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I.

Heute ging's im Dorf noch lustiger zu, als die Tage vorher, obgleich das rechte, echte Kirmeßtage gewesen waren. Heute war Nach-Kirmeß, oder Burschen-Kirmeß, wo die jungen unverheiratheten Bursche die Wirthe machen, aber nicht auf eigene Kosten – sie haben selbst nichts, die armen Teufel, oder haben das Wenige, was sie hatten, in den Tagen vorher längst verjubelt! – sondern auf Kosten der Wohlhabenderen im Dorf, die den »Burschen« wohl oder übel das Nothwendige – das ist: Zum Essen und Trinken vollauf – liefern müssen.

Wohl oder übel! denn dies Burschen-Heischen ist ein uralter Brauch, dem sich Niemand entziehen kann, und zu dem selbst der geizigste Bauer gute Miene machen muß, für ein so übles Spiel es der Filz auch in seinem Herzen hält.

Das Spiel ist aber so:

Um die Mittagszeit, wenn die Tische rings umher in den Häusern gedeckt sind, ziehen die Burschen aus der Schenke, die »Heischer« voran, die Andern hinterher. Die Heischer aber – zu denen immer die Durchtriebensten gewählt werden – haben sich wunderlich ausstaffirt, ja wohl unkenntlich gemacht, und jeder hat einen langen Sack über der Schulter hangen. So geht's unter Musik und Singen und Gejohle das Dorf entlang von einem wohlhabenden Haus zum andern, oder vielmehr von einem Haus ins andere und zwar direct ins Zimmer hinein, wo die Familie beim Mahle sitzt, vielleicht mittlerweile schon abgegessen, aber bei Leibe nicht Alles aufgegessen hat. Im Gegentheil, da liegen Brote, frischgebacken, Würste oder ein tüchtiges Stück von einem Schinken, manchmal auch wohl ein ganzer, und eine große Branntweinflasche steht daneben, und Alles ist auch in seinem Herzen gute Beute für die »Burschen«, die es, ohne viel Federlesens zu machen, in die großen Säcke stecken, sich bedanken und weiter »heischen« gehen, bis sie die Runde gemacht haben, und, mit ihren Schätzen beladen, wieder zur Schenke ziehen, wo dann gegessen und getrunken, getanzt und gejubelt wird bis an den hellen Morgen. In den späteren Auflagen ab, 1871 (»Novellen«, Zweiter Band, S. 213ff. etc.), sind die einleitenden Passagen bis hierhin gestrichen; die Erzählung beginnt erst – ähnlich wie der folgende Absatz: »Mittag war's und ein so klarer u.s.w.«

Jetzt war's Mittagzeit, und ein so klarer, sonniger Herbstmittag, wie ihn sich ein Kirmeß-Bursch nicht klarer und sonniger wünschen kann. In der Schenke standen alle Fenster auf und aus den offenen Fenstern schallte Singen und Lärmen und zwischendurch ein heller Juchzer weit ins Dorf hinein. Vor der Schenke aber hatten sich die Dorfkinder versammelt, die in Erwartung der Dinge, die da kommen sollten, auch schrieen und lärmten, um die Wette mit den beiden großen Hunden vor dem Karren des alten Pantoffel-Claus, der eben heimgekommen war – zur unglücklichen Stunde – wer hatte jetzt Zeit, sich um seine Waare zu bekümmern! Selbst die rothbäckigen Dirnen, die, sich einander unterfassend, in einiger Entfernung standen, blickten nur immer zu den Fenstern empor, und stießen sich in die Selten und kicherten und kreischten, wenn – was von Zeit zu Zeit geschah – einer von den Burschen sich oben zeigte und ihnen mit der Masche winkte, oder ein Wort zurief, das der Lärm verschlang.

Du, sagte die Eine, heute dauert's aber lange.

Ist auch ganz was Besonderes, sagte die Andere, Bruder hat mir's gesagt.

Was hat er gesagt? riefen sechs Stimmen auf einmal.

Ich darf's nicht wieder sagen, rief Anne-Kathrin, nein, gewiß, ich darf's nicht, laßt mich zufrieden.

Sie weiß nichts, gelt? sagte die Erste.

Die Andern lachten.

So? ich weiß nichts? sagte Anne-Kathrin eifrig, na! jetzt kann ich's wohl sagen; sie müssen ja doch gleich kommen. Der Hans ist zurück.

Von den Soldaten? – Winzig's Hans? – Der lange Schlagtodt? so riefen die Andern durcheinander. Ist's möglich? Seit wann denn? wo

hat er gesteckt?

Laßt mich zufrieden! noch einmal sag ich's, schrie Anne-Kathrin, Ihr reißt mir ja die Kleider vom Leibe. Gestern Abend spät ist er gekommen, als der Schulze schon Feierabend geboten hatte; hat nur noch Wenige in der Schenke getroffen, meinen Bruder und ein paar Andere. Die haben gleich verabredet, daß Hans heute unter den Heischern sein soll, und etwas recht Tolles will er machen, der Hans – was, weiß ich nicht. Gelt, da sind sie!

Die Musikanten kamen aus der Schenke die Trittstufen hinab und bliesen einen ohrenzerreißenden Marsch; hinter ihnen in der weitaufgerissenen Thür zeigten sich drei sonderbare Gestalten.

Die eine links war in ein graues Gewand gehüllt, das um den Leib mit einem breiten Gurt zusammengehalten war. Auf dem Kopfe trug sie eine graue Perrücke von Ziegenhaar, und ein zottliger ellenlanger Bart von demselben Stoff fiel ihr weit über die Brust herab. Alles in Allem sollte sie wohl den Knecht Ruprecht vorstellen, hätte sich aber mit vielleicht noch größerem Erfolge für einen polnischen Juden ausgeben können; die andere rechts war ähnlich ausstaffirt, nur daß Perrücke und Bart aus Hobelspänen bestanden, was – in Verbindung mit der Axt, die sie im Gürtel stecken hatte – schon mehr auf einen Holzfäller oder Kohlenbrenner hindeutete. Zwischen diesen beiden Gestalten schritt eine dritte, die eine ungeheure Haube auf dem Kopf, einen jener kurzen Frauenmäntel, wie sie in der Gegend getragen werden, um die Schultern hatte, und nach unten zu in einem Weiberrocke stak, oder vielmehr in mehreren, denn es hatten augenscheinlich zwei oder drei zusammengenäht werden müssen, um Beine von so außerordentlicher Länge zu bedecken.

Die Gestalt nämlich überragte weit die beiden Andern, die doch auch stattliche Bursche waren, und diese enorme Größe, welche durch die Frauenkleider scheinbar noch erhöht wurde, zog das Lächerliche einer solchen Erscheinung fast ins Ungeheuerliche. Es war kein Wunder, daß die kleineren Dorfjungen heulend davon liefen, die größeren wie besessen schrieen, die Hunde des Pantoffel-Claus an ihren Strängen zerrten und nach dem Ungeheuer schnappten und rasend bellten, während der Pantoffel-Claus grimmig schalt. Ein paar Dutzend Gänse, die sich ebenfalls eingefunden hatten, stoben mit Hellem Getön auseinander, die meisten in den Bach, der auf der andern Seite der Dorfstraße floß; die Mädchen kreischten, die Burschen, die hinter den »Heischern« herzogen, johlten, die Musici thaten ihr Möglichstes mit Blasen und Pfeifen – es war ein Höllenspektakel, daß sie in den Häusern überall an die Fenster und vor die Thür liefen, den Zug der Bursche kommen zu sehen.

Der bewegte sich nun die Dorfstraße hinab, aber wie angelegentlich auch jeder der Burschen die Aufmerksamkeit durch Schreien, Rufen, Johlen und Mützeschwenken auf sich zu ziehen suchte, wie possirliche Sprünge auch der mit dem Ziegenbart machte, und wie gravitätisch auch sein College mit den Hobelspänen einherschritt, – das vorzüglichste Interesse concentrirte sich doch auf den Langen in den Weiberkleidern, und man mußte es ihm lassen, daß er seine Rolle gut zu spielen verstand. Bald trippelte er wie ein Dorfjüngferchen, das sich die Sonntagsschuh auf einem verregneten Wege nicht beschmutzen will, bald schritt er stolz einher und fächerte und drehte sich wie eine Stadtdame, jetzt warf er den Mädchen nach rechts oder links verliebte Küsse zu, jetzt that er ehrbar, als wenn's zur Kirche ging, und jetzt, als man an einen Rinnstein quer über die Gasse kam, hob er gar die Röcke vorne sehr zierlich mit Daumen und Zeigefinger bis zum Knie, und zeigte die langen Beine, die in Soldatenhosen staken.

Es ist eben noch der Alte, sagte der Bäcker Heinz, der, die Hände wie immer in den Taschen, vor der Thür stand, zu seinem Nachbar, dem Kaufmann Wesemeier, welchen der Lärm hinter seinem Ladentische hervorgelockt hatte.

Ja, das ist er, antwortete Herr Wesemeier – ein kleines, hageres Männchen – der alte lustige Vogel, der alte lustige Vogel.

Herr Wesemeier sagte das aber gar nicht lustig, einmal, weil er überhaupt etwas melancholischen Temperamentes war, und sodann, weil ihm plötzlich vorkam, als ob der lange Hans die schönen Sachen, die drinnen in der Stube auf dem Festtisch standen und den »Heischern« zugedacht waren, ganz allein würde aufessen können.

Sie kommen zu Euch zuerst, Nachbar, sagte der Bäcker.

Ja, das thun sie, das thun sie, sagte Herr Wesemeier.

In der That schwenkte der Zug jetzt von der Straße links auf den nicht allzubreiten Steg, der über den Bach auf Herrn Wesemeiers Haus zuführte, und ein ungeheures Schreien und Juchzen entstand, als jetzt der Hans, anstatt über den Steg zu gehen, mit einem Satze über den Bach sprang, daß die Weiberkleider weit hinter ihm in der Luft flatterten, bis unmittelbar vor Herrn Wesemeier, der voll Entsetzen ein paar Schritte zurückfuhr, während der Bäcker nur eben mit den dicken mehligen Lippen lächelte und sagte: hat dich der Teufel noch nicht geholt, Hans?

Der Hans machte statt aller Antwort einen tiefen Knix und verzog sein hübsches Gesicht zu einer scheinheiligen Fratze.

Na, dann wird er's wohl bald thun, Hans? sagte der Bäcker.

Nicht eher, als bis Ihr die größten Semmeln auf dem Walde backt, sagte der Hans, mit einem zweiten noch tieferen Knix.

Der Bäcker warf ihm einen bösen Blick zu, aber jetzt kamen auch die Andern herangeschwärmt, und gerade hinein in des Kaufmanns Haus ging's. Herr Wesemeier folgte den Burschen und sah mit saurer Miene und indem er die Hände übereinanderrieb (wodurch er seine Behaglichkeit und Gastfreundschaft ausdrücken wollte) zu, wie die Burschen, was auf dem Tische stand – es war nicht allzuviel – in ihre Säcke steckten.

Wirst wohl nun bei uns bleiben, Hans? fragte Herr Wesemeier.

Glaub's nicht, erwiederte der Hans, indem er ein sehr mageres Schinkenbein in den Sack schob, die Schweine haben mir hier zu viel Knochen.

Damit warf der Uebermüthige seinen Sack über die Schulter, und als er aus dem Hause trat, that er, als ob er unter der Last zusammenbrechen müsse, was dann wieder ein gewaltiges Lachen und Schreien der draußen Versammelten hervorrief.

So ging's das Dorf hinab, von Haus zu Haus, und immer größer wurde der Schwarm, der mitzog, und immer lauter und gellender das Schreien und Lachen, denn immer tollere Capriolen und Possen trieb der Hans, und wenn sie glaubten, jetzt habe er seinen letzten Trumpf ausgespielt, wußte er immer wieder ein Schelmenstückchen, das noch besser war, als alle die vorhergegangenen.

Man hatte jetzt das ganze Dorf »durchgeheischt« und war auf dem Rückwege beinahe schon wieder zur Schenke gekommen, als plötzlich einer von den Burschen rief: Jetzt müssen wir noch zum Schulmeister!

Ja, ja, zum Schulmeister! riefen die Andern wie aus einem Munde.

Der Schulmeister und Küster Selbitz hatte von seiner verstorbenen Frau Seite ein Stückchen Land, welches er selbst bewirthschaftete, und mochte somit wohl zu den Bauern gezählt werden, auch war noch alle Jahre bei ihm »geheischt« worden, wie bei den Andern; aber der Hans, der noch eben der Tollste der Tollen gewesen und in der That mehr als halb berauscht war, wurde mit einem Male ganz nüchtern und ernsthaft und sagte: Da mache ich nicht mit.

Du mußt, Du mußt! schrien sie von allen Seiten.

Und ich will nicht! sagte der Hans.

Er fürchtet sich vor dem Schulmeister seiner Ruthe! rief ein Witzbold.

Oder daß der Herr Vormund ihm das Maul verbietet! ein Anderer.

Oder vor der Grete ihren schwarzen Augen! ein Dritter.

Der Hans stand da und schoß wilde Blicke auf die Neckenden, als ob er sie am liebsten gleich geprügelt hätte; plötzlich aber warf er den Sack, der jetzt voll und schwer war und den er vor sich hin auf die Erde gestellt hatte, mit einem Ruck wieder auf die Schulter und sagte durch die Zähne: Na, so kommt!

Und weiter ging's unter erneutem Lärmen die schmale Nebengasse hin, wo zuerst rechts und links die beiden Teiche waren, der größere und der kleinere, und dann noch ein paar Häuser standen, von denen das erste des Schulmeisters Haus war weiter hinten und etwas abseits vom Dorfe lag auf einem Hügel die Kirche mit dem Friedhofe und die Pfarre unter hohen Linden und Pappeln.

Der Hans war mit seinen langen Beinen so schnell vorauf geschritten, daß die Andern sich in Trab setzen mußten, um folgen zu können. Das hatte denn die Lustigkeit nur erhöht, so daß es war, als ob die wilde Jagd über des Schulmeisters friedliche Wohnung hereinbreche, und die Grete, des Schulmeisters Tochter, die in dem kleinen Gärtchen vor dem Hause gestanden und auf den Lärmen im Dorfe gelauscht hatte, als sie den tobenden Haufen kommen sah, schnell ins Haus hineinflüchtete in die Stube, wo der Eßtisch noch gedeckt stand, während der Vater an einem andern in der Nähe des Fensters saß und gravitätisch langsam in einem dicken Buche Linien zog.

Der Schulmeister war ein schon ältlicher Mann mit einem hagern, langen Gesicht, das die kahle Stirn noch länger erscheinen ließ. Seine Augenbrauen hatte er beständig in die Höhe und die Ecken seines nicht mehr mit allen Zähnen versehenen Mundes nach unten gezogen, was ihm ein sehr strenges und mürrisches Aussehen gab, besonders in diesem Augenblicke, wo er sich, ärgerlich über die unliebsame Störung, zu seiner Tochter umwandte und mit knarrender Stimme rief: So kommen sie doch wohl, die Tagediebe, die Trunkenbolde?

Ja, Vater, sagte das Mädchen schüchtern. Sie warf einen ängstlichen Blick auf den Tisch, dessen dürftige Ausstattung ihr jetzt – im letzten Momente – doppelt schwer auf der Seele lag; aber sie wagte nicht, was sie ursprünglich gewollt hatte, den Vater zu bitten, schnell noch etwas – ein paar Würste, ein paar Brote – gleichviel was – dazu thun zu dürfen; sie wußte, daß der genaue Vater es doch nicht erlauben würde.

Die Tagediebe, die Trunkenbolde! wiederholte der Alte, indem er aufstand, das große Buch zuklappte, sich die Feder hinter das rechte Ohr steckte und auf die Thür zuschritt, gleichsam um den Kommenden durch seinen Anblick von vornherein den Muth zu nehmen, sich allzu ungebührlich zu betragen.

Wenn dies aber die Absicht des Alten war, so hatte er sich arg verrechnet. Freilich hatten von den Burschen draußen seiner Zeit jeder wer weiß wie oft den schulmeisterlichen Rohrstock auf seinem Buckel gefühlt, und diese Erinnerung, zusammen mit der Erscheinung des gestrengen Herrn, hatte noch immer selbst die übermüthigsten Bursche bei ähnlichen Gelegenheiten in Zaum gehalten; heute aber, wo es unter der Anführung des Hans so ganz besonders toll und lustig beim Heischen hergegangen war, wollten sie einmal zeigen, daß sie sich nicht mehr vor der Ruthe fürchteten, und wollten sich, so zu sagen, für die in früheren Jahren ausgestandene Angst und für den angestammten Respect schadlos halten. So entstand denn, wie Herr Selbitz auf seiner Thürschwelle erschien, ein ohrenzerreißendes: Vivat, der Herr Schulmeister soll leben, und seine Tochter Grete daneben! Die hinten Stehenden drängten auf die vorne, so daß der lange Hans und die beiden andern Heischer nebst einem halben Dutzend der Burschen mit Gewalt fast in die Hausthür auf den Flur, aus dem Flur in die Stube geschoben wurden, wohin sich denn Herr Selbitz, der ganz bleich geworden war, noch vor ihnen retirirt hatte.

In der Stube fielen denn die Bursche gleich über den Tisch her und steckten, was sie fanden, in die beinahe vollen Säcke, nur der Hans rührte sich nicht, sondern stand da – in feinem Weiberanzug, der ihm überdies auf dem Weg durchs Dorf halb schon vom Leibe gerissen war, gar lächerlich und abscheulich anzusehen – und starrte auf die Grete, die, mit weiblichem Takt die allerbeste Miene zum bösen Spiel machend, lachend und scherzend den Burschen beim Abräumen des Tisches half, bis Einer von ihnen ihr zurief: Wie gefällt Dir denn der Hans, Grete? Gelt, der sieht gut aus? und bei diesen Worten auf den Hans deutete.

Grete schaute zum ersten Male auf zu der wunderlichen Gestalt. Das Lachen erstarb auf ihren Lippen; sie wurde kreidebleich und ließ mit einem Ruf des Schreckens das Brot, das sie in der Hand hielt, auf den Fußboden fallen.

Der Hans war, wie die Grete ihn ansah, nicht minder bleich geworden; seine Augen fuhren ihm wild im Kopfe herum, als ob er fürchtete, die Wände hier würden über ihm zusammenbrechen, und ehe noch die Grete sich von ihrem Entsetzen erholen oder der Schulmeister, der nicht minder erschrocken zu sein schien, ein Wort sagen konnte, stürzte er aus der Stube auf den Flur, zum Hause hinaus, hinter ihm her mit Hurrah und Vivat und Halloh die wilde Schaar.

Sie hatten die Thür weit aufgelassen; Herr Selbitz schlug sie zu, daß es krachte; dann trat er zu seiner Tochter heran, die noch immer bleich, mit offenem Munde, während die Arme ihr schlaff an den Seiten herabhingen, vor dem heruntergefallenen Brote stand und sagte: Nun, Grete, da ist ja Dein lieber Hans wieder; und einen schönen Empfang hast Du ihm bereitet, das muß ich sagen!

Die Grete bückte sich, das Brot aufzunehmen und es auf den Tisch zu legen. Sie antwortete aber nichts.

Und das muß ich Dir noch weiter sagen, fuhr der Alte fort, dessen Zorn das Stillschweigen der Tochter nur noch stärker anzufachen schien: Du kennst den Lump nicht mehr und sprichst kein Wort mehr mit ihm, wenn er ja versuchen wollte, hier zu bleiben; kein Wort, das sag' ich Dir!

Aber Vater, sagte das Mädchen, deren bleiche Wangen jetzt plötzlich eine helle Röthe übergoß, der Hans ist doch Dein Mündel und meiner seligen Mutter leibliches Schwesterkind.

Und es bleibt dabei, kreischte der Alte, ich will mit dem Bettler nichts mehr zu schaffen haben, und Du sollst nichts mit ihm zu schaffen haben, oder es ist auch aus zwischen uns Beiden! Verstanden?

Er zog sich den Hausrock aus und den Ausgehrock an, stieß die Tochter, die ihm dabei helfen wollte, unsanft zurück, riß den breitkrämpigen Hut vom Nagel, rief noch einmal, schon auf der Schwelle: Verstanden? und verließ die Wohnung, den Weg nach der Pfarre einschlagend.

Grete mußte den Vater nur zu gut verstanden haben, denn als die schwarze Gestalt desselben an den Fenstern vorübergeschritten war, sank sie auf einen Stuhl, drückte sich die Zipfel der Schürze in die Augen und weinte bitterlich.



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