Den seinen gegenüberhält. Den Mann,
Dem mehr als das Gesetz der heilgen Götter
Gilt Euer Leib und Angesicht. Den Mann,
Der Euch befiehlt und kniet zu Euren Füßen.
Jesabel
Ihr seid von königlichem Stamm und würdig
An Kraft und Ruhm der Tochter jedes Fürsten.
Doch Euer Herz spricht unbedacht und sündlich,
Denn König Ahab lebt, und ihm gehör ich.
Obad-Jah
Er lebt? ‹Er lebte›, wollt Ihr sagen. Lebte
Und wollte niemals sterben. Aber heute,
Ich schwör Euch, heute wird dies ewge Leben,
Das nicht versiegen will und das der Feind
Verschont, damit es zwischen Euch und mir
Den Bund vereitle, heute wird es enden.
Jesabel
Weh! Ich vergaß: Ihr schicktet ihn nach Karmel.
Obad-Jah
Und nicht umsonst. Elias ist ein scharfer Arzt.
Und falls er durch der Götter blinde Gunst
Nochmals entrinnt, so wißt: getreue Schützen
Liegen bereit im Hinterhalt am Wege.
Und fehlt ihr Pfeil, so tuts die Kraft des Schwertes.
schlägt an sein Schwert.
Jesabel wendet sich weg; darauf, sich wieder hinwendend
Ihr seid ein blutger Freier, Obad-Jah!
Und Eure Art ist stürmisch.
Obad-Jah
Wie die Eure.
Fürsten und Götter werben im Orkan.
Und also ich. Gehorchet meiner Stimme,
Und folget mir als Eurem Herrn und König.
Ihr seid mein eigen. Darum faß ich Euch
leidenschaftlich
Und küß Euch. Wie? Ihr wagt zu widerstreben?
Vermeidet meinen Zorn! Er reißt Euch nieder!
In meinem Herzen brüllt der finstre Moloch.
Jesabel
Zurück! Rührt mich nicht an, Ihr seid des Todes.
Pause
Baut nicht zu fest auf Eure Macht, mein Feldherr.
Denn eine Macht, die fern ist, gleicht der Ohnmacht.
In meinem Hause üb
ich Recht und Urteil.
Obad-Jah
In ‹Eurem Hause›? Dieses Haus ist mein,
Und Ihr seid meine willenlose Sklavin.
Stampft mit dem Fuß. Die Wachen erscheinen, mit Zadik. Zu den Wachen
Der Feldherr Obad-Jah, der Herr Samariens,
Befiehlt. Gehorcht ihr?
Wachen ohne Zadik
Wir gehorchen, Feldherr.
Obad-Jah
Seid ihr bereit, die Fürstin Jesabel
Zu richten?
Wachen bestürzt, dann entschlossen
Wenn Ihr es befehlt, wir sind es.
Obad-Jah
Es ist genug. Entfernt euch.
Die Wachen mit Zadik ab.
Königin,
Jetzt wißt Ihr, wer in Eurem Haus gebietet?
Jesabel
‹Gebietet›? Nein! Bewältigt und entehrt.
Ich: Eure ‹Sklavin›? Ich, die Königin?
Auf denn! du feiger Sohn der Wüste Moab!
Was zauderst du? Was lähmt dir deine Hände?
Auf, schleppe mich in deine finstre Höhle,
Gefesselt und verhöhnt, als deine Beute,
Und auf dies Angesicht, das dich verachtet,
Auf diesen Mund, der deinem Namen flucht,
Komm her und drücke deine schnöden Lippen!
Was hindert dich?
nach der Tür zeigend
Dort lauern deine Helfer!
Wehrlos steh ich vor dir: als deine ‹Sklavin›.
Nein! Königlichen Stammes seid Ihr nicht!
Wärt Ihrs, Ihr würdet eine Herrscherin,
Nicht eine schutzverlaßne Magd begehren!
Denn ohne Szepter, was ist Jesabel?
Was ohne Freiheit, ohne Stolz und Willkür?
Ein Weib wie andre mehr; und in Samarien
Und Juda findet Ihr viel tausend Fraun,
Die schöner sind als ich. Schaut diese Wangen:
Sie sind entfärbt. Und meines Nackens Glanz:
Sieh, er ist matt geworden, daß die Spötter
Werden mit Fingern nach Euch deuten, rufend:
«Seht an den jungen Helden Obad-Jah
Mit seinem alten Lieb!» Ihr steht abseits
Und schweigt. Ihr küßt mich nicht. Ihr schämt Euch meiner.
Ihr tuts mit Recht. Die Fürstin Jesabel,
Der Hoheit ledig, ist der Schönheit bar,
Ist eine arme Mutter, die kein Knecht
Begehrt. Wer war so töricht je wie Ihr?
Ihr gleicht dem Mann, der seinem edlen Falken
Das Auge blendet, daß er ihn bezähme.
Was war es denn, das Euch durch meinen Blick,
Durch meinen Mund, durch meine Hand bezaubert
Mit der Gewalt Astartes? War es Demut?
War es Gehorsam? War es Sklavensinn?
Wars nicht der kühne, unbegrenzte Hochmut?
Der Glanz der Göttin, der von meiner Stirn
Euch warf zu Boden und von meiner Zunge
Sich bohrt in Euer Herz, wenn ich befahl:
«Hieher, mein Feldherr!» oder stummen Winks
Euch knieen ließ und meine Hand berühren?
Ja, diese Jesabel war liebenswert.
Und wärt Ihr edel, diese hättet Ihr
Zum Weib verlangt, im Staub zu meinen Füßen.
Er kniet nieder. Sanfter
Und ich, von Eurem starken Mut bezwungen,
Bezähmt von Eurer Ehrfurcht und verführt
Von Eurer wilden Kraft, die Missetat
Und Blut nicht fürchtet und der Götter Rache
Um meinetwillen – ich, ich hätt Euch zwar
Gefesselt für die Menge Eurer Frevel,
Doch für die Größe Eurer Liebe hätt ich
Euch wiederum erlöst und Mund auf Mund
Zu mir erhoben als erkornen Gatten.
Ihr wolltets nicht. Ihr mochtet eine Magd.
Hier ist sie. Sie gehorcht. Ruft Eure Schergen!
Obad-Jah
Verzeihung! Hört in Gnaden mein Gebet!
Ich war betört von Molochs heißem Taumel.
Bestraft mich hart. Doch schenkt mir Eure Huld.
Jesabel
So sprecht: Wer ist hier Sklavin oder Sklav?
Obad-Jah
Ich bin der Sklav. Ihr meine hohe Herrin.
Jesabel
Und wollt Ihr das bekennen offenbar?
Obad-Jah
Vor aller Welt, wenn Eure Huld mirs lohnt.
Jesabel
So werft Euch in den Staub vor mir. Damit
Ich meinen Fuß auf Euren Nacken setze.
Er berührt mit der Stirn die Erde.
Zadik!
Er erscheint.
Ruft her die Wachen, daß sie sehn
Dies Schauspiel.
Die Wachen und Pagen erscheinen.
Redet, Obad-Jah! Bekennt:
Wer seid Ihr?
Obad-Jah
Euer untergebner Knecht.
Jesabel winkt. Die Wachen, Pagen und Zadik ab
Jesabel zu Obad-Jah
Wohlan, so will ich Euch verzeihn. Steht auf
Und gehet heim, und wartet meines Spruchs
Am Bache unterm Hain in Eurem Garten.
Und wenn ich wieder Euer Angesicht
Zu mir berufe – ists nicht mehr des Feldherrn.
Obad-Jah
Der Himmel segne Euer Wort!
Jesabel
So sei es!
Obad-Jah sich entfernend
Doch säumet nicht. Die Zeit ist groß und trächtig.
Jesabel
Ich bin nicht langsam, Obad-Jah, mein Feldherr,
Und will der Zeit gebären helfen.
Obad-Jah leidenschaftlich zurückkehrend, vor ihr kniend
Ein wahres, sichres Zeichen Eurer Huld
Gewährt mir noch zum Gruß und Abschied, Fürstin.
Jesabel besinnt sich, dann streicht sie ihm über das Haupt
Ihr habt gar weiche Locken, Obad-Jah.
Obad-Jah
Mein Haupt ist Euer.
Jesabel
Also glaub und hoff ich.
Obad-Jah ab.
Zadik eilt herein zur Verfügung der Königin.
Jesabel in höchster Aufregung, mit gedämpfter Stimme
Eilt dem Verräter nach und nehmt sein Haupt
Am Bache unterm Hain in seinem Garten!
Hier ist ein Tuch. Und tragt es in das Haus
Der Obersten und Führer. Laßt sie schauen
Das Haupt und segnen König Ahabs Namen.
Ist einer unter ihnen, der da zaudert,
So tut sein Haupt hinzu. Hier ist mein Mantel.
Dann kehrt zurück und fesselt meine Wachen.
Und wen Ihr auf der Straße findet lästernd
Den König oder seine Kinder –
Gebärde des Niederstoßens
Tut das und fürchtet niemand. Dieser Ring
Gibt Euch das Amt des Feldherrn von Samarien.
Zadik sich sträubend
Zum Feldherrn fehlen mir die seltnen Gaben –
Jesabel
Treue ist heut die seltenste der Gaben.
Zadik will knien.
Die Kniee nicht, gebrauchet Eure Füße.
Zadik eilt ab.
Jesabel die Hände aufhebend zum Gebet, mit sehr lauter Stimme, stehend
Heiliger Herr des Himmels, Baal, Allmächtger!
Aus tiefster Not bet ich und schrei zu dir:
Nimm mich zum Opfer! In die Hand der Feinde
Gib meinen Leib und in die Macht der Spötter
Mein Angesicht! Laß in den Staub der Straße
Rinnen mein Blut und stöhnen meinen Atem.
Und bin ich zu gering, unwert des Opfers,
Nimm Joram, meinen erstgebornen Knaben,
Das zarte Reis, das Lamm, in dem kein Fehl ist,
Joram, mein Kind, mein Aug und köstlich Kleinod –
Nimm ihn, und preisen will ich deinen Namen.
Doch aus der Grube der Verräter rette,
Rette den Helden! Rette König Ahab!
Diener und Dienerinnen stürzen herein: «Der König!» «Der König!» «Er jagt die Burg heran.» «Die Pferde bluten.» «Sein Antlitz ist entfärbt vor Schrecken.»
Jesabel ans Fenster eilend
Gerettet! Und mein Opfer ist erhört!
Sie sinkt auf einen Stuhl.
Der König stürzt herein, mit zerrissenen Kleidern, entfärbt und entsetzt. Alle übrigen entfernen sich.
Jesabel mit Freudenschrei ihm entgegen
Mein Held! Mein Hort! Mein König! Mein Geliebter!
Ahab
Auf! Rettet euch! Wo sind die Kinder? Fort!
sich umblickend
Hörst du den Wildbach? Hörst du den Propheten?
Jesabel
Ich höre deine Stimme, seh dein Antlitz
Und fasse dich und halte dich, mein Heiland,
Und laß dich nimmer los. Hat mein Gemahl
Und König keinen Gruß für Jesabel,
Sein treues Weib und seiner Kinder Mutter?
Ahab sich losreißend
Das ist die Stunde nicht zum Liebestand.
In meinen Ohren tönt Geschrei und Röcheln.
sich umsehend
Sie folgen mir! Wo sind die Kinder? Flieht!
Jesabel flehend, zärtlich
Mein Herz war bang nach deinem Anblick, Ahab,
Und meine Seele schwer.
Ahab
Verblendete!
Dein Kuß ist Mord! Laß rüsten Roß und Wagen!
Er schlägt auf den Alarmschild. Diener eilen herein.
Jesabel zu den Dienern, jähzornig
Schafft
einen Wagen her mit
einem Pferd
Und
einem Sitz!
zu Ahab, verächtlich
Ihr seid nun ruhig, Ahab?
Der König beschämt und zerknirscht. Diener ab.
Allmächtiger, dich klag ich an. Den König
Und Helden Ahab heischte mein Gebet –
Und einen Feigling gabst du mir zurück.
Ahab sinkt in einen Stuhl.
Jesabel spricht zu ihm
Mein Herz ist stark, 's ist meines Vaters Herz,
Des stolzen Eth-Baal, des Herrn von Sidon.
Um dich zu retten, hätt ich ohne Murren
Mein Haupt und meiner Kinder süßes Leben
Den Mördern angelobt. Doch wahrlich: lieber,
Als daß mein Auge schaute Omris Sohn
Gebrochen und geknickt, ein Rohr im Winde,
Wüßt ich Euch tot, ermordet von Elias.
Ahab
Weh mir, so spricht zu Ahab, dem Geschlagnen
Des Herrn, sein Weib.
Jesabel
Pause der Verachtung, dann des Mitleids und endlich der Rührung. Sich nähernd, mild
Mein Freund und mein Gebieter:
Die Zunge sprachs, berauscht vom Kelch der Leiden.
Das Herz weiß nichts von meiner Rede. Gott
Hat dich betört, der finstre Held Jehovah,
Und der Prophet. Du bist ein Mann im Feldstreit,
Doch vor den Göttern wanken deine Füße.
ihn umarmend
Vergib! Und melde mir die frohe Botschaft,
Wie du entrinnen mochtest dem Propheten.
Ahab aufspringend und vor ihr fliehend mit den Zeichen der Scham und der Reue
Weh meiner schweren Sünde! Frage nicht!
Jesabel düster
Melde die Wahrheit: Welches war das Kaufgeld?
Ahab umfaßt ihre Knie
Mein Herz war feige von der Furcht Jehovas.
Jesabel
Ihr fluchtet meinem Namen?
Ahab
Weh mir!
Jesabel
Und habt mein Angesicht vor Gott verleugnet?
Ahab schweigt.
Mit Schmerz
Ich hab Euch nicht verleugnet, König Ahab.
Ahab aufstehend
Unwert des Lebens, unwert deines Anblicks,
So räche meine Missetat mein Schwert.
Zieht sein Schwert. Sie hält ihn zurück.
Jesabel
Nein, dieses Schwert, du schuldests deinen Kindern.
bitter
Du tatest recht, als du mein Angesicht
Verfluchtest und den Namen Jesabel.
Du tatest recht: du redetest die Wahrheit.
Ich bin verflucht. Und will dem Fluche weichen.
Dem Sündenopfer gleich, am Tag der Buße,
Das mit des ganzen Volkes Sünde man
Belädt und stößt es schimpflich in die Wüste,
So flieh ich, schwer mit Schmach und Gram beladen,
Aus Ahabs Königsburg, verwünscht, verlassen,
Als arme Magd zum Herde meines Vaters.
Zurück! Du wehrst mir nicht. Ich bin verflucht.
Glaubst du, es werde meinem Herzen leicht,
Weinend am Meeresstrand dein Angesicht
Und meiner süßen Kinder zarte Häupter
Zu meiden alle Tage meines Lebens?
Doch wird mirs leichter noch, als wenn dereinst
Zu Ohren Jesabels, der ‹Buhlerin›,
Der ‹Fremden› tönt der Fluch der eignen Kinder!
Ahab
Halt ein! Nicht diese frevelhaften Reden!
Laß deine treuen Kinder nicht entgelten
Den Undank, den dir angetan ihr Vater.
Jesabel
Gönne dem Schmerz die Rede. Was er redet,
Das tut er mir. Du, höre meinen Willen.
Ich will den stolzen Stamm des Hauses Omri
Und deiner Kinder edles Reis benetzen
Mit meinen Tränen. Unterbrich mich nicht.
Der Juden finstrer Gott begehrt ein Opfer.
Er duldet keine Götter neben ihm.
Drum muß ich weichen; und die Götter Sidons
Nehm ich mit mir, auf daß du deine Kinder
Erziehest in der Furcht des Herrn Jehova,
Nach des Propheten Wort. Das ist mein Wille.
Du aber, von der jähen Not des Aufruhrs
Befreit, kannst deinen tapfern Arm gebrauchen:
Der Syrer zieht herauf mit einer starken Kriegsmacht
Und Roß und Wagen. Hasael, der Feldherr,
Entbot mir, meine Knie vor Ben-Hadad
Zu beugen.
Ahab
Und was sagtest du zur Antwort?
Jesabel
Ich sagt ihm: deinem Mund gebührt die Antwort.
die Tür öffnend, zu den Pagen
Befehlt den Syrer Hasael zum König!
Pause
Und meinen Herold sendet zum Propheten,
Daß Jesabel, die Fürstin von Samarien,
Ihn bittet um Geleit und Unterredung.
Ahab entsetzt
Was hast du vor? Was willst du vom Propheten?
Jesabel
Ich will ihm sagen, daß Jehovas Zorn
Ich weiche, seinem strengen Spruch mich beugend.
Und Joram, deinen erstgebornen Sohn,
Will ich ihm anvertraun, daß er ihn salbe.
Befürchte nichts für ihn. Wer dich geschont,
Der wird auch deines Kindes Antlitz ehren.
für sich, in Gedanken
Ich weiß, der Juden Gott ist hart und grausam.
Doch ists ein Gott. Und fühlt auch kein Erbarmen
Elias, fühlt er Gottesfurcht und Glauben.
Mein Herz ist müde des Verrats und satt
Der Freundschaft, die ihr Angesicht verwandelt.
Ich sehne mich nach einem Mann, der frei
Ins Antlitz mich verabscheut, weil er wahr
Und redlich dient dem Gotte seiner Väter.
Ahab
Nicht um des Sohnes, um dein eigen Haupt
Bin ich verzagt. Du kennst Elias nicht,
Den Grimmigen, und seinen wilden Haß.
Jesabel
Ich will ihn kennenlernen, diesen Haß,
Der stets mir folgt und stets mich flieht. Ich will
Ihm Rede stehn und ihn zur Rede stellen.
Ahab
Du zwingst mich, Jesabel, das Wort zu sprechen:
Nach deinem edlen Blute dürstet er.
Jesabel
Wohlan: hier hab ich Blut, den Durst zu stillen.
Ist nicht mein Herr und Held, der König Ahab,
Bereit, für seine Kinder, für sein Volk
Neidlos sein Blut zu sprengen auf das Schlachtfeld?
Bin ichs nicht wert? Bin ich von schlechter Art?
Auch ich bin königlich an Stamm und Hochmut.
Ahab
Ein Weib nicht – eine Göttin scheinst du mir!
So groß, so hehr. Aus Gnaden mir vom Himmel
Gesandt, um meinen Schwachmut zu beschämen.
Doch wenn nun der Prophet, verstockt und zäh,
Den Fluch nicht löst und sein erzürnter Gott,
Uneingedenk des Opfers, das du ihm
Entbietest, seinen Spruch behält, begehrend
Nach unsrer zarten Kinder reinem Blut –
Jesabel
Ahab! Es gibt im Himmel keinen Gott,
Der, um der Mutter Herz zu schlagen, zielt
Nach ihren Kindern.
drohend, heftig
Täte das Jehova,
Begehrt er aus dem Munde des Propheten
Das Leben meiner unschuldvollen Kinder,
sehr laut
Dann schwör ich dir bei Baal und bei Astarte:
Verfolgen wollt ich ihn, ruchlos verfolgen
Bis in das Meer, bis in der Berge Höhlen
Und seinen Anhang ohne Recht und Urteil
Vertilgen mit dem Schwert, wie man vertilgt
Ein giftiges Gewürm und teuflisch Unkraut.
Der Syrer Hasael wird von den Wachen gebracht. Pagen.
Jesabel zu Hasael
Kommt her und lächelt, Hasael. Der König
Und Herr Samariens steht vor Euch, den Ihr
Verrietet in die Hände der Empörer.
Aus seinem Mund empfanget seine Antwort.
Zadik tritt auf mit Soldaten, welche die Wachen greifen. Zadik überreicht Jesabel ein Tuch.
Doch erst aus meiner Hand die meine.
Schlägt das Tuch zurück und erhebt das Haupt.
Ahab entsetzt
Obad-Jah!
Alle mit Schrecken
Der Feldherr Obad-Jah!
Hasael taumelt.
Jesabel
Der Feldherr nicht. Der Freund und Knecht der Syrer,
Der Frevler wider mich und seinen König.
Hier
auf Zadik zeigend
steht der Feldherr.
zum König
Fasse seine Hand.
Du spürst sie warm vom Blute der Verschwörer.
Kein Feind mehr droht dir in der Stadt Samarien.
Das ist das Werk der Fürstin Jesabel.
Was ist das deine?
Ahab zu Hasael, feierlich, mit Würde
Meldet Eurem Herrn:
Weil er gebrochen hat Vertrag und Eidschwur,
So will ich brechen seine Städt und Burgen
Und seinen Thron zerschmettern mit dem Schwerte.
Doch weil er ohne Furcht und Scheu der Götter
Durch seinen Knecht und Boten die Verschwörer
Aufreizte wider Ahab den Gesalbten,
So will dem Tod ich weihen seine Seele
Und seinen Leib den Hunden. Meldet das.
Und treff ich über eine Stund Euch noch
Im Umkreis dieser Stadt, so töt ich Euch.
Syrer geht ab.
Jesabel ihm die Hand reichend
Jetzt schau ich wieder König Ahabs Antlitz.
Ahab
Es ist der Spiegel nur, den du beleuchtest.
Achter und letzter Auftritt
Freudenlärm draußen.
Joram eilt herein mit froher Miene (Thamar folgt)
Freut euch! Die Hungersnot und aller Jammer
Des Volkes ist zu Ende. Rauschend von den Bergen
Lebendgen Stromes quillt herab der Regen.
Elias den Propheten preist das Volk,
Ihm danken wir den Regen, sagen sie.
Jesabel
Sie täuschen sich, wir danken ihm den Sturm.
Ahab Joram und Thamar zu Jesabel führend und auf sie deutend
Im Sturm den Felsen laßt uns heilig ehren.
Vorhang
Ende