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Erstes Kapitel.


Wohl wollen einige den Priester hören,
Doch andere zogen vor des Kriegers Lehren,
Als sey nur der geschickt, die Kanzel zu besteigen,
Vor dessen Schwert im Feld der Feinde Haufen weichen.

Butler's Hudibras.

Die Stadt Woodstock hat eine hübsche Pfarrkirche – wenigstens ist es mir so erzählt worden, denn ich selbst habe sie freilich nicht gesehen, da ich bei der Durchreise kaum Zeit hatte, die Herrlichkeiten Blenheim' s, seine gemalten Hallen und tapezierten Gemächer alle in Augenschein zu nehmen, und dann zur rechten Stunde nach Hause zu kommen, um mit meinem gelehrten Freunde, dem Probste von – im Kollegium noch zu Mittag zu speisen; welches fast immer eine von den Gelegenheiten ist, wo sich einer gar sehr schadet, wenn er seine Pünktlichkeit von der Neugierde über den Haufen rennen läßt. In Hinsicht auf dies vorliegende Werk, ließ ich mir die Kirche genau beschreiben; da ich aber einigen Grund zu dem Zweifel habe, ob mein Gewährsmann das Innere selbst gesehn, so will ich eben weiter nichts darüber sagen, als daß es gegenwärtig ein schönes Gebäude ist, das größtentheils vor 40 oder 50 Jahren wieder aufgebaut wurde, obwohl noch immer einige Bogen von der alten Hofkapelle übrig sind, die, wie es heißt, König Johann erbaute. Auf diesen älteren Theil des Gebäudes aber bezieht sich meine Geschichte.

An einem Morgen des Jahrs 1652, zu Ende Septembers oder Anfang Oktobers, wo ein feierliches Dankfest wegen des entscheidenden Sieges bei Worcester anberaumt war, hatte sich eine ehrwürdige Versammlung in der alten Hofkapelle, gewöhnlich die Kapelle König Johanns genannt, eingefunden. Der Zustand der Kirche, so wie der Rang der Zuhörer, zeugten von der Raserei des Bürgerkriegs und dem besondern Geiste der Zeit. Das heilige Gebäude hatte manche Spuren erlittener Verheerung aufzuweisen. Die buntfarbigen Fensterscheiben waren, als Zubehör des Götzendienstes, mit Lanzen und Musketen zertrümmert worden. Das Schnitzwerk an dem Lesepulte war beschädigt, und zwei Schirme von Eichenholz mit herrlicher Bildnerei hatte man aus demselben bündigen Grunde ebenfalls zerstört. Den Hochaltar hatte man weggeschafft, und das vergoldete Gitter, das ihn umgab, war abgebrochen und fortgeschleppt worden. Die Statüen über mehreren Gräbern lagen verstümmelt und zerstreut in der Kirche umher,

Von hoher Mauerblend' herabgerissen,
Wohin als Dank für gut ertheilten Rath
Und Ritterdienst sie frommer Sinn gestellt.

Der Herbstwind pfiff durch leere Gänge, in welchen Ueberreste von roh zugehauenen Pfählen und Krippen sowohl, als eine Menge umhergestreutes Heu und Stroh anzudeuten schienen, daß die heiligen Mauern kürzlich einem Reitertrupp zum Obdach gedient hatten. Auch die Versammlung, wie das Gebäude, prangte nicht mehr im vormaligen Glanze. In den Gitterstühlen sah man nicht mehr die gewohnten Gottesverehrer aus friedlichen Zeiten mit der Hand vor den Augen, und ihr Gemüth sammelnd, um da zu beten, wo ihre Väter gebetet hatten, und zwar nach demselben Ritus. Das Auge des reichen und armen Landmanns sah sich umsonst nach der hohen Gestalt Sir Heinrichs Lee von Ditchley um, wie er, in seinen Tressenmantel gehüllt, mit wohlgekämmtem Barte, langsam daher schritt, hinter ihm her sein treuer Jagdhund, der in früherer Zeit seinem Herrn durch seine Treue das Leben gerettet, und jetzt regelmäßig ihn zur Kirche begleitete. Bevis machte das englische Sprichwort wahr: »der Hund ist gut, welcher die Kirche besucht;« denn eine gelegentliche Versuchung abgerechnet, in den Gesang mit einzustimmen, benahm er sich stets so anständig, wie irgend einer aus der Gemeinde, und ging vielleicht eben so erbaut nach Hause, als mancher unter ihnen. Die jungen Mädchen in Woodstock sahen sich eben so vergeblich nach den Tressenmänteln, den klirrenden Sporen, geschlitzten Stiefeln und hohen Federbüschen der jungen Cavaliere aus diesem oder jenem hochgebornen Hause um, wenn sie durch die Straßen und den Kirchhof mit jener sorglosen Leichtigkeit hinschlenderten, die vielleicht auf ein übermüthiges Selbstvertrauen deutet, doch bei guter Laune und Höflichkeit sich recht artig ausnimmt. Auch die guten alten Damen in ihren weißen Schleiern und schwarzsammtnen Kleidern – ihre Töchter »die Leitsterne nachbarlicher Augen« – wo waren sie alle hin, sie, die beim Eintritt in die Kirche die Gedanken der Männer mit dem Himmel zugleich zu beschäftigen pflegten? »Aber ach, Alexia Lee – du, so sanft, so edel, so herablassend in deiner Holdseligkeit – (so fährt ein Annalenschreiber jener Zeit fort, dessen Manuscript wir entziffert haben) – warum muß meine Geschichte nur von deinem gesunkenen Glücke handeln, warum nicht lieber von der Zeit, wo du von deinem Rosse herabsteigend, Vieler Augen auf dich zogst, gleich als wär ein Engel herabgekommen, und du mit so vielen Segnungen wie ein wohlthuendes Wesen, der Verkündiger großer Freude, überschüttet wurdest? Du warst keinesweges das Werk der Phantasie eines müßigen Romandichters, kein mit unvereinbaren Vollkommenheiten phantastisch ausgeschmücktes Wesen; – ich liebte dich um deiner Verdienste, und – vielleicht wohl noch mehr um deiner Fehler willen.«

Mit dem Hause Lee waren aus der Kapelle König Johanns noch andere von edlem Blut und geehrter Abkunft verschwunden – Freemantles, Winklecombes, Drycotts u. s. w.; denn die Luft, die über die Thürme von Oxford wehte, war den Fortschritten des Puritanismus ungünstig, der in den benachbarten Grafschaften besser gedieh. Unter der Gemeinde befanden sich jedoch einer oder zwei, die ihrem Wesen und ihrer Haltung nach Landedelleute von Stande schienen, auch waren einige von den Honoratioren der Stadt Woodstock gegenwärtig, meistens Messerschmiede oder Handschuhmacher, deren geschickte Arbeit in Stahl oder Leder sie in Wohlhabenheit versetzt hatte. Diese Standespersonen trugen lange, schwarze Mäntel, dicht um den Hals in Falten gelegt, und führten, gleich friedlichen Bürgern, statt des Messers oder Schwertes ihre Bibel und Psalter im Gürtel. Dieser achtbare, an Zahl jedoch geringere Theil der Zuhörer waren Leute, welche die presbyterianische Glaubensform angenommen, der Liturgie und Hierarchie der englischen Kirche entsagt hatten, und unter der Aufsicht Sr. Wohlehrwürden, des Herrn Nehemia Holdenough lebten, der wegen seiner langen und eifernden Predigten berühmt war. Neben diesen ernsten Herren saßen gar stattlich ihre Frauen mit Hand- und Halskrausen, gleich den Bildern, die in Gemälde-Verzeichnissen als: »Frau eines Bürgermeisters« angeführt sind, nebst ihren hübschen Töchtern, die, wie Chaucer's Arzt, nicht immer in der Bibel studirten, sondern im Gegentheil, wenn sie dem wachsamen Auge ihrer geehrten Mutter einen Blick entziehen konnten, selbst unaufmerksam, bei Andern gleiche Unaufmerksamkeit veranlaßten.

Außer diesen hochansehnlichen Personen befand sich jedoch in der Kirche noch eine ansehnliche Menge aus den niederen Ständen, zum Theil durch Neugier herbeigeführt, die meisten aber schmutzige Handarbeiter, die sich in den theologischen Streitigkeiten jener Zeit verirrt hatten, und so viel verschiedene Sekten bildeten, als der Regenbogen Farben. Da die Anmaßung dieser gelehrten Thebaner mit ihrer Unwissenheit in gleichem Verhältniß stand, so war letztere vollständig, und erstere gränzenlos. Ihr Benehmen in der Kirche war nichts weniger als ehrerbietig oder erbaulich, die meisten unter ihnen thaten sich etwas zu Gute auf eine cynische Verachtung alles dessen, was nach Menschensatzungen für heilig gehalten wird – die Kirche war diesen Menschen weiter nichts, als ein Haus mit einem Glockenthurme, der Geistliche ein ganz gewöhnlicher Mensch; ihre Sakramente trockene Kleie und unschmackhafte Gerichte, nicht gemacht für den geistigen Gaumen der Heiligen, und das Gebet eine Anrede an den Himmel, dem jeder beistimmte oder nicht, je nachdem er es, seinem kritischen Urtheile nach, für gut befand.

Die Aelteren unter ihnen saßen oder lagen auf den Bänken mit hohen und spitzen Hüten über der strengen gerunzelten Stirn, auf den presbyterianischen Pfarrer wartend, wie Bullenbeißer in stummer Erwartung des Stiers, der an den Pfahl gebunden werden soll. Die Jüngeren verbanden zum Theil noch mehr Zügellosigkeit der Sitten mit ihren Ketzereien, sahen sich nach den Frauen um, gähnten, husteten und flüsterten, aßen Aepfel und knackten Nüsse, wie in einer Theaterloge, ehe das Stück angeht.

Außer diesen bestand die Versammlung auch noch aus einigen Soldaten, theils mit Panzern und Blechhauben, theils in ledernen Kollern, theils auch in rothen Röcken. Diese Kriegsmänner hatten ihre Bandeliere nebst Munition bei sich, und lehnten sich auf ihre Lanzen und Musketen. Auch sie hatten ihre besondern Lehren über die schwierigsten Punkte der Religion, und verbanden rasende Schwärmerei mit kühnem Muthe und Entschlossenheit im Felde. Die Bürger von Woodstock blickten mit nicht geringer Ehrfurcht auf diese militärischen Heiligen; denn obwohl diese sich bis jetzt noch nicht oft durch Raub oder Grausamkeit besudelt, hatten sie doch die Macht zu beiden unbedingt in Händen, und den friedlichen Bürgern blieb nichts anders übrig, als Unterwerfung in alles, was eine ungeregelte und schwärmerische Phantasie ihren kriegerischen Führern eingeben mochte.

Nachdem man einige Zeit auf Herrn Holdenough gewartet, schritt dieser daher, nicht mit dem langsamen und feierlichen Gange, in welchem vordem der alte Pfarrer die Würde seines Amts aufrecht zu halten pflegte, sondern mit hastigen Schritten, wie einer der etwas versäumt, und das Versäumte geschäftig nachholen will. Es war ein langer, hagerer Mann, von brauner Gesichtsfarbe, mit einem Auge, dessen Lebhaftigkeit ein reizbares Temperament andeutete. Sein Anzug war braun nicht schwarz, und darüber trug er noch, zu Ehren. Calvin's, einen Genfer Mantel von blauer Farbe, der ihm von den Schultern abwärts fiel, indem er auf die Kanzel zuging. Sein grauwerdendes Haar war so kurz abgeschnitten, als es nur immer mit einer Scheere möglich, und mit einer schwarzseidenen Kappe bedeckt, die so dicht anschloß, daß die zwei Ohren darunter hervorragten wie Handgriffe, um ihn daran in die Höhe zu heben. Außerdem trug der würdige Geistliche eine Brille, einen langen, schon etwas grauen Bart, und in der Hand hielt er eine Taschenbibel mit silbernem Schloß. Als er die Kanzeltreppe erreicht, hielt er einen Augenblick inne, um Athem zu schöpfen, und nahm dann beim Hinaufsteigen zwei Stufen auf einmal.

Bald wurde er aber hieran durch eine starke Hand gehindert, die seinen Mantel erfaßte. Sie gehörte einem, der aus dem Haufen der Soldaten hervortrat. Es war ein kräftiger Mann von mittlerem Wuchse, mit einem scharfen Auge und einem Gesicht, das obwohl offen, doch einen Ausdruck hatte, der die Aufmerksamkeit fesselte. Seine Kleidung war zwar nicht streng militärisch, deutete aber doch diesen Stand an. Er trug weiße Beinkleider von Kalbsleder, und ein Degen oder Rapier von ungeheurer Länge hing neben einem Dolche; das Degengehenk war türkisch und mit Pistolen versehen.

Der Pfarrer, in Ausübung seiner Amtspflicht unterbrochen, sah sich nach dem Manne um, der ihn gepackt hatte, und fragte nicht eben in freundlichem Tone, was das bedeuten solle.

»Freund!«, sagte der andere, »gedenkst Du diesen guten Leuten einen Vortrag zu halten?«

»Ei allerdings,« sagte der Geistliche, »ich bin verpflichtet das zu thun. Wehe mir, wenn ich nicht das Evangelium predige! –– Ich bitte Dich, Freund, hindere mich nicht in meinem Geschäfte.«

»Nein,« sagte der Mann mit der kriegerischen Miene, »ich bin gesonnen, selbst einen Vortrag zu halten, stehe Du also davon ab, oder wenn Du Dir willst rathen lassen, so bleibe und ziehe Frucht daraus, zugleich mit jenen armen Geschöpfen, denen ich jetzt eben, die Krumen einer tröstlichen Lehre hinstreuen will.«

»Mach Platz, Du Satansmann,« sagte der Priester voll Zorn, »ehre meinen Stand – mein Kleid.«

»Ich sehe an dem Schnitt Deines Mantels, oder an dem Zeuge, aus dem er gemacht ist, nichts weiter zu ehren,« sagte der andere, »als Du an des Bischoffs Kleide – jenes war schwarz und weiß, das Deine ist braun und blau. Ihr seyd alle mit einander schlafende Hunde, liegt da, schlummert gern – seyd Schäfer, die die Heerde aushungern, sie aber nicht bewachen mögen, seht alle nur auf Euren eignen Vortheil – hm!«

So unanständige Scenen waren in dieser Zeit so gewöhnlich, daß es niemandem einfiel, sich darein zu mischen. Die Gemeinde sah schweigend zu, die Besseren ärgerten sich, die Gemeineren lachten entweder, oder unterstützten den Soldaten oder den Pfarrer, je nachdem die Laune es ihnen eingab, Unterdeß wurde der Streit zwischen jenen beiden immer hitziger; Herr Holdenough kreischte nach Hülfe.

»Herr Bürgermeister von Woodstock,« rief er aus, »willst Du zu jenen gottlosen Richtern gehören, die das Schwert vergebens tragen? – Ihr Bürger, wollt Ihr nicht Eurem Pastor helfen? – Ihr würdigen Aeltesten wollt Ihr mich auf der Kanzeltreppe von diesem Belial erdrosseln lassen? – Aber seht! ich will ihn überwältigen, und mich seinen Fäusten entziehen.«

Wie Holdenough so sprach, strengte er sich an, um die Kanzeltreppe hinauf zu gelangen, sich am Geländer fest haltend. Sein Peiniger hatte jedoch den Mantel so gut gefaßt, daß er ihn beinah erdrosselt hätte, wenn er nicht, indeß er die letzten Worte mit halberstickter Stimme sagte, hurtig das Band gelöst, das den Mantel um den Hals befestigte, so daß derselbe plötzlich nachgab. Der Soldat fiel die Stufen rücklings hinunter, und der befreite Geistliche schlüpfte in seine Kanzel und stimmte ein Siegslied über seinen gefallnen Gegner an. Aber ein großer Aufstand in der Kirche verdarb ihm den Triumph, und obgleich er und sein treuer Küster fortfuhren, die Siegeshymne zu singen, so vernahm man doch ihre Töne nur zuweilen durch den Tumult, wie das Geschrei des Kibitzes durch den Sturm.

Die Veranlassung des Aufruhrs war folgende: –

Der Bürgermeister war ein eifriger Presbyterianer, und hatte gleich vom Anfange an die Einmischung des Soldaten mit großem Unwillen wahrgenommen, obwohl er sich nicht gern mit einem bewaffneten Mann einlassen wollte, so lange dieser noch auf den Beinen stand und sich widersetzen konnte. Kaum aber sah er den Kämpfer zappelnd auf dem Rücken da liegen, den Genfer Mantel des Geistlichen in der Hand, so sprang er mit der Erklärung vor, daß eine solche Unverschämtheit nicht zu ertragen sey, befahl seinen Constabeln sich des gefallnen Kämpfers zu bemächtigen, und rief höchlichst entrüstet: »ich werde alle Rothröcke einstecken lassen, ich will ihn einstecken, und wäre es Oliver Cromwell selbst.«

Des würdigen Bürgermeisters Unwille war mit seiner Vernunft davon gelaufen, als er diese unzeitige Prahlerei ausstieß; denn drei Soldaten, die bisher gleich Statüen bewegungslos dagestanden hatten, thaten jeder einen Schritt vorwärts, und stellten sich zwischen die Amtspersonen und den Soldaten, der eben aufstand, dann machten sie auf einmal Gewehr beim Fuß nach damaligem Exercitium, und ließen ihre Musketen nur einen Zoll von des Herrn Bürgermeisters gichtischen Zehen auf dem Pflaster der Kirche ertönen. Der energische Richter, dessen Bemühungen zur Erhaltung der Ordnung so gehindert wurden, warf einen Blick auf seine Gehülfen; aber dieser eine war schon hinreichend, ihm zu zeigen, daß er nicht die Uebermacht auf seiner Seite habe. Alle waren zurückgefahren, als sie den Unheil verkündenden Zusammenklang von Stein und Eisen vernahmen, und er ward deshalb zu Erklärungen genöthigt.

»Was habt Ihr denn vor, Ihr lieben Herren?« sagte er, »schickt es sich denn für anständige und gottesfürchtige Soldaten, die solche vorher unerhörte Dinge für das Land gethan haben, in der Kirche zu zanken und Aufruhr zu erregen, oder einen unheiligen Menschen zu unterstützen, beizustehen und zu stärken, der, bei einem feierlichen Dankfeste, den Geistlichen aus seiner eignen Kanzel vertreiben wollte?«

»Wir haben nichts mit Deiner Kirche zu schaffen, wie Du es nennst,« sagte einer, der einen kleinen Federbusch vorn an seiner Sturmhaube trug, und der Korporal zu seyn schien; »ich sehe nicht ein, warum begabte Männer nicht auch in diesen Ringmauern des Aberglaubens vernommen werden sollten, sowohl als ehemals die Stimme der Männer mit Flören und jetzt derer mit Mänteln. Darum wollen wir auch jetzt jenen Pfaffen aus seinem hölzernen Schilderhäuschen ziehen, und unsre eigne Schildwache soll die Wache ablösen, und hinaufsteigen und laut sprechen und niemanden schonen.«

»Ei nun, Ihr Herren,« sagte der Bürgermeister, »wenn das Eure Absicht ist, so haben wir nicht die Mittel in Händen, Euch zu widerstehen, da wir, wie Ihr seht, friedliche und ruhige Männer sind, aber laßt mich nur erst mit dem würdigen Pfarrer Herrn Nehemias Holdenough sprechen, daß ich ihn überrede, Euch für den Augenblick ohne weiteres Aergerniß seinen Platz abzutreten.«

Der Friede stiftende Bürgermeister unterbrach nun Holdenoughs und des Küsters Triller, und ersuchte beide, sich fort zu begeben, weil es sonst, wie er meinte, gewiß noch Streit geben würde, »Streit,« erwiederte der presbyterianische Geistliche verächtlich, »der ist nicht zu besorgen unter Menschen, die es nicht wagen, sich gegen diese offenbare Entweihung der Kirche, und dies verwegene zur Schautragen der Ketzerei zu setzen. Würden Eure Nachbarn in Banbury eine solche Beleidigung ertragen haben?«

»Lassen Sie es gut seyn, Herr Holdenough,« sagte der Bürgermeister, »erregen Sie nicht Aufruhr und Prügelei unter uns, ich sage Ihnen noch einmal, wir sind keine Kriegsmänner, die Blutvergießen.«

»Nein, das ist wahr, höchstens nur durch Eure Nadelspitzen,« sagte der Prediger voll Verachtung – »Ihr Schneider von Woodstock – denn was ist ein Handschuhmacher anders, als ein Schneider, der in Bocksleder arbeitet – ich verlasse Euch voll Verachtung über Euren geringen Muth und Eure schwachen Hände, und will mir anderswo eine Heerde suchen, die nicht auf das Ya des ersten wilden Esels aus der großen Wüste von ihrem Hirten flieht.«

Mit diesen Worten verließ der beleidigte Geistliche die Kanzel, schüttelte den Staub von seinen Füßen, und schritt so hastig aus der Kirche, als er sie betreten hatte, nur aus einem andern Grunde. Die Bürger sahen seine Entfernung mit Kummer, und nicht ohne eine reuige Empfindung, als spielten sie nicht eben die muthigste Rolle. Der Bürgermeister selbst und einige andere gingen ihm nach, um ihn zu besänftigen.

Der Redner von der Parthei der Independenten, der noch vor kurzem auf dem Boden gelegen hatte, triumphirte nun, und ohne weitere Umstände von der Kanzel Besitz nehmend, zog er eine Bibel aus der Tasche, und wählte seinen Text aus dem 45. Psalme: »Gürte dein Schwert um deine Seite, du Held und schmücke dich schön. Es müsse dir gelingen in deinem Schmuck: zeuch einher der Wahrheit zu gut, und die Elenden bei Recht zu behalten, so wird deine rechte Hand Wunder beweisen.« Ueber dies Thema begann er eine von den in jenen Zeiten so gewöhnlichen ungereimten Declamationen, wo die Menschen die Sprache der Schrift zu verdrehen und zu verunstalten pflegten, indem sie dieselbe auf neuere Ereignisse anwendeten. Diese Worte, die buchstäblich von König David gesagt wurden, und sich bildlich auf die Ankunft des Messias bezogen, konnten nach der Meinung des militärischen Redners auf Oliver Cromwell gedeutet werden, den siegreichen General der kaum erstandenen Republik, welche nicht vom Schicksale bestimmt war, das männliche Alter zu erreichen. . »Gürte dein Schwert um deine Seite!« rief mit vielem Nachdrucke der Prediger, »und war das nicht ein so schönes Stückchen Stahl, als nur je von einem Panzer herab baumelte, oder gegen einen Stahlsattel klirrte? Ja, jetzt spitzt Ihr die Ohren, Ihr Messerschmiede von Woodstock, als verständet Ihr Euch auf einen guten Hirschfänger – ich frage, habt Ihr ihn geschmiedet? – Wurde der Stahl im Wasser aus Rosamundens Brunnen gelöscht, oder die Klinge von dem alten armseligen Priester in Godstow gesegnet? Ich stehe dafür, Ihr möchtet uns wohl gerne glaubend machen, Ihr hättet ihn verfertigt und geschweißt und geschliffen und geglättet, und dennoch kam er nimmermehr auf einen Woodstocker Amboß. Ihr waret alle viel zu geschäftig, Messer zu schmieden für die faulen Flormänner in Oxford, jene großsprecherischen Priester, deren Augen so vom Fette überwachsen waren, daß sie die Zerstörung nicht eher gewahr wurden, als bis diese sie selbst bei der Kehle faßte. Aber ich kann Euch sagen, wo das Schwert geschmiedet und gehärtet und geschweißt und geschliffen und polirt wurde. Während Ihr, wie ich zuvorsagte, Schnitzmesser für falsche Priester machtet, und Dolche für liederliche und fluchende Cavaliere, um dem Englischen Volke die Kehlen damit abzuschneiden – wurde es in Long Marston Moor geschmiedet, wo die Streiche schneller fielen, als je der Hammer auf dem Amboß erklang – und wurde in Naseby in dem besten Blute der Cavaliere gehärtet – und wurde in Irrland an den Mauern von Drogheda geschweißt – und gewetzt an den Kehlen der Schotten bei Dunbar – und ist nun kürzlich polirt worden in Worcester, daß es so hell glänzt, wie die Sonne am Mittags-Himmel, und kein Licht in England ist, das ihm gleich kommen wird.«

Hier erhob sich aus dem militärischen Theile der Versammlung ein beifälliges Sumsen, welches dem: »hört! hört!« in dem Brittischen Unterhause fast gleich klang, und folglich berechnet war, den Enthusiasmus des Redners zu erhöhen, indem es die Theilnahme der Zuhörer beurkundete. »Und,« hob der Prediger mit noch größerem Nachdruck wieder an, da er fand, daß seine Zuhörer diese Empfindungen theilten; »was sagt der Text weiter: zeuch einher der Wahrheit zu gut, es müsse dir gelingen in deinem Schmuck – verweilt nicht – ruft nicht halt, steigt nicht aus dem Sattel – verfolgt die zerstreuten Flüchtlinge – stoßt in die Trompete, aber keinen Tusch, sondern einen Kriegston – blast gestiefelt und gesattelt – fort zu Pferde – greift an! – setzt dem jungen Manne nach! – was haben wir für Theil an ihm? – schlagt todt, fangt, zerstört, theilt die Beute! Gesegnet bist du, Oliver, wegen deiner Ehre – deine Sache ist klar, dein Beruf unzweifelhaft – nie hat sich eine Niederlage deinem Commandostabe zu nahen gewagt, noch ein Unstern deinem Banner. Zieh hin, du Blume von Englands Kriegern! Zieh hin, du auserwählter Führer der Kämpfer Gottes! Gürte dich mit deiner Entschlossenheit, und sieh unverrückt auf das Ziel deines hohen Berufs!«

Ein abermaliges tiefes und ernstes Sumsen, das von den alten Bogengewölben der Kapelle widertönte, gestattete ihm einen Augenblick auszuruhen, worauf die Bewohner von Woodstock nicht ohne Angst hörten, wie er den Sturm seiner Beredtsamkeit in einen andern Kanal leitete.

»Aber warum, Ihr Bewohner von Woodstock, sage ich Euch diese Dinge, die Ihr keinen Theil haben wollt an unserm David, kein Interesse an Englands Sohn von Jesse? – Ihr, die Ihr kämpftet, so weit Eure Kraft reichte (und die war nicht sehr furchtbar) für den vorigen Mann, unter jenem alten blutdürstigen Papisten Sir Jacob Aston – schmiedet Ihr jetzt nicht Anschläge oder seyd bereit, Euch zu verschwören, um den jungen Mann, den unreinen Sohn des hingeschlachteten Tyrannen – den Flüchtling, dem die treuen Herzen Englands jetzt verfolgen, damit sie ihn greifen und erschlagen mögen, wieder einzusetzen, wie Ihr es nennt? – »Warum sollte Euer Reiter seinen Zügel zu uns herlenken?« sagt Ihr in Euren Herzen; »wir wollen nichts mit ihm zu schaffen haben; wenn es von uns abhängt, so wollen wir uns lieber in dem Schlamm der Monarchie wälzen, mit der Sau, die erst kürzlich gewaschen wurde.« Kommt, Ihr Männer von Woodstock, ich will fragen, antwortet Ihr. Hungert Ihr noch nach den Fleischtöpfen der Mönche von Godstow? Ihr werdet sagen, nein; aber warum anders, als weil die Töpfe zertrümmert und zerbrochen sind, und das Kochfeuer unter dem Ofen erlöschen? Und abermals frage ich: trinkt Ihr noch aus dem Brunnen der Unzucht der schönen Rosamunde? – Ihr werdet sagen: nein – aber warum?«

Hier wurde der Redner, noch ehe er die Frage auf seine Weise beantworten konnte, durch folgende Antwort überrascht, die einer von der Versammlung ganz kräftig aussprach: »Weil Ihr und Eures gleichen uns keinen Brandwein gelassen habt, womit wir das Wasser mischen könnten.«

Aller Augen wandten sich auf den verwegenen Sprecher, der hinter einem von jenen starken Sächsischen Pfeilern stand, denen er selbst einigermaßen glich, indem er von niederem, aber kräftigem Wuchse war. Es war ein breiter, untersetzter Bursche, der sich auf einen Stab lehnte, und eine Jacke an hatte, die zwar jetzt sehr fleckig und verschossen, doch vordem schön grün gewesen war, und noch Spuren von ehemaligen Tressen aufzuweisen hatte. Der Mensch hatte einen Ausdruck von sorgloser, gutmüthiger Verwegenheit, und ungeachtet des militärischen Zwanges konnten einige der Bürger nicht umhin, auszurufen: »wohl gesprochen, Josselin Joliff!«

»Jodel Josselin nennt Ihr ihn?« fuhr der Prediger fort, ohne über die Unterbrechung verwirrt oder unzufrieden zu scheinen »– ich will ihn zum Josselin den Greiner machen, wenn er mich wieder unterbricht. – Das wird wohl wieder einmal einer von Euren Forstreitern seyn, die nie vergessen können, daß sie ein C. R. auf ihren Mützen und Hifthörnern trugen, wie ein Hund den Namen seines Herrn auf dem Halsbande trägt – ein schönes Sinnbild für christliche Männer! Aber das rohe Vieh ist auch besser daran – das Vieh trägt seinen eignen Rock, und der hündische Sklave trägt den Rock seines Herrn. Ich habe wohl eher so einen Fuchsschwänzer am Seile baumeln sehen. – Wo war ich doch stehen geblieben? – ach ja, ich warf Euch Euren Abfall vor, Ihr Männer von Woodstock. – Ja, denn Ihr werdet sagen, Ihr habt dem Pabstthum und den Prälaten entsagt, und nun wischt Ihr Euch das Maul, Ihr Pharisäer, und meint Wunder, wie rein Eure Religion ist; aber ich sage Euch, Ihr seyd nur gleich Jehu, dem Enkel Nimschi's, der das Haus des Baal niederriß, aber nicht von den Wegen der Söhne Jerobeams abwich. So eßt Ihr auch am Freitag keinen Fisch mit den blinden Papisten, noch kleine Pasteten am 25sten December, wie die faulen Anhänger der Prälaten; dafür aber schluckt Ihr jeden Abend im Jahre Euern Sekt mit Eurem blinden presbyterianischen Führer, und lästert angesehne Männer, und schmäht die Republik, und seyd stolz auf Euren Park von Woodstock, und sagt: »Wurde der nicht eher als irgend ein andrer in England eingezäunt, und das von Heinrich, dem Sohne Wilhelms, der den Namen des Eroberers führt? « Und Ihr habt ein fürstliches Jagdschloß darin, und nennt es ein königliches, und Ihr habt eine Eiche, die Ihr die Königseiche nennt, und Ihr stehlt und eßt das Wild aus dem Parke und sagt: »dies ist des Königs Wild, wir wollen es mit einem Becher auf des Königs Gesundheit hinunter spülen – besser, wir essen es, als diese rundköpfigen republikanischen Schelme.« Aber hört mir zu, und laßt Euch warnen. Um dieser Dinge willen kommen wir mit Euch zu streiten, und unser Name soll ein Kanonenschuß seyn, vor welchem Euer Jagdschloß, an dessen Schönheit Ihr Gefallen findet, in Trümmer zerfallen soll, und wir wollen wie ein Keil seyn, die Königseiche in Scheite zu zersprengen, daß ein Brodbäcker seinen Ofen damit heizen möge, und wir wollen den Zaun hinwegreißen von Eurem Park, und Euer Wild erschießen, und es selber essen, und Ihr sollt nichts davon haben, weder den Ziemer noch die Keulen. Auch sollt Ihr nicht eine einzige Messerscheide aus ihrem Geweihe drechseln, noch ein einziges Paar Beinkleider aus der Haut schneiden, ob Ihr gleich Messerschmiede und Handschuhmacher zugleich seyd; und Ihr sollt dann auch weder Beistand noch Unterstützung erhalten, weder von dem verarmten Heinrich Lee, der sich Forstaufseher von Woodstock nannte, noch von irgend einem um seinetwillen; denn es kommen jetzt die, welche Maher-schalal-haschbaz genannt werden, weil sie eilen, Beute zu machen.«

Hier endete dieser wilde Erguß seiner Rede, deren letzter Theil besonders schwer auf die Herzen der armen Bürger von Woodstock fiel, indem er einem gar unerfreulichen Gerüchte, das sich kürzlich verbreitet, zur Bestätigung diente. Die Verbindung mit London ging indeß langsam, und die Nachrichten von daher waren ungewiß; nicht minder unsicher waren die Zeiten selber, und die umlaufenden Gerüchte, die stets durch die Hoffnung oder Besorgniß so vieler verschiedenen Partheien übertrieben wurden, Was indeß Woodstock betraf, so hatten sie seit Kurzem alle übereinstimmend gelautet. Tagtäglich vernahm man, das Parlament habe den unglücklichen Beschluß gefaßt, den Park von Woodstock zu verkaufen, das Jagdschloß zu zerstören, die Gehege einzureißen, und so viel als möglich alle Spuren seines alten Glanzes zu vernichten. Manchen von den Bürgern gereichte dies sehr zum Nachtheil; denn viele unter ihnen genossen, theils von Rechtswegen, theils durch Vergünstigung, verschiedene, ihnen bequeme Privilegien im königlichen Forste, als Viehweide, Brennholz zu fällen und dergleichen; und alle Bewohner des kleinen Fleckens kränkte der Gedanke, den Schmuck ihres Wohnorts und alle seine Herrlichkeit zerstört zu sehen. Dieses patriotische Gefühl findet man oft an solchen Orten, die alte Auszeichnungen und langgehegte Erinnerungen früherer Tage so sehr von Städten aus neuerer Zeit unterscheiden. Die Eingebornen von Woodstock empfanden dies Gefühl in seiner vollen Kraft. Sie hatten vor dem sie erwartenden Unglück gezittert, und als es ihnen jetzt durch die Ankunft jener finstern, strengen und zugleich allgewaltigen Soldaten angedeutet wurde, als sie es aus dem Munde eines Redners aus der Mitte derselben vernahmen – hielten sie ihr Schicksal für unvermeidlich. Alle Ursachen zu Uneinigkeiten unter sich waren für den Augenblick vergessen, als die Gemeinde, ohne Gesang oder Segen entlassen, langsam und traurig jeder in seine Wohnung ging.


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