Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Man sah am vierten Morgen · zweiunddreißig Mann
Hin zu Hofe reiten · da ward es kund getan
Gunther dem reichen · es droh' ihm neuer Streit.
Die Lüge schuf den Frauen · das allergrößeste Leid.
Sie gewannen Urlaub · an den Hof zu gehn.
Da sagten sie, sie stünden · in Lüdegers Lehn,
Den einst bezwungen hatte · Siegfriedens Hand
Und ihn als Geisel brachte · König Gunthern in das Land.
Die Boten grüßte Gunther · und hieß sie sitzen gehn.
Einer sprach darunter · »Herr König, laßt uns stehn,
Daß wir die Mären sagen · die euch entboten sind.
Wohl habt ihr zu Feinden · das wißt, mancher Mutter Kind.
»Euch widersagen Lüdegast · und König Lüdeger:
Denen schuft ihr weiland · grimmige Beschwer;
Nun wollen sie mit Heereskraft · reiten in dies Land.«
Gunther begann zu zürnen · als ihm die Märe ward bekannt.
Man ließ die falschen Boten · zu den Herbergen gehn.
Wie mochte da Siegfried · der Tücke sich versehn,
Er oder anders jemand · die man so listig spann?
Doch war es ihnen selber · zu großem Leide getan.
Der König mit den Freunden · ging raunend ab und zu.
Hagen von Tronje · ließ ihm keine Ruh:
Noch wollt' es mancher wenden · in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht' er Hagen · von seinen Räten abzustehn.
Eines Tages Siegfried · die Degen raunend fand.
Da begann zu fragen · der Held von Niederland:
»Wie traurig geht der König · und die ihm untertan?
Das helf ich immer rächen · hat ihnen wer ein Leid getan.«
Da sprach König Gunther · »Wohl hab' ich Herzeleid:
Lüdegast und Lüdeger · droh'n mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen sie · reiten in mein Land.«
Da sprach der kühne Degen · »Dem soll Siegfriedens Hand
»Nach allen euern Ehren · mit Kräften widerstehn;
Von mir geschieht den Degen · was ihnen einst geschehn.
Ihre Burgen leg' ich wüste · und dazu ihr Land,
Eh' ich ablasse · des sei mein Haupt euer Pfand.
»Ihr mit euern Mannen · nehmt der Heimat wahr;
Laßt mich zu ihnen reiten · mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene · lass' ich euch wohl sehn:
Von mir soll euern Feinden · das wisset, übel geschehn.«
»Nun wohl mir dieser Märe!« · der König sprach da so,
Als war' er seiner Hülfe · alles Ernstes froh.
Tief neigte sich in Falschheit · der ungetreue Mann.
Da sprach der edle Siegfried · »Laßt euch keine Sorge nahn!«
Sie schickten mit den Knechten · zu der Fahrt sich an:
Siegfrieden und den Seinen · ward es zum Schein getan.
Da hieß er sich rüsten · die von Niederland:
Siegfriedens Recken · suchten da ihr Streitgewand.
Da sprach der starke Siegfried · »Mein Vater Siegmund,
Bleibt ihr hier im Lande · wir kehren bald gesund,
Will Gott uns Glück verleihen · wieder an den Rhein.
Ihr sollt bei dem König · unterdessen fröhlich sein.«
Da wollten sie von dannen · die Fähnlein band man an.
Umher standen viele · die Gunthern untertan
Und hatten nicht erfahren · wie es damit bewandt.
Groß Heergesinde war es · das da bei Siegfrieden stand.
Die Panzer und die Helme · man auf die Rosse lud;
Sich rüsteten aus dem Lande · viel starke Ritter gut.
Da ging von Tronje Hagen · hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat sie um Urlaub · sie wollten räumen das Land.
»Nun wohl mir,« sprach Kriemhild · »daß ich den Mann gewann,
Der meine lieben Freunde · so wohl beschützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried · an meinen Brüdern tut!
Drum trag ich,« sprach die Königin · »immer fröhlichen Mut.
»Lieber Freund Hagen · nun hoff' ich, ihr gedenkt,
Daß ich euch gerne diene · ich hab' euch nie gekränkt.
Das komme mir zugute · an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten · was ich Brunhilden getan.
»Des hat mich schon gereuet« · sprach das edle Weib,
»Auch hat er so zerbläuet · zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beschwerte · mit Reden ihr den Mut,
Er hat es wohl gerochen · dieser Degen kühn und gut.«
Da sprach er: »Ihr versöhnt euch · wohl nach wenig Tagen.
Kriemhild, liebe Herrin · nun sollt ihr mir sagen,
Wie ich euch dienen möge · an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn' es niemand besser · und tu' es, Königin, euch gern.«
»Ich wär' ohn alle Sorge« · sprach da das edle Weib,
»Daß man ihm im Kampfe · Leben nähm' und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte · seinem Übermut,
So wär' immer sicher · dieser Degen kühn und gut.«
»Fürchtet ihr, Herrin« · Hagen da begann,
»Daß er verwundet werde · so vertraut mir an,
Wie soll ich's beginnen · dem zu widerstehn?
Ihn zu schirmen will ich immer · bei ihm reiten und gehn.«
Sie sprach: »Du bist mir Sippe · so will ich dir es sein:
Ich befehle dir auf Treue · den holden Gatten mein,
Daß du mir behütest · den geliebten Mann.«
Was besser wär' verschwiegen · vertraute da sie ihm an.
Sie sprach: »Mein Mann ist tapfer · dazu auch stark genug.
Als er den Linddrachen · an dem Berge schlug,
Da badet' in dem Blute · der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe · je versehren mocht' im Streit.
»Jedoch bin ich in Sorgen · wenn er im Kampfe steht
Und aus der Helden Händen · mancher Speerwurf geht,
Daß ich da verliere · meinen lieben Mann.
Hei! was ich großer Sorgen · oft um Siegfried gewann!
»Mein lieber Freund, ich meld' es · nun auf Gnade dir,
Daß du deine Treue · bewähren mögst an mir,
Wo man mag verwunden · meinen lieben Mann.
Das sollst du nun vernehmen · es ist auf Gnade getan.
»Als von des Drachen Wunden · floß das heiße Blut
Und sich darinne badete · der kühne Recke gut,
Da fiel ihm auf die Achseln · ein Lindenblatt so breit:
Da kann man ihn verwunden · das schafft mir Sorgen und Leid.«
Da sprach von Tronje Hagen · »So näht auf sein Gewand
Mir ein kleines Zeichen · mit eigener Hand:
Wo ich ihn schirmen müsse · mag ich daran verstehn.«
Sie wähnt' ihn so zu fristen · auf seinen Tod war's abgesehn.
Sie sprach: »Mit feiner Seide · näh' ich auf sein Gewand
Insgeheim ein Kreuzchen · da soll, Held, deine Hand
Mir den Mann behüten · wenn's ins Gedränge geht,
Da wo in den Stürmen · er vor seinen Feinden steht.«
»Das tu' ich,« sprach da Hagen · »viel liebe Herrin mein.«
Wohl wähnte da die Gute · sein Frommen sollt' es sein:
Da war hiemit verraten · der Kriemhilde Mann.
Urlaub nahm da Hagen · da ging er fröhlich hindann.
Der Dienstmann des Königs · war froh und wohlgemut.
Gewiß, daß solche Bosheit · kein Recke wieder tut
Bis zum jüngsten Tage · als da von ihm geschah,
Da sich seiner Treue · Kriemhild die Königin versah.
Früh des andern Morgens · mit wohl tausend Mann
Ritt Siegfried der Degen · mit frohem Mut hindann:
Er wähnt', er solle rächen · seiner Freunde Leid.
So nah ritt ihm Hagen · daß er beschaute sein Kleid.
Als er ersah das Zeichen · da schickt' er ungesehn,
Andre Mär zu bringen · zwei aus seinem Lehn:
In Frieden sollte bleiben · König Gunthers Land;
Es habe sie Herr Lüdeger · zu dem König gesandt.
Wie ungerne Siegfried · abließ vom Streit,
Eh' er gerochen hatte · seiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurücke · die Gunthern untertan.
Da ritt er zu dem König · der ihm zu danken begann:
»Nun lohn' euch Gott, Freund Siegfried · den willigen Sinn,
Daß ihr so gerne tatet · was mir vonnöten schien:
Das will ich euch vergelten · wie ich billig soll.
Vor allen meinen Freunden · vertrau' ich euch immer wohl.
»Da wir uns der Heerfahrt · so entledigt sehn,
So laßt uns nun Bären · und Schweine jagen gehn
Nach dem Odenwalde · wie ich oft getan.«
Geraten hatte Hagen das · dieser ungetreue Mann.
»Allen meinen Gästen · soll man das nun sagen,
Ich denke früh zu reiten · die mit mir wollen jagen,
Die laßt sich fertig halten · die aber hier bestehn,
Kurzweilen mit den Frauen · das lass' ich gerne geschehn.«
Mit herrlichen Sitten · sprach da Siegfried:
»Wenn ihr jagen reitet · da will ich gerne mit.
So sollt ihr mir leihen · einen Jägersmann
Mit etlichen Bracken · so reit' ich mit euch in den Tann.«
»Wollt ihr nur einen?« · frug Gunther zuhand;
»Ich leih' euch, wollt ihr, viere · denen wohl bekannt
Der Wald ist und die Steige · wo viel Wildes ist,
Daß ihr des Wegs unkundig · nicht ledig wieder heimwärts müßt.«
Da ritt zu seinem Weibe · der Degen unverzagt.
Derweilen hatte Hagen · dem König gesagt,
Wie er verderben wolle · den herrlichen Degen.
So großer Untreue · sollt' ein Mann nimmer pflegen.