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Verwandelt sich in eine Halle in Capulets Hause.
Etliche Bediente, mit Handtüchern.
1. Bedienter. Wo ist Potpan, daß er uns nicht aufräumen hilft – – er hat einen Teller weggeschnappt! Er hat einen Teller mit sich gehen heissen!
2. Bedienter. Wenn gute Manieren alle in eines oder zweener Händen liegen, und die noch dazu ungewaschen sind, das ist eine garstige Sache.
1. Bedienter. Fort mit den Lehnstühlen, das kleine Schenk-Tisch'gen aus dem Wege, seht zu dem Silber-Geschirr; du, guter Freund, mache daß du mir ein Stük Marzipan auf die Seite kriegst; und wenn du mich lieb hast, so sorge, daß der Thorhüter Susanna Mühlstein und Nell, Antoni und den Potpan hereinläßt – –
2. Bedienter. Gut, Junge, das will ich.
3. Bedienter. Man sieht sich nach euch um, man ruft euch, man fragt nach euch, man sucht euch, im grossen Saal.
2. Bedienter. Wir können nicht an zween Orten zugleich seyn; hurtig, ihr Jungens; seyd eine Weile munter, und wer alle andre überlebt, kriegt alles! – –
(Sie gehen ab.)
Die Gäste und Damen, nebst den Masken treten sämtlich auf.
1. Capulet. Willkommen, meine Herren – – Und ihr, meine Damen, ihr habt noch keine Hüner-Augen an den Zehen, wir wollen eins lustig mit einander machen. Ich will doch nicht hoffen, meine Königinnen, daß mir eine unter euch ein Tänzchen abschlagen wird – – eine jede, die sich lange bitten läßt, hat Hüner-Augen, das schwör' ich; – – He? bin ich euch zu nah gekommen? – – Willkommen allerseits, ihr Herren; ich weiß die Zeit auch noch, da ich eine Maske trug, und einem jungen Fräulein hübsche Sachen ins Ohr flüstern konnte; aber es ist vorbey, vorbey, vorbey! (Die Musik fangt an; man tanzt.) Mehr Lichter her, ihr Schurken, und die Tische aus dem Weg; und laßt das Feuer abgehen, es ist zu warm im Zimmer – – Gelt, junger Herr, ein unvermutheter Spaß ist der angenehmste – – Nun sezt euch, sezt euch, mein guter Vetter Capulet, denn die Tanz-Zeit ist doch bey euch und mir vorbey: Wie lang ist es wohl, seit ihr und ich das leztemal auf einem Masken-Bal tanzten?
2. Capulet. Bey unsrer Frauen! dreißig Jahre.
1. Capulet. Wie, Mann? Es ist noch nicht so lang, es ist noch nicht so lang; es war an Lucentio's Hochzeit; es wird auf kommende Pfingsten fünf und zwanzig Jahre, daß wir in Masken tanzten.
2. Capulet. Es ist mehr, es ist mehr; sein Sohn ist älter, Herr; sein Sohn hat schon dreißig.
1. Capulet. Das werdet ihr mir nicht weiß machen; sein Sohn war vor zwey Jahren noch nicht mündig.
Romeo (in einem andern Theil des Saals.)
Wer ist die junge Dame, die dort jenem Ritter die Hand giebt?
Bedienter. Ich weiß es nicht.
Romeo. O, sie glänzt mehr als alle diese Fakeln zusammen genommen; ihre Schönheit hängt an der Stirne der Nacht, wie ein reiches Kleinod an eines Mohren Ohr: Und welch eine Schönheit! Sie ist zu reich zum Gebrauch, und zu kostbar für diese Erde. So glänzt die schneeweisse Daube aus einem Schwarm von Krähen, wie dieses Fräulein unter ihren Gespielen glänzt. Wenn der Tanz vorbey ist, will ich mir den Plaz merken, wo sie steht, und ihr meine Hand geben. Welch eine Glükseligkeit ihre Hand zu berühren! – – Nein, ich habe noch nie geliebt – – Schwör es, mein Auge; vor dieser glüklichen Nacht wußtest du nicht, was Schönheit ist.
Tybalt (der dem Romeo bey den lezten Worten sich nähert.)
Der Stimme nach sollte dieß ein Montague seyn – – hol mir einen Degen, Junge – – wie? der Sclave darf sich erfrechen in einer Maske hieher zu kommen, und unsrer feyerlichen Lust zu spotten? Nein, bey der bejahrten Ehre meines Geschlechts, es ist keine Sünde, den Nichtswürdigen zu todt zu schlagen.
Capulet. Wie, wie, Vetter? Warum so stürmisch?
Tybalt. Oheim, hier ist einer unsrer Feinde, ein Montague; ein Bube der gekommen ist, uns unter die Nase zu lachen, und unsre Familien-Freude zu stören – –
Capulet. Ist es vielleicht der junge Romeo?
Tybalt. Er selbst, der Schurke Romeo!
Capulet. Gieb dich zu frieden, lieber Vetter, laß ihn gehen; er sieht einem jungen wakern Edelmann gleich; und, wenn ich die Wahrheit sagen soll, er hat den Ruf eines tugendhaften wohlgesitteten Jünglings, der Verona Ehre macht. Ich wollte nicht um unsre ganze Stadt, daß ihm in meinem Hause was zu Leide gethan würde. Seyd also ruhig, thut als ob ihr ihn nicht kennet; ich will es so haben, und wenn ihr einige Achtung für mich habt, so heitert eure Stirne auf, und macht keine Gesichter, die sich so übel zu einer Lustbarkeit schiken.
Tybalt. Sie schiken sich, wenn ein solcher Bube sich zum Gast aufdringt: ich will ihn nicht dulden!
Capulet. Das sollt ihr aber! Wie, Herr Junge? – – Ihr sollt, sag ich – – Geht, geht, bin ich hier Meister oder ihr? Geht, geht – – Ihr wollt ihn nicht dulden? Hol mich Gott, ihr würdet mir einen feinen Lermen unter meinen Gästen anrichten! Ihr wollt mir hier den Eisenfresser machen? Gelt, das wollt ihr?
Tybalt. Wie, Oehm, es ist eine Schande – –
Capulet. Geht, geht, ihr seyd ein abgeschmakter Knabe – – (auf die Seite zu einem von der Gesellschaft.) Ist es so, in der That? – – (zu Tybalt) ihr könnt was anfangen, das euch gereuen wird, ich weiß was ich sage – – (Seitwärts;) wohl gesprochen, meine Kinder – – (zu Tybalt,) Ihr seyd ein Hasenfuß, geht – – seyd ruhig, oder – – (seitwärts.) Mehr Lichter, mehr Lichter, es ist eine Schande, so dunkel ist's – – (zu Tybalt) ich will euch ruhig machen – – (Seitwärts:) Wie, munter, meine Herzen!
Tybalt. Geduld und Zorn vertragen sich nicht wohl bey mir zusammen; sie stossen, indem sie sich begegnen, die Köpfe so hart an einander an, daß mir alle Glieder davon wakeln. Ich will mich entfernen, aber er soll mir diese Zudringlichkeit bezahlen!
(Tybalt geht ab.)
Romeo (zu Juliette.)
Dieser Dialogus ist im Original eine Elegie mit verschränkten Reimen. [Wenn meine unwürdige Hand diesen heiligen Leib entweiht hat, so laß dir diese Busse gefallen: Meine Lippen, zween erröthende Pilgrimme, stehen bereit den Frefel, mit einem zärtlichen Kuß abzubüssen.
Juliette. Ihr thut eurer Hand unrecht, mein lieber Pilgrim; sie hat nichts gethan, als was die bescheidenste Andacht zu thun pflegt; Heilige haben Hände, die von den Händen der Wallfahrenden berührt werden, und Hand auf Hand ist eines Pilgrims Kuß.
Romeo. Haben Heilige nicht Lippen, und andächtige Pilgrimme auch?
Juliette. Ja, Pilgrim, sie haben Lippen, aber zum Beten.
Romeo. O so erlaube, theure Heilige, erlaube den Lippen nur, was du den Händen gestattest; sie bitten, (und du, erhöre sie,) daß du den Glauben nicht in Verzweiflung fallen lassest.
Juliette. Heilige rühren sich nicht, wenn sie gleich unser Gebet erhören.
Romeo. O so rühre du dich auch nicht, indem ich mich der Würkung meines Gebets versichre – – (Er küßt sie.) Die Sünde meiner Lippen ist durch die deinige getilgt.]
Juliette. Also tragen nun meine Lippen die Sünde, die sie von den deinigen weggenommen haben.
Romeo. Sünde von meinen Lippen? O! angenehme Strenge! Gebt mir meine Sünde nur wieder zurük.
Juliette. Ihr habt küssen gelernt; ich verstehe mich nicht darauf.
Amme. Gnädiges Fräulein, eure Frau Mutter möchte gern ein Wort mit euch sprechen – –
(Juliette entfernt sich.)
Romeo. Wer ist ihre Mutter?
Amme. Sapperment, junger Herr, ihre Mutter ist hier die Frau vom Hause, und eine brave, gescheidte, tugendsame Frau. Ich säugte ihre Tochter, mit der ihr geredet habt; und ich sag euch, wer sie kriegt, bekommt so gewiß eine Jungfer – –
Romeo (indem er sich entfernt, vor sich.)
Eine Capulet? O Himmel! Mein Herz und mein Leben sind unwiderbringlich in der Gewalt meiner Feindin.
Benvolio. Weg, wir wollen gehen, der gröste Spaß ist vorbey.
Romeo. Das fürcht' ich selbst, das übrige wird mich mehr als meinen Schlaf kosten.
Capulet. Nein, ihr Herren, geht noch nicht weg, wir haben noch ein kleines schlechtes Nachtessen vor uns – – Wie, muß es denn seyn? Nun dann, so dank ich euch allen – – Ich dank euch, meine liebe Herren, gute Nacht – – Mehr Fakeln her – – (Zu den übrigen:) Kommt hinein, und dann zu Bette. – – Ah, guter Freund, bey meiner Treu, es ist schon späte. Ich will in mein Bette.
(Sie gehen nach einander ab.)
Juliette. Ein wenig hieher, Amme – – Wer ist der junge Herr dort?
Amme. Der einzige Sohn des alten Tiberio.
Juliette. Wer ist der, der eben izt zur Thüre hinausgeht?
Amme. Das ist der junge Petrucchio, bild' ich mir ein.
Juliette. Wer ist der, der ihm folgt, der nicht tanzen wollte?
Amme. Ich kenn' ihn nicht.
Juliette. Geh, frage nach seinem Namen (leise.) Wenn er schon vermählt ist, so ist sehr wahrscheinlich, daß mein Grab mein Braut-Bette seyn wird.
Amme. Er heißt Romeo, er ist ein Montague, der einzige Sohn von unserm großen Feind.
Juliette vor sich.
O Himmel! der, den ich einzig lieben kan, ist der, den ich einzig hassen sollte – – Zu früh gesehn, eh ich ihn kannte; und zu spät erkannt; was für eine seltsame Mißgeburt ist meine Liebe – – ich liebe – – meinen verhaßtesten Feind.
Amme. Was sagtet ihr da? Was habt ihr?
Juliette. Ein paar Reime, die ich eben von einem gelernt, mit dem ich tanzte.
(Man ruft hinter der Scene Juliette.)
Amme. Gleich, gleich; Kommt, wir wollen gehen, die Fremden sind schon alle fort.
(Sie gehen ab.)
[Zum Beschluß dieses Aufzugs tritt ein Chor auf, und sagt den Zuschauern in vierzehn Reimen, was sie vermuthlich von selbst errathen hätten – – daß Romeo, seit der Nacht, da er die schöne Juliette gesehen, seine erste Liebste nicht mehr schön befunden – – daß er nun Julietten liebe, und von ihr wieder geliebt werde – – daß die tödtliche Feindschaft ihrer Häuser zwar die Sympathie ihrer Herzen nicht habe verhindern können, aber ihnen hingegen alle Gelegenheit abschneide, sich zu sehen und zu sprechen, ohne daß jedoch dieser harte Zwang eine andre Würkung gethan habe, als die Heftigkeit ihrer Liebe und Sehnsucht zu verdoppeln.]