August Sperl
Die Fahrt nach der alten Urkunde
August Sperl

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Über fünf Treppen.

Ich muß die Erzählung von unserer Fahrt auf eine kurze Zeit unterbrechen.

Zwei Jahre sind vergangen. Wieder befinde ich mich mit meinem Vater auf einer Reise, und wieder ist's Herbst. Soeben sind wir angekommen, haben ein Zimmer gemietet und gehen langsam durch die dämmerigen Straßen der großen Stadt.

Es hat den ganzen Tag geregnet; erst gegen Abend ist der Himmel hell geworden. Das Pflaster ist nur stellenweise getrocknet, da und dort stehen häßliche Pfützen. Naßkalter Wind weht und schlägt den Rauch, der rings um die Stadt her aus den unzähligen Fabrikschlöten qualmt, zwischen die Häuser herein. Wogend drängt sich die Menschenmenge auf den breiten Trottoiren, hochbeladene Lastwägen fahren donnernd über das Pflaster, die Laternen sind angezündet, und ihre gelben Flammen kämpfen mit dem scheidenden fahlen Tageslicht. Immer hastiger drängen sich die Menschen, die Geschäfte werden geschlossen. Elegante Karrossen jagen vorüber, daneben 83 zieht der müde, alte Lumpensammler seinen Karren, und sein ruppiger Hund hilft ihm. Das geschminkte, geputzte Elend promeniert auf und ab und wirft seine Netze aus, an den Häusern strahlen die großen Scheiben der ersten Stockwerke, leuchten bescheiden die kleinen Fenster hoch droben unter den Dächern.

Wer eine Heimat hat, der eilt, sie zu erreichen, und wer keine hat in der großen, großen Stadt, der muß sehen, wie er sonst sich's heimlich mache. –

Merkwürdige, schneidende Gegensätze! Ich weiß ja gar wohl, sie müssen vorhanden sein, sie sind in der Natur der menschlichen Unvollkommenheit tief begründet; ich weiß auch sehr wohl, daß gerade in den großen Städten unendlich viel geschieht zu ihrer Ausgleichung. Und doch besuche ich sie nicht gerne, diese großen Metropolen. Wenn ich so fremd hereinkomme, dann sehe ich nur die Gegensätze in dem schrecklichen Gewühle und höre mitten in dem sinnverwirrenden Lärm des Verkehrs gar viel halbunterdrücktes Weinen und Klagen. Das verleidet mir alle Freude an dem bunten Treiben, ich sehe das Bild, aber ich sehe nur die häßlichen Schatten. Ich gehe durch die breiten Straßen als ein Fremder, ich blicke empor an den hohen Häusern, ich trete vielleicht auch dann und wann in die engen, düsteren Höfe und betrachte die massigen Hinterhäuser, ich beobachte, wie die Glücklichen so unbekümmert durch die Menge der Unglücklichen hinschreiten, ich schaue, und es graut mir.

84 Ich weiß freilich, daß das ganze Leben eine lange, lange Kette solcher unsäglich harter Gegensätze bildet. Die Stadt schuf all den Zwiespalt nicht, der ist viel älter, der war schon da, lange ehe die erste Stadt gebaut wurde. Im Dorfe sind diese Gegensätze, in der Familie sind sie, ach, im eigenen Herzen liegen sie dicht neben einander: hier, in diesem Winkel, sitzt die Freude, dort kauert das Elend, hier wohnen die guten Gedanken, dort, dicht daneben, schlafen die bösen Geister, du darfst sie nur wecken, dann stehen sie auf, mächtig groß, und erschrecken dich und verderben dich vielleicht. Ja, nicht nur in den großen Städten gibt es dunkle Plätze und Gassen.


Wir saßen in einem der Weinhäuser in Mitte der Stadt. Längst hatten wir gegessen. Es war schon ziemlich vorgerückte Zeit. Der Vater las in einem Blatte, ich musterte von unserer Ecke aus das bunte Treiben in dem großen Raume.

Plaudernd, lachend, lesend, essend, trinkend saß die Menge rings umher. Die Kellner glitten geräuschlos zwischen hindurch. Ich beobachtete die Kolporteure, die von Zeit zu Zeit mit ihren Waren durch den Saal gingen, Gestalten, die sich in großen Städten immer und immer wiederholen: dort die alte Frau mit den Zeitungen; sie geht etwas gebückt, aber noch immer entbehrt ihr Gang nicht einer gewissen Anmut; vielleicht war sie einst eine gefeierte Tänzerin. Hier der graue Mann mit den 85 Zigarren und Meerschaumspitzen, die er offen zum Kaufe anbietet, und mit den häßlichen Bildern, die er mit widerlichem Grinsen verstohlen anpreist. Er geht umher mit langsamen, schleichenden Schritten. Ich höre seine heisere Stimme, ich sehe, wie er lauernd über die Gläser seiner Brille herübersieht und sich seine Leute mustert. – Hier das halbgewachsene Mädchen mit seinen blühenden Veilchen und Rosen und mit dem frechen Blick. Dort der braune Italiener mit seinen weißen Gipsfiguren und seinem schwermütigen Gesicht. Hier die Kinder alle mit ihrem hundertfältigen Tand und mit ihren verkommenen Gestalten. O du entsetzliche Großstadt!

So saß ich und sann. Da kam ein Knabe in den Saal. Er nahm seine Mütze ab und strich sich das Haar aus der Stirne. Dann begann er seine Wanderung an den Tischen. Ich folgte ihm mit den Augen; er unterschied sich von den andern Kindern, die ihre Waren anboten. Lange ging er umher, doch niemand nahm ihm etwas ab. Was er verkaufen wollte, sah ich nicht. Ich bemerkte nur, daß er eine kleine Mappe in den Händen hielt.

Er kam uns näher, und ich vermochte seine Züge genauer zu unterscheiden. Er hatte sehr große, dunkle Augen und braune Locken. Seine Wangen waren zart gerötet, aber ein düsterer Ernst lag auf dem Antlitz.

Jetzt schritt er langsam an die Tische in unserer Nachbarschaft. Ich hörte, was er sprach:

86 »Wappen, meine Herren, Wappen von allen Adelsfamilien und von allen bürgerlichen Geschlechtern auf Bestellung nach diesen Mustern.«

Die meisten achteten nicht auf ihn, wenige sahen im Gespräch einen Augenblick auf die Mappe, die er schüchtern zur Ansicht darreichte, dann kehrten sie sich wieder gleichgültig um. Der Knabe sagte seinen Spruch zu Ende:

»Auf Bestellung nach diesen Mustern von einem armen Familienvater, dem beide Beine fehlen, die Federzeichnung zu sechs Kreuzern, die Farbenskizze einen halben Gulden, alles nach den Regeln der Wappenkunst.«

Man kaufte ihm nichts ab. Der Schatten auf seinem Gesichtchen wurde tiefer. Er kam an den Tisch, der uns zunächst stand. An dem saßen etliche junge Leute, die Glühwein tranken. »Wappen, meine Herren, Wappen,« begann der Kleine wieder und bot seine Blätter hin.

»Was, Wappen, du kleine Kröte?« sagte der eine und strich ihm mit der Hand über die Haare. Der Knabe wich einen Schritt zurück und warf trotzig die Lippen auf. »Da geh' her,« rief ein anderer und hielt ihm sein dampfendes Glas vor den Mund, »da trink!« Der Knabe wandte den Kopf weg und sagte leise: »Ich danke, ich nehme nichts.«

»Wappen auf Bestellung nach diesen Mustern von 87 einem armen, bedrängten Familienvater, dem beide Beine fehlen.«

»Ach was, du kleiner Tagedieb,« rief jener, vor dem der Knabe zurückgewichen war, »pack' dich mit deinen Lügen! Wir brauchen keine Wappen, wir sind Neuseeländer, die haben keine Wappen.«

Und die andern lachten über den Witz.

Der Knabe wandte sich traurig ab und sah zögernd in unsere Ecke herüber. Ich winkte ihm; sein Gesicht rührte mich.

Da kam er heran. Er war reinlich gekleidet, aber sehr ärmlich. Ich schätzte sein Alter auf neun Jahre.

»Was hast du denn zu verkaufen, Kleiner?« sagte ich. »Laß doch sehen! Setze dich auf diesen Sessel und lege deine Sachen auf!«

Das Kind entfaltete eifrig die Mappe und breitete die Blätter mit den gemalten und gezeichneten Wappen auf dem Tisch aus, während es wieder seinen Spruch sagte:

»Wappen von allen Adelsfamilien und von allen bürgerlichen Geschlechtern.«

Dann stockte auf einmal seine Stimme, es legte den Kopf auf den Arm und weinte bitterlich.

Jetzt mischte sich der Vater darein und sagte:

»Ei, wer wird denn weinen? Komm, zeige uns lieber deine schönen Blätter! Malt die dein Vater? Sag! Wir wollen dir etwas davon abkaufen.«

88 Da richtete sich der Knabe in die Höhe, lächelte in seinen Thränen und sagte stoßweise: »Der Vater malt sie, und dem fehlen beide Beine. O bitte, bestellen Sie etwas. Ich habe heute und gestern noch gar keine Bestellung bekommen.« »Die meisten Leute verspotten mich wegen der Wappen,« setzte er leise hinzu und sah verstört umher. »Und wir sind in Not und sind sechs Geschwister,« sagte er nach einer kleinen Pause mit dem Ernst eines gereiften Mannes.

»Und deine Eltern lassen dich nachts so allein auf den Straßen umherziehen? Fürchtest du dich denn nicht?«

»O, die Mutter ist ja bei mir. Die wartet immer vor der Thüre.«

»Wie lange gehst du denn schon in den Wirtshäuern umher?«

»Erst seit acht Tagen,« sagte er leise.

»Wo wohnst du? Wohnst du weit von hier?«

»Fast eine Stunde habe ich zu gehen.«

»Und wie heißt du denn?«

Da bedeckte eine tiefe Röte das feine Gesicht.

»Ich darf's nicht sagen, der Vater hat mir's verboten. Die Leute spotteten sonst.«

»Ja, wie sollen wir denn das Wappen bekommen, das wir bestellen werden?«

Der Knabe zog ein Kärtchen aus der Tasche und reichte es uns herüber. Darauf stand:

»Die Arbeiten des armen, krüppelhaften 89 Wappenmalers mögen abgeholt werden bei . . .« (Folgte der Name eines Buchbinders, der in der Hauptstraße seinen Laden hatte.)

»Kind,« sagte der Vater und legte seine Hand auf die Locken des Knaben, »nenne deinen Namen! Ich spotte nicht, ich will deinen Vater morgen besuchen. Vielleicht kann ich etwas für ihn thun. Wo wohnt ihr?«

Da schlug der Knabe die dunklen Augen auf und hauchte: »In der Schwaige Nummer 28 über fünf Treppen.«

»Und wie heißest du?«

»Hans Kerdern vom Walde.«


Tief ergriffen gingen wir des andern Tages zur Abendzeit wieder durch die belebten Straßen in unser Gasthaus zurück.

Wir waren zweimal draußen gewesen in dem fünfstöckigen Hause auf der Schwaige, vormittags und nachmittags. Der Vater hatte viel mit dem armen Manne gesprochen. Der hatte ihm seine traurige Geschichte erzählt bis zu dem Tage hin, an dem wir vor zwei Jahren seiner Kutsche begegnet waren. Dann hatte er uns von seinen Kämpfen ums Brot erzählt, von seinen Anstrengungen, sich einen Verdienst zu verschaffen, und von den bitteren Erfahrungen, die er dabei hatte machen müssen. Alles hatte er versucht; seine Frau und seine Kinder pappten für ein großes Geschäft um kärglichen Lohn 90 Schachteln aus bunten Kartons, er schrieb für einen Rechtsanwalt, und zuletzt hatte er eine alte, halbvergessene Kunstfertigkeit hervorgeholt und sich auf die Wappenmalerei verlegt.

Wir waren voll Hoffnung, daß durch unsere Verbindungen eine dauernde Besserung seiner Lage zu ermöglichen wäre. Den kleinen Hans aber wollten wir gleich am nächsten Tage mit uns nehmen. –

Ganz zuletzt hatte ich mich an unsere Fahrt erinnert und den Vetter gefragt, ob er vielleicht noch alte Urkunden in seinem Besitze habe.

Er hatte es verneint, dann aber hinzugesetzt: »Eine alte Schrift habe ich allerdings. Aber sie ist nicht auf Pergament oder Papier geschrieben.«

Seine Frau reichte ihm eine verrostete Sturmhaube herab von der Wand, wo sie mitten unter ärmlichen Holzschnitten hing.

Es war eine Haube, wie sie das Fußvolk im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert trug; sie hatte einen schweren Nackenschirm und zwei breite Backenschirme. Kerdern wandte sie um und schlug ihr altes Lederfutter heraus. »Hier!« sagte er und deutete auf ein paar Zeilen, die unbeholfen in ein Bleiblättchen geritzt waren. Wir lasen mühsam:

»Wenn sie mir gleich die Eissenhawben
vomm Haubte werffen vnndt mein
stähelin Krebs in stuckh schlagen, 91
vnndt wenn sie mir das schwerdt
zerbrechen, hernach nehm ich dich, Herre
Gott zum schildt vnndt kempf nackendt
vnndt werdt obsiegen.
                                  Jörg Kerdern, Fehendrich.«

* * *

Schweigend nahmen wir unser Nachtessen ein. Dann gingen wir zur Ruhe. –

Ich konnte den Schlaf lange nicht finden; ich war sehr aufgeregt. Erst gegen Morgen fiel ich in einen unruhigen Halbschlummer. Da kamen die Träume, und ich erlebte alles, was ich heute aus dem Munde des unglücklichen Mannes gehört hatte.

Ich war draußen im Walde. Der Föhn fuhr tosend durch die Tannen. Der Schnee schmolz, kleine Bäche flossen thalabwärts. Der Tag brach an, schwerfällig und verdrossen, die Wolken flogen in Eile über die Waldberge und über das alte, feste Haus der Herren vom Walde. Ich sah den großen, schwarzen Falken auf dem Steinschild über dem Thore, und wiederum war mir's, als ob der Knabe vor mir säße im Weinhause auf dem blauen Sammetsessel und sagte: »Wappen, meine Herren, Wappen von allen Adelsfamilien und von allen bürgerlichen Geschlechtern!« Und knarrend öffnete sich die Thüre des Weinhauses, und draußen stand die Mutter des Kindes und wartete – – ach nein! jetzt sah ich richtiger! Ich war ja draußen im Walde. Das große Hofthor öffnete 92 sich knarrend, sechs Holzschlitten fuhren in den Morgen hinein, bergan. Ich hörte die Peitschen knallen, die Knechte schreien. Und ich sah auch den Herrn, wie er neben den Pferden des letzten Schlittens einherschritt. Er knallte nicht mit der Peitsche, er schrie auch nicht.

Der Föhn wehte in kurzen Stößen, die Tannen rauschten drohend, das fahle Licht des Tages schien herab auf den schmutzigen Schnee.

Ich schlief und träumte. Die Schlitten waren droben auf der Höhe. Hei, wie weit sieht man von dieser Höhe hinaus ins Land!

Die Rosse stehen still und atmen heftig. Der graue Dampf dringt aus ihren Nüstern hervor, der Wind weht ihn fort mit sich.

Rings umher liegen mächtige Eichenstämme, entästet. Die Schlitten werden auseinandergeschoben, die schweren hundertjährigen Stämme werden langsam emporgewunden, die Knechte schreien, der Föhn braust.

Ich liege zwischen Schlafen und Wachen, und es entwickeln sich die Bilder weiter und weiter.

Vor allen andern arbeitet der Herr mit fieberhafter Hast. Er spricht kein Wort, aber seine Brust keucht. Wie ist mir denn in meinem Halbschlummer? Hat er nicht die Sturmhaube auf dem Kopfe? Nein, ich habe mich getäuscht! Sein Hut liegt auf dem Schnee, und seine dunkeln Haare flattern im Winde.

Der Wald da droben war ehedem sein schönster 93 gewesen. Er hatte ihn geschont gleich einem heiligen Haine. Auch seine Vorfahren hatten ihn immer geschont. Jetzt hat er fallen müssen; denn sein Holz ist schön und gesund bis ins Mark. Er will seine Schulden damit bezahlen. Er will sich retten. Das Messer sitzt ihm an der Kehle. Da hat er neulich von der großen, gewinnbringenden Holzlieferung gelesen. Er hat die Falle nicht gemerkt, die ihm die Helfershelfer seiner Feinde stellten. Der Wald soll ihn retten, und gerade er wird ihn verderben.

Ich wache auf und denke darüber nach, wie er so thöricht hatte handeln können. Wie durfte er hoffen, das Holz in so kurzer Zeit von den Bergen herabzubringen? Es ist ja eine Lieferung mit festgesteckter Frist. Wenn er sie nicht einhält, dann muß er eine hohe Strafe bezahlen.

Ach, er ist am Ertrinken und greift nach dem Strohhalm.

Weiter träume ich und stehe auf der Bergkuppe und schaue hinunter ins Thal.

Ei, wie stattlich das alte, große Haus daliegt mit seinem behäbigen Dach und mit den grünen Fensterläden! Der Föhn braust, der Frühling wird ins Land kommen. Jawohl, er wird kommen. Aber sieh' hin! Auf dem Dache da drunten sitzt ein graues Weib, siehst du, wie ihre Haare flattern? Siehst du ihre Züge, ihre gramvollen Züge? Es ist Frau Sorge.

94 Auch der Herr hält einen Augenblick inne und schaut hinab auf sein Haus. Er sieht das Weib, wie ich es sehe. Seine Knechte sehen nur den grauen Rauch, der aus dem Schlot steigt, und denken an die Morgensuppe. Der tosende Wind zerreißt den Rauch und treibt seine Fetzen gegen den Berg.

Vor der Seele des Herrn steht der entsetzliche Termin. Die Stämme müssen ins Thal. Noch hat er drei Tage Zeit. Es sind viele, viele Stämme, aber es kann gelingen. Es muß gelingen. Er ist ja selbst heraufgekommen. Es muß gelingen.

Der Schweiß rinnt ihm von der Stirne. Hoh, hoh – hub! Hoh, hoh – hub! tönt's über den Platz, und die Winden rasseln, die Rosse stampfen.


Langsam geht der Zug thalwärts. Es ist eine böse Fahrt. Tief ausgehöhlt und steil und eng ist der Weg. Die Pferde legen sich mit ihrem ganzen Gewichte zurück, die Knechte schreien und fluchen.

Neben dem letzten Schlitten geht der Herr. Schwere Stämme liegen auf den Kufen. Aber die Pferde sind nicht kräftig genug, sie können die Last nicht aufhalten. Es sind ja die leichten Wagenpferde. Der Schlitten kommt in Schuß, immer schneller und schneller gleitet er dahin, der Herr bemüht sich, die Pferde zum Stehen zu bringen. Er kann kaum Fuß fassen in dem engen Hohlweg. Er strauchelt, gleitet aus, das Leitseil 95 wird ihm aus der Hand gerissen, er rafft sich auf, eilt dem sausenden Schlitten nach, springt zu den Pferden vor, hascht nach dem schleifenden Seile, gleitet wieder aus, stürzt rückwärts, rutscht vor den Schlitten – – und die schweren Kufen gehen ihm über beide Beine, und die Knochen krachen. – –

Das träumt mir, und es ist alles wahr: so sind die Herren vom Walde ins Verderben gekommen. –

Als ich am nächsten Tage wieder in dem ärmlichen Zimmer über fünf Treppen war, da hob ich mir nochmals die Sturmhaube vom Nagel herab und las, ich weiß nicht, wie oft ich es las:

». . . vnndt wenn sie mir das schwerdt
zerbrechen, hernach nehm ich dich, Herre
Gott, zum schildt vnndt kempf nackendt
vnndt werdt obsiegen.«

Und später, als auch an mich in einer harten Zeit das Kämpfen herankam, habe auch ich mir diese Worte zum Trost genommen – und habe obgesiegt. 96

 


 


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