Reinhard Sorge
Der Bettler
Reinhard Sorge

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Der fünfte Aufzug

Vor einem Vorhang. – Der Dichter am linken Pfosten der Bühneneinrahmung. Hinter dem Vorhang schallt gedämpft der Lärm der Großstadtstraße.

Der Dichter. Auch dieser Morast ist durchschwommen. Was jetzt? Ich weiß nun, wie es tut, die Tage in fremden Riemen hinzutraben und sich die Glieder so umschnüren zu lassen, daß das Fleisch in Ballen zwischen den Fesseln quillt... Äh... Zehn Wochen lang Beruf; Zeit genug, weise zu werden, ich werde mich nicht mehr so leichtsinnig in des Malmwerks eiserne Fresse werfen... Nein, ich tauge nicht zum Zeitungsschreiber! Vorher war es mir vermessen und schwächlich, den Tagesberuf zu fliehen, aber jetzt weiß ich, daß die Natur mir meine Tage nicht für die Tage gibt, sondern für mein Werk, das über Tagen lebt. Dies ist mein Gesetz... Äh, es ist zum Verzweifeln, sich immer und immer auszugraben, um sich dem Leben gegenüber zu begründen. Der Spaten stößt Splitter in den Schmelz, die Heiligtümer, die er auswirft, scheinen rohe tote Klötze. Was soll werden? Ich fühle mich voller Schlamm, und vor mir liegt ein Schlammpfad endlos über schwarze Erde. So ist Armut... Hält mich kein Stern, halten mich keine Sterne liebevoll zwischen sich? Sterne und Liebe werden Schutt auf meiner Zunge! Bis an die Zunge bin ich voll Schutt und Mörtel!... Pfui, wie ich mich herausschwatze! Pfui, Schauspielerei! Pfui dieses Pfui! Äh, ich bin mir stinkend, alle Ekelquellen haben sich aufgetan, es schwemmt mich an die letzten Ekelwände, da beißt der Kiefer Kot bis auf den Grund. – – Den Vorhang zerreißen!... Dem Tod sich vorwerfen...!!

(Von links zieht Militärmusik heran, allmählich anwachsend.)

Der Ekel! Der Ekel! Das Handwerk hat mein Blut geronnen gemacht, ich eitere in den Adern, eine Kruste Geronnenes wuchert um mein Herz. Alles ward böse!

(Wachsendes Hurrarufen der Menge.)

Wo ist die Erlösung der reinen Pulse? Eine Silberquelle durch Wald und Moos – ein Lichtmorgen im Walde... (Nach außen.) Was ist das?

(Er ist während der Rede bis zur Mitte des Vorhangs vorgeschritten, nun schlägt er ihn ein wenig zurück. Musik und Rufe sehr laut. Marschtritt der Soldaten. Man sieht zuweilen eine Uniform, eine Waffe, einen Helm durch den Spalt blitzen und dazwischen die dunkle Masse der Zuschauer auf dem jenseitigen Bürgersteig.)

Die Majestät...

(Er steht eine Weile in schweigender Betrachtung.)

Schön gebietet der Marschallstab, schön tanzt das Pferd in seinen Kräften...

(Er schweigt wieder, dann läßt er den Vorhang sich schließen. Der Aufzug verklingt allmählich.)

Szeptersehnsucht! Kronentraum!

(Er wendet sich halb um; dann fiebrig, den Rumpf etwas rückgeneigt und mit hastigen Händen.)

O höher! höher! Höher aus dir! Über dich aufwärts! O hoch zur Krone!

Deine goldenen Träume und die goldenen Hoffnungen alle, schlag zusammen! schlag zusammen! Und dann hol dir eine Glut und schmilz es im Tiegel! Ja, schmilz dich im Tiegel und gieße dich neu! In eine einzige große Krone gieße dich neu; festige sie so hoch, daß sich nicht mehr Dunstwolken und Schmutznebel an ihre Zacken hängen können...

Ewige Sonne! Ewiges Szepter! und Ewiges Leben!

(Er geht durch den Vorhang ab.)

Nach kurzer Zeit teilt sich der Vorhang wieder. Man blickt in eine schmale, ärmliche Dachkammer. Ziemlich in der Mitte der Hinterwand eine Türöffnung, durch dunklen, groben, großkarierten Vorhang geschlossen. Rechts und links in dem schräg aufsteigenden Dach je eine Dachluke. Rechts: Tisch mit Papieren bedeckt. Tinte, Feder, ein leeres Wasserglas; rechts vor diesem Tisch ein Stuhl. Kein Teppich. Links von dem Vorhang tritt die Hinterwand etwas zurück, so daß die linke Seite des Zimmers breiter ist. Rechts und links in der Hinterwand je ein Fenster. Ein größerer Tisch mit Wachstuchdecke und drei Stühlen links. Links an der Seitenwand der Herd. Geschirre. Neben dem Herd vorne links die Tür. Wie sich der Vorhang öffnet, ist die Bühne ganz dunkel. Man hört hinter dem Vorhang ein Geräusch und gleich darauf fällt Licht durch die Spalten.

Die Stimme des Dichters (hinter dem Vorhang). Dies ist der Fluch der Krone, die ich schmiedete:

(Nun schlägt sich der Vorhang zurück und der Dichter steht im Türrahmen. Er hat den blauen Schlafrock des Vaters umgeschlagen. Er hält eine Kerze in der Linken. Kurze Stille.)

Der Dichter. Wie lebe ich dies? Wie lebe ich die Erleuchtung? (Er hat die Kerze auf den Tisch rechts gestellt.) Mit dem ewigen Fernblick: welch einen Trostkreis hellte mir dieser Blitz auf, daß ich noch leben kann!? Ja, ein Blitz fuhr nieder und zerriß mein Erdreich! O Erlebnis! Nacht und Erlebnis; Nachterlebnis! Alle Tiefen hatten sich um mich gelagert, wechselweise mir ihren Kuß aufgepreßt, aber dann schleuderte sich der Blitz aus ihnen... er warf die Verkündung in mich... Lichtwort... Lichtmacht... O Segen des Blitzes! Seligkeit der Lichtmächte! O zitterndes Glück der Nähe Gottes, ewiger Kummer seiner Nähe! Wie soll ich leben, da mich dies verdammt –! (Er ist jetzt am Tisch rechts vorn und betrachtet das Manuskript.) Glücklich ist die Arbeit gearbeitet, schön geplant und mit Glück gefügt, ja, in welchem Glückstaumel kreiste oft die Feder! Nun kann kein Strich mehr daran geschehen... (Er blättert im Manuskript.) Ja, es ist unglücklich, es ist ohne Stille... Pfui, wie die Dirnen keifen! und dies! und dieses! Rohe Laute, roher Lärm, roh, aber ohne Leben! ohne Stille! ohne Ewigkeit! Wie ein Nilpferd: schwerfällig, trompetend, wälzt sich hier die Handlung durch ihre trüben Gewässer... Was ist Handlung!... Was ist wahrhafte Handlung!?... Sie hat keinen Ausdruck, nicht im Wort, denn sie ist schweigend, nicht in der schauspielerischen Gebärde, denn sie hat wohl Gebärde, aber unnachahmbare, nicht im Schaubild, denn sie bietet wohl ein Bild, aber es ist erfüllt von ewigen Beziehungen, von Regungen und tausend Seelen, die nicht wiederzugeben sind. Dies ist der Fluch!... (Stille.) Wie würde sich solche Handlung denken lassen?

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Ein Mädchen – – irgendwo im Wald rasten ein Mädchen und Jüngling. Irgendwie kamen sie sich auf der Wanderschaft entgegen. Nun ist es Nacht; es fällt ein Stern... und das Mädchen – nein, so nicht – es taumelt irgendwo ein Blatt vom Baum, das Mädchen blickt auf und indem sie aufblickt, trifft ihr Blick einen fallenden Stern am Himmel, glänzend fällt er. Und dieser Stern setzt sie so in Verwirrung, Erstaunen, Entzücken, ihre inneren Wesen recken sich unter ihm auf, sie tut einen leisen Schrei. Da hebt der Jüngling den Kopf und sieht sie an. In ihren Augen zittert jetzt all ihr Innentum, alles, was durch den Stern wachend wurde, und dieses zitternde Zeichen ihrer Mädchentiefen fährt in den Jüngling als Strahl und Verhängnis... Er wird diesen Blick nicht vergessen, der hat sich mit allen Tiefen in des Jünglings Tiefen gesenkt, dort ist er fürs Leben mit ihm verschwistert... Des Jünglings Leben steht nun unter diesem Blick und unter dieser Liebe, und so ward sein Schicksal.

Aber wäre das Blatt nicht gefallen, hätte das Mädchen nicht emporgeblickt, wäre der Stern nicht gerade bei ihrem Aufschauen gestürzt, so wäre nichts geschehen. Nach kurzer Zeit wären sie auseinander gegangen und es wäre nichts geschehen.

Wer kann es darstellen?

Wer kann es darstellen, wie dieser Licht-Schwung einer trümmernden Welt durch Räume und Räume eilt und irgendwo eine Liebe stiftet und Seelen heilt...

Wer kann es in Gebärde ausdrücken, wie ihre Mädchenseelen sich ins Auge drängen. wie dieser Blick sich ewig verankert in den Tiefen des Jünglings... Was geht da vor... ich sage verankern... Mädchentiefen... Hohle Symbole... das Eine, was vorgeht, ich fühle es in mir, brennend, das Unaussprechbare – (mit einer zerbrechenden Geste) es ist unaussprechbar. Keine Kunst kann es wirklich werden lassen... Was soll werden!... Der Fluch! der Fluch! Wie kann ich noch einen Vers niederschreiben, Gestalten setzen, Worte meißeln bei dieser Gewißheit, bei dieser Offenbarung...! Ja, es war der Blitz aus der Hand Gottes, denn nur Gott kann so unglücklich machen!!! (Sich windend.) Der Fluch... Die Verdammung... denn ich weiß – ach, ich weiß es so gewiß – diese Offenbarung wird mich nie verlassen, der Hunger nach aller Ewigkeit wird mich nie verlassen... und doch werde ich die Feder greifen und doch Worte dichten. Ich weiß es... ich fühle es, diese Macht läßt mich nicht, dieser Zwang zu den Symbolen... Warum... warum... Warum kann ich mich nicht lossagen von jeder Kunst, von dem, was sich Kunst nennt... Warum nicht?

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Hin zu einer Quelle im Wald, einsam mit dem Mädchen, des Morgens zur Sonne blicken, des Abends zur Sonne blicken, die silbernen Wasser mit Händen schöpfen, des Mittags im kühlen Silber baden und die weißen, reinen Mädchenbrüste küssen, keusch wie die Quelle küssen, und die Füße auf moosigen Steinen... Und Tag um Tag so, alle Tage so, Silber und Sonne und Mädchen und Ewigkeit... Ja, das wäre das Leben... (Niederbrechend.) O Glückseligkeit... Nur das wäre das Leben, strahlend rein – und nur so wäre es heilig... nichts anderes darf heilig genannt werden, keine Kunst darf heilig genannt werden, weil sie noch reden will... O Träne! Träne!... Glückseligkeit!... Das ewige Leben!!! Und es nicht leben können! Ich weiß ja, ich kann es nicht leben – oh Fluch! oh Fluch! zum Wort verdammt sein! Ja, ich bin zum Wort verdammt! Ich muß Bildner werden der Symbole, muß dem Priestertum entsagen... Künstler... Halbheiliger nur... Schein-Heiliger

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Laß sinnen... sinnen... Symbole... (Jäh empor, mit Händen aufwärts.) Oh Trost des Blitzes... Erleuchtung... Schmerztrost des Blitzes...

Symbole der Ewigkeit...

Ende! Ende! Ziel und Ende!

Wenn mich das Blut, die Summe der Unwirklichkeit, des Lärms, des Lärmen-Wollens in mir... in meinem Blut, wenn dieses verdammt, in Symbolen zu reden, so gilt es: Durch Symbole der Ewigkeit zu reden. (Erschöpft.) So wäre dies dann ein Ziel... Ein Wesen der Sendung – schmerzlich – schmerzlich, denn die Sendung bleibt – zwar schafft sie näher – aber die Sendung bleibt.

(Eine Stille.)

Der Dichter (im Traum).
Nun muß ich nieder in den Tiegel steigen,
Die siedenden Erze mit den Händen greifen
... Und läutern... läutern... Nun muß ich den Kreis
Schlagen um diese Zeit und ihren Zirkel
Malen in Weltnacht und als neuen Stern.

(Während des Vorgangs ist der Morgen durch die Fenster gedämmert.)

Es klopft an der Tür links.

Der Dichter fährt aus sich auf geht dann zur Tür, dreht den Schlüssel im Schloß und öffnet sie.

Der ältere Freund (herein. Er ist gekleidet wie im ersten Aufzug). Guten Morgen –

Der Dichter. Guten Morgen, Lieber. Es ist schön, daß du trotz deines kurzen Aufenthaltes hier in Berlin mir noch eine Stunde gönnst.

Der ältere Freund. Ja, ich habe etwas mit dir zu bereden.

Der Dichter. Dies Zusammensein erinnert mich an unser letztes in Berlin, weißt du, an den Abend...

Der ältere Freund. Dieser Abend wird mir immer unlieb bleiben, denn du hast dir damals zu viel vernichtet...

Der Dichter. Ich glaube noch immer, daß ich damals recht tat... Aber wir wollen nicht mehr davon reden.

(Eine Stille.)

Der ältere Freund. Du wohnst recht ärmlich hier.

Der Dichter. Es muß sich wohnen lassen. – Ich will nur das Nötigste borgen.

Der Freund. Du borgst von deinem Freund...?

Der Dichter. Ja.

Der Freund. Wird das nicht mit der Zeit recht drückend für dich?

Der Dichter. Die Hand, die mir reicht, wird glücklich sein. Vielleicht versuche ich auch noch einmal einen Beruf, was die Sendung fordert, leide ich alles. Ich weiß nicht... Aber was wolltest du mit mir besprechen?

Der Freund. Ja... Ich habe dein letztes Stück gelesen, in dem du Stellung nimmst zu den verschiedenen dramatischen Dichtern dieser Zeit, und ich muß dich bitten, gewisse Dinge zu streichen, die sich gegen meinen Freund, den Dichter, richten. Ich zürne dir nicht deswegen, jeder Künstler muß schließlich seine eigenen Wege gehen, Ablehnung ist ja so natürlich. Um meinetwillen brauchst du auch nichts zu ändern. Laß aber das Stück einmal aufgeführt werden oder überhaupt veröffentlicht, so ist es doch wahrscheinlich, daß diese absprechenden Stellen der Anerkanntheit meines Freundes Abbruch tun. Und das möchte ich verhindern.

Der Dichter. Ich verstehe dich ganz und verstehe auch deine Bitte.

Der Freund. Wirst du sie mir tun?

Der Dichter. Für mich ist dies Zwang und Scham, Verleugnung und Unreinheit. Lieber möchte ich noch von einer Veröffentlichung dieses Dramas ein für allemal absehen.

Der Freund. Du willst das ganze Drama deshalb beiseite legen...

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Der Dichter. Nein, ich kann auch keine meiner Dichtungen auslöschen, denn zu jeder Läuterung, die mir ward, und jeder Höhe, die mir noch wird, sind sie Vorbereitung und als solche mir wert.

Der Freund. Aber bedenke doch, wozu du mich zwingst, wenn du mir abschlägst!

Der Dichter. Wozu zwinge ich dich?

Der Freund. Wir müßten uns trennen.

Der Dichter. Hieltest du dies für not?

Der Freund. Um meinen Freund wäre es not. Du weißt, daß er und ich seit frühster Zeit gemeinsam sind und daß wir unser Leben gemeinsam erlebt haben. Wenn er durch dich im Öffentlichen angegriffen würde, darf ich nicht mehr dein Freund sein. Bedenke das doch!

(Eine Stille.)

Der Dichter. Ich sehe das Ziel!...

(Eine Stille.)

Der Freund. Welch ein Ziel? Gibt es noch einen Ausweg?

Der Dichter. Nur den über die Unreinheit. – Du forderst von mir ein Opfer. Gewiß, es muß mir Freude sein, dir zu opfern. Aber dieses kann nicht Frucht bringen.

Der Freund. Wir würden Freunde bleiben.

Der Dichter. Das würden wir nicht. Meinst du, meine Verleugnung bliebe an deinem Bilde in mir ohne Wirkung?

Der Freund. So wie du bist, magst du recht haben.

Der Dichter. Lieber, laß uns beide rein bleiben und Freunde. – Wir müssen uns für ein Leben trennen, aber wir bewahren einander in uns nach wie vor. Will es viel besagen, daß wir nicht mehr Worte miteinander wechseln? Wir haben genug gesprochen, um uns die Tiefe hinter unseren Worten zu schenken, wir sind für das Leben nicht mehr zu trennen. Würde ich deine Bitte tun, so wurden unsere Tiefen einander unzugänglich, weil der eine der seinen die Maske aufgesetzt hätte. Laß uns Freunde bleiben und auseinander gehen.

(Eine große Stille.)

Der Freund.
Ich danke dir...
Ich bewahre dich.
Lebe wohl!

Der Dichter. Lebe wohl!

(Sie reichen sich die Hände. Der ältere Freund geht.)

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Das Mädchen schlägt den Vorhang zur Seite und kommt nach vorn.

Der Dichter. Hörtest du, was wir sprachen?

Das Mädchen. Ich hörte alles. Es war schön, wie ihr spracht.

Der Dichter (bei ihr, blickt in ihre Augen). Weinst du, Liebe...?

Das Mädchen. Ich hatte ihn auch lieb...

Der Dichter. Wir lieben uns immer...

Das Mädchen. Nun bist du sehr allein.

(Eine Stille.)

Der Dichter (Mit Geste zum Vorhang). Schläft das Kindchen?

Das Mädchen. Ja, fest und gut. (Eine Stille.) Was fragst du?

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Der Dichter.
Wie künde ich – Wie bette ich dies in Worte...?:

(Eine Stille.)

Der Dichter (ganz in sich).
Es schwemmte mich die große Woge an den Rand
Der Ewigkeit, ich sah die fernsten Himmel –
Ich sah die Schatten unsrer Worte fern verdämmern.
Alles wird ewig. Krone bog sich. Licht reiht Licht.
Ich schaue viele Stufen noch vor mir im Licht
Und viele Reinheiten, die ich noch nicht durchwandelte...
Mein Mädchen, hilf mir in die nächste Reinheit wandeln. –
Durch meine Wolken viele zuckte oft ein Wunsch
Wie Sonne, glitt durch Wolken und verklang;
Aus meinen Taumeln vielen reckte er sich auf,
Blickte mich an aus Augen gütig und versank...
Doch bei der letzten Läuterung entstieg er dem Feuer,
Eine Krone golden, und blieb über mir.

Das Mädchen. Der Wunsch...!?

Der Dichter.
Alles ward ewig. Licht reiht Licht! Krone auch uns! –
Ich ahne viele Liebe noch vor mir im Licht
Und viele tiefe Lust, die ich noch nicht durchkostete...
Zwar alle Wandel, die noch unser Leben trägt,
Können nicht wandeln einen ewigen Bestand
Von mir zu dir... Doch kann er leicht entatmen in
Winde, in Nacht, in All; unfaßbar werden!
Laß festigen! Laß bauen uns! Laß festigen!
Art senke sich in Art. Treue in Treue.
Blut sich in Blut. Banne die Ewigkeit
Zu Leib und Mensch... – – Ein Kind...

Das Mädchen.
Ein Kind von dir – O Selig – Seligkeit!
O Lieber – selig – Sieh, ich träumte ja davon
In jeder Nacht – es war das heimliche Heiligtum...
Du weißt nicht – selig...
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                                        wir sind arm!... Was wird?

Der Jüngling.
Ich will mit dir nur in die nächste Reinheit schreiten:
Ruhlos hebt dieser Wunsch den Pilgerstab
Zu meiner Säule innerst, die ich mächtig ahne. – –

Das Mädchen.
Wenn es denn Wahrheit wird, laß mich ein Wort
Aus meiner tiefsten Seele sagen, wahr –:
Ich will dann dieses Kindes Mutter nicht mehr sein!
(Sie weist nach dem Vorhang.)
Nie! Niemals! Höre mich! Verstehe doch!
Dies Kind empfing ich aus Gewalt, ich liebte es,
Weil ich mit Wehe es im Leibe trug.
Doch dein Kind liebe ich schon Ewigkeiten lang,
Im Kindertraum schon und im Nachtgebet.
– – – Du sprachst vom Opfer viel. Dies hier ist Not. –
Ich segne es und schneide mir mein Leben
Aus meinem Blut und tu es mütterlich...
Für's Muttertum...

Der Dichter (indem er langsam die Augen schließt).
Ich küsse dich und liebe dich im Opfer
Und schreite lichtwärts in den nächsten Kreis –
O reiche deine Hand – Mädchen, mich dünkt,
Ein herbes Pfand will diese Pilgerschaft:
Die Augen löschen – – –
                                        doch die Leuchte steigt!


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