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Achtes Kapitel.

In größtem Galoppe war indessen der Böhme in den Jagdhof gejagt, wo er dem Fürsten, der noch dort verweilte, sofort alles berichtete, was sich ereignet hatte. Zum Glücke wußten es etliche unter den Hofleuten, daß der Knappe ohne Waffen ausgezogen war. Einer von ihnen hatte ihm, halb im Scherze, sogar noch nachgerufen, er solle sich doch in Eisen wappnen, sonst würden ihn die Deutschen zusammenhauen, allein, fürchtend die Ritter könnten die Grenze erreichen, hatte er sich so wie er ging und stand, im Schafspelze aufs Pferd geworfen, um ihnen nachzusetzen. Jener Zeuge zerstreute auch alle Zweifel des Fürsten darüber, wer de Fourcy ermordet haben mochte. Eine solche Empörung, ein solcher Zorn erfaßte ihn darob, daß er im ersten Augenblicke den Kreuzrittern nachsetzen lassen wollte, um sie zur Bestrafung in Ketten dem Großmeister zuzuführen. Bald besann er sich aber eines bessern, indem er mit Recht erwog, daß die Schuldigen schon über der Grenze sein mußten.

»Ich sende ein ausführliches Schreiben an den Großmeister, erklärte er, »damit er wenigstens erfährt, welch unerhörte Dinge sie hier treiben. Böse Thaten läßt sich der Orden zu schulden kommen. Gar schlimme Gerüchte waren längst schon über ihn verbreitet, nun aber thut jeder Komtur auf eigene Faust Uebles. Der Herr sei mir gnädig, allein auf die Schuld muß die Strafe folgen.«

Sinnend hielt er kurze Zeit mit Reden inne, nach einigen Minuten hub er jedoch von neuem an: »Das eine konnte ich nicht verstehen, weshalb sie den Gast erschlagen haben – und wenn ich nicht wüßte, daß der Bursche keine Waffen getragen hat, würde ich auf ihn Verdacht werfen.«

»Traun!« entgegnete der Pater Wyszoniek, »weshalb hätte dieser Bursche de Fourcy erschlagen sollen? Er hatte ihn ja noch niemals gesehen, und wenn er auch nicht waffenlos gewesen wäre, wie hätte er ganz allein fünf Leute und ihr bewaffnetes Gefolge angreifen können?«

»Ganz richtig!« erklärte der Fürst. »De Fourcy muß ihnen auf irgend eine Weise Widerpart gehalten haben, oder vielleicht weigerte er sich, die Unwahrheit zu sagen, wie sie verlangten, denn auch hier sah ich schon, daß sie ihm zuwinkten, er möge beteuern, Jurand habe zuerst begonnen.«

Und der Oberjägermeister bemerkte: »Wenn er dem Hunde, dem Danveld, die Hand zerschmetterte, muß dieser Knappe ein starker, verwegener Bursche sein.«

»Er sagt, er habe gehört, wie die Knochen des Deutschen krachten,« antwortete der Fürst, »und wenn man erwägt, wie er sich schon früher im Walde hervorthat – so ist dies nicht unwahrscheinlich. Offenbar sind Diener und Herr recht hitzige Kämpen. Wäre Zbyszko nicht gewesen, so hätte sich der Auerochse auf das Pferd gestürzt, der Lothringer und er haben viel zu der Fürstin Rettung beigetragen ...«

»Daß Zbyszko ein hitziger Jüngling ist, das ist gewiß!« bestätigte der Pater Wyszoniek – »jetzt hat er sich, obwohl er kaum zu atmen vermag, der Sache Jurands angenommen und jene Ritter gefordert ... Solch einen Eidam braucht Jurand gerade.«

»Was dies anbelangt, so hat sich Jurand in Krakau anders darüber ausgesprochen, aber ich glaube nun, er wird sich nicht mehr widersetzen,« sagte der Fürst.

»Unser Herr Jesus wird es so lenken!« ließ sich in diesem Augenblick die Fürstin vernehmen, welche gerade eingetreten war und einen Teil des Gespräches mitangehört hatte. »Jetzt kann sich Jurand nicht mehr widersetzen, wenn Gott Zbyszko wieder gesunden läßt. Aber auch von unserer Seite soll ihm eine Belohnung zu teil werden.«

»Die beste Belohnung für ihn wird Danusia sein. Ich glaube nun auch, daß er sie bekommt, und zwar aus der alleinigen Ursache, weil die Weiber sich damit befassen und sogar ein Jurand nichts gegen diese auszurichten vermag.«

»Ist es denn keine gerechte Sache, die ich durchführen will?« fragte die Fürstin. »Daß Zbyszko unbesonnen gewesen ist, will ich nicht leugnen, aber einen treuern Menschen giebt es auf der ganzen Welt nicht. Und Danusia ist ihm darin gleich. Sie weicht gegenwärtig keinen Schritt von ihm und sucht ihm alles an den Augen abzulesen, und er lächelt ihr unter Schmerzen oft zu, so daß mir selbst zuweilen die Thränen in die Augen treten. Für eine gerechte Sache spreche ich! Diese Liebe ist unseres Beistandes wert! Blickt nicht auch die Mutter Gottes freundlich auf solche Liebe herab?«

»Wenn nur auch Gott seinen Segen dazu giebt, dann wird das Glück vollkommen sein!« erwiderte der Fürst. »Aber wahr ist, daß dieses Mädchens wegen beinahe sein Haupt gefallen wäre und ihn jetzt wieder fast der Auerochse zerrissen hätte.«

»Sage nicht dieses Mädchens wegen!« rief die Fürstin lebhaft aus. »Denn niemand anderes als Danusia hat ihn in Krakau gerettet.«

»Das ist richtig, doch ohne sie hätte er Lichtenstein nicht angegriffen, um ihm die Federn vom Helme zu reißen und hätte auch für de Lorche nicht sein Leben aufs Spiel gesetzt. Was nun die Belohnung anbelangt, so sagte ich ja schon, daß sie beiden zu teil werden solle und in Ciechanow will ich darüber beschließen.«

»Nichts wünscht sich Zbyszko so sehr, wie den Rittergürtel und die goldenen Sporen.«

Der Fürst lachte gutmütig und antwortete: »So möge das Mädchen sie ihm überbringen! Ich aber will abwarten, bis die Schwäche nachläßt, damit dann alles sich nach dem herkömmlichen Gebrauche vollziehen kann. Mögen ihm Gürtel und Sporen sogleich überbracht werden, denn je früher er erfährt, daß sein Wunsch erfüllt wird, desto besser ist es.«

Als die Fürstin dies hörte, umarmte sie ihren Ehegemahl in Gegenwart der Hofherren, dann küßte sie ihm mehrmals die Hand; schließlich sagte er lachend: »Nun, da ist Dir ja ein guter Gedanken gekommen!«

»Der heilige Geist hat doch auch den Weibern einigen Verstand verliehen.«

»Rufe mir jetzt das Mädchen.«

»Danuska! Danuska!« rief die Fürstin.

An der Thüre des Nebenzimmers erschien im nächsten Augenblick Danusia, deren gerötete Augen von Schlaflosigkeit zeugten. In der Hand trug sie eine Schüssel voll dampfender Grütze, welche ihr von einem alten Hoffräulein kurz zuvor übergeben worden war, ein Mittel, das der Pater Wyszoniek auf Zbyszkos schmerzende Seite legen sollte.

»Komm her zu mir, Kleine,« sagte Fürst Janusz. »Stelle die Schüssel hin und komm!«

Und da sie sich schüchtern näherte, denn der »Herr« flößte ihr immer eine gewisse Angst ein, zog er sie voll Güte zu sich heran und strich ihr sanft über das Gesicht, indem er sagte: »Dich hat viel Ungemach getroffen, Du armes Kind!«

»Ja, o ja!« antwortete Danusia.

Ihr Herz war betrübt, die Thränen waren immer bereit, und so begann sie sofort zu weinen, aber ganz leise, um den Fürsten nicht zu erzürnen, er aber fragte: »Weshalb schluchzest Du so?«

»Weil Zbyszko krank ist!« erwiderte sie, ihr Gesicht in den Händen verbergend.

»Fürchte nichts, er wird gesunden. Nicht wahr, Pater?«

»Ei! durch den Willen Gottes ist er der Hochzeit näher als der Bahre!« entgegnete der gute Pater Wyszoniek.

Und der Fürst sagte: »Warte! ich gebe Dir ein Heilmittel für ihn, das ihm entweder Erleichterung oder völlige Genesung bringt.«

»Haben denn die Kreuzritter den Balsam geschickt?« rief Danusia lebhaft, die Hände vom Gesicht entfernend.

»Der Balsam, welchen die Kreuzritter schicken, ist mehr für die Hunde geeignet, als für den Ritter, welchen Du liebst. Aber ich gebe Dir etwas anderes.«

Bei diesen Worten wandte er sich zu den Hofherren und rief: »Mag einer gehen, um die Sporen und den Gürtel zu holen!«

Nach einer Weile, als ihm das Verlangte gebracht wurde, sagte er zu Danusia: »Bring dies zu Zbyszko und teile ihm mit, daß er sich von dieser Zeit an als gegürtet betrachten solle. Wenn er dahinscheidet, wird er vor Gott als miles cinctus stehen, und wenn nicht, so kann alles weitere in Ciechanow oder in Warschau abgemacht werden.«

Von Dankbarkeit hingerissen, umschlang Danusia des Fürsten Knie, dann nahm sie die ritterlichen Ehrenzeichen in die eine Hand, die Schüssel mit der Grütze in die andere und eilte rasch der Stube zu, worin Zbyszko lag. Die Fürstin, welche ihre Freude mitgenießen wollte, folgte ihr.

Zbyszko war schwer krank, doch als er Danusia erblickte, wandte er ihr sofort sein bleiches, von Schmerz entstelltes Antlitz zu und fragte: »Ist der Böhme zurückgekehrt, mein Täubchen?«

»Was liegt an dem Böhmen!« antwortete das junge Mädchen. »Ich bringe Dir eine weit bessere Nachricht. Zum Ritter gürtet Dich der ›Herr‹, und sieh nur, was er Dir durch mich sendet.«

Bei diesen Worten legte sie den Gürtel und die goldenen Sporen vor Zbyszko hin. Seine Wangen röteten sich vor Freude und Verwunderung, er sah bald auf Danusia, bald auf die Ehrenzeichen, dann drückte er die Augen zu und sagte: »Wie ist dies möglich? Wie kann er mich zum Ritter gürten?«

Da in diesem Augenblick die Fürstin eintrat, richtete er sich ein wenig empor, um ihr zu danken. Er bat sie um Verzeihung, daß er ihr nicht zu Füßen fallen konnte, denn er hatte sofort erraten, daß er ihrer Fürbitte sein Glück zu danken habe. Sie aber befahl ihm, sich ruhig zu verhalten, und mit Danusias Hilfe legte sie sanft sein Haupt wieder in die Kissen zurück. Mittlerweile trat auch der Fürst, gefolgt von dem Pater Wyszoniek, dem Oberjägermeister und einigen andern Hofherren in das Zimmer. Fürst Janusz gab schon an der Thüre ein Zeichen mit der Hand, damit Zbyszko sich nicht bewege, und nachdem er an dessen Lager Platz genommen hatte, begann er folgendermaßen zu sprechen: »Hört mich an! Niemand hat Ursache, sich darüber zu wundern, wenn edle, tapfere Thaten belohnt werden. Denn wenn die Tugend keine Anerkennung fände, dann würde auch die Schlechtigkeit der Menschen nicht bestraft werden. Und weil Du Dein Leben in die Schanze schlugst und uns mit Schädigung Deiner eigenen Gesundheit vor großer Trauer bewahrtest, deshalb räumen wir Dir das Recht ein, Dich mit dem Rittergürtel zu gürten, so daß fortan nur Ehre und Ruhm Deinem Namen anhaften.«

»Allergnädigster Herr,« erwiderte Zbyszko, »und hätte ich auch zehnmal mein Leben in die Schanze geschlagen, ich würde es nicht bereuen.«

Er verstummte tief bewegt und in diesem Augenblick legte ihm die Fürstin die Hand auf die Lippen, weil Pater Wyszoniek ihm das Reden verboten hatte. Der Fürst aber fuhr fort: »Ich glaube, Du kennst Deine Ritterpflicht und wirst Dich dieser Ehrenzeichen würdig zeigen. Unserm Erlöser mußt Du dienen, dem Gesalbten des Reiches mußt Du treu sein, ungerechten Kampf vermeiden und die Unschuld in ihrer Bedrängnis verteidigen, wobei Dir Gott und sein heiliges Kreuz beistehen mögen!«

»Amen!« sagte der Pater Wyszoniek.

Der Fürst aber erhob sich, machte das Zeichen des Kreuzes über Zbyszko und sagte beim Weggehen: »Sobald Du genesen bist, begiebst Du Dich sofort nach Ciechanow, wohin ich auch Jurand kommen lasse.«


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