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Mein Kampf gleicht dem des Schiffes in den Wogen,
Entgegen ist der Wind, es hat nicht Kraft,
Der wilden Strömung stark zu widersteh'n.
So streb' ich Tag für Tag, der Sünde zu entflieh'n;
Doch reißt Gewohnheit, Trieb mich stets von Neuem
In's wilde Meer zurück! – O, Himmelshauch!
Mein Segel schwelle, steh' dem Schiffe bei,
Mit dir allein gewinnt's der Ruhe Hafen.
Altes Schauspiel.
Cleveland und sein Freund Bunce stiegen den Hügel einige Zeit schweigend hinab, bis endlich der Letztere die Unterhaltung wieder erneuerte.
»Ihr habt Euch des Menschen Wunde mehr zu Herzen genommen, als nöthig ist, Capitain – ich habe es erlebt, daß Ihr mehr thatet, und weniger darüber nachdachtet.«
»Nicht bei einer so geringen Beleidigung, Jack,« erwiderte Cleveland; »überdieß rettete mir der Bursch' das Leben, und wenn ich ihm gleich seinen Dienst vergalt, so hätten wir doch nicht so aneinander kommen sollen; aber ich hoffe, daß jene Frau ihm Hülfe geleistet hat, da sie eine große Kenntniß von den Kräften der Kräuter hat.«
»Und Macht über Krautköpfe, Capitain,« sagte sein Freund; »denn dazu werde ich Euch rechnen müssen, wenn Ihr über diesen Gegenstand noch mehr nachdenkt. Daß ein junges Frauenzimmer Euch den Kopf gedreht hat – nun, das geschieht manchem ehrlichen Manne; aber daß Ihr Euch die Mummereien einer Alten im Kopfe herumgehen laßt, ist eine zu große Thorheit, als daß man sie selbst einem Freunde nachsehen könnte. Sprecht mir von Eurer Minna, oder wie sie heißt, so viel vor, als Ihr wollt, aber Ihr habt kein Recht, Eurem treuen Schildknappen mit Eurer Bettel-Zauberin den Kopf warm zu machen. Und jetzt sind wir hier wieder unter den Buden und Zelten, welche diese guten Leute aufschlagen – wir wollen einmal sehen, ob wir uns nicht unter ihnen allerhand Spaß und närrisches Zeug machen können. In dem lustigen England würden wir bei einer solchen Gelegenheit zwei oder drei herumziehende Schauspielerbanden, eben so viel Feuerfresser und Beschwörer, und eben so viel Ausstellungen von wilden Thieren sehen; aber hier bei diesen ernsten Leuten schmeckt Alles nach Geschäft und Waare – wahrhaftig, man hört nicht einmal einen lustigen Schrei von einem tollen Gevatter Hanswurst und seiner Rippe Joan.«
Während Bunce dieß sprach, warf Cleveland seine Augen auf einige sehr bunte Kleider, die mit anderen Gegenständen an einer Bude hingen, welche ungleich mehr äußere Verzierung und Schmuck, als die übrigen, aufzuweisen hatte. Vorn an derselben war ein kleiner Schild von bemalter Leinwand, auf welchem die verschiedenen Gegenstände, welche der Eigenthümer der Bude, Bryce Snailsfoot, zu verkaufen hatte, zu sehen waren, so wie die mäßigen Preise, zu denen er sie dem Publikum anbot. Zu mehrerer Ergötzlichkeit der Beschauer war auf der Rückseite des Schildes eine allegorische Darstellung angebracht, worauf die ersten Aeltern des Menschengeschlechts in ihrem Blättergewande mit folgender Legende zu sehen waren:
Der Sünder, dem die Schlange Sünd' erweckt,
Ist froh, daß ihn das Blatt des Baumes deckt.
Auf Shetland fehlen Blätter sehr,
Dieweil dieß Land an Bäumen leer;
Doch Flachs und Wolle haben wir
Zu Hemden und Gewändern hier.
Auch sendet uns das Ausland dann,
Was nur der Mensch sich wünschen kann.
D'rum, Lambmaßbrüder
Es war an der Sanct Olaus-Messe in Kirkwall ein alter Gebrauch, daß die jungen Leute vom geringen Stande und beiderlei Geschlechtes sich paarweise während der Dauer der Messe zusammengesellten, und dergleichen Paare nannte man
Lambmas, Bruder und Schwester. Man wird leicht einsehen, daß eine solche Vertraulichkeit öfters Mißbräuche herbeiführte, was auch gerade daraus hervorgeht, daß man behauptet, es sei wenig Scandal aus den gelegentlichen Unbescheidenheiten entsprungen., frisch zu mir,
Und Lambmaßschwestern, schauet hier,
Was ich zu Markt getragen habe,
Daß Euer Herz sich d'ran erlabe.
Während Cleveland diese trefflichen Reime las, die ihn an Claudius Halcro erinnerten, – da sie wahrscheinlich ihm, dem Hofdichter der Insel, der mit seinem Talente Groß und Klein jederzeit zu Gebote stand, ihren Ursprung verdankten, begann der würdige Eigenthümer der Bude, welcher einen Blick auf ihn geworfen hatte, mit zitternder Hand einige von den Kleidern wegzunehmen, die er, da der Verkauf erst am folgenden Tage begann, entweder um sie zu lüften, ausgelegt hatte, oder um die Bewunderung der Beschauer zu erregen.
»Meiner Treu', Capitain,« flüsterte Bunce Cleveland zu, »Ihr müßt den Kerl einmal in Euren Klauen gehabt haben: er denkt noch an Euern ersten Griff und fürchtet den zweiten. Seht einmal, wie schnell er seine Waaren wegränmt, da er Euch gesehen hat.«
» Seine Waaren!« sagte Cleveland, indem er genauer hinsah; »beim Himmel, das sind meine Kleider, die ich in der Kiste in Jarlshof zurückließ, als die Rache dort strandete. – Bryce Snailsfoot, du Dieb, Hund, Schuft, was soll denn das Alles bedeuten? Hast du noch nicht genug durch wohlfeilen Einkauf und theuern Verkauf verdient, daß du dich auch meines Koffers und meiner Kleider bemächtigt hast?«
Bryce Snailsfoot, der sonst wohl seinen Freund, den Capitain, gern übersehen haben würde, ward durch die Lebhaftigkeit dieses Angriffs gezwungen, seine Aufmerksamkeit auf ihn zu richten. Vorher aber flüsterte er seinem kleinen Knaben, der ihn gewöhnlich begleitete, zu: »Lauf' nach dem Rathhause, Jarto, und sage dem Bürgermeister und den Schöppen, sie möchten sogleich einige von den Gerichtsdienern herschicken, denn hier werde es auf dem Markte vielleicht bunt hergehen.«
Nachdem er dieß bestellt und seinem Befehle noch durch einen Stoß in den Rücken seines Boten größeren Nachdruck gegeben hatte, so daß dieser über Hals und Kopf aus der Bude stürzte, wandte sich Bryce Snailsfoot zu seinem alten Bekannten, und rief mit großem Wortgepränge und gewaltigen Geberden, was man in Shetland »Wesen machen« nennt, aus: »Gott sei uns gnädig! Der wackere Capitain Cleveland, um den wir Alle uns so gegrämt haben, ist also zu unserer Herzensfreude wieder da! Thränen habe ich um Euch geweint (hier wischte sich Bryce die Augen), und bin herzlich froh, Euch Euren bekümmerten Freunden wiedergegeben zu sehen!«
»Meinen bekümmerten Freunden, du Schurke!« sagte Cleveland; »ich will dir kräftigern Grund zur Bekümmerniß geben, als du meinetwegen wohl je gehabt hast, wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, wo du alle meine Kleider gestohlen hast?«
»Gestohlen!« rief Bryce aus, indem er seine Augen emporschlug; »der Himmel sei uns gnädig! Der arme Herr hat in dem gewaltigen Sturme seinen Verstand verloren.«
»Niederträchtiger Schurke!« sagte Cleveland, indem er den Stock aufhob, den er in der Hand hatte; »glaubst du, mich durch deine Unverschämtheit so hinter's Licht führen zu können? Wenn du einen ganzen Kopf auf deinen Schultern und deine Knochen noch einige Minuten länger ganz behalten willst, so sage mir sogleich, wo zum Teufel du meine Garderobe gestohlen hast?«
Bryce Snailsfoot wiederholte noch einmal den Ausruf: »Gestohlen! Der Himmel sei uns gnädig!« warf aber zugleich, da er wußte, daß der Capitain mit der Ausführung seiner Entschlüsse nicht zu zögern pflegte, einen ängstlichen Blick nach der Stadt, um zu sehen, ob die träge Hülfe der bürgerlichen Macht noch nicht zu seinem Beistande herankäme.
»Ich fordere auf der Stelle Antwort,« sagte der Capitain mit erhobener Waffe, »oder ich schlage dich windelweich, und werfe alle deine Lumpen hier auf die Erde.«
Meister John Bunce, der die Sache als einen herrlichen Spaß betrachtete, und dem sie eben deßwegen Vergnügen machte, weil sie Cleveland in Zorn brachte, ergriff des Capitains Arm, und nahm, ohne ihn an der Ausführung seiner Drohung gerade ganz hindern zu wollen, an dem Handel nur etwa so viel Antheil, als nöthig war, eine so anziehende Erörterung noch einige Zeit zu verlängern. »Laß doch den ehrlichen Mann reden, Kamerad,« sagte er; »er hat ein so schönes spitzbübisches Gesicht, als je auf niederträchtigen Schultern stand, und was er da sagt, sind gerade die ächten Rednerblumen, bei denen man das Tuch ganz vortrefflich um einen Zoll zu kurz messen kann. Sodann müßt Ihr auch bedenken, daß Ihr Beide von einem Gewerbe seid – er mißt mit der Elle, Ihr mit dem Schwert, und so wollen wir ihn wenigstens nicht eher in Stücke hauen, als bis er gehörig Raum und Zeit gehabt hat, sich mit uns zu messen.«
»Du bist ein Narr!« sagte Cleveland, indem er seinen Freund abzuschütteln suchte. »Laß mich los, denn beim Himmel, ich will den Kerl handhaben!«
»Haltet ihn fest,« sagte der Hausirer, »guter, lieber, lustiger Herr, haltet ihn fest!«
»So sage aber auch etwas zu deiner Vertheidigung,« sagte Bunce, »brauche dein Maulwerk, Mensch, schwatze, oder, bei meiner Seele, ich lasse ihn los.«
»Er sagt, ich hätte diese Sache gestohlen,« sagte Bryce, der sich jetzt so sehr in die Enge getrieben sah, daß er sich wohl vertheidigen mußte. »Wie konnte ich sie aber stehlen, da sie durch ehrlichen und rechtlichen Kauf mein geworden sind?«
»Kauf! Du lumpiger Landstreicher!« sagte Cleveland: »wem konntest du meine Kleider abzukaufen dich unterstehen? Oder wer hatte die Unverschämtheit, sie dir zu verkaufen?«
»Die würdige Gläubige, Frau Swertha, die Haushälterin zu Jarlshof, welche sich als die Vollstreckerin Eures letzten Willens benahm,« sagte der Hausirer, »und daß es ihr sehr nahe ging, kann ich wohl sagen.«
»Und deßwegen wollte sie sich wahrscheinlich durch den Ertrag trösten,« sagte der Capitain, »aber wie konnte sie denn Sachen verkaufen, die ihr zur Aufbewahrung übergeben worden waren?«
»Ach, die gute Frau hatte die beste Absicht dabei!« sagte der Hausirer, der die Erörterung bis zur Ankunft der gerichtlichen Hülfe verlängern wollte; »und wenn Ihr nur auf vernünftige Gründe hören wollet, so bin ich erbötig, Euch über die Kiste und den Inhalt derselben Rechenschaft zu geben.«
»Nun, so sprich, und laß deine verdammten Winkelzüge weg,« sagte Capitain Cleveland. »Wenn du nur im Geringsten beweisen kannst, daß du einmal in deinem Leben ehrlich gehandelt hast, so sollst du auch keine Prügel bekommen.«
»Nun seht einmal, edler Capitain,« sagte der Hausirer, brummte dabei für sich hin: »Hol' der Henker Patrick Petersons böses Knie, sie werden gewiß auf den alten unnützen, lahmen Kerl warten müssen,« und fuhr dann laut fort: »Das Land, seht Ihr, ist in großer – sehr großer – außerordentlich großer Bestürzung. Ew. Gnaden wurden vermißt, die von Allen, Groß und Klein, geliebt wurden – rein vermißt – nichts von Euch zu hören – verschwunden – verschollen – todt – verstorben.«
»Du sollst mich zu deinem Verderben nur zu sehr am Leben finden!« sagte der leicht reizbare Capitain.
»Aber, so habt doch Geduld – Ihr laßt Niemanden zu Worte kommen,« sagte der Jagger; »dann war der junge Bursche, Mordaunt Mertoun ...«
»Ha!« sagte der Capitain, »was ist mit dem?«
»Nichts von ihm zu sehen, noch zu hören – rein weggestoben – ein verlorener Mensch – wahrscheinlich von der Klippe in das Meer gestürzt – war immer sehr wagehälsig. Ich habe mit ihm oft um Pelzwerk und Federn gehandelt, das er gegen Pulver und Schrot und dergleichen vertauschte, und nun ist er fort – dahin – gänzlich verschwunden, wie der letzte Zug aus eines alten Weibes Tabakspfeife.«
»Aber was hat denn das Alles mit des Capitains Kleidern zu thun, mein lieber Freund?« sagte Bunce, »jetzt werde ich Euch selbst durchprügeln müssen, damit Ihr zur Sache kommt.«
»Nun, nun, – nur Geduld, Geduld!« sagte Bryce, indem er eine Bewegung mit der Hand machte; »Ihr werdet alles Das zeitig genug hören. Nun, da sind also zwei Leute weg, wie ich eben sagte, und nun noch das Unglück in Burgh-Westra, wegen Fräulein Minna's Krankheit ...«
»Bringe sie nicht in deine Späße, Schurke,« sagte Cleveland mit zwar nicht so lautem, aber deßhalb um so tiefer empfundenem, verbissenem Unwillen; »denn wenn du es wagst, anders als in dem Tone der höchsten Ehrerbietung von ihr zu reden, so haue ich dir die Ohren vom Kopfe, und du sollst sie auf der Stelle verzehren müssen.«
»Ha, ha, ha,« lachte der Hausirer halblaut, »das wäre ein schöner Spaß! Ihr beliebt zu scherzen. Nun aber, von Burgh-Westra nichts zu sagen, so ist noch der Mann in Jarlshof, der alte Mertoun, Mordaunts Vater, von dem die Leute glaubten, daß er so fest an den Ort gebannt sei, wo er wohnt, wie Sumburgh-Head selbst, der ist auch weg, so gut wie die Uebrigen, von denen ich eben gesprochen habe. Und dann ist Magnus Troil (mit Ehren zu melden) auch aufgebrochen, und der spaßhafte Meister Claudius Halcro ebenfalls zu Boot gegangen, das er schlechter, als irgend Jemand auf Shetland steuert, da er den Kopf immer voll von Reimen hat, und der Verwalter ist ebenfalls auf den Füßen – der schottische Verwalter, der immer von Gräben und Graben und dergleichen unnützen Dingen spricht, welche nichts einbringen – nun, der ist auch in Bewegung, so daß man gewissermaßen sagen könnte, die eine Hälfte des Festlandes von Shetland sei verloren gegangen, und die andere Hälfte laufe herum und suche sie – schreckliche Zeiten!«
Capitain Cleveland hatte bis dahin seinen Unwillen unterdrückt, und der ganzen Rede des würdigen Krämers zwar mit Ungeduld, aber doch nicht ohne Hoffnung zugehört, etwas zu erfahren, das ihn näher angehen könnte. Allein jetzt wurde sein Gefährte ungeduldig. »Die Kleider!« rief er aus, »die Kleider, die Kleider!« wobei er eine jede Wiederholung der Worte mit einer Bewegung des Stockes begleitete, so daß dieser ziemlich dicht bei den Ohren des Hausirers vorbeisaus'te, ohne ihn jedoch wirklich zu berühren.
Der Jagger, welcher bei jeder dieser Bewegungen zusammenfuhr, schrie dabei immer fort: »Aber Herr, lieber Herr, werther Herr, was die Kleider betrifft – so fand ich die gute Frau in solcher Betrübniß über ihren alten Herrn, ihren jungen Herrn, und über den würdigen Capitain Cleveland, wegen des Unglücks in des würdigen Voigts Familie, wegen der Noth des großen Voigtes selbst – und des Verwalters, und in Rücksicht auf Claudius Halcro und andere Beweggründe und Rücksichten. So vereinigten wir denn unsere Sorgen, und vermischten unsere Thränen, wie es in der Schrift heißt, bei einer Flasche, und riefen den Ranzelmann zur Berathung, einen ehrenwerthen Mann, Niel Ronaldson mit Namen, der in sehr gutem Rufe steht.«
Hier kam der Stock ihm so nahe, daß er sein Ohr wirklich ein wenig berührte; der Jagger fuhr zurück, und die Wahrheit, oder das, was er wenigstens dafür angesehen wissen wollte, entfuhr ihm, ohne weitere Umschweife, wie ein Kork nach vielem unnützen Zischen endlich aus einer Flasche Sprossenbier herausfährt.
»Nun, was zum Teufel wollt Ihr denn mehr wissen? Die Frau hat mir die Kiste Kleider verkauft; sie sind mein durch den Kauf, und darauf will ich leben und sterben.«
»Mit andern Worten,« sagte Cleveland, »diese habsüchtige alte Hexe hat die Unverschämtheit gehabt, etwas zu verkaufen, das ihr nicht gehörte, und du, ehrlicher Bryce Snailsfoot, warest gewissenlos genug, es zu kaufen.«
»Aber mein Gott, Capitain,« sagte der gewissenhafte Hausirer, »was sollten wir armen beiden Leute denn thun? Ihr, dem die Sachen gehörten, waret fort, Junker Mordaunt, welchem sie zum Aufbewahren gegeben wurden, war ebenfalls fort, die Sachen waren feucht, fingen an von Würmern zerfressen zu werden, zu verstocken, und so ...«
»Und so verkaufte sie die alte Diebin, und Ihr kauftet sie, wahrscheinlich, damit sie nicht gänzlich verdürben,« sagte Cleveland.
»Ja wohl,« sagte der Kaufmann; »ich denke, edler Capitain, das war gerade unsere Absicht dabei.«
»Nun denn, du unverschämter Schurke,« sagte Cleveland, »so höre! Ich will meine Hände nicht mit dir besudeln, oder hier Lärm machen ...«
»Das hat seinen guten Grund, Capitain, ja, ja!« sagte der Hausirer mit schlauer Miene.
»Ich schlage dir alle Knochen entzwei, wenn du noch ein einziges Wort sagst,« erwiderte Cleveland. »Noch einmal sage ich dir – ich will dir ganz billige Bedingungen stellen: gib mir die schwarze lederne Brieftasche mit dem Schlosse, die Börse mit den Dublonen, und einige von den Kleidern, die ich brauche, zurück, und du kannst das Uebrige in's Teufels Namen behalten.«
»Dublonen!« rief der Hausirer aus, indem er die Stimme doppelt laut erhob, um sein äußerstes Erstaunen auszudrücken.
»Was weiß ich von Dublonen? Ich habe um Kleider und nicht um Dublonen gehandelt; waren in der Kiste wirklich Dublonen, so wird sie Swertha gewiß für Ew. Gnaden in sichern Verwahrsam genommen haben; die Feuchtigkeit schadet ja dem Golde nicht, wie Ihr wißt.«
»Gib mir meine Brieftasche und meine Sachen wieder, schändlicher Dieb,« sagte Cleveland, »oder ich schlage dir ohne Weiteres den Hirnschädel ein!«
Der verschmitzte Jagger, der unterdessen die Augen umhergeworfen hatte, sah, daß die Hülfe, in der Gestalt von sechs Gerichtsdienern, nahe war; denn mehrere Händel mit dem Schiffsvolke des Kapers hatten die Obrigkeit von Kirkwall von der Nothwendigkeit überzeugt, ihre Polizei-Abtheilungen zu verstärken, wenn diese Fremden mit in die Sache verwickelt waren.
»Behaltet nur den Dieb für Euch, ehrenwerther Capitain,« sagte der Jagger, durch die Annäherung der bürgerlichen Macht dreister gemacht; »denn wer weiß, wie Ihr selbst zu alle den schönen Sachen und Geschichten gekommen seid?«
Diese Worte wurden mit einem so herausfordernden, schlauen Spotte in Ton und Blick gesagt, daß Cleveland sich nicht länger halten konnte, sondern den Jagger beim Kragen nahm, ihn über den Zahltisch herüberriß, der mit allen darauf liegenden Waaren in dem Handgemenge umstürzte, und, ihn mit der einen Hand haltend, ihm mit der andern und mit seinem Stocke eine derbe Tracht Prügel aufzählte. Alles dieß geschah mit so großer Schnelligkeit und solchem Nachdrucke, daß Bryce Snailsfoot, obgleich selbst ein starker Mann, durch die Lebhaftigkeit des Angriffes ganz außer Fassung gebracht, keinen andern Widerstand entgegensetzte, als daß er nach Beistand brüllte. Die träge Hülfe kam endlich herbei; die Polizeidiener suchten Clevelands habhaft zu werden, und ihre vereinten Bemühungen brachten es endlich dahin, daß er den Hausirer losließ und sich nun gegen sie wandte, sich gegen ihren Angriff zu vertheidigen. Dieß geschah mit ungemeiner Stärke, Entschlossenheit und Gewandtheit, wobei sein Freund, John Bunce, ihn treulich unterstützte, der mit unendlicher Freude die Prügel gesehen hatte, welche der Hausirer bekam, und jetzt wacker kämpfte, um seinen Freund gegen die bösen Folgen seines Schrittes zu sichern. Da indeß seit einiger Zeit zwischen den Stadtbewohnern und der Mannschaft des Kapers eine immer wachsende Feindschaft bestand, so hatten sich die Ersteren, von dem unverschämten Betragen der Seeleute erbittert, das Wort gegeben, Alle für Einen zu stehen, und die bürgerliche Macht bei allen solchen Händeln künftig thätig zu unterstützen, so daß am Ende für die Constablers so viel Hülfe herbei kam, daß Cleveland, nachdem er mannhaft gestritten hatte, zu Boden gerissen und verhaftet wurde. Sein glücklicherer Gefährte hatte sich aus dem Staube gemacht, sobald er sah, daß das Schicksal des Tages sich gegen sie entscheiden würde.
Clevelands stolzes Herz, das selbst bei seiner Verderbtheit noch immer eine gewisse ursprüngliche Großartigkeit des Gefühls bewahrte, wollte brechen, als er sich in diesem Streite übermannt sah – als man ihn wie einen Gefangenen in die Stadt schleppte, und durch die Straßen mit ihm nach dem Rathhause eilte, wo die Magistratspersonen des Fleckens zu Rathe saßen. Die Wahrscheinlichkeit der Einkerkerung, mit allen ihren Folgen, stand ihm jetzt deutlich vor seiner Seele, und er verfluchte hundertmal seine Thorheit, nicht lieber die Schurkerei des Hausirers mit Stillschweigen übersehen, als sich in diesen gefährlichen Handel verwickelt zu haben.
In dem Augenblicke, wo man sich dem Stadthause näherte, welches in der Mitte der kleinen Stadt liegt, erlitt die ganze Lage der Dinge durch ein neues und ganz unerwartetes Ereigniß eine plötzliche Veränderung.
Bunce, der durch seine schnelle Entfernung sowohl sich selbst, als seinem Freunde einen Dienst zu leisten gedachte, eilte mit möglichster Schnelligkeit nach dem Hafen, wo das Boot des Kapers lag, und rief den Quartiermeister und die Mannschaft zu Clevelands Beistand auf. Diese betraten jetzt den Schauplatz, ein Haufe wilder Wagehälse, wie es ihrem Gewerbe zukam, mit Gesichtern, welche die Sonne der Wendekreise, unter denen sie jenem nachgegangen waren, tief gebräunt hatte. Sie warfen sich auf einmal in's Gedränge, hieben mit ihren Querhölzern rechts und links um sich her, bahnten sich einen Weg zu Cleveland, befreiten diesen schnell aus den Händen der Polizeidiener, welche auf einen so wüthenden und so plötzlichen Angriff unvorbereitet waren, und trugen ihn im Triumphe nach dem Quai, wobei sich zwei oder drei von den Seeleuten von Zeit zu Zeit umdrehten, das Volk zurückzudrängen, dessen Versuche, den Gefangenen wieder in seine Gewalt zu bekommen, indeß um so weniger nachdrücklich waren, als Jene, außer den weniger tödtlichen Waffen, deren sie sich bis jetzt allein bedienten, größtentheils auch Pistolen und Säbel bei sich hatten.
So kamen sie glücklich wieder zum Boote zurück, Cleveland mit ihnen, dem die Umstände keinen andern Zufluchtsort darzubieten schienen; sie stießen sogleich vom Lande ab, ruderten nach dem Schiffe, und sangen dabei ein altes Lied, von dem die Eingebornen von Kirkwall nur die erste Strophe vernehmen konnten:
Und seine tapfre Schaar rief an
Der Ränder lustig nun:
Die schwarze Flagge zieht hinan,
Die blaue laßt jetzt ruh'n!
Gebt Feuer, setzt den Massen zu,
Gebt Feuer auf das Deck,
Gebt Feuer, ohne Rast und Ruh',
Bis daß es gibt ein Leck!
Der wilde Chor ihrer Stimmen blieb noch lange hörbar, nachdem man die Worte nicht mehr verstehen konnte. Und so war der Pirat Cleveland abermals, beinahe unwillkürlich, wieder unter diese verzweifelten Genossen gerathen, von denen sich loszumachen er so oft beschlossen hatte.