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Achtes Kapitel.

Die Sprüche thun es nicht. Die Canones
Verstummen bald vor'm Donner der Kanonen,
Und Nichts vermag der Bannstuhl gegen Kugeln.
Münzt Euren Stab aus, schmelzt das Silber ein;
Bewirthet wohl bei Euch die armen Söldner,
Laßt sie die lang gesparten Fässer leeren,
Und stellt sie so geladen auf den Wall,
Auf daß sie Euch vertheid'gen.

Altes Schauspiel.

Der Abt hieß seinen Rathgeber mit zitternder Ungeduld willkommen, so daß der Subprior sehen konnte, er war in der größten Unruhe und in höchster Verlegenheit um guten Rath. Kein gefüllter Teller, kein Becher stand auf dem Tischchen neben seinem Lehnstuhl. Bloß sein Rosenkranz lag darauf, und es schien, als habe er ihn in der Angst seines Herzens fleißig abgebetet. Neben dem Rosenkranz stand die Inful von alterthümlicher Form und strahlend von Edelsteinen, und an den Tisch angelehnt stand der Hirtenstab.

Der Küster und der alte Pater Niclas waren dem Subprior in das Gemach des Abtes gefolgt, vielleicht in der Hoffnung, Etwas zu erfahren von der wichtigen Sache, um die es sich zu handeln schien. Sie täuschten sich nicht in ihrer Erwartung, denn nachdem sie den Subprior eingeführt hatten, gab ihnen der Abt ein Zeichen, dazubleiben.

»Meine Brüder,« sprach er, »es ist euch wohl bekannt, mit welchem mühevollen Eifer wir Obsorge getragen haben für die wichtigen Angelegenheiten dieses Hauses, welche Unseren unwürdigen Händen anvertraut waren. Euer Brod ist euch gegeben worden, und euer Wasser ist euch sicher gewesen. Ich habe nicht die Einkünfte des Klosters in eitlen Vergnügungen verschwendet, als da sind Jagen und Falkenbaize, oder in Anschaffung reicher Gewänder, oder in Fütterung von Sängern und Gauklern, ausgenommen wenn Etliche, alter Gewohnheit gemäß, um Weihnachten und Ostern aufgenommen wurden. Auch habe ich weder meine Verwandte, noch fremde Weiber auf Kosten des Kirchengutes bereichert.«

»Solch ein Abt ist meines Wissens nicht gewesen,« sprach Pater Niclas, »seit den Tagen von Abt Ingelram, welcher« – –

Bei diesem Wort von übler Vorbedeutung, welches immer das Vorspiel zu einer langen Geschichte war, fiel der Abt ein:

»Gott sei seiner Seele gnädig; von ihm sprechen wir gegenwärtig nicht. Was ich von euch wissen möchte, meine Brüder, ist, ob ich stets treulich die Pflichten meines Amtes erfüllt habe.«

»Es ist nie Grund zu Klagen gewesen,« antwortete der Subprior.

Der Küster ließ sich weiter aus und zählte die verschiedenen Handlungen der Nachsicht und Güte auf, welche unter der milden Verwaltung des Abtes Bonifacius der Brüderschaft zu S. Marien zu Gute gekommen waren: die indulgentias, die gratias, die biberes, das Gericht gekochte Mandeln alle Woche, die größere Bequemlichkeit des Refectoriums, die bessere Einrichtung der Kellerei, die Steigerung der Einkünfte des Klosters, die Minderung der Entbehrungen der Brüder.

»Ihr hättet hinzufügen können, Bruder,« nahm der Abt wieder das Wort, nachdem er trübsinnig der Aufzählung seiner Verdienste zugehört, »Ihr hättet hinzufügen können, daß ich die Schirmwand habe bauen lassen, welche den Kreuzgang vor dem Nordostwind schützt. Aber das Alles hilft uns Nichts. Wie wir im Buch der Maccabäer lesen: Capta est civitas per voluntatem Dei. Die Stadt ward nach dem Willen Gottes eingenommen. Es hat mir nicht wenig Denken, nicht gewöhnliche Mühe gekostet, diese wichtigen Dinge in solcher Ordnung zu erhalten, wie ihr sie gesehen habt. Da galt es Scheuer und Speiseschrank voll zu erhalten, da mußte auf den Krankensaal, auf den Schlafsaal, auf den Gastsaal, auf den Speisesaal Obacht gegeben werden; da waren Processionen zu halten, Beichte zu hören, Fremde zu pflegen, Ablaß zu ertheilen oder zu verweigern. Wenn Jeder von euch in seiner Zelle schlief, hat der Abt eine volle Stunde wach gelegen und überlegt, wie diese Dinge gebührend zu ordnen sein möchten.«

»Dürfen wir fragen, Hochwürdiger Gnädiger Herr,« sprach der Subprior, »welche weitere Sorge Euch jetzt aufgeladen worden ist, da Eure Rede darauf hinzudeuten scheint?«

»Das ist es eben,« erwiderte der Abt. »Es ist jetzt nicht die Rede von biberes oder von caritas oder von gesottenen Mandeln, sondern von einem englischen Heerhaufen, der von Hexham wider uns im Anzug ist unter dem Befehl von Herrn Hans Foster. Eben so wenig handelt es sich darum, uns vor dem Ostwind zu schützen, sondern darum, wie wir dem Herrn Jakob Stewart entrinnen wollen, welcher daherkommt mit seinen ketzerischen Söldnern, wüste zu legen und zu zerstören.«

»Ich dächte, dieser Anschlag wäre zu nichte gemacht durch die Fehde zwischen Semple und den Kennedies,« warf der Subprior hastig ein.

»Sie haben die Sache verglichen auf Kosten der Kirche, wie gewöhnlich,« sprach der Abt. »Der Graf von Cassilis erhält den Fruchtzehnten auf seinem Gebiet, welcher einst dem Hause von Crosraguel verliehen worden war, und hat dem Stewart, welcher jetzt Murray heißt, den Handschlag gegeben. Principes convenerunt in unum adversus Dominum. Die Fürsten haben sich vereinigt wider den Herrn. Hier sind die Briefe.«

Der Subprior nahm die Briefe, welche ein Eilbote von dem Primas von Schottland überbracht hatte, von jenem Erzbischof von S. Andrew's, welcher noch immer arbeitete, den wankenden Bau des alten Kirchenthums aufrecht zu erhalten, unter dessen Trümmern er am Ende begraben ward. Eustach trat zu der Lampe und las die Schreiben mit großer Aufmerksamkeit. Der Küster und Pater Niclas schauten sich einander so hülflos an, wie ein paar Hennen, wenn der Stoßvogel über dem Hühnerhof schwebt. Der Abt, niedergebeugt von Kummer und Besorgniß, heftete fortwährend seinen ängstlichen Blick auf den Subprior, als wollte er auf dessen Gesicht einigen Trost lesen. Als er aber sah, daß derselbe nach zweimaliger Durchlesung der Briefe noch immer stumm und gedankenvoll blieb, fragte er endlich kleinlaut: »Was ist zu thun?«

»Wir müssen unsere Schuldigkeit thun,« antwortete der Subprior; »das Uebrige steht in Gottes Hand.«

»Unsere Schuldigkeit! – unsere Schuldigkeit!« entgegnete der Abt ungeduldig. »Werden Glocke, Buch und Kerze die englischen Ketzer zurücktreiben? oder wird Murray sich an Psalmen und Antiphonare kehren? Oder kann ich fechten für das Gotteshaus, wie Judas Maccabäus, wider diese gottlosen Nikanors? oder kann ich den Küster aussenden wider diesen neuen Holofernes mit dem Auftrag, seinen Kopf in einem Körbchen zurückzubringen?«

»Ganz recht, Gnädiger Herr Abt,« versetzte der Subprior; »wir können nicht mit fleischlichen Waffen kämpfen, das streitet mit unserem Gewand und mit unserem Gelübde. Aber wir können sterben für unser Gotteshaus und für unseren Orden. Außerdem können wir Leute waffnen, die Lust und Kraft haben zu fechten. Die Engländer sind nur wenig zahlreich, wahrscheinlich weil sie darauf rechnen, daß Murray zu ihnen stoßen wird, dessen Marsch aber unterbrochen worden ist. Wenn Foster mit seinem Raubgesindel von Cumberland und von Hexham es wagt, in Schottland einzudringen, um unser Haus zu plündern und zu berauben, dann wollen wir unsere Lehnleute aufbieten, und ich hoffe, wir sollen stark genug sein, ihm die Spitze zu bieten.«

»In Unserer Lieben Frauen heiligem Namen!« rief der Abt; »meint Ihr denn, ich sei Peter der Eremit, daß ich als Führer eines Heeres ausziehen könnte?«

»Nein,« versetzte der Subprior. »Setzt aber einen geschickten Kriegsmann als Obristen über unser Volk. Da ist Julian Avenel, ein erprobter Degen.«

»Aber ein Spötter, ein ausschweifender Mensch, kurz ein Diener Belial's,« entgegnete der Abt.

»Demungeachtet,« versetzte der Subprior, »müssen wir seine Dienste benutzen in denjenigen Geschäften, zu welchen er erzogen ist. Wir können ihn reichlich belohnen, und ich kenne schon den Preis seines Dienstes. Es steht zu erwarten, daß die Engländer sich unverzüglich in Bewegung setzen, in der Hoffnung Herrn Piercie Shafton zu greifen, dessen Flucht zu uns der Vorwand ihres unerhörten Einfalls ist.«

»Warum nicht gar,« sprach der Abt. »Ich habe aber immer gedacht, daß sein seidener Leib und sein Federgehirn uns nicht viel Gutes versprächen.«

»Bei allem dem müssen wir wo möglich seinen Beistand haben,« versetzte der Subprior. »Er kann sich vielleicht für uns bei dem großen Piercie verwenden, mit dessen Freundschaft er prahlt, und dieser gute und gläubige Herr kann vielleicht Foster's Anschlag zu Nichte machen. Ich will ihm eilends den Jackmann nachschicken. Vornehmlich aber baue ich auf den kriegerischen Geist des Landes, welches nicht so leichthin einen Friedensbruch an der Gränze dulden wird. Verlaßt Euch darauf, Gnädiger Herr, ich will auf unsere Seite die Schaaren von Manchen bringen, welche fremder Lehre gefolgt sind. Die großen Häupter und Landherren werden sich schämen, die Unterthanen der friedlichen Mönche ohne Beistand gegen die alten Feinde Schottlands fechten zu lassen.«

»Aber vielleicht,« bemerkte der Abt, »vielleicht wartet Foster auf Murray, dessen Plan hieherzukommen nur auf kurze Zeit verschoben ist.«

»Beim heil'gen Kreuz, das wird er nicht,« versetzte der Subprior. »Wir kennen diesen Herrn Hans Foster. Als einen giftigen Ketzer gelüstet es ihn, die Kirche zu zerstören; als ein geborner Gränzer dürstet er danach, ihren Reichthum zu plündern; als Gränzwart treibt ihn die Ungeduld, in Schottland einzureiten. Zu viele Gründe stacheln ihn zur Eile. Vereinigt er sich mit Murray, so erhält er höchstens den Antheil eines Bundesgenossen an der Beute; kommt er hingegen vor ihm an, so darf er auf die volle Ernte rechnen. Julian Avenel hat, wie ich höre, gleichfalls einen Span mit Herrn Hans Foster; treffen sie zusammen, so werden sie mit um so größerem Ernst fechten. – Küster, schickt nach dem Amtmann. Wo ist das Verzeichniß der streitbaren Männer, welche verpflichtet sind, dem Stift Heerfolge und Dienst zu leisten? – Schickt zu dem Freiherrn von Meigallot; er kann sechzig Pferde und mehr aufbringen. Sagt ihm, das Kloster wolle sich mit ihm vertragen wegen des streitigen Brückenzolles, wenn er sich in diesem Fall als Freund zeigen wolle. Und nun, Gnädiger Herr, laßt uns die mögliche Zahl der Unseren und die der Feinde berechnen, auf daß nicht vergebens Menschenblut vergossen werde. Laßt uns also zählen« – –

»Mein Kopf ist ganz betäubt von der Geschichte,« unterbrach ihn der Abt. »Ich denke, ich bin nicht feiger, als Andere, so lange es sich nur um meine Person handelt. Aber sprecht mir von Aufbietung und Aussendung von Kriegsvolk, von Berechnung von Streitkräften, und es ist eben so gut, als ob Ihr es der jüngsten Novize eines Frauenklosters sagtet. Aber mein Entschluß ist gefaßt, – Brüder,« sprach er, sich aufrichtend und vortretend mit der Würde, welche seine ansehnliche Gestalt ihm anzunehmen erlaubte, »vernehmt zum letzten Male die Stimme Eures Abtes Bonifacius. Ich habe für euch gethan, was in meinen Kräften stand. In ruhigeren Zeiten hätte ich vielleicht mehr gethan, denn um der Ruhe willen habe ich das Kloster gesucht, und es ist für mich ein Ort des Ungemachs gewesen, als ob ich in einem Zollhaus gesessen oder als Führer einer Heerschaar einhergeritten wäre. Und nun werden die Sachen immer schlimmer und schlimmer, und ich werde täglich älter und bin unfähig, gegen den Sturm anzukämpfen. So ziemt es mir auch nicht, eine Stelle einzunehmen, deren Pflichten durch meine Schuld oder durch mein Mißgeschick schlecht erfüllt werden möchten. Darum habe ich beschlossen, diese meine hohe Würde niederzulegen, dergestalt daß die Leitung der Geschäfte augenblicklich auf den hier anwesenden Pater Eustachius, unseren vielgeliebten Subprior, übergehe. Und nun bin ich froh, daß er nicht anderwärts eine seinen Verdiensten entsprechende, Beförderung gefunden hat, angesehen ich hoffe, daß er nach mir die Inful und den Stab tragen werde, welche ich jetzo niederzulegen gedenke.«

»Im Namen Unserer Lieben Frauen, übereilt Nichts, Gnädiger Herr!« sprach Pater Niclas. »Ich erinnere mich, wie der würdige Abt Ingelram in seinem neunzigsten Jahre – denn ich versichere Euch, er konnte sich noch der Absetzung Benedict's des Dreizehnten erinnern – wie er krank und bettlägerig war, und wie die Brüder ihm ins Ohr raunten, er thäte besser, sein Amt niederzulegen. Und was sagte der lustige Mann? Ei er sagte, so lange er noch seinen kleinen Finger krumm machen könnte, wollte er den Stab damit festhalten.«

Der Küster machte ebenfalls dringende Vorstellungen gegen die Entschließung seines Oberen und schrieb seine vorgeschützte Unfähigkeit seiner natürlichen Bescheidenheit zu. Der Abt hörte zu in trübem Schweigen; selbst Schmeichelei konnte nichts über ihn gewinnen.

Pater Eustachius stimmte einen edleren Ton an, welcher den Abt verwirrte und niederdrückte. »Gnädiger Herr Abt,« sprach er, »wenn ich Nichts geredet habe von den Tugenden, mit welchen Ihr dieß Haus verwaltet habt, so glaubt deswegen nicht, daß ich sie nicht erkenne. Ich weiß, nie hat ein Mensch zu Eurer hohen Würde den aufrichtigeren Wunsch mitgebracht, aller Welt wohlzuthun; und wenn Eure Regierung nicht mit den glänzenden Zügen prangt, welche zuweilen Eure geistliche Vorfahren ausgezeichnet haben, so sind Euch dagegen auch ihre Fehler fremd geblieben.«

»Ich hätte nicht gedacht,« sprach der Abt, einigermaßen verwundert den Subprior anblickend, »ich hätte nicht gedacht, daß gerade Ihr, Pater Eustachius, mir diese Gerechtigkeit widerfahren lassen würdet.«

»In Euerer Abwesenheit,« versetzte Eustach, »habe ich es in noch reicherem Maße gethan. Setzt nicht die gute Meinung, welche Jemand von Euch hegt, auf's Spiel dadurch, daß Ihr Eurem Amte entsagt in einem Augenblicke, wo Eure Sorge am meisten vonnöthen ist.«

»Bruder,« sprach der Abt, »ich überlasse nur meine Stelle einem Fähigeren.«

»Das ist nicht der Fall,« entgegnete Eustach; »denn es ist nicht nöthig, daß Ihr Verzicht leistet, um die Erfahrung oder sonst irgend eine Gabe benutzen zu können, die mir zugeschrieben wird. Ich bin lange genug in diesem Stande um zu wissen, daß die persönlichen Eigenschaften, welche irgend Einer von uns besitzen mag, nicht ihm angehören, sondern Eigenthum der Brüderschaft sind, und nur insofern Werth haben, als sie das allgemeine Beste fördern. Wenn Ihr, Gnädiger Herr, nicht Lust habt, Euch persönlich mit dieser beschwerlichen Sache zu befassen, so erlaubt mir die dringende Bitte, daß Ihr augenblicklich nach Edinburgh gehet, um dort so viel Freunde, wie möglich, für uns zu werben; ich will dann, als Subprior, in Eurer Abwesenheit meine Schuldigkeit thun in Vertheidigung des Stiftes. Gelingt es mir, dann mögen Ehre und Ruhm Euch zufallen, mißlingt es, dann laßt Schimpf und Schande auf mir ruhen.«

Der Abt besann sich einige Augenblicke und erwiderte dann; »Nein, Pater Eustachius, Ihr sollt mich nicht durch Euren Edelmuth überwinden. In Zeiten, wie die jetzigen, bedarf dieß Haus einer kräftigeren Lenkung, als meine schwachen Hände zu leisten vermögen, und der, so das Schiff steuert, muß auch Befehlshaber der Mannschaft sein. Schmählich wär' es, den Ruhm von anderer Leute Arbeiten sich anzueignen, und nach meiner schwachen Einsicht ist aller Ruhm, welcher Demjenigen zu Theil werden kann, der eine so gefährliche und schwierige Aufgabe übernimmt, immer nur ein Lohn, der seinem Verdienste nicht gleichkommt. Wehe dem, der ihm ein Jota davon entziehen möchte! Uebernehmt also diesen Abend Eure Gewalt und trefft diejenigen Anstalten, so Ihr für nöthig erachtet. Laßt das Kapitel morgen nach der Messe zusammenrufen, und Alles soll geordnet werden wie ich Euch gesagt habe. Benedicite, meine Brüder! – Friede sei mit Euch! Möge der neue Abt in Aussicht so ruhig schlafen, wie derjenige, so im Begriff steht, seine Inful abzulegen.«

Die drei Mönche zogen sich zurück, zu Thränen gerührt. Der gute Abt hatte eine Seite seines Herzen gezeigt, die ihnen unbekannt gewesen war. Selbst Pater Eustachius hatte bisher seinen Oberen nur für einen gutmüthigen, trägen, seines Leibes pflegenden, Mann gehalten, dessen Haupttugend in der Freiheit von groben Fehlern bestand, so daß diese Aufopferung der Gewalt aus Pflichtgefühl, wenn auch einigermaßen an Werth verlierend durch die unedleren Beweggründe der Furcht vor Schwierigkeiten, ihn bedeutend hob in der Achtung des Subpriors. Er empfand selbst einen Widerwillen, aus der Entsagung des Abtes Vortheil zu ziehen, und gewissermaßen auf den Trümmern seiner Herrlichkeit emporzusteigen. Dies Gefühl hielt indeß nicht lange Stich vor wichtigeren Erwägungen. Es ließ sich nicht in Abrede stellen, daß Bonifacius schlechterdings seiner Stelle nicht gewachsen war unter den gegenwärtigen mißlichen Umständen, und auf der andern Seite fühlte der Subprior, daß er in der bloßen Eigenschaft eines Beauftragten nicht wohl die entscheidenden Maßregeln durchführen konnte, welche der Augenblick erforderte. Mithin erheischte das Wohl des Gotteshauses seine Erhebung. Wenn sich bei diesen Betrachtungen auch das Wohlgefallen an der erlangten hohen Würde mit einschlich und die Wonne eines hochstrebenden Geistes, zum Kampf mit Gefahren, die sich an diese Stellung knüpften, berufen zu sein, so waren doch diese Empfindungen so fein mit uneigennützigeren Regungen gemischt, daß der Subprior selber ihre Wirksamkeit nicht bemerkte, und daß wir, die wir ihn achten, nicht bemüht sind, sie ausfindig zu machen.

Der erwählte Abt bewegte sich mit mehr Würde, denn zuvor, als er nun die dringenden nöthigen Weisungen gab. Diejenigen, welche sich ihm näherten, bemerkten ein ungewöhnliches Feuer in seinem Falkenauge und eine ungewohnte Röthe auf seinen bleichen Wangen. Kurz und bündig schrieb und dictirte er mehrere Briefe an verschiedene Landherren, benachrichtigte sie von dem beabsichtigten Einfall der Engländer in das Stift, und beschwor sie, Hülfe und Beistand zu leisten, als in einer gemeinsamen Sache. Denen, bei welchen er kein reges Ehrgefühl voraussetzte, hielt er die Lockung des Gewinnes vor, Allen aber wurden die Beweggründe der Vaterlandsliebe und des alten Hasses gegen die Engländer an's Herz gelegt. Es war eine Zeit gewesen, wo es so ernstlicher Aufforderungen nicht bedurfte. Aber die Hülfe Elisabeth's war der reformirten Partei in Schottland so wichtig, und so stark war fast allerwärts diese Partei, daß man annehmen durfte, gar Viele würden bei dieser Gelegenheit neutral bleiben, wenn sie nicht gar so weit gingen, sich mit den Engländern gegen die Katholischen zu vereinigen.

Als Eustachius die Zahl der Kirchenunterthanen überschlug, die er aufzubieten befugt war, kam ihm der niederschlagende Gedanke, daß er genöthigt sei, dieselben unter das Banner des wilden, lüderlichen Julian Avenel zu stellen.

»Wäre der junge Brausekopf Halbert Glendinning ausfindig zu machen,« dachte er in seiner Beklemmung, »dann möchte ich die Schlacht unter seiner Leitung wagen lassen, trotz seiner Jugend; und ich hätte dabei größere Hoffnung auf Gottes Segen. Der Amtmann ist zu schwach, und ich wüßte keinen namhaften Häuptling, auf den man sich in dieser wichtigen Sache besser verlassen könnte, als diesen Julian Avenel.« – Er klingelte mit einer Glocke, welche auf dem Tische stand und gebot, daß Christie von Clinthill eingeführt würde. »Du verdankst mir dein Leben,« sprach er, als der Bursch eintrat, »und ich kann dir vielleicht noch einen weiteren Gefallen thun, wenn du aufrichtig gegen mich bist.«

Christie hatte bereits zwei Stübchen Wein geleert, welche bei andern Gelegenheiten sein freches Vertraulichthun vermehrt haben würden. Hier aber lag in der vermehrten Würde von Eustachs Haltung Etwas, das seine Verwegenheit zügelte. Deswegen aber verloren seine Antworten Nichts von ihrer gewöhnlichen kecken Zuversichtlichkeit. Er versprach, auf alle Fragen wahr zu antworten.

»Hat der Freiherr (wie er sich nennt) von Avenel irgend Freundschaft mit Herrn Hans Foster, Wart auf der Westmark von England?«

»Solche Freundschaft, wie zwischen der wilden Katze und dem Dachshund besteht,« antwortete Christie.

»Wird er ihm eine Schlacht liefern, wenn sie zusammentreffen?«

»So gewiß,« antwortete der Reiter, »wie nur je ein Hahn auf Fastnachtabend gekämpft hat.«

»Wird er gegen Foster fechten in Sachen der Kirche?«

»In jeder Sache oder auch ohne alle Ursache,« versetzte der Jackmann.

»So wollen Wir ihm denn schreiben, und ihn wissen lassen, daß, wofern er beim Eintritt eines gefürchteten Einfalls abseiten Herrn Hans Foster's, seine Macht mit der unseren vereinigen will, er Obrister sein soll über unser Volk, und daß seinem Begehren von uns willfahrt werden soll. – Doch noch ein Wort. Du hast gesagt, du könntest ausfindig machen, wohin heute der englische Ritter Piercie Shafton entflohen ist?«

»Das kann ich und obendrein ihn zurückbringen mit guten Worten oder mit Gewalt, je nachdem es Ew. Ehrwürden am besten gefällt.«

»Keine Gewalt darf gegen ihn angewandt werden. In wieviel Zeit willst du ihn ausfindig machen?«

»In dreißig Stunden, dafern er nicht über den Firth von Lothian hinüber ist. Wenn Euch damit ein Gefallen geschieht, so will ich gleich aufsitzen und ihm nach machen wie ein Schweißhund, der einen Moosklepper aufspürt.«

»So bring' ihn denn hieher und du sollst damit einen Lohn verdienen, über den ich wohl bald frei zu verfügen haben werde.«

»Danke Ew. Ehrwürden, ich gebe mich in Ew. Ehrwürden Hand. Wir Leute vom Spieß und Gebiß wandeln etwas leichtsinnig durch die Welt. Allein Ew. Ehrwürden weiß ja, wenn auch ein Mann schlechter wäre, als er ist, er will halt leben, und das läßt sich nicht thun, ohne daß man sich zu helfen sucht, wie man kann, denk' ich.«

»Still, Patron, und gehe deinen Gang. Du sollst einen Brief von uns an Herrn Piercie haben.«

Christie that zwei Schritte nach der Thür, drehte sich dann um, zauderte, wie Einer, der gern einen naseweisen Scherz machen möchte, wenn er sich getraute, und fragte endlich, was er mit dem Weibsbild Gretel Happer machen sollte, die der Ritter mitgenommen.

»Mit Verlaub Ew. Ehrwürden, soll ich sie hieher bringen?«

»Hieher? Naseweiser Bube, bedenke, wen du vor dir hast!« sprach der Geistliche.

»Nichts für ungut,« versetzte Christie; »wenn Ihr das denn nicht wollt, so kann ich sie auf Schloß Avenel führen, wo ein sauberes Weibsbild nie unwillkommen gewesen ist.«

»Bringt das unglückliche Mädchen in ihres Vaters Haus und erlaube dir hier keine Schalksnarren-Späße! habe wohl Acht, daß du sie in Ehren und Sicherheit geleitest.«

»In Sicherheit, ja,« sprach der Reiter, »und in solchen Ehren, als ihr bei ihrem Ausreisen geblieben ist. Ich wünsche Ew. Ehrwürden, wohl zu leben, ich muß zu Pferd vor dem Hahnenschrei.«

»Was? im Finstern? Wie willst du wissen, welchen Weg du einzuschlagen hast?«

»Ich habe die Hufspur des Ritters bis an die Furt verfolgt, als wir heut Abend zusammen herunterritten,« antwortete Christie, »und ich habe gemerkt, daß ihre Richtung sich nach Norden gewandt hat. Es ist eine kenntliche Hufspur; ich will darauf schwören, das Eisen ist vom alten Eckie von Cannobie gemacht.« Und damit ging er ab.

»Gehässige Nothwendigkeit, die uns zwingt, solche Werkzeuge anzuwenden!« sprach der Pater, ihm nachblickend. »Allein welche Wahl bleibt uns, die wir von allen Seiten und von Menschen jeglicher Art angegriffen werden? – Doch jetzt zu meinem dringendsten Geschäft.«

Der erwählte Abt setzte sich nieder, Briefe zu schreiben, Befehle auszufertigen und die ganze Last einer Anstalt auf sich zu nehmen, welche ihrem Einsturze zuwankte, und er that es mit dem stolzen hingebenden Muth des Befehlshabers einer aufs Aeußerste gebrachten Festung, der überlegt, welche Mittel ihm noch bleiben, die verhängnißvolle Stunde eines erfolgreichen Sturmes hinauszuschieben. Mittlerweile fiel Abt Bonifacius, nach einigen natürlichen Seufzern um den Verlust der so lange genossenen Hoheit, in festen Schlummer und überließ alle Sorgen und Mühen des Amtes seinem Beistand und Nachfolger.

Anmerkung zum achten Kapitel.

Die biberes, caritas und gesottenen Mandeln, von welchen Abt Bonifacius spricht, waren besondere Gelegenheiten, sich gütlich zu thun, welche den Mönchen durch Geschenke von Königen oder sonstigen Wohlthätern verschafft waren. Es findet sich eine Urkunde überschrieben: De Pitantia Centum Librarum. Durch diese merkwürdige Urkunde, weiset Robert Bruce am 10. Januar im zwanzigsten Jahr seiner Regierung aus den Zöllen von Berwick, und in deren Ermangelung, aus den Zöllen von Edinburgh und Haddington, hundert Pfund in den halbjährlichen Terminen von Pfingsten und Martini für Abt und Brüderschaft von Melrose an. Der bestimmt ausgesprochene Zweck dieser Schenkung ist, jedem Mönch besagten Klosters, der im Refectorium speiset, ein außerordentliches Gericht von Reisbrei oder Mandeln oder Erbsen oder sonstigem derartigen Brei, anzuweisen. Diese Zugabe zu ihrer gewöhnlichen Mahlzeit soll den Namen Königsgericht führen. Und es ist bestimmt, daß, wofern ein Mönch aus geziemenden Gründen nicht Lust haben sollte, von des Königs Gericht zu essen, nichtsdestoweniger sein Antheil mit dem seiner Brüder aufgetragen und dann an's Thor gebracht und den Armen gegeben werden soll. »Auch sind Wir nicht gewillt,« fährt der mildthätige König fort, »daß das Mittagsmahl, welches besagten Mönchen gemäß ihrer alten Regel verabreicht wird oder werden soll, in Reichlichkeit oder Güte verringert werde um dieses Unseres vorbeschriebenen Gerichtes willen. Ferner ist verordnet, daß der Abt, mit Zuziehung der Weisesten unter seinen Brüdern, einen klugen und ehrbaren Mönch ernennen soll, der besagtes jährliches Einkommen einnehme, verwalte und verwende, zum Besten der Brüderschaft und gemäß dem Willen und der Absicht des Königs, und treulich Rechnung darüber ablege an den Abt und die Oberen desselbigen Klosters. Und dieselbe Urkunde erklärt des Königs ferneren Willen, daß besagte Religiosen auf ewige Zeiten verbunden sein sollen, zum Dank für besagte Schenkung jährlich fünfzehn arme Männer zu kleiden, indem sie auf S. Martinstag im Winter jedem von ihnen vier Ellen breites oder sechs Ellen schmales Tuch nebst einem Paar neuen Schuhen verabreichten, und sie dabei zu speisen. Und nun sollten besagte Mönche oder Etliche derselben, ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, so ist des Königs Wille, daß besagte Fehler durch doppelte Leistung des Unterlassenen gebüßt werden, was zu geschehen hat unter Aufsicht des zeitweiligen Oberforstmeisters von Ettrick, und zwar vor Eintritt der Weihnachten, welche auf denselben folgen, an welchem die Unterlassung stattgefunden hat.

Freunden von Alterthümern wird es angenehm sein, hier einen Abdruck der Urkunde jener Stiftung zu finden.

 

Carta Regis Roberti I. Abbati et Conventui de Melross.

Carta de Pitancia Centum Librarum.

Robertus dei gracia Rex Scottorum omnibus probis hominibus tocius terre sue Salutem. Sciatis nos pro salute anime nostre et pro salute animarum autecessorum et successorum nostrorum Regum Scocie Dedisse Concessisse et hac presenti Carta nostra confirmasse Deo et Beate Marie virgini et Religiosis viris Abbati et Conventui de Melross et eorum successoribus in perpetuum Centum Libras Sterlingorum Annui Redditus singulis annis percipiendas de firmis nostris Burgi Berwici super Twedam ad terminos Pentecostis et Sancti Martini in hyeme pro equali portione vel de nova Custuma nostra Burgi predicti si firme nostre predicte ad dictam summam pecunie sufficere non poterunt vel de nova Custuma nostra Burgorum nostrorum de Edenburg et de Hadington. Si firme nostre et Custuma nostra ville Berwici aliquo casu contingente ad hoc forte non sufficiant. Ita quod dicta summa pecunie Centum Librarum eis annuatim integre et absque contradictione aliqua plenarie persolvatur pre cunctis aliis quibuscunque assignacionibus per nos factis seu faciendis ad inveniendum in perpetuum singulis diebus cuilibet monacho monasterii predicti comedenti in Refectorio unum sufficiens ferculum risarum factarum cum lacte, amigdalarum vel pisarum sive aliorum ciborum consimilis condicionis inventorum in patria et illud ferculum ferculum Regis vocabitur in eternum. Et si aliquis monachus ex aliqua causa honesta de dicto ferculo comedere noluerit vel refici non poterit non minus attamen sibi de dicto ferculo ministretur et ad portam pro pauperibus deportetur. Nec volumus quod ad occasionem ferculi nostri predicti prandium Conventus de quo antiquitus cummuniter eis deserviri sive ministrari solebat in aliquo pejoretur seu diminuatur. Volumus insuper et ordinamus quod Abbas ejusdem monasterii qui pro tempore fuerit de consensu saniorum de Conventu specialiter constituat unum monachum providum et discretum ad recipiendum ordinandum et expendendum totam summam pecunie memorate pro utilitate conventus secundum votum et intentionem mentis nostrae superius annotatum et ad reddendum fidele compotum coram Abbate et Maioribus de Conventu singulis annis de pecunia sic recepta. Et volumus quod dicti religiosi teneantur annuatim in perpetuum pro predicta donacione nostra ad perpetuam nostri memoriam vestire quindecim pauperes ad festum Sancti Martini in hieme et eosdem cibare eodem die liberando eorum cuilibet quatuor ulnas panni grossi et lati vel sex ulnas panni sericti et eorum cuilibet unum novum par sotularium de ordine suo. Et si dicti religiosi in premissis vel aliquo premissorum aliquo anno defecerint volumus quod illud quod minus perimpletum fuerit dupplicetur diebus magis necessariis per visum capitalis forestarii nostri de Selkirk, qui pro tempore fuerit. Et quod dicta dupplicatio fiat ante natale domini proxime sequens festum Sancti Martini predictum. In cujus rei testimonium presenti cartae nostre sigillum nostrum precipimus apponi. Testibus venerabilibus in Cristo patribus Willielmo, Johanne, Willielmo et David Sancti Andreo, Glasguensis, Dunkeldensis et Moraviensis ecclesiarum dei gracia episcopis Bernardo Abbate de Abirbrothock Cancellario, Duncano, Maliso, et Hugone de Tyf de Strathin et de Ross, Comitibus Waltero Senescallo Scocie. Jacobo domino de Duglas et Alexandro Fraser Comerario nostro Scocie militibus, Apud Abirbrothock, decimo die Januarii. Anno regni nostri vicesimo.



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