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Achtundzwanzigstes Kapitel.
Ungewißheit.

Dann geht zur Ruh' der niedre Mensch beglückt; –
Das Haupt ruht nicht, das eine Krone drückt.

Heinrich IV. – Zweiter Theil.

Vierzig Krieger, die theils gezogene Schwerter, theils brennende Fackeln trugen, dienten als die Escorte oder vielmehr als Schutzwache des Königs von der Stadthalle bis zum Schlosse von Péronne; und als er das düstere starke Gebäude betrat, da war's ihm, als riefe eine Stimme die Mahnung in sein Ohr, die der Florentiner über die Pforte zu den höllischen Regionen geschrieben hat: »Laß alle Hoffnung zurück!«

In diesem Augenblicke würde der König vielleicht einige Gewissenspein empfunden haben, hätte er der Hunderte, ja Tausende gedacht, die er ohne Ursache oder wegen ungegründeten Verdachts in seine Kerkerabgründe geschickt hatte, wo sie, aller Hoffnung der Freiheit beraubt, sogar das Leben verfluchten, an welchem sie der animalische Instinkt noch festhielt.

Der blendende Schein der Fackeln überstrahlte den bleichen Mond, der in dieser Nacht ohnehin mehr als in der vorigen verhüllt war, und das rothe rauchige Licht, welches jene rings an den alten Gebäuden verbreiteten, ließ den hohen Kerker, genannt Graf Herbertsthurm, nur noch dunkler erscheinen. Es war der nämliche, den Ludwig am vorigen Abend mit schlimmer Vorahnung betrachtet hatte, und dessen Bewohner er nun werden sollte, begleitet von dem Schrecken und der Furcht vor Gewaltthaten, die das erzürnte Gemüth seines mächtig gewordenen Vasallen in diesen geheimen Schlupfwinkeln des Despotismus über ihn verhängen konnte.

Des Königs peinliche Empfindungen wurden, während er über den Hof ging, noch durch mehrere Leichname verstärkt, über deren jeden man eilig einen Kriegermantel gebreitet hatte. Er erkannte bald, daß es Körper erschlagener Bogenschützen der schottischen Garde waren, die sich, wie Graf Crèvecoeur berichtete, dem Befehle widersetzt hatten, den Posten vor des Königs Gemächern zu verlassen, und mit des Herzogs wallonischer Leibgarde in Streit gerathen waren, so daß, ehe derselbe von den beiderseitigen Officieren beigelegt werden konnte, mehrere das Leben einbüßten.

»Meine treuen Schotten!« sagte der König, indem er das traurige Schauspiel betrachtete; »hätte man Mann gegen Mann kämpfen lassen, so hätte ganz Flandern, ja, und Burgund obendrein nicht Streiter genug gehabt, um es mit ihnen aufzunehmen.«

»Ja, wenn Eure Majestät erlaubt,« sagte Balafré, der sich dicht bei dem König hielt, »viele Hunde sind des Hasen Tod – wenige Männer verstehen mit mehr als zweien auf einmal zu fechten. Ich selber begegne nie gern dreien, außer wo es die Pflicht geradezu erfordert, denn da darf man die Köpfe nicht zählen.«

»Bist du da, alter Bekannter?« sagte der König, sich umblickend; »dann hab' ich doch noch einen treuen Unterthan bei mir.«

»Und einen treuen Diener, mag es Rathschläge betreffen, oder Amtsverrichtungen bei Eurer königlichen Person,« flüsterte Oliver le Dain.

»Wir sind Alle treu,« sagte Tristan l'Hermite mürrisch; »denn sollten sie Ew. Majestät zum Tode verurtheilen, so würden sie nicht Einen von uns Euch überleben lassen, selbst wenn wir wollten.«

»Das nenn' ich eine gute persönliche Bürgschaft für Treue,« sagte der Glorieux, welcher, wie schon erwähnt, mit der Rastlosigkeit, die schwachen Köpfen eigen, sich in ihre Gesellschaft gedrängt hatte.

Unterdessen drehte der eilig herbeigerufene Senechal mit geschäftiger Anstrengung den gewichtigen Schlüssel, welcher die Pforte des hohen gothischen Thurms öffnen sollte, und endlich sah er sich genöthigt, den Beistand eines von Crèvecoeurs Dienern anzurufen. Als man geöffnet hatte, traten sechs Leute mit Fackeln ein, und zeigten den Weg durch einen schmalen und gewundenen Gang, welcher an verschiedenen Stellen durch Schießscharten beherrscht ward, die in Gewölben und Fenstern in der Dicke der Mauern angebracht waren. Am Ende dieses Ganges führte eine eben so plumpe Treppe empor, aus großen Steinblöcken bestehend, die nur grob bearbeitet und von ungleicher Höhe waren. Nachdem sie emporgestiegen waren, gelangten sie durch eine starke eisenbeschlagene Thür in die ehemalige große Halle des Thurmes, die selbst am Tage nur schwach erleuchtet ward, (denn die Oeffnungen, die durch die außerordentliche Dicke der Mauern noch kleiner erschienen, glichen eher Spalten als Fenstern), und jetzt vollkommen dunkel gewesen sein würde, hätte sie der Fackelschein nicht erhellt. Zwei oder drei Fledermäuse und andre Vögel von schlimmer Vorbedeutung, erhoben sich bei dem ungewohnten Schimmer, flogen gegen die Lichter und drohten sie auszulöschen; währenddem entschuldigte sich der Senechal förmlich bei dem König, daß die Prunkhalle noch nicht in Ordnung gebracht sei, weil er gar zu wenig Zeit gehabt habe; er fügte noch hinzu, daß allerdings das Zimmer seit zwanzig Jahren nicht gebraucht worden sei, und vorher auch selten, so viel er gehört habe, seit der Zeit König Karls des Einfältigen.

»König Karls des Einfältigen!« wiederholte Ludwig; »nun weiß ich die Geschichte des Thurmes. – Er ward hier durch seinen verrätherischen Vasallen, Herbert, Grafen von Vermandois ermordet. – So sagen unsre Annalen. Ich wußte, daß mir etwas auf das Schloß Péronne Bezügliches bekannt war, nur konnte ich mich der Sache nicht entsinnen. – Hier ward also mein Vorfahr erschlagen?«

»Nicht hier, nicht genau hier, mit Ew. Majestät Erlaubniß,« sagte der alte Senechal, mit der eifrigen Hast eines Cicerone, welcher die Merkwürdigkeiten eines solchen Ortes zeigt. – »Nicht hier, sondern in dem Nebenzimmer etwas weiter dort, welches neben Ew. Majestät Schlafzimmer ist.«

Hastig öffnete er eine kleine Thür an dem obern Ende der Halle, welche in ein Schlafgemach führte, so klein, wie es in dergleichen alten Gebäuden gewöhnlich ist; dafür war es aber auch um so traulicher, als die weite Halle, durch welche man gegangen war. Einige eilige Vorbereitungen zu des Königs Bequemlichkeit hatte man hier gemacht. Tapeten waren aufgehangen, ein Feuer in dem Kamin angezündet, welches lange nicht benutzt worden war, und ein Feldbett aufgestellt für die Herren, welche nach damaliger Sitte die Nacht in des Königs Schlafgemach zubringen sollten.

»Für Euer übriges Gefolge wollen wir Betten in der Halle bereiten,« sagte der geschwätzige alte Mann; »aber wir haben so wenig Zeit gehabt, mit Eurer Majestät Erlaubniß, – und wenn es Eurer Majestät gefällt, einen Blick auf die kleine Thür hinter dieser Tapete zu werfen, sie führt in das kleine, in der Dicke der Mauer angebrachte Gemach, wo Karl getödtet ward; und dort ist ein geheimer Eingang von unten, durch welchen die Leute hereinkamen, welche die That verrichteten. Und Eure Majestät, deren Augen hoffentlich heller als die meinigen sind, kann das Blut noch auf den Eichendielen sehen, obwohl die That vor fünfhundert Jahren geschah.«

Bei diesen Worten bemühte er sich, die kleine Thür, von welcher er sprach, zu öffnen, bis der König sagte: »Halt, alter Mann – halt nur ein Weilchen inne – du bekommst vielleicht eine neuere Geschichte zu erzählen und frischeres Blut zu zeigen. – Herr von Crèvecoeur, was meint Ihr dazu?«

»Ich kann weiter nichts antworten, Sire, als daß diese zwei innern Gemächer ebenso zu Eurer Majestät Verfügung stehen, als die in Eurem eignen Schlosse zu Plessis, und daß Crèvecoeur, ein Name, der nie durch Verrätherei oder Meuchelmord geschändet ward, mit der äußern Wache beauftragt ist.«

»Aber der geheime Eingang zu diesem Gemach, wovon der alte Mann spricht?« Dies sagte König Ludwig in einem leisen und ängstlichen Tone, mit der einen Hand Crèvecoeurs Arm festhaltend und mit der andern auf die kleine Thür zeigend.

»Es muß ein Traum Mornay's sein,« sagte Crèvecoeur, »oder eine alte und alberne Ortssage; – aber wir wollen nachsehen.«

Er war im Begriff die Thür zu jenem Gemach zu öffnen, als Ludwig antwortete: »Nein, Crèvecoeur, nein – Eure Ehre ist mir hinreichende Bürgschaft. – Aber was hat Euer Herzog mit mir vor, Crèvecoeur? Er kann nicht hoffen, mich lange gefangen zu halten; und – kurz, sagt mir Eure Meinung, Crèvecoeur.«

»Sire,« sagte der Graf, »wie zornig der Herzog von Burgund über die schauderhafte Grausamkeit, mit welcher die Person seines nahen Verwandten und Bundesgenossen behandelt ward, sein muß, das kann Ew. Majestät selber beurtheilen; und wiefern er Recht hat, wenn er jene That als angestiftet von Euren Emissären betrachtet, das könnt nur Ihr wissen. Aber mein Herr ist edel von Charakter und, eben durch die Heftigkeit seiner Leidenschaften, unfähig, hinterlistige Umtriebe zu unterhalten. Was er auch thun mag, er wird es im Angesichte des Tages und zweier Nationen thun. Und ich kann nur hinzufügen, daß es der Wunsch jedes seiner Räthe – mit Ausnahme vielleicht eines einzigen – sein wird, daß er sich in dieser Sache mild und großmüthig benehme, ebenso wie gerecht.«

»Ach! Crèvecoeur,« sagte der König, seine Hand fassend, als ob er von peinlichen Erinnerungen berührt würde, »wie glücklich ist der Fürst, welcher Räthe um sich hat, die ihn vor den Folgen seiner eigenen heftigen Leidenschaften schützen können. Ihre Namen werden in der Geschichte seiner Regierung mit goldnen Lettern zu lesen sein. – Edler Crèvecoeur, hätte mir mein Geschick gewährt, solche wie du bist, um meine Person zu haben!«

»In diesem Falle wäre Ew. Majestät erste Sorge gewesen, sich ihn so schnell als möglich vom Halse zu schaffen,« sagte der Glorieux.

»Ei! ist Eure Weisheit zugegen?« sagte Ludwig, sich umkehrend und sogleich den pathetischen Ton, in welchem er Crèvecoeur angeredet hatte, mit Leichtigkeit in einen solchen verwandelnd, welcher heiterer klang. »Bist du uns hierher gefolgt?«

»Ja, Herr,« antwortete Le Glorieux, »Weisheit muß im Narrenkleide folgen, wo Thorheit im Purpur vorangeht.«

»Wie soll ich das deuten, Herr Salomo?« antwortete Ludwig, »möchtest du deine Lage mit der meinigen vertauschen?«

»Nein, wahrlich, ich nicht,« sagte der Glorieux, »und wenn Ihr mir noch fünfzig Kronen obendrein geben wolltet.«

»Ei, warum nicht? – Mich dünkt, ich könnte wohl zufrieden sein, so wie jetzt die Fürsten sind, dich zum Könige zu haben.«

»Ja, Sire,« erwiderte der Glorieux; »aber die Frage ist, ob ich, wenn ich Eurer Majestät Verstand nach Eurer derzeitigen Wohnung beurtheile, nicht Grund haben könnte, mich eines so thörichten Narren zu schämen.«

»Still, Kerl!« sagte der Graf von Crèvecoeur, »deine Zunge ist zu vorlaut.«

»Laßt sie ihren Weg gehen,« sagte der König; »ich kenne keinen schönern Gegenstand der Neckerei, als die Thorheiten jener, die klüger sein sollten. – Hier, mein scharfsinniger Freund, nimm diese Geldbörse und zugleich den Rath, nie ein so großer Narr zu sein, daß du dich für klüger, als andre Leute hältst. Bitte, sei so gut, dich nach meinem Astrologen, Martius Galeotti, zu erkundigen, und schicke ihn mir sogleich hieher.«

»Das will ich ohne Weiteres, mein hoher Herr,« antwortete der Spaßmacher; »und ich wette darauf, ich werde ihn in Hans Doppelthürs Haus treffen, denn Philosophen wissen so wie Narren, wo man den besten Wein schenkt.«

»Laßt mich um freien Zutritt durch Eure Wachen für diesen gelehrten Mann bitten, Herr Graf von Crèvecoeur,« sagte Ludwig.

»Sein Zutritt kann statthaben, ohne Frage,« antwortete der Graf; »nur thut mir leid, bemerken zu müssen, daß meine Instructionen mich nicht ermächtigen, zu erlauben, daß irgend Jemand Eurer Majestät Gemächer verläßt. – Ich wünsche Ew. Majestät eine gute Nacht,« fügte er hinzu, »und werde sogleich solche Anstalten in der äußern Halle treffen, daß die Herren, die sie bewohnen sollen, bessere Bequemlichkeit haben.«

»Macht Euch keine Mühe um sie, Herr Graf,« erwiderte der König; »es sind Männer, die gewöhnt sind, Mühseligkeiten Trotz zu bieten; und um die Wahrheit zu gestehen, so wünschte ich, außer daß ich Galeotti sehen will, so wenig weitere Gemeinschaft von außen in dieser Nacht, als es nur immer mit Euren Instructionen bestehen mag.«

»Diese gehen dahin,« erwiderte Crèvecoeur, »Eure Majestät ungestört im Besitz Eurer Gemächer zu lassen. So lauten meines Herrn Befehle.«

»Euer Herr, Graf Crèvecoeur,« antwortete Ludwig, »den ich auch den meinen nennen kann, ist ein recht gnädiger Herr. – Mein Gebiet,« setzte er hinzu, »ist etwas zusammengeschrumpft, denn es umfaßt nur noch eine alte Halle und eine Schlafkammer; doch ist es noch geräumig genug für alle Unterthanen, deren ich mich jetzt noch erfreue.«

Der Graf von Crèvecoeur beurlaubte sich, und bald nachher konnte man das Geräusch der Schildwachen, die auf ihren Posten zogen, vernehmen, begleitet von dem Commandowort der Offiziere und dem raschen Tritte der abgelösten Wachen. Endlich war alles still, der einzige vernehmbare Ton war das träge Gemurmel der tiefen, schlammigen Somme, die unter den Mauern des Schlosses vorüberglitt.

»Geht in die Halle, meine Freunde,« sagte Ludwig zu seinem Gefolge; »nur aber schlaft nicht ein. Haltet euch in Bereitschaft, denn es gibt heute Nacht noch etwas zu thun, und zwar sogleich.«

Oliver und Tristan zogen sich demnach in die Halle zurück, wo Balafré und des Generalprofoß zwei Gehilfen zurückgeblieben waren, als die übrigen das Schlafgemach betraten. Sie fanden, daß diese draußen genug Brennstoff in's Feuer geworfen hatten, um zu gleicher Zeit hell und warm zu machen, und daß sie sich, in ihre Mäntel gehüllt, auf dem Boden in solchen Stellungen niedergesetzt hatten, welche auf verschiedene Weise die Unruhe und Niedergeschlagenheit ihrer Gemüther ausdrückten. Oliver und Tristan wußten nichts Besseres zu thun, als ihrem Beispiel zu folgen; und, wie sie nie gute Freunde in den Tagen ihres Glücks am Hofe waren, so mochten auch beide in diesem seltsamen und plötzlichen Wechsel ihrer Lage kein Vertrauen gegenseitig blicken lassen. So saß die ganze Gesellschaft schweigend und niedergeschlagen.

Unterdessen erlitt ihr Herr in der Abgeschiedenheit seines stillen Zimmers Qualen, welche wohl einige von jenen abbüßen konnten, die er über andre verhängt hatte. Er maß das Gemach mit hastigen und ungleichen Schritten, blieb oft stehen und schlug die Hände zusammen, und gab überhaupt einer Bewegung freien Lauf, die er vor Andern so meisterlich zu verbergen wußte. Endlich blieb er, die Hände ringend, der kleinen Thür gegenüber stehen, welche, wie der alte Mornay andeutete, zum Schauplatz der Ermordung eines seiner Vorfahren führte, und allmählig machte er seinen Empfindungen in abgebrochenen Worten Luft.

»Karl der Einfältige – Karl der Einfältige! – Wie wird die Nachwelt Ludwig den Elften nennen, dessen Blut wahrscheinlich bald die Flecken des deinigen auffrischen wird? Ludwig der Narr – Ludwig der Alberne, – Ludwig der Bethörte – lauter Ausdrücke, die viel zu gelind sind, meine ungeheure Dummheit zu bezeichnen! Zu glauben, diese hitzköpfigen Lütticher, denen Rebellion so natürlich wie Essen und Trinken ist, könnten ruhig bleiben – zu träumen, der wilde Eber der Ardennen werde einen Augenblick die Laufbahn seiner trotzigen und blutgierigen Wildheit unterbrechen – zu wähnen, ich würde diesen Karl von Burgund dahin bringen, der Vernunft und verständigen Gründen Gehör zu leihen, so lang' ich noch nicht mit Glück versucht hatte, einem wilden Stier dergleichen verständlich zu machen – Narr, zwiefacher Dummkopf, der ich war! Aber der Schurke Martius soll mir nicht entwischen – er hat das Alles angestiftet, er und der elende Priester, der abscheuliche Balue. Wenn ich je aus dieser Gefahr komme, so will ich ihm den Cardinalshut vom Kopfe reißen, und sollte die Haut des Schädels zugleich daran hängen bleiben! Aber der andre Verräther ist in meinen Händen – noch bin ich König genug – habe noch ein Reich, geräumig genug – um den quacksalbernden, schwatzhaften, sternguckenden, Lügen schmiedenden Betrüger zu bestrafen, welcher zugleich einen Gefangenen und einen Gimpel aus mir gemacht hat! – Die Verbindung der Constellationen – ja, die Verbindung – er schwatzt mir Unsinn vor, den kaum ein dreimalgesottener Schafskopf glauben würde, und ich muß Narr genug sein, und bilde mir ein, ihn zu verstehen! Aber wir werden gleich sehen, was die Verbindung eigentlich bedeutet hat. Doch vor Allem zur Andacht!«

Ueber der kleinen Thür, vielleicht zum Andenken an die That, die dahinter geschehen, befand sich eine Nische und darin ein aus Stein gehauenes Crucifix. – Auf dies Zeichen richtete der König seine Augen, als sei er im Begriff, niederzuknieen; hielt jedoch plötzlich inne, als ob er auf dies heilige Bild die Grundsätze irdischer Politik anwende und es für zu gewagt halte, sich demselben zu nähern, ohne vorher der Fürsprache eines vermeinten Patrons versichert zu sein. Er wandte sich daher vom Crucifix ab, als sei er unwürdig, darauf zu blicken, und indem er von den Bildern, womit, wie oft erwähnt, sein Hut versehen war, das der heiligen Jungfrau von Clery wählte, kniete er davor nieder und sprach das nachstehende außerordentliche Gebet, worin er, wie man bemerken muß, durch seinen groben Aberglauben gewissermaßen verleitet ward, die Jungfrau von Clery für eine ganz andre Person als die Madonna von Embrun zu betrachten, welche letztere eines seiner Lieblingsbilder war, zu welchem er oft seine Gebete richtete.

»Theure Frau von Clery,« rief er, die Hände ringend und sich gegen die Brust schlagend, während er sprach – »heilige Mutter der Barmherzigkeit! du, die du allmächtig bist vor Allen, habe Mitleid mit mir Sünder! Es ist wahr, ich habe dich einige Mal wegen deiner heiligen Schwester von Embrun vernachlässigt; aber ich bin ein König, meine Macht ist groß, mein Reichthum unbeschränkt, und wäre dem nicht so, so wollt' ich lieber die Steuer meiner Unterthanen verdoppeln, als euch beiden meine Schulden nicht bezahlen. Oeffne diese eisernen Thüren, fülle diese schrecklichen Gräben aus, führe mich, wie eine Mutter ihr Kind führt, aus dieser gegenwärtigen und drängenden Gefahr! Wenn ich deiner Schwester die Grafschaft Boulogne gab, um sie für immer zu behalten, habe ich nicht Mittel genug, dir gleiche Ergebenheit zu beweisen? Du sollst die weite und reiche Provinz der Champagne haben; und ihre Weinberge sollen ihren Ueberfluß in dein Kloster strömen. Ich hatte die Provinz meinem Bruder Karl versprochen; aber er, du weißt es, ist todt – vergiftet durch den gottlosen Abt von St. Johannes d'Angley, den ich, wenn ich das Leben habe, strafen will! – Ich versprach dies schon früher einmal, aber diesmal will ich mein Wort halten. – Wenn ich irgend mit um das Verbrechen wußte, so glaube, theuerste Patronin, es geschah nur, weil ich kein andres Mittel wußte, um die Mißvergnügten meines Reiches zu beruhigen. O, rechne mir diese alte Schuld heut nicht an, sondern sei, wie du immer warst, mild, gütig und leicht zu erbitten! Geliebteste Jungfrau, bewege dein Kind, daß er mir alle vergangenen Sünden verzeiht, und eine – eine geringe That, die ich noch diese Nacht thun muß – ja, sie ist keine Sünde, theuerste Frau von Clery – keine Sünde, sondern ein im Stillen verwalteter Akt der Gerechtigkeit; denn der Schurke ist der größte Betrüger, der je Lügen in eines Fürsten Ohr raunte, und der sich überdies der schnöden Ketzerei der Griechen zuneigt. Er verdient deinen Schutz nicht; überlaß ihn meiner Hand, und sieh es für eine gute That an, daß ich die Welt von ihm befreie, denn der Mann ist ein Schwarzkünstler und Hexenmeister, der nicht werth ist, daß du seiner denkst und für ihn sorgst; ein Hund, dessen Lebenslicht auszublasen in deinen Augen eine so geringe That sein muß, als das Austreten eines Funkens, der von einer Lampe fällt oder aus dem Kamine springt. Denke dieser geringen Sache nicht, holdeste, freundlichste Frau, sondern erwäge, wie du mir am besten in meiner Bedrängniß helfen kannst! Und hier drücke ich mein königliches Siegel auf dein Bildniß, zum Zeichen, daß ich mein Wort wegen der Grafschaft Champagne halten will, und daß dies das letzte Mal sein soll, wo ich dir mit blutigen Angelegenheiten zur Last falle, da ich weiß, daß du so freundlich, sanft und mildherzig bist.«

Nach dieser merkwürdigen Uebereinkunft mit dem Gegenstande seiner Verehrung, recitirte Ludwig, scheinbar mit tiefer Andacht, die sieben lateinischen Bußpsalmen und verschiedene Aves und Gebete, die sich vorzüglich auf die Verehrung der heiligen Jungfrau bezogen. Dann stand er auf, zufrieden, sich die Fürsprache der Heiligen, zu der er gebetet, gesichert zu haben, und zwar um so mehr zufrieden, als er schlau überlegte, daß die meisten der Sünden, wofür er ihre Vermittlung bei andern Gelegenheiten erfleht hatte, ganz anderer Art waren, und daß ihn also die Jungfrau von Clery nicht als einen so verhärteten und geübten Blutvergießer ansehen könne, als die andern Heiligen, die er öfter zu Vertrauten seiner blutigen Verbrechen gemacht hatte.

Als er so sein Gewissen gereinigt, oder vielmehr gleich einem Grabstein übertüncht hatte, steckte er seinen Kopf durch die Thür der Halle und rief den Balafré in sein Gemach. »Mein wackrer Krieger,« sagte er, »du hast mir lange gedient und hast wenig Beförderung gehabt. Wir sind hier in einem Falle, wo es meinen Tod oder mein Leben gilt; doch möcht' ich nicht gern als ein undankbarer Mann sterben und eben so wenig, in so weit mir's die Heiligen gestatten, einen Freund oder Feind ohne Vergeltung hinterlassen. Nun hab' ich einen Freund, der belohnt werden soll, das bist du selber – einen Feind, der nach seinen Vergehungen bestraft werden soll, das ist der schlechte verrätherische Schurke Galeotti, der durch Betrügereien und Lügen mich hieher in die Gewalt meines Todfeindes gezogen hat, mit derselben festen Absicht, mir Untergang zu bereiten, die je ein Fleischer hegte, in Bezug auf den Tod des Thiers, das er zur Schlachtbank treibt.«

»Ich will ihn zum Zweikampf fordern, da man sagt, er sei ein Haudegen, obwohl er etwas unbehilflich aussieht,« sagte der Balafré. »Ich zweifle nicht, daß der Herzog, der die Leute gern hat, die ein Schwert zu führen wissen, uns einen guten geräumigen Kampfplatz zuweisen wird; und wenn Eure Majestät so lange lebt und dann Freiheit genießt, so sollt Ihr mich so für Euer Recht fechten und so tüchtige Rache an dem Philosophen nehmen sehn, als Euer Herz nur verlangen kann.«

»Ich lobe Eure Tapferkeit und Ergebenheit in meinem Dienste,« sagte der König. »Aber dieser verrätherische Schuft ist ein tüchtiger Kriegsmann, und ich möchte dein Leben nicht gern daran wagen, mein tapfrer Krieger.«

»Ich wäre kein tapfrer Krieger, mit Ew. Majestät Erlaubniß,« sagte Balafré, »wenn ich nicht bessern Leuten, wie er, zu begegnen wagte. Das würde mir, der weder lesen noch schreiben kann, schön anstehen, wollt' ich mich vor einem fetten Duckmäuser fürchten, der sonst nichts sein Lebenlang gethan hat.«

»Trotzdem,« sagte der König, »ist nicht unser Wille, dich dies wagen zu lassen, Balafré. Dieser Verräther wird auf unsern Befehl jetzt hieher kommen. Wir wollen, daß du bei erster Gelegenheit dich an ihn machst, und ihm eins unter die fünfte Rippe gibst – verstehst du mich?«

»Freilich wohl,« antwortete Balafré; »aber mit Ew. Majestät Erlaubniß, dies ist eine Sache, die gar nicht in mein Fach einschlägt. Ich könnte keinen Hund tödten, wenn er mich nicht angreift, oder verfolgt, oder sonst mir lästig fällt.«

»Ei, du machst doch nicht etwa auf Zartgefühl Anspruch?« sagte der König; »du, der immer bei Sturm und Eroberung voran war, und der, wie ich hörte, immer begierig auf die Freuden und Vortheile war, die bei solcher Gelegenheit durch ein rauhes Herz und blutige Hand gewonnen werden?«

»Herr,« antwortete Le Balafré, »mit bewaffneter Hand hab' ich Eure Feinde weder gefürchtet noch geschont. Und ein Angriff ist eine verzweifelte Sache und bringt Wagnisse mit sich, die eines Mannes Blut so erhitzen, daß er sich, bei St. Andreas, unter ein oder zwei Stunden nicht wieder beruhigt; – und das nenn' ich eine gute Entschuldigung des Plünderns nach einem Sturme. Und Gott sei uns armen Soldaten gnädig, die erst durch Gefahr toll gemacht werden und dann noch toller durch den Sieg. Ich habe von einer Legion gehört, die aus lauter Heiligen bestand; und mich dünkt, die würde gerade genug damit zu thun haben, zu beten und Fürbitte einzulegen für die übrige ganze Armee und für Alle, die Helm und Harnisch, Büffelwams und Schlachtschwert tragen. Aber was Eure Majestät beabsichtigt, schlägt gar nicht in mein Fach, obwohl dies allerdings schon recht umfassend gewesen ist. Was den Astrologen anlangt, wenn er ein Verräther ist, so laßt ihn eines Verräthers Tod sterben – ich mag nur damit nichts zu schaffen haben. Eure Majestät hat den Profoß und zwei seiner Gehilfen draußen, die werden eher mit ihm umspringen dürfen, als ein schottischer Edelmann meiner Abkunft und meines Dienstranges.«

»Wohlgesprochen,« sagte der König; »aber zum wenigsten gehört es zu deiner Pflicht, Unterbrechung zu verhüten und die Vollziehung meines höchst gerechten Urtheils zu schützen.«

»Das will ich gegen ganz Péronne thun,« sagte Le Balafré. »Eure Majestät mag nicht zweifeln, daß ich Alles verrichte, was sich mit meinem Gewissen verträgt, welches ich, zu meiner eignen Bequemlichkeit und für den Dienst Eurer Majestät, zu einer artigen Weise ausdehnen kann – wenigstens weiß ich, daß ich einige Thaten für Eure Majestät gethan, die von der Art sind, daß ich lieber ein Stück von meinem eignen Schwert essen wollte, eh' ich sie für irgend einen andern gethan haben möchte.«

»Laß das gut sein,« sagte der König; »und hör' an – wenn Galeotti eingelassen und die Thür hinter ihm geschlossen ist, so nimm deine Waffe zur Hand und bewache den Eingang von der innern Seite des Gemachs. Laß keinen eindringen – das ist Alles, was ich von dir verlange. Geh jetzt, und schicke den Generalprofoß zu mir.«

Balafré verließ das Zimmer, und in der nächsten Minute trat Tristan l'Hermite von der Halle herein.

»Willkommen, Gevatter,« sagte der König; »was sagst du zu unserer Lage?«

»Was sich von verurtheilten Männern sagen läßt,« antwortete der Generalprofoß, »es wäre denn, daß uns der Herzog Aufschub gäbe.«

»Aufschub oder nicht, er, der uns in diese Falle gebracht hat, soll als unser Fourier nach jener Welt gehen und dort Wohnungen für uns bestellen,« sagte der König mit hämischem, grausamen Lächeln. »Tristan, du hast so manchen Akt der Gerechtigkeit vollzogen – finis – ich sollte wohl sagen funis – coronat opus. Du mußt mir zu diesem Ende beistehen.«

»Ich will's, mein König,« sagte Tristan; »ich bin nur ein schlichter Kerl, aber ich bin dankbar. Ich will meine Schuldigkeit in diesen Mauern wie anderswo thun, und so lang ich lebe, soll Eurer Majestät Hauch eben so mächtig ein Verdammungsurtheil andeuten, und Euer Spruch soll eben so buchstäblich vollzogen werden, als wenn Ihr auf Eurem eignen Throne säßet. Die Stunde nachher mag man mit mir machen, was man will – mich kümmert's nicht.«

»So hab' ich es von dir erwartet, mein guter Gevatter,« sagte Ludwig; »doch hast du gehörigen Beistand? – Der Verräther ist stark und kräftig, und wird wahrscheinlich nach Hilfe schreien. Der Schotte wird nichts thun, als die Thür bewachen; und auch dahin bracht' ich ihn nur durch Schmeichelei und freundliches Zureden. Oliver sodann taugt zu weiter nichts, als zum Lügen, Schmeicheln und gefährliche Rathschläge anzugeben; und, Ventre Saint-dieu! ich halt' es für wahrscheinlicher, daß er den Strick einst selber verdienen, als ihn andern anlegen wird. Glaubt Ihr Leute und Mittel genug zu haben, um das Werk gehörig und sicher zu vollbringen?«

»Ich habe Trois-Eschelles und Petit-André bei mir,« sagte er – »Leute, so erfahren in ihrem Amte, daß sie von drei Männern einen aufhängen könnten, eh' es seine beiden Gefährten inne wären. Und wir Alle haben beschlossen, mit Eurer Majestät zu leben oder zu sterben, da wir wissen, daß wir so wenig Athem werden zu holen haben, sobald der Eure vorbei ist, als nur je einem unsrer Patienten gestattet ward. – Aber wer ist für jetzt Euer Gegenstand, wenn Eure Majestät erlaubt? Ich bin gern meines Mannes gewiß; denn, wie sich Eure Majestät wohl erinnern wird, ich habe mich einigemal in dem Verbrecher geirrt und statt seiner einen ehrlichen Taglöhner aufgeknüpft, der Eure Majestät nicht beleidigt hatte.«

»Sehr wahr,« sagte der Andere. »Wisse denn, Tristan, daß die verurtheilte Person Galeotti ist. – Ihr staunt, aber es ist ganz, wie ich sage. Der Schuft hat uns durch falsche und verrätherische Vorspiegelungen hieher gelockt, um uns wehrlos in die Hände des Herzogs von Burgund zu liefern.«

»Aber nicht ohne Rache!« sagte Tristan; »wäre es die letzte Handlung meines Lebens, ich wollt ihn noch stechen wie die sterbende Wespe, sollt' ich auch im nächsten Augenblick zermalmt werden!«

»Ich kenne deinen treuen Sinn,« sagte der König, »so wie das Vergnügen, welches du, wie andre gute Menschen, im Vollbringen deiner Pflicht findest, da ja die Tugend, wie die Gelehrten sagen, ihr eigner Lohn ist. Doch jetzt entferne dich, und mache deine Priester des nahenden Opfers gewärtig.«

»Wünscht Ihr, daß es in Eurer Gegenwart geschieht, mein gnädigster Herr?« sagte Tristan.

Ludwig lehnte dies Anerbieten ab; aber er empfahl dem Generalprofoß, Alles für die pünktliche Ausführung seines Befehls in dem Augenblicke, wo der Astrolog sein Zimmer verlassen würde, bereit zu halten; »denn,« sagte der König, »ich will diesen Schuft noch einmal sehen, um zu beobachten, wie er sich gegen den Herrn benimmt, den er in diese Klemme gebracht hat. Ich werde mit Vergnügen das Gefühl des nahenden Todes die Farbe von seinen rothen Wangen scheuchen und das Auge trüben sehen, welches lachte, als er log. – O, daß noch ein andrer mit ihm da wäre, dessen Rathschläge seine Weissagungen unterstützten! Aber wenn ich dies überlebe – dann hütet Euren Scharlach, mein Herr Cardinal! denn Rom soll dich wenig schützen – das sei gesagt mit Vergünstigung St. Peters und unsrer gepriesenen Frau von Clery, welche lauter Barmherzigkeit ist. – Was zögert Ihr? Geht und macht Eure Gehilfen bereit. Ich erwarte den Schurken augenblicklich. Ich flehe zum Himmel, daß er nicht Verdacht schöpfe und ausbleibe! – Das wäre fürwahr ein Strich durch die Rechnung. An's Werk, Tristan – du warst sonst nie so träge, wenn es Geschäfte galt.«

»Im Gegentheil, wenn Eure Majestät erlaubt, Ihr pflegtet immer zu sagen, ich sei zu schnell, mißverstände Eure Absicht und geriethe an den Unrechten. Nun, gefällt es Euch, mir ein Zeichen zu geben, und zwar im Augenblicke, wenn Ihr von Galeotti Abschied für die Nacht nehmt, ob das Geschäft vor sich gehen soll, oder nicht? Ich weiß, daß Eure Majestät einige Mal einen andern Entschluß faßte, und daß Ihr mich dann wegen Uebereilung schaltet.«

»Du argwöhnisches Wesen,« antwortete der König, »ich sage dir, daß ich meinen Entschluß nicht ändern werde: – aber um deine Besorgnisse zum Schweigen zu bringen, so gib acht; wenn ich zu dem Schelm beim Abschied sage: es ist ein Himmel über uns! dann vollziehst du dein Geschäft; aber wenn ich sage: Geh in Frieden! dann weißt du, daß ich meinen Sinn geändert habe.«

»Mein Kopf ist in dergleichen etwas schwer von Begriffen,« sagte Tristan l'Hermite. »Erlaubt, daß ich mich überhöre. – Wenn Ihr ihn in Frieden scheiden heißt, dann soll ich mich an ihn machen?«

»Nein, nein – Narr, nein!« sagte der König; »in diesem Falle laßt Ihr ihn frei passiren. Aber wenn ich sage: Es ist ein Himmel über uns! dann aufwärts mit ihm, um einen oder zwei Schritte näher zu den Planeten, mit denen er so gut Bescheid weiß.«

»Ich wünsche, daß wir die Mittel hier haben,« sagte der Profoß.

»Nun denn, auf mit ihm, oder nieder mit ihm, das gilt gleich,« antwortete der König, grimmig lächelnd.

»Und der Körper,« sagte der Profoß, »was sollen wir mit dem anfangen?«

»Laßt uns überlegen,« sagte der König – »die Fenster der Halle sind zu eng; aber dies Erkerfenster ist weit genug. Wir stürzen ihn hinunter in die Somme und heften ein Papier auf seine Brust mit den Worten: Laßt die Gerechtigkeit des Königs zollfrei passiren. Des Herzogs Beamte mögen ihn für die Gebühren auffischen, wenn sie's wagen.«

Der Generalprofoß verließ das Zimmer Ludwigs, und berief seine beiden Gehilfen zu einer Rathversammlung in eine Vertiefung der großen Halle, wo Trois-Echelles eine Fackel an der Wand befestigte, um den Raum zu erhellen. Sie unterhielten sich flüsternd, kaum bemerkt von Oliver le Dain, der sehr niedergeschlagen und nachdenkend schien, und eben so wenig vom Balafré, der fest schlief.

»Kameraden,« sagte der Profoß zu seinen Henkerknechten, »vielleicht meinet Ihr, Euer Beruf wäre vorüber, oder zum wenigsten würden wir mehr die Gegenstände der Amtspflicht Andrer sein, als daß wir die unsre noch an Andern üben sollten. Aber Muth, meine Freunde! unser gnädiger Herr hat uns noch ein edles Stück Arbeit aufbewahrt, und es muß wacker vollbracht werden, als von Männern, die in der Geschichte leben wollen.«

»Ja, ich merke, was es betrifft,« sagte Trois-Echelles, »unser Patron gleicht den alten römischen Kaisern, die, wenn die Sachen bei ihnen zum Aeußersten, oder, wie wir sagen würden, zum Fuße der Leiter kamen, unter ihren eignen Dienern der Gerechtigkeit einen erfahrnen Mann auszuwählen pflegten, der ihre heiligen Personen vor den linkischen Versuchen eines Neulings oder Stümpers in unsern Geheimnissen bewahrte. Es war eine hübsche Gewohnheit für Heiden; aber als guter Katholik würde ich einiges Bedenken tragen, meine Hand an den allerchristlichsten König zu legen.«

»Nein, Bruder, du bist aber auch immer zu bedenklich,« sagte Petit-André. »Wenn er Brief und Siegel für seine eigne Hinrichtung ausstellt, so seh' ich nicht ein, warum wir uns bei unserm Amte bedenken sollen. Wer zu Rom wohnt, muß dem Papste gehorchen – des Profoß Leute müssen ihres Herrn Befehl befolgen, und er den des Königs.«

»Still, Ihr Schelme!« sagte der Generalprofoß, »es ist durchaus nichts in Bezug auf des Königs Person im Werke, sondern es betrifft nur den griechischen, ketzerischen Heiden und mohamedanischen Hexenmeister Martius Galeotti.«

»Galeotti!« antwortete Petit-André; »das geschieht ganz natürlich. Ich kannte noch keinen dieser Marktschreier, die ihr Leben, so zu sagen, tanzend auf einem straffen Seile verbringen, der nicht endlich dasselbe baumelnd am schlaffen Seile schloß.«

»Mir geht nur nahe,« sagte Trois-Echelles, aufwärts blickend, »daß die arme Kreatur ohne Beichte sterben muß.«

»Ach, was da!« erwiderte der Generalprofoß, »er ist ein verwerflicher Ketzer und Schwarzkünstler – ein ganzes Collegium von Priestern könnte ihn von der verdienten Verdammniß nicht lossprechen. Ueberdieß, wenn ihn darnach gelüstet, so hast du ein Talent, Trois-Echelles, ihm als geistlicher Vater zu dienen. Aber, was wesentlicher ist, ich fürchte, Ihr werdet Eure Dolche brauchen müssen, meine Freunde; denn es fehlt Euch hier an gehöriger Bequemlichkeit, um Euren Beruf zu üben.«

»Ei, das verhüte unsre Frau von der Insel zu Paris,« sagte Trois-Echelles, »daß mich des Königs Befehl ohne mein Handwerkszeug finden sollte! Ich trage stets des heiligen Franziskus Strick um meinen Leib, viermal herumgewunden, sammt einer hübschen Schlinge am vordern Ende; denn ich bin von der Gesellschaft des heiligen Franz, und ich kann seine Ordenskleidung tragen, wenn es mit mir zum letzten kommt – Dank sei Gott und den guten Vätern von Saumur.«

»Und was mich betrifft,« sagte Petit-André, »ich trage in meiner Tasche stets eine bequeme Rolle oder Winde und einen Schraubenhaspen, um sie zu befestigen, wo ich will, falls wir reisen sollten, wo Bäume selten sind, oder wo ihre Aeste zu hoch vom Boden stehen. Ich habe das als sehr nützlich erprobt.«

»So wird es wohl sein,« sagte der Generalprofoß; »Ihr braucht nur Euren Haspen in jenen Sims über der Thür zu schrauben, um das Seil darüber zu legen. Ich werde den Burschen an derselben Stelle im Gespräch festhalten, bis Ihr die Schlinge unter seinem Kinn habt, und dann –«

»Und dann ziehen wir das Seil auf,« sagte Petit-André, »und unser Astrolog ist so weit zum Himmel, daß er keinen Fuß auf Erden hat.«

»Aber jene Herren,« sagte Trois-Echelles, nach dem Kamin blickend, »werden die uns nicht helfen, und so ein Handgeld in unserm Beruf verdienen?«

»Hm! nein,« antwortete der Profoß; »der Barbier ersinnt bloß Unheil, welches er andre Leute vollbringen läßt; und der Schotte bewacht die Thür, während die Handlung vor sich geht, an welcher er aus Mangel an Geist und Geschick nicht thätigern Antheil nehmen kann – jeder in seinem Fache!«

Mit unendlicher Geschicklichkeit und sogar mit einer Art von Vergnügen am Beruf, welches das Gefühl ihrer eignen prekären Lage milderte, brachten die würdigen Vollstrecker der Befehle des Profoß ihr Seil und ihre Winde an, um das Urtheil zu vollziehen, welches von dem gefangenen Monarchen über Galeotti gesprochen war – und sie schienen entzückt, daß ihre letzte Handlung mit ihrem frühern Leben so im Einklange stand. Tristan l'Hermite schaute ihrem Verfahren mit Vergnügen zu, während ihnen Oliver keinerlei Aufmerksamkeit schenkte; Ludwig Lesly aber sah, wenn er, vom Geräusch erwacht, auf alles dies überhaupt einen Blick warf, die Sache nur an, als etwas, was mit seiner eignen Pflicht in gar keinem Zusammenhange stand, und wofür er auch auf keinerlei Weise verantwortlich sein konnte.



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