Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Drei Tage später traf die schon angekündigte Frau mit dem hereynischen Balsam ein und zugleich mit ihr kam auch der Hauptmann der Bogenschützen aus Szczytno mit einem von den Brüdern unterschriebenen und mit Danvelds Siegel versehenen Briefe, worin die Kreuzritter Himmel und Erde zu Zeugen der Schmach anriefen, die ihnen in Masovien zugefügt worden sei, und unter Androhung der schwersten Strafe strenges Gericht wegen der Ermordung ihres Gefährten und Gastes verlangten. Der Brief enthielt auch eine von Danveld diktierte Anklage, denn er forderte in teils demütigen, teils drohenden Worten die gebührende Buße für seine schwere Verletzung und die Verhängung des Todesurteils über den jungen Böhmen. Aber der Fürst zerriß diesen Brief vor den Augen des Hauptmanns, warf ihn vor dessen Füße und rief: »Um mich zu gewinnen, schickte der Meister diese Ritter hierher, aber sie haben nur meinen Zorn erregt. Sagt ihnen daher von mir, ich wisse, daß sie selbst ihren Gast getötet haben und den jungen Böhmen töten wollten, dies werde ich dem Meister schreiben und auch hinzufügen, er möge andere Gesandte schicken, falls er wünsche, daß ich bei einem Kriege mit dem Krakauer König nicht Partei ergreife.«
»Allergnädigster Herr,« antwortete der Hauptmann, »ist dies die einzige Antwort, die ich den mächtigen Brüdern überbringen soll?«
»Wenn Euch dies nicht genügt, so sagt ihnen, daß ich sie für niederträchtige Hunde, nicht für wahre Ritter halte.«
Damit endigte die Unterredung. Der Hauptmann schickte sich zur Abfahrt an, und der Fürst brach noch am nämlichen Tage nach Ciechanow auf. So blieb denn nur die Frau mit dem Balsam zurück, den der mißtrauische Pater Wyszoniek nicht anwenden wollte, zumal der Kranke in der vorhergegangenen Nacht gut geschlafen hatte, und des Morgens zwar noch etwas ermattet aber doch fieberfrei erwacht war.
– – – – – – – – –
Pater Wyszoniek nahm es beinahe schon als sicher an, daß der Kranke genesen werde, als plötzlich ein unvorhergesehenes Ereignis alle Berechnungen und Hoffnungen zu nichte machte. Von Jurand kamen Boten mit einem an die Fürstin gerichteten Briefe, der schlimme, traurige Nachrichten enthielt. In Spychow war ein Teil von Jurands Burg abgebrannt, er selbst bei seinen Rettungsversuchen von einem brennenden Balken verletzt worden. Der Pater Kaleb, welcher in seinem Namen schrieb, berichtete zwar, daß Jurand wieder genesen werde, daß aber auch dessen eines, bisher gesundes Auge jetzt durch die Flammen Schaden genommen habe, so daß er der Sehkraft beinahe beraubt sei und ihm völlige Erblindung drohe.
Aus diesem Grunde forderte Jurand die Tochter auf, sofort nach Spychow zu kommen, da er sie noch sehen wolle, bevor völlige Dunkelheit ihn umgebe. Auch wünschte er, daß sie fortan bei ihm bleibe. Da jeder Blinde, der sich durch Almosen das Leben friste, ein Kind bei sich habe, das ihn an der Hand führe und ihm den Weg zeige, sehe er die Notwendigkeit nicht ein, weshalb er dieses einzigen Trostes beraubt werden und unter Fremden sterben solle. Der Brief enthielt auch eine warme Danksagung für die Fürstin, welche Danusia ja wie eine leibliche Mutter auferzogen habe, und schließlich gelobte Jurand, daß er trotz seiner Blindheit einmal noch nach Warschau kommen werde, um der Herrin zu Füßen zu fallen und um die Gnade zu bitten, daß er Danusia behalten dürfe.
Als der Pater Wyszoniek der Fürstin diesen Brief vorgelesen hatte, vermochte sie einige Zeit kein Wort hervorzubringen. Sie hatte die Hoffnung gehegt, Jurand, welcher fünf- oder sechsmal im Jahre seine Tochter besuchte, werde zu den nahen Festtagen kommen, und könne dann sie durch ihren eigenen Einfluß und durch des Fürsten Janusz Fürbitte seine Zustimmung zu einer baldigen Hochzeit erlangen. Aber dieser Brief vereitelte nicht nur ihre Absichten, sondern raubte ihr zugleich auch Danusia, die wie ein eigenes Kind von ihr geliebt wurde. Unwillkürlich kam ihr der Gedanke, daß Jurand vielleicht das Mädchen mit einem seiner Nachbarn vermählen wolle, um dann den Rest seiner Tage bei seiner Tochter zu verleben. Daß Zbyszko sich nach Spychow begeben konnte, daran war gar nicht zu denken, denn seine Wunden fingen erst jetzt an zu heilen, und zudem, wer vermochte vorauszusagen, wie er in Spychow aufgenommen werde? Wußte doch die Herrin, daß Jurand ihm früher rundweg die Tochter verweigert, erinnerte sie sich doch, wie er ihr selbst gesagt hatte, aus Gründen, die Geheimnis bleiben müßten, werde er niemals in die Verbindung willigen. So gebot sie denn mit schwerem Herzen, den ältesten der Boten herbeizurufen, um Näheres über das Unglück in Spychow und zugleich auch etwas über Jurands Absichten von ihm zu erfahren.
Doch wunderte sie sich, als auf ihren Befehl hin ein Mann erschien, der ihr völlig unbekannt war, nicht aber der alte Tolima, welcher den Schild hinter Jurand herzutragen pflegte und gar häufig mit ihm gekommen war. Jener Abgesandte erzählte ihr indessen, daß Tolima, der beim letzten Kampfe mit den Deutschen furchtbar verletzt worden sei, in Spychow mit dem Tode ringe, daß Jurand von schweren Leiden heimgesucht sei und um unverzügliche Rückkehr der Tochter bitte, da er immer weniger sehe und binnen kurzem vielleicht gänzlich erblinden werde. Der Bote bat sogar inständig, daß er sogleich, sobald die Pferde verschnauft hätten, mit dem jungen Mädchen aufbrechen dürfe, aber da der Abend schon angebrochen war, erhob die Fürstin Einsprache dagegen, vornehmlich um Zbyszko und Danusia, sowie sich selbst durch einen voreiligen Abschied das Herz nicht noch schwerer zu machen.
Zbyszko, den man von allem benachrichtigt hatte, lag wie betäubt da, und als die Fürstin eintrat und auf der Schwelle schon händeringend ausrief: »Da giebt es keinen Rat, denn er ist ihr Vater!« wiederholte er wie ein Echo: »Da giebt es keinen Rat!« und schloß die Augen gleich einem Menschen, welcher hofft, daß ihn der Tod bald von jeder Qual befreie.
Aber der Tod kam nicht, wennschon Zbyszkos Leid immer größer ward und ihm immer traurigere Gedanken durch den Sinn zogen, gleich den Regenwolken, welche, vom Sturm getrieben, den Sonnenschein verhüllen. Denn wie die Fürstin begriff auch Zbyszko, daß Danusia, einmal in Spychow angelangt, für ihn so gut wie verloren war. Hier am Hofe waren ihm alle gewogen, während Jurand sich vielleicht weigerte, ihn bei sich aufzunehmen, zumal wenn er sich durch ein Gelübde oder durch irgend einen andern nicht minder wichtigen Grund gebunden fühlte. Und schließlich, wie hätte er sich nach Spychow begeben können, da er krank war und sich kaum auf seinem Lager bewegen konnte? Vor einigen Tagen, als ihm durch des Fürsten Gnade der Rittergürtel und die goldenen Sporen unverhofft zuteil geworden waren, hatte er geglaubt, die übermächtige Freude werde ihn gesund machen, und er hatte inbrünstig gebetet, sich bald erheben und sich mit den Kreuzrittern messen zu dürfen, aber jetzt verlor er wieder alle Hoffnung, denn er sagte sich, wenn Danusia ihm fehle, werde ihm auch die Lust am Leben und die Kraft fehlen, gegen den Tod anzukämpfen. Wenn nun der nächste Tag kam und der übernächste, wenn der heilige Abend und die Festtage herannahten, war er allein, ob die Glieder ihn auch schmerzten, ob ihn auch ein Schwächeanfall überkam, war er allein, und die sonnige Helle, welche von Danusias Wesen ausging und wodurch sie jedes Auge erfreute, war auf einmal verschwunden. Welch süßer Trost war es, sagen zu können: ›Hast du mich lieb?‹ und dann zu sehen, wie Danusia lachend und doch verschämt ihr Gesicht mit den Händchen bedeckte, oder sich zu ihm herabbeugte und erwiderte: ›Dich, Dich Zbyszko, liebe ich allein!‹ Von jetzt an konnten nur Krankheit, Schmerz und bange Sehnsucht seine Gefährten sein, das Glück aber wandte sich von ihm und kehrte nimmer zurück.
Thränen traten in Zbyszkos Augen und rollten langsam über seine Wangen, während er, zu der Fürstin gewendet, sagte: »Allergnädigste Herrin, verläßt Danusia mich jetzt, so werde ich sie in meinem ganzen Leben niemals wiedersehen.«
Und die tief erschütterte Fürstin antwortete: »Wahrlich, es wäre kein Wunder, wenn Du aus Kummer sterben würdest. Doch unser Herr Jesus ist barmherzig.«
Um ihn einigermaßen zu trösten, fügte sie jedoch nach einer Weile hinzu: »Wenn aber Jurand vor Dir stürbe, so würde die Vormundschaft dem Fürsten und mir übertragen, und dann bekämst Du das Mädchen sofort.«
»Wenn er vor mir stürbe!« wiederholte Zbyszko.
Aber plötzlich kam ihm offenbar ein neuer Gedanke, denn er richtete sich auf und begann mit völlig veränderter Stimme: »Allergnädigste Herrin ...«
Doch er wurde von Danusia unterbrochen, welche weinend hereinkam und schon an der Schwelle rief: »Weißt Du es schon, Zbyszko? O wie jammert mich mein Vater, aber wie jammerst auch Du mich, Du Armer!«
Als sie nun zu Zbyszko herantrat, da umschlang er sie mit dem gesunden Arm und sagte in schmerzlichem Tone: »Wie kann ich ohne Dich leben, geliebtes Mädchen! Nicht darum habe ich über Flüsse gesetzt, bin ich durch weite Wälder gedrungen, nicht darum gelobte ich mich Dir an und diente Dir, damit ich Dich jetzt verliere. Ach, was helfen Kummer, was helfen Thränen! Doch selbst mit dem Tod ist meine Liebe nicht zu Ende, denn wenn auch der Rasen sich über mir wölbte, so würde doch meine Seele Deiner nicht vergessen, auch nicht im Reiche unseres Herrn Jesu, auch nicht bei unserem himmlischen Vater in der ewigen Ruhe ... Ich weiß, hier ist schwer Rat schaffen, und doch müssen wir Rat schaffen, müssen wir etwas wagen. Meine Glieder sind wie gelähmt, und ich leide furchtbare Schmerzen, aber falle Du der Herrin zu Füßen, weil ich es nicht vermag – und bitte um Erbarmen für uns.«
Als Danusia des Geliebten Worte vernahm, sank sie vor der Fürstin nieder und deren Knie umfassend, verbarg sie ihr helles Köpfchen in der Herrin dunklem Gewande. Diese aber richtete einen mitleidigen und zugleich verwunderten Blick auf Zbyszko.
»Wie kann ich Euch helfen?« fragte sie. »Lasse ich das Kind nicht zu dem kranken Vater, so lade ich Gottes Zorn auf mich.«
Zbyszko sank wieder in die Kissen zurück und vermochte einige Zeit nichts zu erwidern, weil ihm der Atem ausgegangen war. Langsam schob er dann auf der Brust eine Hand zu der andern heran und faltete sie wie zum Gebete.
»Ruhe ein wenig,« sagte die Fürstin, »und sobald Du kannst, erkläre mir, um was es sich handelt. Du aber, Danuska, erhebe Dich.«
»Ja, ich muß ruhen, aber Du erhebe Dich nicht, Danusia, und bitte zugleich mit mir!« ließ sich Zbyszko vernehmen. Dann begann er mit schwacher Stimme und in abgerissenen Worten: »Allergnädigste Herrin! ... Schon in Krakau war ja Jurand gegen mich ... er wird auch jetzt noch gegen mich sein, aber wenn Pater Wyszoniek mich mit Danusia trauen würde – dann mag sie nach Spychow ziehen, weil keine Macht der Welt mir sie dann mehr rauben kann.«
Diese Worte kamen der Fürstin so unerwartet, daß sie von ihrem Sitze aufsprang, sich dann wieder niederließ und wie wenn sie nicht recht begriffen hätte, wovon die Rede war, ausrief: »Bei den Wundenmalen unseres Herrn! ... Der Pater Wyszoniek ...«
»Allergnädigste Herrin! ... Allergnädigste Herrin!« bat Zbyszko in eindringlichem Tone.
»Allergnädigste Herrin!« flehte auch Danusia, abermals der Fürstin Knie umfassend.
»Wie wäre dies möglich, ohne die Einwilligung des Vaters?«
»Gottes Gebote sind die mächtigsten!« antwortete Zbyszko.
»Man muß diese Gebote ehren!«
»Wer ist denn der Vater, wenn es der Fürst nicht ist? ... Wer ist denn die Mutter, wenn Ihr es nicht seid, gnädigste Herrin!«
»Mein gütiges Mütterchen!« setzte Danusia hinzu.
»Daß ich ihr eine Mutter war und noch bin, ist richtig!« sagte die Fürstin. »Auch habe ich Jurand einst die Gattin zugeführt. Und wenn die Trauung einmal stattgefunden hat, dann ist nichts mehr an der Sache zu ändern. Sicherlich wird Jurand sehr aufgebracht sein, aber er hat ja dem Fürsten, seinem Herrn, gegenüber auch Verpflichtungen. Uebrigens dürfte man es ihm nicht sofort sagen, sondern erst, wenn er die Tochter einem andern geben, oder für immer ins Kloster schicken will. Und falls er wirklich ein Gelübde gethan hat – nun, so wird ihm ja keine Schuld beizumessen sein. Gegen den Willen Gottes vermag niemand etwas auszurichten ... Und vielleicht ist es der Wille Gottes!«
»Anders kann es nicht sein,« rief Zbyszko.
Aber die Fürstin sagte tief bewegt: »Warte, laß mich erst zu mir selbst kommen. Wäre der Fürst hier, so würde ich sogleich zu ihm gehen und fragen: ›Soll ich ihm das Mädchen geben oder nicht?‹ ... Aber ohne ihn bangt mir davor ... so daß mir der Atem in der Brust stockt, und wir haben doch nicht viel Zeit, weil Danusia morgen aufbrechen soll! ... Ach, lieber Jesu! Mag sie sich denn als Eheweib auf die Reise machen – dann wirst Du ja zufrieden sein. Nur bin ich noch nicht recht zu mir selbst gekommen – und welche Angst habe ich. Fühlst Du keine Angst, Danuska, sprich?«
»Wird mein Wunsch nicht erfüllt, so sterbe ich!« fiel hier Zbyszko ein.
Das junge Mädchen erhob sich, und da es stets vertraulich mit der gütigen Herrin verkehren durfte, ja sogar von ihr verhätschelt ward, schlang es die Arme um ihren Hals und umarmte sie zärtlich.
Doch die Fürstin erklärte: »Ohne den Pater Wyszoniek kann ich noch nichts bestimmen. Geh und hole ihn.«
Danusia eilte zum Pater Wyszoniek. Zbyszko aber wendete der Fürstin sein bleiches Antlitz zu und sagte: »Was der Herr Jesus über mich verhängt hat, das muß ich tragen, doch den Trost, den Ihr mir spendet, allergnädigste Fürstin, möge Gott Euch lohnen.«
»Preise mich nicht zu früh,« erwiderte die Fürstin, »denn wir wissen noch nicht, wie alles sich gestalten wird. Du mußt mir auch bei Deiner Ehre geloben, daß Du Dich der Abreise des Mädchens nicht widersetzen wirst, wenn die Trauung vollzogen ist. Und Gott verhüte, daß Du Fluch und Unheil auf Dich und sie ladest.«
»Bei meiner Ehre!« wiederholte Zbyszko.
»Sei dessen eingedenk! Und ihrem Vater gegenüber soll Danusia vorerst schweigen. Es ist besser, wenn ihm die Kunde nicht unverhofft zukommt. Von Ciechanow aus lassen wir ihn auffordern, er möge sich mit Danusia bei uns einstellen, und dann bringe ich ihm die Nachricht bei, oder ich bitte den Fürsten, es zu thun. Wenn er sieht, daß die Sache nicht mehr zu ändern ist, wird er sich zufrieden geben. Er ist Dir niemals gram gewesen.«
»Nein, er ist mir nie gram gewesen, und im Innern freut er sich vielleicht, wenn er hört, daß Danusia die Meine ist. Denn falls er wirklich ein Gelübde gethan hat, kann ihm niemand eine Schuld beimessen, weil ja alles hinter seinem Rücken geschieht.«
Der Eintritt des Paters und Danusias unterbrach das Gespräch. Die Fürstin zog ihn sofort zu Rate und erzählte ihm mit wahrem Feuereifer von Zbyszkos Vorhaben, er aber hatte kaum vernommen, um was es sich handelte, als er sich bekreuzte und voll Verwunderung sagte: »Im Namen des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes! Wie kann ich dies thun? Wir haben ja Advent!«
»Bei Gott! Das ist wahr!« rief die Fürstin aus.
Ein kurzes Schweigen folgte – nur die betrübten Mienen aller Anwesenden zeigten, wie tief sie von den Worten des Pater Wyszoniek getroffen wurden.
Nach einer Weile fuhr er fort: »Hätte ich Dispens, so würde ich mich nicht widersetzen, denn ich beklage Euch tief. Nach Jurands Einwilligung würde ich nicht fragen, weil die gnädige Herrin die Trauung gestattet und für die Zustimmung des Fürsten, unseres Herrn bürgt – denn für das masovische Volk sind diese beiden ja Vater und Mutter. Aber ohne den Dispens kann ich es nicht thun. Traun! Wäre der Fürstbischof Jakob aus Kurdwanow hier, der würde mir den Dispens wohl nicht verweigern – obgleich er strengen Sinnes ist, ganz anders als sein Vorgänger, der Bischof Mamphiolus, der zu allem › bene! bene!‹ sagte.«
»Der Bischof Jakob aus Kudwanow ist dem Fürsten und mir sehr zugethan,« warf die Herrin ein.
»Darum glaube ich, er würde den Dispens nicht verweigern, zumal dringende Gründe zu der Trauung vorhanden sind. Das Mädchen muß abreisen und dieser Jüngling ist krank und wird möglicherweise sterben ... Hm! in articulo mortis. Aber ohne Dispens ...«
»Ich könnte den Bischof Jakob später um nachträglichen Dispens bitten. Von der strengen Seite kenne ich ihn nicht, auch wird er mir diese Bitte wohl nicht abschlagen. Ich bürge sogar dafür, daß er sie mir nicht abschlägt.«
Daraufhin sagte der Pater Wyszoniek, welcher ein guter, weichherziger Mensch war: »Die Worte der Gesalbten Gottes sind schwerwiegende Worte – der Fürstbischof flößt mir zwar Angst ein, aber dies sind schwerwiegende Worte! – Vielleicht könnte der Jüngling auch etwas für die Kathedrale zu Plock stiften. – Ich weiß nicht, was ich thun soll. – Ohne Dispens wird es eine Sünde sein, und ich lade die Sünde auf mich. Hm! Unser Herr Jesus ist freilich barmherzig, und wenn jemand nicht um des eigenen Vorteiles willen sündigt, sondern nur aus Mitleid für die Leiden anderer, wird ihm um so eher verziehen. – Aber eine Sünde wird es sein, und wenn nun der Bischof nicht nachsichtig ist?«
»Der Bischof ist aber nachsichtig!« rief die Fürstin Anna.
Pater Wyszoniek, dem es vor allem am Herzen lag, Zbyszko und Danusia zu Hilfe kommen zu können, da er diese von ihrer Kindheit an kannte und sie sehr liebte, teilte schließlich die Meinung der Fürstin und zu ihr gewendet, sagte er: »Ich bin zwar ein Geistlicher, aber ich bin auch ein Diener des Fürsten. Was befiehlt mir die allergnädigste Herrin?«
»Ich will Euch nichts befehlen – ich bitte nur!« antwortete die Fürstin.
Da erhob der Pater Wyszoniek den Blick und die Hände gen Himmel.
»So mag es denn geschehen, Euerm Willen gemäß!«
Auf diese Worte hin zog Freude in aller Herzen ein. Zbyszko richtete sich wieder in seinen Kissen auf, und die Fürstin, Danusia, sowie der Pater Wyszoniek setzten sich an seinem Lager nieder und hielten Rat, wie es bei einer so wichtigen Sache nötig war. Sie beschlossen, das Geheimnis zu wahren, auf daß keine lebende Seele etwas davon erführe, sie beschlossen ferner, daß auch Jurand nichts davon hören dürfe, bis die Herrin selbst ihm in Ciechanow alles mitteilen könne. Dem Pater Wyszoniek oblag es dann, für die Fürstin einen Brief an Jurand zu schreiben und ihn aufzufordern, nach Ciechanow zu kommen, wo es bessere Heilmittel für seine Leiden gebe und er und seine Tochter weniger vereinsamt seien. Schließlich ward bestimmt, daß Zbyszko und Danusia noch beichten und des Nachts, wenn alle Leute schlafen gegangen waren, getraut werden sollten.
– – – – – – – – –
Zbyszko dachte zuerst daran, den böhmischen Knappen als Trauzeugen zu nehmen, doch kam er wieder von dieser Absicht zurück, weil ihm plötzlich einfiel, daß Hlawa ihm von Jagienka gesandt worden war. Während eines kurzen Augenblickes sah er sie im Geiste so lebhaft vor sich, daß ihn dünkte, er sehe ihr gerötetes Antlitz, ihre verweinten Augen und er höre ihre flehenden Worte: »Thue mir dies nicht an! Vergelte mir nicht Gutes mit Bösem, um meiner Liebe willen, kränke mich nicht so!«
Und plötzlich ergriff ihn tiefes Mitleid mit ihr, denn er fühlte, daß sie viel zu leiden haben werde, nirgends Trost finden könne, und daß ihr weder die Bewerbung von Cztan und Wilk, noch die reichen Gaben des Abtes Ersatz zu bieten vermochten. Daher sagte er ihr im Geiste: »Gott verleihe Dir nur Gutes und Schönes, Mädchen, aber obwohl ich Dir gerne den Himmel herabholen möchte, weiß ich Dir doch nicht zu helfen.«
Und die Ueberzeugung, daß es nicht in seiner Macht stand, ihr zu helfen, gewährte ihm zuletzt Erleichterung, und seine innere Ruhe kehrte zurück, sodaß sich seine Gedanken wieder ausschließlich mit Danusia und der Trauung beschäftigen konnten.
Da er jedoch die Hilfe des Böhmen nicht entbehren konnte, aber jetzt entschlossen war, ihm nichts von dem zu enthüllen, was geschehen sollte, ließ er ihn zu sich rufen und sagte ihm: »Ich werde heute beichten und das Abendmahl nehmen, kleide mich daher so schmuck und schön, wie wenn ich mich in die königlichen Gemächer begeben müßte.«
Der Böhme erschrak ein wenig und blickte ihn erstaunt an, doch Zbyszko, welcher sofort seine Gedanken erriet, setzte hinzu: »Fürchte nichts, man beichtet ja nicht bloß, wenn man den Tod herannahen fühlt. Zu den kommenden Festtagen wird sich zudem der Pater Wyszoniek mit der Fürstin nach Ciechanow begeben und wir müßten dann wegen eines Geistlichen bis nach Przasnysz senden.«
»Und Euer Gnaden begleitet die Fürstin nicht?«
»Wenn ich gesund werde, begleite ich sie, aber dies liegt in Gottes Hand.«
Nun beruhigte sich der Böhme, eilte an eine Lade und holte jene erbeutete weiße, mit Gold benähte Jacke, welche der junge Ritter gewöhnlich bei großen Festlichkeiten trug, sowie einen schönen Teppich, um des Kranken Lager zu bedecken. Dann richtete er Zbyszko mit Hilfe der beiden Türken empor, wusch ihn, kämmte seine langen Haare, band ihm eine scharlachrote Stirnbinde um, und schließlich als er fertig war, stützte er ihn mit den Kissen, indem er erfreut über seiner Hände Werk ausrief: »Wenn Euer Gnaden tanzen könnten, so könnte man Hochzeit feiern!«
»Ja, jetzt müßte man sie noch ohne Tanz feiern,« entgegnete Zbyszko lächelnd.
Unterdessen sann auch die Fürstin in ihrer Kammer nach, wie Danusia gekleidet werden solle. Echt weiblich geartet, legte sie dieser Angelegenheit große Bedeutung bei, und um nichts in der Welt hätte sie gestattet, daß ihre geliebte Pflegetochter sich im Alltagsgewand trauen lasse. Die Dienerinnen, denen sie sagte, Danusia müsse die Farbe der Unschuld tragen, wenn sie das Abendmahl nehme, hatten in der Truhe nicht lange nach einem weißen Kleide zu suchen, hingegen mangelte es an einer passenden Kopfbedeckung. Ein trauriges Gefühl überkam die Fürstin, als sie dies vernahm, und sie klagte laut darüber.
»Wie könnte ich für Dich, Du Verwaiste, den Rautenkranz in diesem Walde finden?« sagte sie. »Weder ein Blümchen noch ein Blatt ist mehr zu sehen, nur etwas Moos schimmert noch unter dem Schnee hervor.«
Danusia, die schon mit aufgelösten Haaren dastand, war ebenfalls sehr niedergeschlagen, da auch ihr viel an einem Kranze lag, nach einer Weile jedoch zeigte sie auf eine an der Wand hängende Guirlande aus Immortellen und sagte: »Diese Ranken könnte man binden, denn etwas anderes werden wir nicht bekommen und Zbyszko nimmt mich auch in solchem Kranze.«
Anfangs wollte die Fürstin nicht auf diesen Vorschlag eingehen, weil ihr ein Immortellenkranz wie eine schlimme Vorbedeutung erschien, da indessen auf dem ganzen Jagdhofe keine andern Blumen aufzutreiben waren, willigte sie schließlich ein. Mittlerweile erschien der Pater Wyszoniek, der Zbyszko schon Beichte gehört hatte, und begab sich mit dem jungen Mädchen, das nun gleichfalls beichten sollte, in die Schloßkapelle.
Die Nacht sank hernieder. Auf Befehl der Fürstin ging die Dienerschaft nach dem Abendbrot zur Ruhe. Binnen kurzem ging das Feuer auf den Herden in den Gesindestuben zu Asche über und erlosch, im ganzen Waldhof ward alles stille. Nur in dem Gemache, wo die Fürstin, der Pater Wyszoniek und Zbyszko weilten, waren die Fenster noch hell erleuchtet und warfen rötliche Lichter auf den Schnee im Vorhofe.
Nach Mitternacht nahm die Fürstin Danusia an der Hand und führte sie in Zbyszkos Stube, wo der Pater Wyszoniek schon mit dem Ciborium bereit stand. Auf dem Herde brannte ein mächtiges Feuer aus Buchenholz und bei dessen hellem, aber ungleichmäßigen Lichte erblickte Zbyszko das infolge der schlaflosen Nacht etwas bleich aussehende junge Mädchen mit einem Immortellenkranze auf dem Haupte, in einem steifen, weißen, bis zur Erde reichenden Gewande. In ihrer tiefen Erregung hatte sie die Augenlider fast geschlossen, und ihre Arme sanken schlaff am Körper herab. So erinnerte sie an eine Gestalt auf einem gemalten Kirchenfenster. Ihr Wesen hatte etwas so Ueberirdisches, daß Zbyszko bei ihrem Anblick von der höchsten Verwunderung ergriffen ward, weil ihn dünkte, das Weib, das er sich erwählt, sei keine Sterbliche, sondern ein der Erde entrücktes Wesen. Dieser Eindruck ward noch verstärkt, als sie mit gefalteten Händen zur Kommunion niederkniete, den Kopf zurückbeugte und die Augen vollständig schloß. Wie eine Abgeschiedene erschien sie ihm jetzt, und bange Sorge zog in sein Herz ein. Indessen währte dies nicht lange. » Ecce Agnus Dei« ließ sich die Stimme des Geistlichen vernehmen, Zbyszko suchte sich zu sammeln und seine Gedanken wandten sich Gott zu. In der Stube vernahm man nichts als die feierlichen Worte des Pater Wyszoniek: » Domine – non sum dignus,« das Knistern der Holzspäne und das wehmütige Zirpen der Heimchen auf dem Herde. Draußen vor den Fenstern aber erhob sich ein Sturmwind, der brausend durch den schneebedeckten Wald fuhr, aber bald wieder nachließ.
Während Zbyszko und Danusia noch einige Zeit in Schweigen verharrten, nahm Pater Wyszoniek den Kelch und trug ihn in die kleine Hauskapelle zurück. Nach einiger Zeit kehrte er wieder, aber nicht allein, sondern in Begleitung des Herrn de Lorche, und als er das Erstaunen in den Mienen aller Anwesenden bemerkte, legte er den Finger auf den Mund, wie wenn er irgend einem unvorhergesehenen Ausruf zuvorkommen wollte. Dann sagte er: »Ich dachte, es werde besser sein, wenn wir zwei Trauzeugen haben, darum habe ich diesen Ritter eingeweiht, und er hat mir bei seiner Ehre und bei den Aachener Reliquien geschworen, das Geheimnis zu bewahren, so lange es nötig sei.«
Herr de Lorche kniete zuerst vor der Fürstin, dann vor Danusia nieder, hierauf erhob er sich und stand lange unbeweglich und schweigend da, während vom Feuer her rötliche Lichtchen auf die glänzende Rüstung fielen, die er trug. Er war wie überwältigt von Entzücken, denn auch ihm erschien das weißgekleidete Mädchen mit dem Immortellenkranze wie ein Engel auf dem gemalten Fenster eines gotischen Domes.
Der Geistliche führte Danusia an Zbyszkos Lager, und die Stola über die Hände der beiden legend, begann er die übliche Ceremonie. Die Fürstin vergoß Thränen der Rührung, doch im Innern war sie jetzt vollständig ruhig. Sagte sie sich doch, sie thue gut daran, diese schönen und unschuldigen Kinder zu vereinigen.
Herr de Lorche kniete zum zweitenmal nieder, und wie er sich so mit beiden Händen auf sein Schwert stützte, glich er einem Ritter, der eine Vision zu erblicken vermeint – Zbyszko und Danusia wiederholten nach einander des Geistlichen Worte: »Ich ... nehme ... Dich!« – und als Begleitung dieser leise geflüsterten süßen Worte knisterten die Buchenscheite, zirpten die Grillen auf dem Herde. Nach Beendigung der Ceremonie sank Danusia zu den Füßen der Fürstin nieder. Diese segnete die beiden, und das junge Paar dem Schutze des Himmels empfehlend, sagte sie: »Freuet Euch nun, daß Ihr Euch auf ewig angehört!«
Da streckte Zbyszko seinen Arm nach Danusia aus, sie schlang ihre Hände um seinen Hals, und eine Weile hörte man, wie sie sich, Mund an Mund gedrückt, zuflüsterten: »Du bist mein, Danusia!« – »Du bist mein, Zbyszko!«
Aber plötzlich ließen Zbyszkos Kräfte nach, die Erschütterung übermannte ihn und in die Kissen zurücksinkend, atmete er schwer. Doch ward er nicht bewußtlos, und er lächelte Danusia zu, als sie ihm den kalten Schweiß auf der Stirn trocknete, während er unablässig flüsterte: »Mein bist Du, Danuska!« worauf sie jedesmal ihr Köpfchen mit den lang herabwallenden Haaren zu ihm niederbeugte.
Durch diesen Anblick ward Herr de Lorche dermaßen gerührt, daß er erklärte, er habe noch in keinem Lande so zärtliche, gefühlvolle Herzen gesehen, und daher gelobe er feierlich, zu Fuß oder zu Pferd mit jedem Ritter oder Ungeheuer zu kämpfen, die es wagten, sich dem Glück des jungen Paares hindernd in den Weg zu stellen.
Die Fürstin, welche sich keine Trauung ohne Festlichkeit denken konnte, holte Wein herbei und alle labten sich daran.
Eine Stunde der Nacht nach der andern ging dahin. – Zbyszko, welcher seine Schwäche überwunden hatte, zog Danusia wieder zu sich heran und sagte: »Durch unsern Herrn Jesus bist Du nun mein, und niemand kann Dich mir rauben, aber daß Du fortgehst, thut mir weh', Du mein geliebtes Täubchen.«
»Ich komme ja mit dem Väterchen nach Ciechanow,« erwiderte Danusia.
»Wenn Du nur nicht krank wirst ... oder Dir sonst etwas zustößt ... Gott schütze Dich vor jedem Ungemach! Nach Spychow mußt Du Dich begeben, das weiß ich wohl! Gott und unserer allergnädigsten Herrin habe ich es zu danken, daß Du mein bist, denn keine irdische Gewalt kann jetzt die Trauung mehr ungeschehen machen.«
Die geheimnisvolle Trauung in nächtlicher Stille und der Gedanke an den bevorstehenden Abschied bewirkten, daß eine seltsame Trauer nicht nur Zbyszko, sondern auch alle andern überkam. Das Gespräch stockte häufig, von Zeit zu Zeit drohte auch das Feuer auf dem Herde zu erlöschen, und alles versank in Dunkelheit. Dann warf der Pater Wyszoniek wieder Holz auf die Kohlen, und da die dürren Scheite knisterten und krachten wie frisches Holz, so daß es beinahe wehmütig klang, fragte er: »Büßende Seele, was verlangst Du?«
Doch nur die Grillen antworteten ihm. Aber die Flamme stieg hoch empor, sie beleuchtete die übernächtigen Gesichtszüge der hier in der Dunkelheit Versammelten, spiegelte sich in der prächtigen Rüstung des Herrn de Lorche und warf ihren hellen Schein auf das weiße Gewand und auf den Immortellenkranz Danusias.
Draußen begannen jetzt die Hunde wieder zu bellen, gegen die Seite des Waldes zu schlugen sie an, wie wenn sie Wölfe witterten.
Und je weiter die Nacht vorrückte, je häufiger stockte das Gespräch, bis schließlich die Fürstin sagte: »Lieber Jesu! wenn solche Stimmung nach einer Trauung herrscht, wäre es besser, schlafen zu gehen; da wir aber doch nun einmal bis zum frühen Morgen wachen müssen, so spiele uns vor Deiner Abreise noch etwas auf der Laute, liebes Kind – mir und Zbyszko spiele noch etwas.«
Von Ermattung und Schlaftrunkenheit beinahe überwältigt, war Danusia nur zu gern bereit, sich durch Gesang und Spiel wieder etwas zu beleben, daher entfernte sie sich, um die Laute zu holen, und nach einer Weile damit zurückgekehrt, setzte sie sich an Zbyszkos Lager nieder. »Was soll ich spielen?« fragte sie.
»Was sonst,« antwortete die Fürstin, »als jenes Lied, das Du in Tyniec sangst, als Du Zbyszko zum erstenmal sahst!«
»Hei! Wie gut erinnere ich mich des Liedes – solange ich lebe, werde ich es niemals vergessen,« sagte Zbyszko. »Und so oft ich es irgendwo hörte, sind mir die Thränen in die Augen gekommen.«
»So will ich dies Lied singen!« erklärte Danusia.
Sogleich begann sie zu präludieren und wie gewöhnlich das Köpfchen ein wenig zurückwerfend, hub sie an:
»Wie wär' ich gerne
Ein Gänslein klein,
Ich flög' in die Ferne
Zu Jasko mein.
In Schlesien flög ich nieder
Auf grünen Rain,
Die Waise sieh wieder,
Jasienko mein!« ...
Aber plötzlich brach sie ab, ihre Lippen zitterten und unter den geschlossenen Lidern hervor drangen die Thränen unaufhaltsam. Einen Augenblick noch bemühte sie sich, dieselben zurückzuhalten, doch vergeblich, und schließlich weinte sie so schmerzlich, wie damals, als sie Zbyszko im Gefängnis zu Krakau das Lied vorgesungen hatte.
»Danuska! Was fehlt Dir?« fragte Zbyszko.
»Weshalb weinst Du? Welch eine Hochzeit ist dies!« rief die Fürstin aus. »Weshalb weinst Du? Sprich!«
»Ich weiß es nicht,« sagte Danuska schluchzend. »Mir ist so traurig zu Mute! ... So weh ums Herz! ... Ich soll Zbyszko und Euch, gnädige Herrin ...«
Nun bemühten sich alle, sie zu trösten, ihr auseinanderzusetzen, daß ihre Abwesenheit nicht lange dauern werde und daß sie zu den Festtagen gewiß mit ihrem Vater nach Ciechanow kommen könne. Zbyszko schlang den Arm um sie, preßte sie an seine Brust und küßte ihr die Thränen von den Wangen – gleichwohl vermochten sie alle den Druck nicht abzuschütteln, der auf ihnen lastete, und so ging die Nacht dahin.
Da ließ sich plötzlich von dem Vorhofe her ein lautes durchdringendes Geräusch vernehmen, so daß alle zusammenfuhren. Von ihrer Bank aufspringend rief die Fürstin: »Guter Gott! Es sind die Pferde! Sie werden schon zur Tränke geführt.«
Pater Wyszoniek blickte zum Fenster hinaus, durch dessen kleine runde Glasscheiben ein graues Dämmerlicht hereinfiel, und sagte: »Die Nacht ist vergangen und der Tag bricht an. Ave Maria, gratia plena.«
Dann verließ er die Stube, und als er nach wenigen Augenblicken zurückkehrte, bemerkte er: »Es tagt, doch wird es ein trüber Tag werden; Jurands Leute führen ihre Pferde zur Tränke. Und für Dich ist es an der Zeit, aufzubrechen, Du Arme!«
Als sie dies hörten, schluchzten die Fürstin sowie Danusia laut auf. Sie und Zbyszko drückten nun unverhohlen ihre Empfindungen aus, so wie zuweilen Leute aus dem Volke ihre Empfindungen ausdrücken, wenn ihnen eine Trennung bevorsteht.
»Ach, was helfen uns noch Harm und Klagen,
Mein Lieb, ade! wir müssen es tragen!
Und ob es auch schmerzt die Seele mein,
Du trautes Herz, geschieden muß sein!
Geschieden muß sein.«
In diesen schmerzlichen Worten lag etwas Feierliches, sie lauteten halb wie ein Wehruf, halb wie ein Klagegesang, der, aus dem tiefsten Innern emporströmend, den Thränen gleicht, die aus den Augen rinnen.
Zbyszko preßte Danusia zum letztenmal an seine Brust und hielt sie lange umfangen, so lange, bis er sich nicht mehr aufrecht zu halten vermochte und die Fürstin sie von ihm wegzog, damit sie sich zur Reise ankleide.
Mittlerweile war es vollständig Tag geworden. Auf dem ganzen Jagdhofe ward es lebendig, Knechte und Mägde gingen ihren Geschäften nach. Da trat der böhmische Knappe in das Zimmer Zbyszkos, um nach dessen Befinden zu fragen und etwaige Befehle entgegen zu nehmen.
»Ziehe mein Lager zum Fenster heran,« gebot der Ritter.
Der Böhme that dies mit Leichtigkeit. Er staunte zwar höchlich, als Zbyszko befahl, das Fenster zu öffnen, gehorchte aber auch diesem Befehle und deckte seinen Herrn mit einem Schafpelz zu.
Zbyszko blickte hinaus. Im Vorhofe stand ein Schlitten, um den sich Bewaffnete, Jurands Leute, auf ihren reifbedeckten, schnaubenden Pferden scharten. Die Bäume des Waldes schienen fast vollständig unter dem Schnee vergraben zu sein, von den Zäunen, Wegen und Zugängen war nichts mehr zu sehen.
Danusia, die schon ganz in Pelz gehüllt war und eine Schaube aus Fuchspelz trug, kam noch einmal in die Stube zu Zbyszko, fiel ihm um den Hals und sagte beim Abschiede: »Wenn ich Dich auch verlasse, bin ich doch die Deine!«
Und er küßte ihre Hände, ihre Wangen und ihre Augen, die unter dem Pelz kaum zu sehen waren, und sagte: »Gott schütze Dich! Gott geleite Dich! Mein bist Du nun, mein bis zum Tode!« Und da man sie wieder gewaltsam von ihm trennte, richtete er sich auf, so gut er konnte, lehnte sein Haupt an das Fenster und schaute hinaus. Da sah er durch den fallenden Schnee, gleichsam durch einen Schleier, wie Danusia sich in den Schlitten setzte, wie die Fürstin sie lange umarmt hielt, wie die Hofdamen sie küßten und wie Pater Wyszoniek das Zeichen des Kreuzes über sie machte. Vor der Abfahrt blickte sie noch einmal zu ihm empor und winkte mit der Hand.
»Gott sei mit Dir, Zbyszko!«
»Gott gebe, daß ich Dich in Ciechanow wiedersehe!«
Aber der Schnee fiel in dichten Flocken herab, es war, als ob er alles verhüllen, alles ersticken wolle, und die letzten Worte klangen so gedämpft, daß es beiden dünkte, als ob ihre Rufe schon aus weiter Ferne kämen.