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»Hast du etwas von Philosophie in deinem Kopfe, Schäfer?«
»Wie Ihr wollt.«
Es war ein schöner Aprilmorgen (ausgenommen, daß es die Nacht zuvor stark geschneit hatte und der Boden mit einem blendenden Mantel von sechs Fuß Tiefe bedeckt war), als zwei Reiter auf das Wirthshaus zum Wallace zu ritten. Der Erstere war ein starker, schlanker, großer, kräftiger Mann, in einem grauen Reiterrock mit einem von Wachstuch bedeckten Hut, einer großen Pferdepeitsche mit silbernem Griff und dicken, wollenen Ueberziehhosen. Er saß auf einer großen, starken, braunen, rauhhaarigen aber gut gehaltenen Stute mit einem Sattel vom Schnitt der Landmiliz und einem militärischen Zaum mit doppeltem Gebiß. Der Mann, der ihn begleitete, war offenbar sein Diener; er ritt einen schäbigen, kleinen, grauen Klepper, trug eine blaue Mütze auf dem Kopf, ein großes, gewürfeltes Tuch um den Hals gewunden, lange, blaue Strumpfhosen anstatt der Stiefeln, zeigte Hände ohne Handschuhe, die stark mit Theer befleckt waren, und beobachtete gegen seinen Gefährten eine achtungsvolle Haltung, ohne jedoch jene Anzeichen von genauer Unterordnung zu äußern, welche zwischen Leuten höheren Standes und Bedienten stattfinden. Im Gegentheil, die zwei Reisenden ritten zusammen in den Hof, und der Schlußsatz des Gespräches, das sie zwischen sich geführt hatten, war ein vereinigter Ausruf: »Gott schütze uns, was soll aus den Lämmern werden, wenn dieß Wetter anhält!« Der Wink war für den Wirth genügend, welcher vortrat, um das Pferd der Hauptperson zu halten; er ergriff dessen Zügel, als letztere abstieg, während der Stallknecht dem Begleiter jenes Reiters denselben Dienst erwies, hieß die Fremden »Willkommen in Gandercleugh,« und fragte in demselben Athem, »was gibt's Neues in den südlichen Hochlanden?«
»Neuigkeiten?« fragte der Fremde, »genug Neuigkeiten, nach meiner Meinung; wenn wir die Mutterschafe durchbringen, so ist das Alles, was wir thun können, nur müssen sogar die Lämmer der Sorgfalt des schwarzen Zwergs überlassen.«
»Ach, ach,« fügte der alte Schäfer hinzu (denn dieß war er), indem er den Kopf schüttelte, »er wird diese Jahrszeit mit den Fellen gefallener Lämmer viel zu thun haben.«
»Der schwarze Zwerg?« fragte des Verfassers gelehrter Freund und Beschützer, Herr Zedekias Cleishbothan. »Was für eine Art Person mag er sein.«
»Still, still,« erwiderte der Pächter, »Ihr habt vom weisen Elshie, vom schwarzen Zwerg schon viel gehört, oder ich müßte mich sehr irren. Die ganze Welt erzählt von ihm, allein das ist dennoch nur toller Unsinn, ich glaube kein Wort davon, vom Anfang bis zum Ende.«
»Euer Vater aber glaubte doch daran steif und fest,« sagte der alte Mann, dem die Zweifelsucht seines Herrn offenbar mißfiel.
»Ja, sehr wahr, aber dieß war zur Zeit der Heidschnucken; in jenen Tagen glaubte man sehr viele sonderbare Dinge, um die sich Niemand mehr bekümmert, seit die langhaarigen Schafe eingeführt wurden.«
»Desto schlimmer, desto schlimmer,« sagte der alte Mann, »Euer Vater, wie ich Euch oft gesagt habe, Herr, würde sich sehr geärgert haben, hätte er gesehen, wie der alte Stall zum Schafscheeren abgebrochen wurde, um steinerne Mauern um den Park zu bauen, und den schönen, einst mit Ginster bewachsenen Hügel, wo er so gerne des Abends saß, mit seinem Mantel angethan, und auf die Kühe, wie sie den Abhang hinabkamen, blickte, den schönen Hügel möchte er jetzt nicht sehen, wie der sonnige Platz nach der heutigen Mode gänzlich mir dem Pfluge umgewühlt ist.«
»Still, Bauldie,« erwiderte sein Herr, »trink das Glas Branntwein, das dir der Wirth bringt, und bekümmere deinen Kopf nicht mit dem Wechsel in der Welt, so lang es dir gut geht und du dich pflegen kannst.«
»Auf Eure Gesundheit, ihr Herren,« sagte der Schäfer, und nachdem er das Glas genommen und beobachtet hatte, daß der Branntwein ächtes Gebräu war, fügte er hinzu, »wahrhaftig, Unsereins darf sich sicherlich kein Urtheil anmaßen, aber der mit Ginster bewachsene Hügel da war ein schöner Hügel, und gab den Lämmern einen guten Schutz an einem so kalten Morgen wie diesem.«
»Ja,« sagte sein Herr, »aber Ihr wißt, wir müssen jetzt Rüben pflanzen statt langhaarige Schafe zu halten, Bruder, und hart arbeiten, um sie zu bekommen, sowohl mit dem Pflug wie mit der Haue, und es wäre ein schlechter Haushalt, setzten wir uns auf den mit Ginster bewachsenen Hügel, und schwatzten über schwarze Zwerge und trieben wir dergleichen Zeitvertreib, wie es vor Zeiten Sitte war, als die kurzen Schafe in der Mode waren.«
»Ja wohl, Herr,« sagte der Diener, »kurze Schafe brachten kurze Renten.«
Hier fiel der würdige und gelehrte Patron in das Gespräch ein mit der Bemerkung, er könne im Punkt der Länge keinen wesentlichen Unterschied zwischen einem Schafe und einem andern angeben.
Dieses erregte ein lautes und rauhes Gelächter von Seiten des Pächters, und von Seiten des Schäfers einen starren Blick des Erstaunens.
»Es ist die Wolle, Mann, und nicht das Schaf selbst, weßhalb man es lang oder kurz nennt. Wenn Ihr den Rücken der Schafe messen wollt, so würden die kurzen den längsten Leib von den beiden haben, aber es ist die Wolle, welche die Pachtrente heutzutage aufbringt, und dabei hat man große Noth.«
»Wahrhaftig, Bauldie, sagt die Wahrheit, kurze Schafe machen kurze Renten; mein Vater zahlte als Pachtzins nur 60 Pfund und jetzt kömmt er mir auf 300 Pfund bei Heller und Pfennig.«
»Das ist sehr wahr, aber ich habe keine Zeit, hier zu schwatzen, bringt uns unser Frühstück und seht nach unsern Rappen. Ich will zu Christye Wilsons Pachtgut reiten und versuchen, ob ich mit ihm über den Kaufschilling übereinkommen kann, den ich ihm für seine einjährigen Schafe geben will; wir hatten sechs Krüge Bier auf dem Jahrmarkt in St. Boswell um den Handel zu schließen, getrunken, und konnten nicht auf die eine oder andere Weise über die Einzelnheiten einstimmig werden, so viel Zeit wir uns auch dabei nahmen. Ich zweifle, ob wir Eins werden, aber hört, Nachbar, (die Worte waren an meinen würdigen und gelehrten Patron gerichtet,) wenn Ihr über lange oder kurze Schafe etwas hören wollt, so bin ich um Ein Uhr zum Essen wieder hier; oder wenn Ihr alte Geschichten vom schwarzen Zwerg und dergleichen vernehmen, und den Bauldie dort mit einem halben Kruge bewirthen wollt, so wird er so munter wie eine Kinderklapper schwatzen, und ich will Euch selbst mit einem Kruge bewirthen, wenn ich meinen Handel mit Christye Wilson schließen kann.«
Der Pächter kehrte zur bestimmten Zeit zurück, und mit ihm kam Christye Wilson, denn beide waren glücklicherweise über die streitigen Punkte ohne Mitwirkung der gelehrten Herren des Rechtes eins geworden. Mein gelehrter und würdiger Freund blieb nicht aus, wegen der Erquickungen, welche sowohl seiner Seele wie seinem Leibe verheißen waren, obgleich er an letzteren nur in sehr mäßigem Grade Theil nimmt; die Gesellschaft, der sich auch der Herr Wirth anschloß, blieb bis spät am Abend sitzen und würzte ihr Getränk mit manchen trefflichen Erzählungen und Gesängen. Der letzte Vorfall, dessen ich mich erinnere, war ein Fall, wodurch mein gelehrter und würdiger Patron von seinem Stuhle hinab sank, gerade als er eine lange Vorlesung über Mäßigkeit geschlossen hatte, indem er zwei Verse aus dem Gedicht: »Der sanfte Schäfer« zitirte, die er mit sehr vielem Glück von dem Laster des Geizes auf das der Trunkenheit übertrug.
»Hast du genug, wird sanfter Schlummer walten,
Du kannst zuviel mit Qual allein behalten.«
Im Laufe des Abends wurde der schwarze Zwerg nicht vergessen, und der alte Schäfer Bauldie erzählte so manche Geschichten von ihm, daß dieselben viel Interesse erregten.
Der jetzt beinahe vergessene schwarze Zwerg wurde einst von den Thalbewohnern der Grenze für eine furchtbare Person gehalten; es wurde demselben alles Unheil aufgebürdet, welches die Schafe oder das Rindvieh traf. Dr. Leyden, welcher in einem seiner Gedichte häufig von der Sage Gebrauch macht, bezeichnet ihn als einen Kobold von der boshaftesten Art. Die letzte und am meisten authentische Nachricht über dieses gefährliche und geheimnißvolle Wesen findet sich in einer Erzählung, die der ausgezeichnete Antiquar Richard Surtees, Verfasser der Geschichte des Bisthums Durham, dem Verfasser dieser Erzählung mittheilte.
Nach der Sage gingen zwei junge Northumbrier auf die Jagd und drangen tief in die gebirgigen Moorländer, welche an Northumberland grenzen. Sie setzten sich in ein kleines Thal an einen Bach, um Erfrischungen einzunehmen. Nachdem sie dort die Speisen genossen hatten, die von ihnen mitgebracht waren, fiel der Eine von ihnen in Schlaf; der Andere wollte die Ruhe seines Freundes nicht stören, und verließ in der Stille das Thal mit der Absicht, sich umzusehen, als er sich plötzlich zu seinem Erstaunen neben einem Wesen befand, welches nicht zu dieser Welt zu gehören schien. Es war der scheußlichste Zwerg, den jemals die Sonne beschienen hat. Sein Kopf war von vollkommener Menschengröße, und bildete einen furchtbaren Gegensatz zu seiner Höhe, die viel weniger wie vier Fuß betrug. Der Kopf hatte keine andere Decke, wie langes, geflochtenes, rothes Haar, welches dick wie der Filz von Dachshaaren, eine röthlichbraune Farbe, ähnlich derjenigen des blühenden Heidekrautes hatte. Seine Glieder schienen ungemein kräftig; auch zeigte er sonst keine andere Entstellung, wie das Mißverhältniß in der Dicke derselben zu seiner geringen Höhe. Der erschreckte Jäger starrte die furchtbare Erscheinung an, bis jenes Wesen mit dem Ausdruck des Zornes im Antlitz an ihn die Frage richtete, »nach welchem Recht er in diese Hügel dringe und deren harmlose Einwohner tödte?« Der erschreckte Jäger bemühte sich, den zornigen Zwerg zu besänftigen, indem er ihm anbot, sein Wild ihm zu überliefern, wie er einem irdischen Herrn der Gegend gegenüber verfahren sein würde. Der Vorschlag erhöhte allein den Zorn des Zwerges, welcher angab, er sei der Herr dieser Berge und der Beschützer der wilden Geschöpfe, die eine Zuflucht in deren einsamen Schluchten fanden; jedes Geschenk, welches vom Tode oder vom Elend derselben herstamme, sei ihm abscheulich. Der Jäger demüthigte sich vor dem zornigen Kobold, und beruhigte zuletzt denselben durch Versicherung seiner Unschuld und seines Entschlusses, sich später solchen Eindringens in diese Gegend zu enthalten. Der Kobold wurde jetzt gesprächiger, und sprach von sich, als gehöre er zu einer Art von Wesen, die zwischen dem Geschlecht der Engel und den Menschen in der Mitte ständen. Er fügte ferner hinzu, was man kaum hätte vermuthen sollen, daß er Hoffnung habe, die Erlösung von Adams Geschlecht zu theilen, er drängte den Jäger mit Bitten, daß er seine Wohnung besuche, welche nach seiner Versicherung dicht in seiner Nähe war, und verpfändete sein Wort, daß jener glücklich heimkehren werde. In diesem Augenblick aber ließ des Jägers Freund seinen Ruf ertönen, und der Zwerg, als wolle er nicht, daß mehr wie Eine Person seine Gegenwart schauen, verschwand, als der junge Mann aus dem Thale hervor kam, um seinem Genossen sich anzuschließen.
Diejenigen, welche in diesen Dingen am meisten erfahren sind, sind allgemein der Meinung, daß der Jäger, wenn er den Kobold begleitet hätte, ungeachtet der schönen Versprechungen des Zwerges, entweder zerrissen oder Jahre lang in den Schluchten eines Feenberges eingemauert worden wäre.
Dieß ist der letzte und am meisten authentische Bericht über die Erscheinung des schwarzen Zwergs.
Fußnote aus technischen Gründen im Text wiedergegeben. Re.
Es zeigte sich auch, aber nicht eher, als bis die dritte Punschboole geleert war, daß viel von der Zweifelsucht des Pächters auf Vorstellung beruhte, wie denn auch freisinniges Denken und Freiheit von alten Vorurtheilen einem Manne wohl anstand, welcher 300 Pfund jährlichen Pachtzins zahlte; in Wirklichkeit aber lauerte der Glaube an die Ueberlieferungen seiner Ahnen im Hintergrunde. Nach meiner gewöhnlichen Weise erkundigte ich mich bei andern Personen, welche mit dem wilden Hirtendistrikt in Verbindung standen, worauf der Schauplatz der folgenden Erzählung verlegt ist. Ich war so glücklich, viele Glieder der Geschichte aufzufinden, die man nicht allgemein kennt, und die wenigstens einigermaßen die übertriebenen wunderbaren Beigaben erklären, womit sie der Aberglaube in den gemeineren Ueberlieferungen ausgeschmückt hat.