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Als Frau, die nicht mit geschlossenen Augen durch die Welt gegangen ist, bin ich schon lange zu der Überzeugung gelangt, daß die besten Frauen nicht immer die besten Männer kriegen und vice versa. Es gibt natürlich viele Familien, wo das Ideal des Ehelebens erreicht worden ist, wo Mann und Frau wirklich eins sind, und wo die Kinder ebenso in Ehrfurcht und Achtung, wie in Liebe zu ihren Eltern aufwachsen. Dort sieht man das Familienleben so, wie wir es in diesem Lande verstehen, von seiner besten Seite, und zu einem solchen Heim zu gehören, ist in der That ein Vorzug. Ein solches ideales Familienleben kommt wohl in allen Kreisen vor, aber häufiger in den sogenannten Mittelklassen, als in den höheren und unteren.
Ich bin die letzte Person in der Welt, die die Neigung hat, viel vom Unglück des Ehelebens zu reden, obgleich es natürlich thöricht wäre, wenn man in Abrede stellen wollte, daß es viel gibt, ja es kommt mir vor, als nehme es in der letzten Zeit sogar zu. Wollte man erwarten, daß alle Ehen glücklich ausfallen, so wäre das unvernünftig, namentlich jetzt, wo junge Männer und Mädchen sich in die Ehe stürzen ohne hinreichende Mittel auf der einen und Erfahrung auf der andern Seite.
In meiner Jugend dachte ein junger Mann nicht ans Heiraten, ehe er sich nicht eine gewisse Stellung begründet hatte; jetzt heiraten sie, und denken dann erst daran, sich eine zu schaffen. Mit den jungen Mädchen ist es ganz ähnlich. In der guten alten Zeit wurde ein Mädchen in der Kunst einen Haushalt zu führen sorgfältig ausgebildet und war in der Regel im stande, einen zu leiten, ehe sie selbst einen hatte; jetzt warten sie, bis sie einen haben, und fangen dann an, zu lernen.
Daß die Not die Herzen aneinander fesselt, und daß häusliche Sorgen die Familienbande stärken, sind sehr schöne Lehren, aber in Wirklichkeit treffen sie häufig nicht zu. Viele junge Paare, die sich bis ans Ende ihrer Tage geliebt haben würden, werden einander durch Not und Sorgen entfremdet, die in der ersten Zeit entstehen und ihre Ursache ganz allein darin haben, daß sie ihre Verbindung fürs Leben eingegangen sind, ehe sie die Verantwortung des ehelichen Lebens zu übernehmen reif waren. Manchmal gehe ich an einer Kirche vorbei, wo gerade eine Trauung stattfindet, und wenn ich mich auch nicht unter die grinsende Menge mische, so warte ich doch gern, bis das junge Paar herauskommt. Bei den Hochzeiten unter den ärmeren Klassen wird der Reis in der Regel geworfen, wenn das Paar aus der Kirche tritt, um in den Wagen, meist eine Droschke, zu steigen, und es macht mir Freude, das glückliche Lächeln im Gesicht des jungen Mannes und den liebevollen Blick in den Augen der jungen Frau zu sehen, wenn sie sich zum erstenmal auf den Arm ihres Gatten stützt. Der Ausdruck ihrer Gesichter ändert sich aber gewöhnlich unter dem Regen von Reis, denn Reis in die Augen geworfen zu kriegen, ist nicht gerade angenehm, und dann rennen sie meist in ziemlich lächerlicher Weise nach ihrer Droschke.
Allein ich denke nicht an den Spaß, sondern frage mich: »Haben diese beiden jungen Leute wohl eine schwache Vorstellung von dem ernsten Schritte, den sie soeben gethan haben? Ahnen sie wohl, daß das ganze Glück oder Unglück ihrer Zukunft nun in ihren eigenen Händen liegt?« Für mich ist das immer ein sehr feierlicher Gedanke, denn junge Leute können sich das Leben zum Segen oder Fluche gestalten. Sie haben eben den Fluß überschritten und die Schiffe hinter sich verbrannt. Was werden sie am andern Ufer anfangen? Wird es für sie ein Land der Seligen oder der Unseligen werden?
Mein Sohn Frank und Laura hatten ohne Zweifel die ehrliche Absicht, einander vollkommen glücklich zu machen. Als sie vor dem Altare standen, waren sie noch ebenso schwärmerisch, als an jenem Abend, wo sie am Ufer des Rheins einander Treue gelobt hatten. Beide heirateten unter, wie ich es nennen muß, falschen Voraussetzungen; Frank hatte keine feste Stellung und Laura keine häusliche Erfahrung. Sie waren wie zwei Schiffe, die ohne Vorkehrungen für stürmisches Wetter in See gehen. Schönwetter-Matrosen waren sie, die nicht wissen, was sie thun sollen, wenn sich ein Sturm erhebt. Unglücklicherweise werden gewöhnlich gerade die Schiffe, die am wenigsten geeignet sind, schwere Wetter auszuhalten, auch noch ungeschickt geführt. Unerfahrene Schwimmer sind häufig am waghalsigsten und gehen ins tiefste Wasser.
Vielleicht spreche ich zu ernst über diese Seite der großen Ehestandsfrage, aber sie ist mir auch sehr ernst zu Gemüte geführt worden. Meines Sohnes Frank ganzes Leben litt durch seine unkluge Heirat Schiffbruch, und obgleich sich seine Frau nicht viel Mühe gab, sich mir gegenüber liebenswürdig zu zeigen, muß ich doch sagen, sie hätte viel besser gethan, wenn sie einen etwas charakterfesteren Mann geheiratet hätte. Sie waren gerade die beiden Leute, die nie hätten zusammenkommen dürfen, und natürlich kamen sie gerade erst recht zusammen.
Sie heirateten auf Franks Einkommen aus seiner geschäftlichen Stellung hin, das vierhundert Pfund jährlich betrug, mieteten ein eingerichtetes Haus und brachten eine verschwenderische Frau mit, die sich sofort zur Herrin des Hauses aufwarf, und, statt zu versuchen, dessen Glück zu fördern, alles that, was sie konnte, Unheil zu säen.
Von meiner ersten Zusammenkunft mit Mrs. Helston habe ich schon berichtet, und ihr könnt euch darauf verlassen, daß ich nicht nach einer zweiten begierig war, als ich sie durchschaut hatte. Daß das Frauenzimmer den Versuch machte, mir die ungeheure Ueberlegenheit der Helstons über die Tressiders klar zu machen, ließ mich kalt, denn darüber konnte ich lachen, allein einige Anspielungen, daß Frank sie hinsichtlich seiner Verhältnisse getäuscht habe, ärgerten mich. Ich kann zwei und zwei zusammenzählen und ich merkte, daß Mrs. Helston, als sie ihre Einwilligung zur Verheiratung ihrer Tochter mit Frank gab, darauf gerechnet hatte, mein Mann würde viel mehr für das junge Paar thun, als er verständiger- und gerechterweise leisten konnte, wenn man bedenkt, was für eine zahlreiche Familie er zu versorgen hatte.
Frank waren alle Möglichkeiten geboten worden, allein er hatte sie vernachlässigt. Er hätte in seines Vaters Geschäft eintreten können, aber er wollte nicht; er hätte Rechtsanwalt werden können, allein es war ihm der Mühe zu viel, sich auf diesen Beruf vorzubereiten; er hatte seine eigene Wahl getroffen, und ich war der Ansicht, er habe Glück genug, daß er ein Einkommen von vierhundert Pfund jährlich hatte. Zu erwarten, daß ihm mein Mann ein größeres Jahrgeld aussetze oder ein großes Kapital gebe, damit der Herr Sohn ein Leben führen könne, wie er es aus eigener Kraft nicht zu thun im stande war, das war einfach unvernünftig.
Mrs. Helston hatte augenscheinlich nicht die Absicht, von ihrem eigenen Einkommen etwas für ihre Tochter abzugeben. Sie sprach das mir gegenüber auch offen aus; allein anstatt wenigstens den jungen Leuten ein gutes Beispiel zu geben und sie zur Sparsamkeit anzuhalten, nötigte sie Frank fortwährend, über seine Mittel hinaus zu leben, und sagte ihrer Tochter, sie habe sich an einen »Commis« weggeworfen; aber auf Kosten dieses Commis zu leben, dazu war sie nicht zu stolz.
Mrs. Helston war entschieden über ihrer Tochter Partie enttäuscht. Es hätte der gnädigen Frau freilich besser gepaßt, wenn diese einen reichen Mann in angesehener gesellschaftlicher Stellung geheiratet hätte. Dann wäre auch sie in die Lage gekommen, eine Rolle zu spielen, und nichts gefiel Mrs. Helston besser, als auf andrer Leute Kosten eine Rolle zu spielen.
Es dauerte auch nicht lange, bis Mrs. Helstons schlechter Einfluß auf Frank zu Tage trat. Eines Abends kam er, um seinen Vater zu besuchen, und sagte ihm ziemlich deutlich, daß er Geld brauche. Unglücklicherweise brachte er sein Anliegen nicht in der liebenswürdigsten Art vor. Er sagte – wer ihm das eingeblasen hatte, war nicht schwer zu erraten – er sei schlecht behandelt worden, und sein Vater hätte ihm bei seiner Verheiratung ein zu einem anständigen Leben ausreichendes Jahrgeld aussetzen sollen.
Mein Mann hat mir später erzählt, was bei dieser Gelegenheit gesprochen wurde, worauf ich nicht umhin konnte, es für baren Unsinn zu erklären. Als wir heirateten, fingen wir sehr bescheiden an und versuchten nicht, zu laufen, ehe wir gehen konnten. Frank erhielt zweihundert Pfund von seinem Vater, was zusammen mit den vierhundert Pfund, die er selbst verdiente, zu anständigem Auskommen vollkommen hinreichend war. Allein ich schlug meinem Manne vor, das Verständigste würde sein, wenn Frank sich ein kleines, uneingerichtetes Haus nähme, das mein Mann ihm ausstatten könne; das wäre ein ganz guter Anfang für Frank.
Mein Mann ging auf den Vorschlag ein und begab sich zu Frank, um es ihm mitzuteilen, allein er sagte ihm dabei aufs bestimmteste, daß er auf eine Erhöhung seines Jahrgeldes unter keinen Umständen eingehen könne. Er müßte dann auch das Jahrgeld seiner andern verheirateten Kinder erhöhen, das verlange die Billigkeit, aber seine Mittel erlaubten es ihm nicht. Frank nahm das Anerbieten mit Freuden an, und er, Laura und Mrs. Helston machten sich sofort an die Haussuche.
Aber nach dem, was ich später hörte, war es Mrs. Helston, deren Wünsche vor allem berücksichtigt wurden. Sie hatte alle möglichen Einwendungen zu machen und wählte schließlich ein kleines Häuschen, nur weil es in einer sogenannten vornehmen Gegend lag, das aber nicht die geringste Annehmlichkeit besaß. Als Franks Frau zu mir kam und mir erzählte, was sie zu nehmen beabsichtigten, sprach ich meine Meinung sehr offen aus und machte sie darauf aufmerksam, daß eine Menge geräumiger Häuser mit hübschen Gärten zur halben Miete zu haben seien, wenn sie sich eine billigere Gegend aussuchten, zum Beispiel Camberwell, Islington, Camden Road oder Holloway.
»Du meine Güte!« rief Laura. »Was für ein Gedanke! Wir sollen in Camberwell oder Holloway wohnen? Mama denkt nicht im Traume daran.«
»Nun, ich habe wirklich bis jetzt noch nicht gewußt, daß mein Mann ein Haus für deine Mama auszustatten im Sinn hat.«
»O,« sagte sie, ärgerlich werdend, »du reibst mir immer meine Mama unter die Nase.«
»Nicht im geringsten,« entgegnete ich, »ich bin die Letzte in der Welt, die meines Sohnes Frau irgend etwas unter die Nase reiben möchte, am wenigsten ihre eigene Mutter; allein ich wiederhole, wo deine Mutter wohnt, ist ganz allein ihre Sache. Frank sucht ein Haus für sich und dich.«
»Sehr richtig,« versetzte sie schnippisch, »und unter diesen Umständen sehe ich wirklich nicht ein, was dich die Sache angeht; du sollst ja nicht darin wohnen.«
Ganz so ungezogen waren ihre Worte zwar nicht, allein sie liefen auf dasselbe hinaus, und ich begnügte mich damit, die Achseln zu zucken und zu sagen, ich wolle mich in Zukunft hüten, überhaupt eine Meinung auszusprechen, aber natürlich sähe ich als Mutter es nicht gern, wie sich mein Sohn Hals über Kopf zu Grunde richte. Wie die Unterredung noch geendet hätte, weiß ich nicht, aber zum Glück kam Sabine mit den beiden kleinen Walkinshaws, und wir sprachen von etwas andrem. Laura empfahl sich bald nachher.
Trotz meines Widerspruchs nahmen sie das und auch bei der Einrichtung wurde ich nicht zu Rate gezogen, obschon mir viele Leute, die es verstehen, gesagt haben, daß mein Geschmack ausgezeichnet sei.
Mrs. Helston nahm die ganze Sache in die Hand, und einen schönen Firlefanz und Theaterkram brachte sie zusammen. Alles war nur auf den äußeren Schein berechnet, von wirklicher Bequemlichkeit keine Spur. Als aber die Rechnungen kamen, machte sie nicht den leisesten Versuch der Einmischung. Sie ließ sie ruhig meinem Manne vorlegen und gab sich nicht einmal die Mühe, die einzelnen Posten auf ihre Richtigkeit zu prüfen. Der Gesamtbetrag war auch erheblich höher, als der von Mr. Tressider bewilligte, allein er sagte, bezahlt müßten die Sachen jedenfalls werden, und da sie auf seinen Namen gekauft seien, müsse er es um der Ehre dieses Namens willen thun, aber er stimmte mit mir darin überein, daß in Franks Haushalt etwas zuviel »Schwiegermutter« sei.
Bald nachdem sie eingezogen und mit der Einrichtung fertig waren, erhielten wir eine Einladung zum Essen. Viel Lust, hinzugehen, hatte ich zwar nicht, aber ich fühlte, daß es meine Pflicht sei. Ich wußte, daß einige von Mrs. Helstons Verwandten da sein würden.
»Wir wollen doch lieber hingehen,« sagte ich deshalb zu meinem Manne, »die Leute könnten sich sonst einbilden, wir hielten uns nicht gut genug für ihre großartigen Verwandten. Man kann nie wissen, was das Weib zur Erklärung unsres Ausbleibens sagen würde.«
So gingen wir denn, und ich sollte mein blaues Wunder erleben. Das Essen war wirklich großartig, aber die dabei zu Tage tretende Verschwendung empörend. Zu Hause war gewiß gar nichts gemacht worden, und mein Mann erzählte mir, die Weine wären von den köstlichsten und teuersten Sorten gewesen. Wie gewöhnlich, war alles Mrs. Helston überlassen worden, und es muß Frank ein schönes Stück Geld gekostet haben. Für einen jungen Mann in seiner Stellung war es jedenfalls ganz unpassend, ein solches Essen zu geben. Es war ein Essen, das, wie mein Mann beim Heimfahren sagte, nur im Konkursverfahren, ein Schilling fürs Pfund, bezahlt werden könne.
Laura trug ein Kleid, das ganz gut für eine Herzogin oder die Frau eines Citykrösus gepaßt hätte, und sie hatte die Unverschämtheit, mir zu sagen, es sei aus Paris, und sie habe die Absicht, alle ihre Kleider dort machen zu lassen.
Ich erhob meine Hände vor Schreck.
»Liebes Kind,« rief ich, »du bist sicherlich im Irrtum über deines Mannes Verhältnisse; er hat sechshundert Pfund jährlich, nicht wöchentlich.«
»Ach was,« rief sie lachend, »Frank hat viel mehr, als du glaubst; wir werden dich eines Tages überraschen.«
Und sie überraschten mich in der That, denn bald nachher kam sie in einem feinen Brougham vorgefahren. Ich stand zufällig am Fenster, sah den Wagen vor unsrer Thür halten und wunderte mich, wer es wohl sein könne. Das Pferd war sehr schön, ein Hochtraber, und der Kutscher trug eine feine Livree und hatte eine Kokarde am Hut.
Als Laura, wieder wie eine Herzogin gekleidet, ausstieg, hättet ihr mich umblasen können. Daß der Wagen ihr gehöre, ließ ich mir immer noch nicht träumen.
»Wer hat dir denn den schönen Brougham geliehen?« fragte ich sie.
»Niemand,« antwortete sie mit einem Zug um den Mund, der fast wie Hohn aussah. »Frank hat ihn mir zum Geburtstage geschenkt.«
»Ist denn der Junge rein toll geworden?« rief ich aus. »Wie will er ihn denn bezahlen und bei seinem Einkommen unterhalten?«
»O,« erwiderte sie leichthin, »er verdient jetzt sehr viel Geld; vorige Woche hat er zweitausend Pfund Sterling verdient.«
Mir brach der kalte Angstschweiß aus, denn ich dachte, er wette oder spiele an der Börse, und ich weiß, wie das stets endet. Allein Laura erklärte es anders. Frank hatte mit einem von Mrs. Helstons Freunden, der irgend etwas in der City war, ein gemeinsames Geschäft angefangen. Sie waren Gründer geworden.
Was das war, wußte ich nicht, aber ich war sehr unglücklich darüber, denn mein gesunder Verstand sagte mir, daß ein Geschäft, wobei ein junger Mensch, wie Frank, in einer Woche zweitausend Pfund Sterling verdiene, nicht mit rechten Dingen zugehen könne.
Sowie mein Mann nach Hause kam, erzählte ich ihm alles, und er war ebenso erstaunt, als ich. Er wußte nicht einmal, daß Frank seine Stellung als Vertreter des Pariser Hauses aufgegeben hatte, schüttelte den Kopf über die Gründerei und sagte, er wolle sich am nächsten Tage in der City erkundigen. Das that er und brachte in Erfahrung, daß sich Frank mit einem Mr. Smith, einem Menschen, der sich keineswegs des besten Rufes erfreute, verbunden habe. Die Firma hieß Smith & Co., Frank war die Compagnie, und sie beschäftigten sich damit, Aktiengesellschaften zur Ausbeutung von Goldminen und ähnlichen Dingen zu gründen.
»Ist das etwas Anständiges?« fragte ich meinen Mann, und er sah aus, als ob er meine Frage verneinen wolle, allein laut sagte er nur, die einzige Gesellschaft, die sie bis jetzt gegründet hätten, scheine gut zu sein, aber die Verbindung mit Smith gefalle ihm doch nicht; er werde Frank aufsuchen und ein Wort der Warnung mit ihm reden.
Ich konnte sehen, daß mein Mann sich Sorgen über die Sache machte. Gründen sei an sich ein ganz anständiges Geschäft, sagte er, so lange die Gründungen auf wirklich gesunder Grundlage ruhten, aber sehr viele Gründungen wären der reine Schwindel, und er fürchte, Frank könne in etwas verwickelt werden, was nicht ehrenhaft sei.
Am nächsten Tage ging mein Mann nach dem Geschäft von Smith & Co. und fand Frank in einem üppig ausgestatteten Zimmer, eine große Cigarre rauchend und im Gespräche mit einem Herrn, der in einen kostbaren Pelz gekleidet war und von Diamantringen und -knöpfen nur so funkelte.
Das war Mr. Smith.
Nachdem Frank Mr. Tressider vorgestellt hatte, sprachen sie kurze Zeit zusammen, und dann ging er mit seinem Vater zum Frühstück.
Er hatte große Rosinen im Sack, und als ihn sein Vater fragte, weshalb er einen solchen Schritt ohne seinen Rat gethan und warum er die ganze Sache überhaupt so geheim betrieben habe, antwortete Frank, es sei ihm unangenehm gewesen, davon zu sprechen, ehe er gesehen habe, wie sich die Sache entwickele; aber jetzt, wo er auf dem besten Wege sei, binnen kurzem ein reicher Mann zu werden, könne es alle Welt wissen. Nun legte er los, und seinem Vater blieb der Verstand stehen, als er hörte, wie er mit Millionen um sich warf, und wie er von den Plänen, die er und Smith hatte, redete. Wenn man ihn sprechen hörte, sagte Mr. Tressider nachher, hatte man glauben sollen, daß alles Gold und alle Diamanten der Welt ganz bescheiden im Winkel warteten, bis es Mr. Frank Tressider gefiele, das britische Publikum darauf aufmerksam zu machen.
Als es meinem Manne endlich auch einmal gelang, ein Wort dazwischen zu werfen, fragte er Frank, ob er irgend welche Kenntnis von dem wunderbaren Werte dieser Minen und Bergwerke und was es alles war, habe.
»Nein,« entgegnete Frank, »aber Smith kennt sie, und wir stehen mit einigen der schlausten Kerle von London in Verbindung.«
»Na, mein Junge,« erwiderte sein Vater, »dann paß nur auf, daß sie nicht zu schlau für dich sind. Ich will dir offen gestehen, daß mir die Art von Geschäften, womit du dich zu befassen scheinst, gar nicht zusagt. Du hast keine Erfahrung und keine Stellung in der Geschäftswelt, und wenn diese Dinge wirklich so gut sind, dann kann ich mir nicht erklären, weshalb sich Smith gerade dich zum Teilhaber ausgesucht hat.«
»O, Smith ist ein ganz famoser Kerl,« versetzte Frank, »er stellt mich allen seinen Freunden und Kunden als den ›Sohn John Tressiders, des wohlbekannten Kaufmanns in der City‹ vor, und er meinte neulich, wenn du Lust hättest, Direktor einer unsrer Gesellschaften zu werden, würde es ihn sehr freuen, dir dienen zu können. Wir haben jetzt einige großartige Pläne an der Hand, Alterchen, und wenn du ein paar Tausend liegen hast, kannst du einen Haufen Geld verdienen. Ich habe vorige Woche Zweitausend auf einen Schlag gemacht, wie du weißt. Ich will dir was sagen, Alterchen, du hast eine Masse Freunde in der City, und wenn du ein paar von ihnen veranlassen könntest, Direktoren einer oder der andern Gesellschaft zu werden, die wir demnächst gründen wollen, so wäre mir das ein großer Gefallen.«
Mr. Tressider fragte, was das für Gesellschaften seien, worauf Frank ihm die Ankündigungen zeigte. Eine Gesellschaft sollte einen Winterpalast und einen Eiffelturm auf den Sandwichinseln erbauen, eine andre eine Goldmine auf Madagaskar erwerben und ausbeuten, eine dritte ständige Puppentheater an den Ecken der Hauptstraßen des vereinigten Königreiches errichten und eine die in den Straßen aufgestellten Feuermelder zur selbstthätigen Verteilung von belegten Brötchen einrichten, nach Art der Dinger, wo man einen Nickel in einen Spalt wirft.
Ich verstehe nicht viel von derartigen Dingen und entsinne mich deshalb nicht, was Mr. Tressider alles darüber sprach, vielleicht habe ich auch einige der Gesellschaften nicht richtig beschrieben, aber ich weiß, daß er mit einem sehr langen Gesicht nach Hause kam und sagte, er fürchte, die Geschichte werde ein schlechtes Ende nehmen.
Sie fing nicht schlecht an, denn Frank fuhr eines Tages in einem seinen Zweispänner bei uns vor, und Laura war auf unsrem Ball der reine Juwelierladen, so war sie mit Diamanten bedeckt. Sie mieteten einen Palast in einer der vornehmsten Straßen und machten ein großartiges Haus. Wie oft habe ich mir die Augen gerieben und mich gefragt, ob ich wache oder träume, oder ob dieser junge Mensch, der so lebte, als ob er über ein Jahreseinkommen von zwanzigtausend Pfund verfüge, wirklich mein Sohn Frank sei.
Allein Mr. Tressider sprach nie gern darüber, ja, er vermied den Gegenstand nach einiger Zeit gänzlich, ebenso, wie er ablehnte, Franks glänzende Gesellschaften zu besuchen, und ich konnte sehen, daß er im Gemüt bedrückt war. Ich weiß, daß er wiederholt zu Frank ging, um ihn zu warnen und zu veranlassen, die unsaubere Geschäftsverbindung zu lösen, aber es half alles nichts, und endlich kam der Krach.
Ich will nicht näher darauf eingehen, denn die Sache ist zu peinlich für uns alle. Die Zeitungen brachten lange Aufsätze über Schwindelgesellschaften, und eines Tages hörten wir, Smith & Co, seien bankerott, und Frank hätte nicht nur alles, was er besaß, bis auf den letzten Heller verloren, sondern habe noch größere Verbindlichkeiten, als er je tilgen zu können hoffen dürfe.
Ich wußte, daß er sich nie in so wagehalsige Unternehmungen gestürzt haben würde, um rasch reich zu werden, wenn er nicht durch die Streberei seiner Schwiegermutter und die selbstsüchtige Verschwendungssucht seiner Frau dazu getrieben worden wäre. Es war mehr gegen ihn gesündigt worden, als daß er selbst gesündigt hatte. Er war das blinde Werkzeug Smiths gewesen, der sich freute, mit dem Sohne eines wohlbekannten und angesehenen Handelsherrn der City in Verbindung zu kommen, als er nach einigen Jahren erzwungener Zurückgezogenheit von neuem anfing.
Franks Verbindlichkeiten wurden bis auf den letzten Schilling bezahlt. Mr. Tressider erklärte, das sei er der Ehre des Namens schuldig, und wenn er selbst an den Bettelstab kommen sollte. Zum Glück war der Betrag, den mein Mann zu decken hatte, für seine Verhältnisse nicht allzu groß. Franks Anteile an den Gesellschaften, die sich als gesund erwiesen und gut bezahlt wurden, sowie der Erlös aus seiner beweglichen Habe und seiner Frau Brillanten erreichte fast den Betrag seiner Verbindlichkeiten. Allein als alles geordnet war, stand er ohne einen Heller Vermögen in der Welt und schuldete seinem Vater mehrere tausend Pfund, aber er entging wenigstens der Schande des Bankerotts.
Als der Krach kam, fand Mrs. Helston plötzlich, daß ihr Gesundheitszustand eine Kur in Karlsbad dringend notwendig mache, aber Laura zeigte zum erstenmal, seit ich sie kannte, daß doch etwas in ihr steckte. Ihr Mann sagte ihr, er müsse das Leben von vorn beginnen und zwar, so weit als möglich entfernt von allen, die seine Vergangenheit kannten. Es war ihm eine gute Stelle in Australien angeboten worden, die er anzunehmen beabsichtigte. Sie legte ihr großartiges Wesen sofort beiseite und erklärte, sie werde mit ihm gehen und alles thun, was in ihren Kräften stehe, um ihm zu helfen und die Vergangenheit zu sühnen. Ich glaube, sie hat ihr Wort ehrlich gehalten, denn Frank spricht in seinen Briefen in der liebevollsten Weise von ihr. Frank und seine Frau sind jetzt in Australien, aber ich hoffe, daß wir sie in nicht zu ferner Zeit wieder in unsrer Mitte haben werden – und dann ohne seine Schwiegermutter.