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Sechzehntes Kapitel.


Auch schimmert schon Aurora's Herold dort,
Und seine Näh' scheucht irre Geister fort
Zum Todtenacker –

Ein Sommernachtstraum.

Mit der frischen Morgenluft und dem hellen Tage verschwand jedes Gefühl der vorigen Nacht aus Oberst Everards Seele, ausgenommen das der Verwunderung, wie man das, was er erfahren, habe hervorbringen können. Er betrachtete das ganze Zimmer, untersuchte Riegel, Fußboden und Tafelwerk, indem er mit den Fingern und dem Stocke daran pochte; war aber unfähig, einen geheimen Ausweg zu entdecken, und auch die Thür, die außer dem Schlosse noch einen starken Querriegel hatte, war noch eben so, wie er sie den Abend zuvor fest verschlossen hatte. Viktor Lee's Bild zog zunächst seine Aufmerksamkeit auf sich. Lächerliche Geschichten waren oft von diesem Bilde herumgegangen, oder doch von einer Gestalt, die ihm völlig glich, und dem man zur Nachtzeit in den wüsten Zimmern des alten Palastes begegnet seyn wollte; Markham Everard hatte dergleichen oft in der Kindheit gehört. Er ärgerte sich, wenn er an seinen eignen Mangel an Muth dachte, und an das Beben, das er in der vorigen Nacht fühlte, als, ohnstreitig durch eine List, ein solcher Gegenstand ihm vor die Augen gestellt wurde.

»Ganz gewiß,« sagte er, »konnte ich doch wegen dieses Anfalls von kindischer Thorheit nicht das Ziel verfehlen – viel wahrscheinlicher ist es, daß die Kugel heimlich aus dem Pistol gezogen wurde.«

Er untersuchte das noch geladene – und fand die Kugel darin. Er betrachtete das Zimmer dem Punkte gegenüber, nach welchem er gefeuert hatte, und fünf Fuß vom Boden in gerader Linie zwischen dem Bette und der Stelle, wo er die Erscheinung gesehen hatte, steckte eine erst kürzlich abgefeuerte Pistolenkugel in der Wand. Daß er also richtig gezielt hatte, konnte er nicht mehr bezweifeln, denn wirklich mußte, um dahin zu gelangen, wo sie sich befand, die Kugel mitten durch die Erscheinung durchgefahren seyn, und hernach in die dahinter befindliche Mauer. Dieß war geheimnißvoll, und ließ ihn zweifeln, ob nicht jene kühnen Verschwörer Hexerei oder Teufelsbannerkunst zu Hülfe ihrer Machinationen gerufen haben möchten; denn obwohl sie selbst sterblich waren, so konnten sie dennoch, nach dem allgemeinen Glauben jener Zeiten, den Beistand der Bewohner einer andern Welt angerufen und erhalten haben.

Seine nächste Erforschung betraf das Bild Viktor Lee's selbst. Er betrachtete es genau, als er vor demselben stand, und verglich seine bleichen, schattigen, schwach ausgedrückten Umrisse, die durch die Zeit verloren gegangene Farbe, die strenge Ruhe des Auges und die todtenähnliche Blässe des Gesichts mit dem ganz andern Ansehn, das es in der vorigen Nacht hatte, als das künstliche Licht, das darauf fiel es erleuchtete, während das ganze übrige Zimmer in völliger Dunkelheit blieb. Da schien das Gesicht von einer übernatürlichen Glut gefärbt zu seyn, indeß das Steigen und Fallen der Flammen im Kamin dem Kopf und den Gliedern etwas gab, das einer wirklichen Bewegung glich. Jetzt, am Tage gesehen, war es blos ein Bild aus Holbeins harter und alter Schule; früher schien es für den Augenblick etwas mehr. Entschlossen, dieser List wo möglich auf den Grund zu kommen, betrachtete Everard, indem er auf einen Stuhl und von da auf den Tisch stieg, das Bild noch genauer, und suchte sich zu überzeugen, ob nicht eine geheime Feder da wäre, durch die es bei Seite geschoben werden könnte – wenigstens war dies in alten Gebäuden nicht ungewöhnlich, die oft eine Menge solcher Ein- und Ausgänge hatten, welche Niemandem, als dem Herrn des Schlosses oder seinen Vertrauten bekannt wurden. Aber das Fach, auf dem Viktor Lee gemalt war, steckte ganz fest in dem Tafelwerk des Zimmers, zu dem es auch gehörte, und der Oberst überzeugte sich, daß es nicht zu dem Gebrauche, den er vermuthete, hätte angewendet werden können.

Hierauf weckte er seinen treuen Wildrake, der, ohngeachtet er die Segnungen des Schlafes reichlich genossen, doch noch kaum die Wirkungen seines Trankes vom gestrigen Abend los werden konnte. Seiner eignen Ansicht von der Sache nach, war dieß der Lohn seiner Mäßigkeit, indem er nach einem einzigen Zuge fester geschlafen hatte, als nach einem halben Dutzend, oder gar nach einem Dutzend, zu der Zeit, als er sich noch des Mißbrauchs der Nachtessen So nannte man eine Art Mahlzeiten, die in den lustigen Tagen König Jakobs eingeführt wurden, und auch unter der folgenden Regierung fortdauerten. Das Abendessen wurde früh eingenommen, um sechs oder sieben Uhr spätestens; das rere-supper war ein späterer Schmaus, eine Art von hors d'Oeuvre, welches um zehn oder eilf Uhr erschien, und als Vorwand diente, die Festlichkeit bis zu Mitternacht auszudehnen. schuldig machte, so wie des Trinkens nach denselben.

»Wäre Dein mäßiger Trunk,« sagte Everard, »nur noch etwas stärker gewürzt gewesen, Wildrake, so hättest Du gewiß so fest geschlafen, daß nur die Trompete des jüngsten Gerichts Dich hätte wecken können.«

»Und dann,« antwortete Wildrake, »wäre ich mit Kopfschmerzen aufgestanden, Mark; denn ich sehe, mein bescheidenes Schlückchen hat mich nicht frei von diesem Epilog gehalten – aber laß uns nun gehen und sehen, wie die Andern die für uns so seltsame Nacht hingebracht haben. Ich vermuthe, sie werden Alle recht gern geneigt seyn, Woodstock zu räumen; sie müßten denn besser geruht haben, als wir, oder wenigstens glücklicher in der Auswahl ihrer Wohnzimmer gewesen seyn.«

»In diesem Falle will ich Dich in Josselins Hütte schicken, um es dahin zu bringen, daß Sir Heinrich Lee und seine Familie in ihre alte Wohnung zurückkehren, wo sie, da mein Einfluß bei dem General sich zu dem schlechten Rufe des Orts gesellt, wahrscheinlich weder für jetzt noch durch neue Commissarien gestört werden dürften.«

»Aber wie wollen sie sich gegen die höllischen Feinde schützen, mein tapferer Oberst?« sagte Wildrake. »Mich dünkt, wenn ich solchen Theil nähme an diesem hübschen Mädchen, wie Du Dich rühmst, so würde ich sie nicht gern dem Schrecken eines Aufenthaltes in Woodstock aussetzen, wo diese Teufel – ich bitte sehr um Verzeihung; denn sie hören doch vermuthlich jedes Wort, das wir sprechen –diese lustigen Koboldchen – von Abend bis Morgen so artige Späßchen treiben.«

»Mein lieber Wildrake,« sagte der Oberst, »ich sowohl, als Du, halte es für möglich, daß unser Gespräch behorcht werden kann; aber ich mache mir nichts daraus, und will meine Meinung gerade heraussagen, Ich bin überzeugt, Sir Heinrich und Alexia sind nicht in diesen albernen Plan verwickelt; ich kann es weder mit dem Stolze des Einen, noch der Sittsamkeit der Andern, oder dem gesunden Verstande Beider zusammen reimen, daß irgend ein Beweggrund sie zu einer so seltsamen Verbindung vermögen sollte. Aber die bösen Feinde gehören Alle zu Deinem eignen politischen Glauben, Wildrake; es sind alles ächt blaue Cavaliere, und ich bin überzeugt, daß Sir Heinrich und Alexia Lee, wenn sie auch nicht in Verbindung mit ihnen stehen, doch auch nicht die geringste Ursache haben, etwas von ihren Spukereien zu fürchten. Ueberdieß müssen Sir Heinrich und Josselin jeden Winkel in diesem Gebäude kennen. Bei ihnen wird es also viel schwieriger seyn, Spuk zu treiben, als bei Fremden. Aber laß uns nun zu unserer Toilette, und wenn Wasser und Bürsten das ihrige gethan haben, wollen wir sehen, was dann zu thun ist.«

»Ei, mein elender puritanischer Anzug ist kaum des Ausbürstens werth,« sagte Wildrake, »und ohne den Centner rostiges Eisen, womit Du mich ausstaffirt hast, würde ich einem bankerotten Quäker ähnlicher sehen, als irgend sonst etwas. Dich aber will ich so nett herausputzen, als nur irgend einer von den winselnden Schelmen Deiner Parthei.«

Wie er das gesagt, fing er an sogleich das Cavalierlied zu brummen:

Ob Whitehall's Mauer Spinneweben,
Gleich eine Weile rings umgeben,
Wird Alles doch sich ändern gleich,
Zieht ein der König in sein Reich.

»Du vergißt, wer draußen ist,« sagte Oberst Everard.

»Nein – ich denke nur daran, wer hier drinnen ist,« erwiederte sein Freund. »Ich singe blos meinen lustigen Kobolden etwas vor, und die werden mich um so lieber haben. Still doch, die Teufel sind meine boni socii, und wenn ich sie erst sehe, so will sich darauf wetten, es werden solche brüllende Buben seyn, als ich kannte, da ich unter Lumfond und Goring diente, Bursche mit langen Nägeln, denen nichts entging, mit einem bodenlosen Magen, den nichts füllen wollte – toll vom Plündern, Schwärmen, Trinken, Fechten – schliefen auf bloßer Erde in den Laufgräben, und starben hartnäckiger Weise in ihren Stiefeln. Ach! die lustigen Tage sind dahin. Nun wohl, es ist Mode unter den Cavalieren, ein ernstes Gesicht dazu zu machen, besonders die Pfarrer, die ihre Zehnt-Schweine dadurch verloren haben; aber ich war für das Element der Zeit geschaffen, und habe mir nie lustigere Tage gewünscht, noch kann ich mir bessere wünschen, als ich während jener barbarischen, blutigen und unnatürlichen Rebellion hatte.«

»Du warst immer ein wilder Seevogel, Roger, wie es Dein Name schon beinah andeutet, hattest immer heftigen Wind lieber, als die Windstille, das stürmische Meer lieber, als den glatten See, und ein rauhes wildes Ankämpfen gegen den Wind lieber, als tägliche Nahrung, Wohlleben und Ruhe.«

»Pah! ich frage den Henker nach Deinem glatten See, und dem alten Weibe, das mich mit Malz füttert, und den armen Entrich nöthigt, es aufzuschnappen, wenn sie pfeift. Everard, ich mag es gern, wenn der Wind gegen meine Fittige rauscht – bald untertauchen, bald oben auf der Welle seyn, jetzt im Meer, jetzt am Himmel – das ist des wilden Entrichs Lust, mein ernster Herr, und in dem Bürgerkriege gings auch so mit uns – hinunter in eine Grafschaft, hinauf in eine Andere, heute geschlagen, morgen Sieger – jetzt verhungernd in einer ausgehungerten Festung – dann wieder schwelgend in eines Presbyterianers Vorrathskammer – wenn sein Keller, sein Silberschrank, sein alter Gerichts-Siegelring, seine hübsche Dienstmagd, Alles zu Gebote stand.«

»Still, Freund,« sagte Everard, »vergiß nicht, daß ich zu jenem Glauben gehöre.«

»Desto schlimmer, Mark, desto schlimmer; aber wie Du sagst, es nutzt zu nichts, davon zu sprechen. Laß uns lieber gehn und sehn, wie es Deinem presbyterianischen Pastor Holdenough gegangen ist, und ob es ihm besser gelungen ist, den bösen Feind zu überwältigen, als Dir, seinem Schüler und Zuhörer.«

Sie verließen demnach das Zimmer, und wurden mit den verschiedenen Nachrichten der Schildwachen und Anderer überschüttet, welche Alle etwas Außerordentliches im Laufe der Nacht gesehen oder gehört haben wollten. Es ist überflüssig, die verschiedenen Gerüchte einzeln zu beschreiben, die Jeder zu dem gemeinsamen Vorrathe beitrug, und zwar um so freudiger, da in solchen Fällen es immer eine Art von Unehre scheint, nicht so viel als Andere gesehen, oder gelitten zu haben.

Der Mäßigste von den Erzählenden sprach nur von Tönen, wie das Miauen einer Katze, das Knurren eines Hundes, besonders das Quieken eines Ferkels. So hatten sie auch Nägel einhämmern und Sägen brauchen hören, und Ketten rasseln und seidene Kleider rauschen, und Musik, und kurz alle Arten von Tönen, die gar nichts mit einander zu thun haben. Andere schwuren, sie hätten allerlei gerochen, besonders Erdpech, was anzeigte, daß der Satan die Hand im Spiele gehabt; noch Andere schwuren zwar nicht, betheuerten aber, sie hätten gerüstete Männer gesehen, Pferde ohne Köpfe, Esel mit Hörnern, und Kühe mit sechs Beinen, der schwarzen Gestalten nicht zu gedenken, deren gespaltene Hufe nur zu deutlich anzeigten, welchem Reiche sie angehörten.

Aber diese so stark betheuerten Fälle nächtlicher Spukereien unter den Schildwachen waren so allgemein gewesen, daß dadurch das Lärmrufen und zu Hülfekommen auf einen besondern Punkt verhindert wurde, so daß die, die auf Schildwach standen, umsonst das Wachcorps zu Hülfe riefen, das selbst auf seinem Posten zitterte; kurz ein wachsamer Feind hätte die ganze Garnison umbringen können. Aber trotz dieses allgemeinen Aufruhrs schien der Zweck der Kobolde nicht gewesen zu seyn, irgend Jemandem Leids oder Gewalt anzuthun, sondern nur Alle zu necken, einen einzigen armen Kerl ausgenommen, einen Reiter, der Harrison in vielen Schlachten gefolgt war, und jetzt in derselben Halle Schildwach stand, in welcher Everard empfohlen hatte, eine Wache hinzustellen. Dieser richtete seinen Karabiner auf Etwas, das auf Einmal über ihn herkam, aber er wurde ihm aus der Hand gerungen, und er selber mit dem Kolben zu Boden gestreckt. Sein zerschlagener Kopf, und Desborough's durchweichtes Bett, über dem ein Faß voll schmutziges Wasser im Schlafe ausgeschüttet worden, dies waren die einzigen sichtbaren Spuren von den Spukereien der Nacht.

Die Berichte aus Harrisons Zimmer waren, wie sie der ernste Herr Tomkins abstattete, daß allerdings der General die Nacht ungestört zugebracht habe, obwohl er noch immer im tiefen Schlafe liege und die Hände zum Schlummer gefaltet habe, woraus Everard schloß, es sey die Meinung der Ränkemacher, daß Harrison schon am vorigen Abend seinen Antheil an der Zeche gehörig bezahlt habe.

Er begab sich nun in das von dem ehrsamen Desborough und dem philosophischen Bletson doppelt besetzte Zimmer. Beide waren aufgestanden und kleideten sich an, der Erste vor Furcht und Jammer mit weit offnem Munde. Kaum war aber Everard hereingetreten, als der eingeweichte, verzagte Oberst in eine Jammerklage über die Art und Weise ausbrach, wie er die Nacht zugebracht, und nicht wenig gegen seinen verehrten Schwager murrte, daß er ihm ein Geschäft auferlegt, was so viele Plage mit sich führe.

»Konnte nicht Se. Excellenz, mein Schwager Oliver,« sagte er, »seinem armen Verwandten und Schwager wo anders her einen Bissen geben, als aus diesem Woodstock, das des Teufels eigner Suppentopf zu seyn scheint? Mit dem Teufel kann ich keine Fleischbrühe essen – ich habe keinen langen Löffel, ich. Konnte er mich nicht in irgend einen ruhigen Winkel einquartieren, und diesen Spukort hier einigen von seinen Predigern und Betern geben, die mit der Bibel so gut als mit der Musterrolle umzuspringen wissen? Dahingegen verstehe ich die vier Hufe eines stattlich einhergehenden Kleppers, oder was zu einem Gespann Ochsen gehört, weit besser, als alle Bücher Mosis. Aber ich gebe es auf ein für allemal; Hoffnungen auf irdischen Gewinst sollen mich nicht der Gefahr aussetzen, bei lebendigem Leibe vom Teufel geholt zu werden, und noch obendrein eine Nacht auf den Kopf gestülpt, und die andere mit schmutzigem Wasser eingesalzen zu werden. – Nein, nein – dazu bin ich zu klug.«

Herr Bletson hatte eine andere Rolle zu spielen. Er klagte nicht über persönliche Störungen, sondern erklärte im Gegentheil, er würde so gut als nur je in seinem Leben geschlafen haben, ohne den entsetzlichen Lärm um ihn her, von Menschen, die jede halbe Stunde zu den Waffen riefen, wenn nur eine Katze bei einem ihrer Posten vorbeitappte. – »Er wollte lieber,« meinte er, »unter einem ganzen Haufen von Hexen, die ihren Sabbath feierten, wenn es anders solche Geschöpfe gäbe, die Nacht zubringen.«

»Sie meinen also, es gäbe keine Erscheinungen, Herr Bletson?« sagte Everard. »Ich pflegte über diesen Punkt ein Skeptiker zu seyn, aber so wahr ich lebe, dies war eine seltsame Nacht.«

»Träume, Träume, lieber leichtgläubiger Oberst,« sagte Bletson, obwohl sein bleiches Gesicht und seine zitternden Glieder den erheuchelten Muth, mit dem er sprach, Lügen straften. »Der alte Chaucer hat uns die wahre Moral darüber gelehrt. – Er besuchte vor Alters den Woodstocker Wald hier.«

Chasseur?« sagte Desborough; »doch wohl ein Jäger, seinem Namen nach. – Geht er herum, wie Hearen in Windsor?«

»Chaucer,« sagte Bletson, »mein lieber Desborough, ist, wie der Oberst Everard weiß, einer von jenen wunderbaren Leuten, die wohl noch hundert Jahre, nachdem sie begraben sind, fortleben, und deren Worte noch unser Ohr heimsuchen, nachdem ihre Gebeine schon lange im Staube modern.«

»Ja, ja, schon gut – ich wenigstens wünsche mir eher sein Ruhegemach, als seine Gesellschaft – es wird doch einer von Euren Beschwörern seyn, darauf wollt ich wohl wetten. Aber was sagt er zu der Sache?«

»Nur einen geringen Zauberspruch, den ich mir die Freiheit nehmen will, dem Oberst Everard herzusagen,« antwortete Bletson, »der aber für Dich, Desborough, so gut wie Griechisch klingen wird. – Der alte Gottfried erklärt alle nächtliche Spukereien durch Ueberfluß an Säften:

Drum halten Viele auch für einen bösen Traum,
Sehn Pfeil und Feuer sie, mit dunkelrothem Saum.
So gings wohl Manchem auch, packt ihn Melancholie,
Daß er im tiefsten Schlaf ganz laut und kläglich schrie,
Als wollten ihm ein Leu und schwarze zott'ge Bären,
Der Böse selbst sogar, hier keine Ruh gewähren.

Indeß er so declamirte, bemerkte Everard ein Buch, das unter dem Kopfkissen des Bettes hervorsah, welches das ehrsame Parlaments-Mitglied noch vor Kurzem eingenommen hatte.

»Ist das Chaucer?« fragte er, und griff nach dem Buche – »ich möchte gern die Stelle ansehn.«

»Chaucer!« – sagte Bletson, der eiligst zusprang, »nein – das ist Lucrez, mein Liebling. Ich kann Ihnen das Buch nicht zeigen – ich habe mir einige Stellen angestrichen.«

Unterdeß hatte Everard das Buch in die Hand genommen. »Lucrez!« sagte er, »nein, Herr Bletson – Lucrez ist das nicht, aber ein besserer Tröster in Schreckniß oder Gefahr. – Warum sollten Sie sich dessen schämen? – Und Bletson, wenn Sie nur statt mit dem Kopfe darauf zu ruhen, Ihr Herz auf diesem Buche könnten ankern lassen, so würde es Ihnen mehr zur Stütze gereichen, als Lucrez oder Chaucer.«

»Je, was ist es denn für ein Buch?« sagte Bletson, indem seine Wange sich hochroth färbte, vor Scham, entdeckt zu seyn. – »O die Bibel,« indem er es verächtlich hinwarf – »vermuthlich ein Buch von meinem Schreiber Straubing – diese Juden sind von jeher abergläubisch gewesen – von jeher, seit Juvenals Zeiten, Du weißt ja –

Qualiacunque voles Judaei somnia vendunt.
(Was für Träume Du willst, Du kannst sie bei Juden erkaufen.)

»Er ließ mir gewiß das alte Buch als ein Mittel gegen Zauberei da, dafür stehe ich Ihnen; denn es ist ein gutmüthiger Narr.«

»Der würde schwerlich das alte Testament zugleich mit dem Neuen dagelassen haben,« sagte Everard. »Ei, lieber Bletson, schämen Sie sich doch nicht des klügsten Streichs, den Sie je in Ihrem Leben machten, wenn Sie in einer Stunde der Besorgniß nach der Bibel griffen, in der Absicht, aus dem Inhalt derselben Vortheil zu ziehn.«

Bletsons Eitelkeit wurde hierdurch so empfindlich gereizt, daß sie seine angeborne Feigheit über den Haufen warf. Seine kleinen, dünnen Finger bebten vor Aerger, Hals und Gesicht wurde scharlachroth, und er sprach so schnell und heftig, als – je nun, als ob er kein Philosoph gewesen wäre.

»Herr Everard,« sagte er, »Sie sind ein Kriegsmann, Herr – und Herr, scheinen sich berechtigt zu glauben, über Civilisten zu sagen, was Ihnen nur in den Sinn kommt – aber ich will Sie hiermit erinnert haben, Herr, daß es Gränzen giebt, über welche die menschliche Geduld nicht hinausgeht, und Späße, Herr, die kein Mann von Ehre erträgt –– daher erwarte ich eine Entschuldigung für Ihre eben geführte Sprache, Oberst Everard, und für diesen unschicklichen Spaß, Herr – sonst könnten Sie von mir reden hören, auf eine Weise, die Ihnen nicht gefallen wird.«

Everard konnte nicht umhin, über diesen Ausbruch von Tapferkeit zu lächeln, den aufgeregte Selbstliebe erzeugt hatte.

»Sehen Sie, Herr Bletson,« sagte er, »ich bin ein Krieger gewesen, das ist wahr, aber ich war nie ein blutdürstiger; und als Christ habe ich gar kein Verlangen, das Reich der Finsterniß dadurch zu erweitern, daß ich ihm vor der Zeit einen neuen Vasallen zuschicke. Giebt der Himmel Ihnen Zeit zur Buße, so sehe ich nicht ein, warum meine Hand Sie dessen berauben sollte, welches doch, wenn wir uns schlagen wollten, Ihr Schicksal seyn würde, es möchte nun auf Degen oder Pistolen seyn – ich will daher lieber eine Entschuldigung sagen, und ich rufe Desborough, wenn der schon wieder zu Verstande gekommen ist, zum Zeugen auf, daß ich wirklich um Verzeihung bitte, wenn ich Sie, der Sie ganz der Sklav Ihrer eigenen Eitelkeit sind, im Verdacht hatte, sich auch nur im Geringsten der göttlichen Gnade oder dem gesunden Verstande zuwenden zu wollen. Und ich bitte ferner um Entschuldigung wegen der Zeit, die ich in der Bemühung verschwendet habe, einen Mohren weiß zu waschen, oder einem eigenwilligen Atheisten vernünftige Forschungen anzuempfehlen.«

Bletson, überfroh über die Wendung, die die Sache genommen hatte – denn die Ausforderung war kaum heraus, so fing er schon an, vor den Folgen zu zittern – antwortete mit großem Eifer und kriechender Gebehrde: »Ei, theuerster Oberst, kein Wort weiter – eine Entschuldigung ist alles, was nöthig ist, unter Männern von Ehre – sie läßt weder Unehre auf dem sitzen, der sie verlangt, noch würdigt sie den herab, der sie macht.«

»Eine solche, wie ich gemacht habe, gewiß nicht,« sagte der Oberst.

»Nein, nein – nicht im Geringsten – eine Entschuldigung ist mir so lieb, als eine andere, und Desborough ist Zeuge, daß Sie Eine gemacht haben, und das ist Alles, was darüber zu sagen ist.«

»Herr Desborough und Sie mögen aber doch sorgfältig darauf sehen, wie die Sache erzählt wird, und ich empfehle Beiden, sie richtig zu erzählen, wenn Sie dieselbe überhaupt erwähnen wollen.«

»Nein, nein, wir wollen sie nicht weiter erwähnen,« sagte Bletson, »wir vergessen sie von diesem Augenblicke an. Nur halten Sie mich nie einer abergläubischen Schwäche fähig. Hätt ich mich vor einer augenscheinlichen und wirklichen Gefahr gefürchtet – je nun, eine solche Furcht ist dem Menschen natürlich – und ich will auch nicht läugnen, daß auch mir eine solche Stimmung so gut als Andern hätte begegnen können. Aber für fähig gehalten zu werden, seine Zuflucht zu Zaubersprüchen zu nehmen, und auf Büchern unter dem Kopfkissen zu schlafen, um mich gegen Gespenster zu sichern, auf mein Wort, das war doch genug, um Einen im Augenblicke zum Zanke mit seinem besten Freunde zu vermögen. – Und nun, Oberst, was ist zu thun? Und wie ist unsre Pflicht an diesem verwünschten Orte auszuführen? Wenn ich so durchweicht werden sollte, wie Desborough, ich stürbe an einem Catarrh, aber Sie sehen, ihm schadet das nicht mehr, als wenn man einen Eimer Wasser über ein Postpferd gießt. Sie haben, wie ich vermuthe, Theil an unsrer Commission, was ist Ihre Meinung, wie wir verfahren sollten?«

»Da kommt eben Harrison zu rechter Zeit,« sagte Everard, »ich will Ihnen nun Allen meine Commission von dem General vorlegen, welcher, wie Sie sehen, Oberst Desborough, Ihnen gebietet von dem weiteren Verfahren nach Ihrer jetzigen Vollmacht abzustehen, und Ihnen demgemäß seinen Willen zu erkennen giebt, sich von hier zu entfernen.«

Desborough nahm das Papier und betrachtete die Unterschrift – »Olivers Unterschrift ist es ganz gewiß« – sagte er, indem er die untere Kinnlade herabhängen ließ; »nur hat er in der letzten Zeit immer den Oliver riesengroß geschrieben, der Cromwell aber kriecht hinterher wie ein Zwerg, recht als ob der Zuname nächster Tage ganz verschwinden sollte. Aber ist Se. Excellenz, unser Schwager, Oliver Cromwell, denn bis jetzt hat er doch den Zunamen noch, so unvernünftig, daß er meint, seine Verwandten und Freunde werden sich auf den Kopf stellen lassen, bis sie einen steifen Nacken haben – sich einweichen lassen, als hätte man sie in eine Pferdeschwemme getaucht – Tag und Nacht von allen Arten von Teufeln, Hexen und Elfen erschrecken lassen, um nicht einen Pfennig Schmerzengeld dafür zu bekommen? Potz Hagel! (ich bitte um Verzeihung, daß ich fluche) wenn das der Fall ist, so thue ich ja besser, ich gehe nach Hause auf mein Gut, und sehe nach meinen Ochsen und Kühen, als daß ich so einem undankbaren Menschen nachlaufe, ob ich gleich seine Schwester zur Ehe genommen habe. Sie war arm genug, als ich sie nahm, so hoch auch Oliver jetzt die Nase trägt.«

»Meine Absicht ist es gar nicht,« sagte Bletson, »in dieser ehrenvollen Versammlung Streit aufzuregen, und Niemand wird an der Verehrung und Anhänglichkeit zweifeln, die ich zu unserm edeln General hege, den der Lauf der Ereignisse und seine unvergleichlichen Eigenschaften hinsichtlich des Muths und der Standhaftigkeit in diesen jammervollen Tagen so hoch erhoben haben. – Sollte ich ihn einen unmittelbaren Ausfluß des animus mundi selbst nennen – ein Wesen, das die Natur in ihrer stolzesten Stunde erzeugt hat, während sie sich, wie es ihr Gesetz mit sich bringt, für die Erhaltung der Geschöpfe anstrengte, denen sie das Daseyn gegeben hat – so würde ich kaum den Begriff erschöpfen, den ich von ihm habe. Wobei ich jedoch stets dagegen protestire, daß ich keineswegs dafür gehalten seyn will, als nähme ich an, sondern blos als gestattete ich, um der Schlußfolge willen, das mögliche Daseyn dieser Art von Ausfluß – der Weltseele, die ich eben erwähnte. Ich berufe mich auf Sie, Oberst Desborough, der Sie der Verwandte Sr. Excellenz sind – auf Sie, Oberst Everard, der Sie den noch wertheren Namen seines Freundes führen, ob ich meinen Eifer für ihn zu hoch angeschlagen habe.«

Everard verneigte sich bei dieser Pause, aber Desborough gab eine vollkommnere Bestätigung dazu. »Nun, das kann ich bezeugen, ich habe es mit angesehen, daß Sie bereit waren, ihm die Schnuren zuzubinden oder den Mantel auszubürsten, oder sonst etwas dem Aehnliches – und so undankbar behandelt – so um die Gelegenheit geprellt zu werden, die Ihnen gegeben war« –

»Deshalb ist es nicht,« sagte Bletson mit einer zierlichen Bewegung der Hand. »Sie thun mir Unrecht, Herr Desborough – wirklich Unrecht, mein werther Herr, obwohl ich weiß, Sie meinten es nicht so. – Nein, Herr – keine partheiische Rücksicht auf Privat–Interesse vermochte mich, dies Amt zu übernehmen. Es wurde mir von dem englischen Parlamente ertheilt, in dessen Namen dieser Krieg begann, und von dem Staatsrathe, welcher der Erhalter von Englands Freiheit ist. Und die Aussicht und frohe Hoffnung, dem Vaterlande zu dienen, die Zuversicht, daß ich – und Sie, Herr Desborough – und Sie, würdiger General Harrison – die Sie eben so, wie ich, über alle selbstsüchtige Betrachtungen erhaben sind – so wie ich überzeugt bin, daß auch Sie, guter Oberst Everard, darüber erhaben seyn würden, wären Sie zu dieser Commission ernannt worden, wie ich es von Herzen wünsche, daß Sie es wären – ich sage, die Hoffnung, dem Vaterlande mit Hülfe so achtungswerther Gefährten zu dienen, wie Sie alle sammt und sonders sind – sowohl als auch Sie, Oberst Everard, wobei ich annehme, als hätten Sie zu der Zahl gehört, vermochte mich, diese Gelegenheit zu ergreifen, bei der ich freiwillig mit Ihrem Beistande unserer theuern Mutter, der Republik England, so viel Vortheil bringen konnte. – Das war meine Hoffnung – mein Vertrauen – meine Zuversicht. Und nun kommt die Vollmacht des Herrn Generals, um den Befehl aufzuheben, nach welchem wir zu handeln berechtigt sind. Meine Herren, ich frage diese ehrbare Versammlung (mit aller Ehrfurcht gegen Se. Excellenz), ob seine Vollmacht der gleich kommt, von woher er selbst unmittelbar seine Vollmacht hat. Niemand wird das sagen. Ich frage, ob er den Sitz erstiegen hat, von welchem der hingeschiedene Mann hinabstieg, oder ob er ein großes Siegel oder sonstige Mittel besitzt, um in solch einem Falle nach Gunst zu verfahren. Ich sehe keinen Grund, dies zu glauben, und muß daher einem solchen Verfahren mich widersetzen. Ich füge mich Ihrem Urtheil, meine braven und ehrenwerthen Collegen, meiner eigenen geringen Meinung nach aber fühle ich mich in der unglücklichen Nothwendigkeit, in unsrer Commission fortzufahren, als ob die Unterbrechung nicht statt gefunden hätte, wobei ich nur dies hinzufüge, daß die Sequestratoren sich am Tage in diesem nämlichen Jagdschlosse zu Woodstock aufhalten, jedoch um sich dem Geiste schwacher Brüder zu fügen, die vielleicht durch abergläubische Gerüchte heimgesucht werden möchten, sowohl als um irgend einer von Uebelgesinnten an uns verübten List auszuweichen, die, wie ich überzeugt bin, in dieser Gegend geschäftig sind, daß wir nach Sonnenuntergang unsre Sitzungen in den Georgsgasthof im nächsten Flecken verlegen.«

»Mein guter Herr Bletson,« erwiederte Oberst Everard, »ich habe Ihnen darauf nichts zu antworten; aber Sie wissen, auf welche Weise diese englische Armee und ihr General ihre Vollmacht schreiben. Ich fürchte sehr, dieser Befehl des Generals wird das Ausrücken eines Reitertrupps aus Oxford zur Folge haben, welcher auf die Ausführung desselben zu sehen hat. Ich glaube, es sind schon Befehle deshalb ertheilt worden, und Sie wissen aus Erfahrung, daß der Soldat seinem General gegen König und Parlament gehorcht.«

»Dieser Gehorsam ist bedingt,« sagte Harrison, grimmig auffahrend. »Weißt Du nicht, Markham Everard, daß ich diesem Mann, dem Cromwell, gefolgt bin, wie der Bullenbeißer seinem Herrn? – Und das will ich auch noch; – aber ich bin kein Pudel, der sich prügeln läßt, noch will ich mir die erworbne Nahrung vor dem Maule wegschnappen lassen, wie wenn ich ein elender Hofhund wäre, dessen Löhnung in der Peitsche, und in der Erlaubniß, seine eigne Haut zu tragen, besteht. Ich hatte darauf gerechnet, daß wir Drei rechtlicher und frommer Weise neben dem Vortheile der Republik noch drei oder auch fünftausend Pfund aus dieser Commission ziehen könnten. Und meint etwa Cromwell, daß ich das für ein rauhes Wort hergeben will? Niemand zieht in den Krieg auf seine eigenen Unkosten. Wer am Altare dient, muß vom Altare leben, und die Heiligen müssen Mittel haben, sich mit guten Harnischen und frischen Pferden gegen solche Gewaltstreiche zu verwahren. Hält mich Cromwell für so einen zahmen Tiger, daß ich ihm erlauben werde, mir nach Belieben das elende Reh wieder zu entreißen, das er mir hingeworfen hat? Zuverlässig werde ich mich dem entgegen setzen, und da die hier liegenden Leute größtentheils von meinem eigenen Regimente sind – Leute, die mit brennenden Lampen und gegürteten Lenden dastehen und aufpassen, ein jeglicher seine Waffe in der Hand, so werden sie mir helfen, das Haus gegen jeden Angriff zu vertheidigen – ja, gegen Cromwell selbst, bis zum jüngsten Gericht – Sela! Sela!« –

»Und ich,« sagte Desborough, »will Truppen werben und die Außenwerke vertheidigen, da ich jetzt nicht Lust habe, die Garnison des Platzes zu verstärken.« –

»Und ich,« sagte Bletson, »will ebenfalls das Meinige thun, in die Stadt eilen und die Sache dem Parlamente vorlegen, welches meine Ansprüche vertreten wird.«

Alle diese Drohungen machten auf Everard nur wenig Wirkung. Die einzige furchtbare war die von Harrison ausgestoßene, dessen Schwärmerei, verbunden mit seinem Muth und seiner Hartnäckigkeit, nebst dem Rufe, in dem er unter den ihm gleichdenkenden Schwärmern stand, ihn zu einem gefährlichen Feinde machten. Ehe er sich auf Gründe mit dem widerspenstigen General-Major einließ, versuchte Everard seine Empfindungen zu mäßigen, und ließ ein Wort über die kürzlich erfahrnen Unruhen fallen.

»Sagen Sie mir nichts von übernatürlichen Unruhen, junger Mann – sagen Sie mir nichts von Feinden im Fleisch oder außer dem Fleisch. Bin ich nicht der auserwählte und beauftragte Kämpfer, um dem großen Drachen zu begegnen und ihn zu besiegen, und das Thier, das aus der See kommt? Soll ich nicht den linken Flügel und zwei Regimenter im Mittelpunkte anführen, wenn die Heiligen mit den zahllosen Legionen von Gog und Magog zusammen stoßen? Ich sage Dir, mein Name ist auf dem Glassee mit Feuer eingeschrieben, und ich will dies Woodstock gegen alle sterbliche Menschen und gegen alle Teufel behaupten, sowohl im Felde, als im Zimmer, im Walde oder auf der Wiese, sogar bis zur Herrschaft der Heiligen im vollen Glanze ihres Ruhms.«

Jetzt sah Everard, daß es Zeit sey, einige Zeilen, von Cromwells Hand geschrieben, vorzuzeigen, die er nach der Mittheilung durch Wildrake von dem General erhalten hatte. Der Inhalt war darauf berechnet, das Mißvergnügen der Commissarien zu stillen. Dies Dokument gab als Grund zur Abtretung der Woodstocker Commission an, daß er wahrscheinlich dem Parlamente vorschlagen würde, den General Harrison, den Obersten Desborough und den Herrn Bletson, das achtbare Parlamentsmitglied für Littlefaith, bei einer viel größeren Angelegenheit in Anspruch zu nehmen, nämlich bei der Veräußerung des königlichen Eigenthums und Aufhebung des königlichen Jagdgeheges zu Windsor. So wie dieser Gedanke aufs Tapet kam, spitzten Alle die Ohren, und ihre niedergeschlagenen, düsteren und rachsüchtigen Blicke fingen an, höflichem Lächeln und einer Lust zu weichen, die ihnen aus den Augen strahlte, und ihre Knebelbärte aufwärts drehte.

Oberst Desborough sprach seinen achtbaren und vortrefflichen Verwandten und Schwager von jeder Art von Unfreundlichkeit frei. Herr Bletson entdeckte, es sey dreimal wichtiger für das Interesse des Staats, daß Windsor gut verwaltet werde, als Woodstock. Harrison aber rief ohne Umstände und ohne Zögern aus, die Nachlese bei den Trauben zu Windsor sey noch besser, als die ganze Weinlese zu Woodstock. Indem er dies sagte, drückte der Blick seines dunkeln Auges so viel Triumph über den zu erwartenden irdischen Vortheil aus, daß man ihm nicht die eitele Ueberzeugung ansah, daß er ihn bald gegen einen Antheil an der allgemeinen Regierung des tausendjährigen Reichs vertauschen würde. Sein Entzücken glich, mit einem Worte, der Freude eines Adlers, der darum am Abend mit nicht geringerer Freude ein Lamm verzehrt, weil er hundert tausend Mann im Begriff sieht, mit Tages Anbruch eine Schlacht zu liefern, und ihm einen endlosen Schmaus von dem Lebensblute und den Herzen jener Tapferen zu geben.

Obwohl aber Alle überein kamen, daß sie sich bei dieser Gelegenheit in den Willen des Generals fügen wollten, so schlug doch Bletson als Vorsichtsmaaßregel, worin Alle übereinstimmten, vor, eine Zeitlang ihren Aufenthalt in der Stadt Woodstock aufzuschlagen, um ihre neue Vollmacht in Hinsicht auf Windsor zu erwarten, und dies vermöge der vorsichtigen Betrachtung, daß es besser sey, einen Knoten nicht eher fahren zu lassen, als bis man erst einen andern geknüpft hat.

Jeder Commissar schrieb daher besonders an Oliver, und gab auf seine eigene Weise die Tiefe und Höhe, Länge und Breite seiner Anhänglichkeit an ihn an. Jeder erklärte sich dabei entschlossen, den Befehlen des Generals bis aufs Aeußerste Folge zu leisten, aber mit derselben gewissenhaften Hingebung an das Parlament wußte Keiner, wie er es anfangen solle, die ihm von demselben anvertraute Commission niederzulegen, und fühlte sich daher in seinem Gewissen verbunden, seinen Wohnsitz in dem Flecken Woodstock aufzuschlagen, damit es nicht das Ansehn hätte, als verließe er das ihm aufgetragene Amt, ehe sie zur Verwaltung der wichtigeren Angelegenheit von Windsor berufen würden, zu der sie sich nach dem Belieben Sr. Excellenz sogleich willig bezeigten.

Dies war im Allgemeinen der Inhalt ihrer Briefe, die nur in den charakteristischen Redensarten der Schreiber von einander abwichen. Desborough z. B. sagte Etwas über die religiöse Pflicht, für seinen eigenen Haushalt zu sorgen, nur versah er sich in dem Text, Bletson machte viel hochtrabende Worte über die politische Verpflichtung jedes Mitglieds der Gemeine und jedes Mannes überhaupt, seine Zeit und Talente dem Dienste seines Vaterlandes zu widmen; indeß Harrison davon sprach, wie klein die gegenwärtigen Angelegenheiten im Verhältniß zu der herannahenden furchtbaren Veränderung aller Dinge unter der Sonne wären. Obwohl aber die Ausschmückung der Episteln verschieden lautete, so war doch das Resultat dasselbe, daß sie nämlich entschlossen wären, wenigstens Woodstock im Auge zu behalten, bis ihnen eine bessere und einträglichere Commission zugesichert sey.

Auch Everard schrieb Cromwelln einen Brief in den dankbarsten Ausdrücken, der vermuthlich nicht so warm gewesen wäre, hätte er genauer als Wildrake es ihm gesagt, die Erwartungen gekannt, unter welchen der ränkevolle General seine Bitte gewährt hatte. Er benachrichtigte Se. Excellenz von seiner Absicht, in Woodstock zu bleiben, theils um sich der Bewegungen der drei Commissarien zu versichern, und Acht zu geben, ob sie nicht von Neuem die Commission, der sie für jetzt entsagt, wieder auszuüben anfangen würden – theils auch, um darauf zu sehen, daß nicht auf einige besondere Umstände, die im Jagdschlosse statt gefunden und unstreitig bald ruchtbar werden würden, eine Explosion folge, die dem öffentlichen Frieden gefährlich werden könne. Er kenne, so drückte er sich aus, Se. Excellenz so sehr als einen Freund der Ordnung, daß es ihm lieber sey, Unordnungen oder Empörungen zuvorzukommen, als sie zu bestrafen, und er ersuche den General dringend, seinen Bemühungen im Dienste des Gemeinwohls, in Allem, was in seiner Macht stände, zu vertrauen, wobei er, wie man bemerken wird, nicht ahnen konnte, welchen Sinn man seinen allgemeinen Betheuerungen unterlegen würde.

Diese Briefe wurden in ein Paket zusammengeschlagen und durch einen deshalb abgeschickten Reiter nach Windsor befördert.


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