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Landrichter, nein, das ist doch gar zu arg,
Daß ich, trotz allem Vorzug meines Rangs,
In Haft soll sein für unfreiwill'ge Tödtung
Solch eines wilden Waldmann's, deß Vermögen
Auf's Höchste nur die Kupferschnall umfaßt
Am Gurt, worin sein Kneif steckt.
Altes Schauspiel.
Während Edward Anstalten traf, die Festhaltung und Bestrafung des vermeintlichen Mörders seines Bruders zu sichern, mit einem Rachedurst, den man bisher noch nicht an ihm gesehen hatte, machte Herr Piercie Shafton dem Subprior seine Mittheilungen. Eustachius horchte mit gespannter Aufmerksamkeit zu, obwohl des Ritters Erzählung nicht zum deutlichsten war, da Eitelkeit denselben verleitete, Einzelnheiten zu verhehlen oder nur kurz anzudeuten, welche nothwendig waren, um sie verständlich zu machen.
»Ihr sollt wissen, Ehrwürdiger Pater,« sprach er, »daß, sintemal dieser Bauerngesell sich hatte beigehen lassen, in Gegenwart Eures verehrungswürdigen Oberen, Eurer Selbst und anderer fürtrefflichen und würdigen Männer, benebst der Jungfrau Maria Avenel, welche ich in allen Ehren und Artigkeit meine Verständigkeit nenne, mir eine arge Schmach anzuthun, welche um so unerträglicher wurde durch den Ort und durch die Zeit, – daß, sage ich, mein gerechter Zorn dermaßen die Oberhand bekam über meinen Verstand, daß ich beschloß, ihm das Recht als Meinesgleichen zu bewilligen und ihm den Zweikampf zu verstatten.«
»Aber, Herr Ritter,« unterbrach ihn der Subprior; »Ihr lasset zwei Dinge ganz im Dunkeln. Erstlich: warum das Zeichen, welches er Euch vorhielt, so sehr Euren Zorn reizte, wie ich und Andere bezeugen können; und zweitens, wie der Jüngling, mit welchem Ihr damals zum ersten oder höchstens zum zweiten Mal zusammentrafet, so viel von Eurer Geschichte wissen konnte, um im Stande zu sein, Euch so schwer zu reizen.«
Der Ritter erröthete tief und sprach: »Was Eure erste Frage betrifft, Ehrwürdiger Vater, so wollen wir mit Eurer Erlaubniß dieselbe auf sich beruhen lassen, da sie Nichts zur Sache thut. Was die zweite betrifft, so versichere ich Euch, ich weiß eben so wenig wie Ihr, auf welchem Wege er zu seiner Kenntniß gelangt ist, und ich glaube fast, er hat mit Satanas zu schaffen, wovon gleich nachher ein Mehreres. – Weiter also in meiner Erzählung. Am Abend verfehlte ich nicht, mein Vorhaben unter einer heiteren Stirn zu verbergen, wie es Gewohnheit ist bei uns Martialisten, denn wir entfalten nie die Blutfahne der Herausforderung in unserem Antlitz, als bis unsere Hand bewaffnet ist, um unter derselben zu fechten. Ich unterhielt die schöne Verständigkeit mit etwelchen Canzonetten und anderen Kleinigkeiten, welche für ihr ungeübtes Ohr nicht anders als bezaubernd sein konnten. Am Morgen stand ich auf und traf mit meinem Gegner zusammen, welcher, die Wahrheit zu sagen, für einen unerfahrenen Villaggio sich so mannhaft benahm, wie ich nur immer wünschen konnte. Es kam zum Kampf, und ich stellte seinen Gehalt auf die Probe mit etwa einem halben Dutzend Quarten, von denen jede ihn hätte durchbohren müssen, wenn es mir nicht zuwider gewesen wäre, meine Ueberlegenheit zu seinem Verderben zu mißbrauchen. Ich mischte Erbarmen zu meinem gerechten Unwillen und suchte ihm eine ungefährliche Fleischwunde beizubringen. Allein mitten in meiner Gnade, fügte er, wahrscheinlich auf Antrieb des Teufels, zu seiner ersten Beleidigung noch eine zweite von gleicher Art hinzu. Worauf ich, um ihn zu züchtigen, einen mächtigen Hieb führte. Allein in diesem Augenblick glitt ich aus, nicht als ob ich einen Fehler im Fechten gemacht, oder als ob er durch Geschicklichkeit es dazu gebracht hätte, sondern lediglich weil, wie gesagt, der Teufel die Sache in seine Hand genommen hatte, und weil das Gras schlüpfrig war. Und ehe ich meine Stellung wieder einnehmen konnte, traf meine ungedeckte Person mit seinem vorgestreckten Schwert zusammen, so daß ich, wie ich glaube, durchstochen wurde. Mein Gesell, über die Maßen entsetzt ob seines unerwarteten und unverdienten Erfolges bei diesem sonderbaren Gefechte, ergreift die Flucht und läßt mich liegen. Ich falle in Ohnmacht in Folge des Blutverlustes, den ich mir so thörichter Weise zugezogen, und als ich wieder erwachte, wie aus einem gesunden Schlafe, finde ich mich, was meint Ihr, in meinen Mantel gehüllt unter einer der Birken liegen, welche in einer Gruppe hier in der Nähe stehen. Ich befühle meine Glieder und empfinde wenig Schmerz aber große Schwäche – ich lege die Hand an meine Wunde und finde sie zugeheilt und mit Haut überzogen, wie Ihr sehet. Ich stehe auf und komme hierher. Damit habt Ihr meine ganze Geschichte von diesem Tage.«
»Auf eine so sonderbare Erzählung,« antwortete der Mönch, »kann ich nur entgegnen, daß Herr Piercie Shafton kaum erwarten kann, wir dürften ihr Glauben beimessen. Da ist ein Streit, dessen Ursache Ihr verhehlt, – eine am Morgen empfangene Wunde, von der sich am Abend keine frische Spur zeigt, – ein ausgefülltes Grab, in welchem keine Leiche liegt, – der Besiegte frisch und gesund, der Sieger weg, kein Mensch weiß wohin. Diese Dinge, Herr Ritter, hängen nicht so gut zusammen, daß ich sie als ein Evangelium annehmen sollte.«
»Ehrwürdiger Vater,« versetzte Herr Piercie Shafton, »ich bitte Euch, vor allen Dingen zu bemerken, daß, wenn ich friedliche und ruhige Rechtfertigung meiner, als Wahrheit gegebenen, Aussage anbiete, ich dieß lediglich in frommer Ehrerbietung vor Eurem Kleid und Eurem Orden thue, mit der Versicherung, daß ich, jedem Andern, außer einem Geistlichen, einer Edelfrau oder meinem Fürsten gegenüber, es unter meiner Würde hielte, meine einmalige Aussage anders zu bewähren, als mit der Schärfe meines guten Schwertes. Dieß vorausgeschickt, habe ich hinzuzufügen, daß ich lediglich meine Ehre als Edelmann und meinen Glauben als katholischer Christ verpfänden kann, daß die von mir beschriebenen Dinge sich so verhalten, wie ich sie beschrieben habe und nicht anders.«
»Das ist eine starke Betheuerung, Herr Ritter,« entgegnete der Subprior; »indeß bedenkt, es ist bloß eine Betheuerung, und es läßt sich kein vernünftiger Grund angeben, warum man Dinge glauben soll, welche der gesunden Vernunft so sehr widersprechen. Erlaubt mir die Frage, ob das Grab, welches man auf Eurem Kampfplatz gefunden, offen oder zugedeckt war, als Euer feindliches Zusammentreffen stattfand?«
»Ehrwürdiger Vater,« versetzte der Ritter, »ich will Nichts vor Euch verheimlichen, sondern Euch jedes Geheimniß meiner Brust offenbaren, gleich wie die reine Quelle den kleinsten Kiesel offenbart, welcher den Sand verschönert auf dem Grund ihres Krystallspiegels, und wie« – –
»Sprecht um's Himmelswillen in schlichten Worten!« unterbrach ihn der Mönch. »Diese Feiertags-Redensarten passen nicht zu ernsten Dingen. – War das Grab offen, als der Kampf begann?«
»Allerdings,« antwortete der Ritter; »ich erkenne es an, gleichwie derjenige, welcher anerkennt« – –
»Nein ich bitte Euch, lieber Sohn, laßt diese Vergleichungen bei Seite, und achtet auf meine Worte. Gestern Abend fand sich kein Grab an jenem Orte vor, das wissen wir vom alten Martin, welcher wider seine Gewohnheit dorthin kam, als er nach einem verlorenen Schaf suchte. Bei Tagesanbruch war, Eurem eignen Geständniß zufolge, an jener Stelle ein Grab geöffnet, und ein Kampf ging daselbst vor sich – nur einer der Kämpfenden kommt wieder zum Vorschein; er ist mit Blut bedeckt und hat, so viel man sieht, keine Wunde davon getragen.« – Hier machte der Ritter eine Geberde der Ungeduld. – »Nein, lieber Sohn, hört mich nur einen Augenblick an – das Grab ist zu und mit dem Rasen bedeckt – was können wir anders glauben, als daß es den blutigen Leichnam des gefallenen Kämpfers birgt?«
»Bei Gott, das ist unmöglich!« rief der Ritter; »es sei denn, daß der junge Mensch selbst sich umgebracht und selber sich begraben hat, um mich in den Ruf eines Mörders zu bringen.«
»Das Grab soll jedenfalls untersucht werden, und zwar morgen mit dem frühesten,« sprach der Mönch, »und ich will mich mit meinen eignen Augen überzeugen.«
»Aber,« bemerkte der Gefangene, »ich verwahre mich gegen jeden Beweis, welcher aus dem Vorfindenden abgeleitet werden könnte, und bestehe zum Voraus darauf, daß, was immer sich in diesem Grabe finden mag, mich in meiner Vertheidigung nicht benachtheiligen darf. Es ist mir in dieser Geschichte so viel Teufelsspuk vorgekommen, daß, wer weiß, der Teufel vielleicht die Gestalt dieses Bauernjünglings annimmt, um mir fernere Plage zu bereiten. Ich gebe Euch die feierliche Versicherung, heiliger Vater, daß ich glaube, Hexerei ist bei Allem, was mir begegnet ist, im Spiele. Seitdem ich in dieß nordische Land, in welchem, wie es heißt, Zaubereien heimisch sind, den Fuß gesetzt habe, ist mir, der ich Ehrfurcht und Achtung genoß bei den ersten Männern am Hof von Feliciana, Trotz und Hohn geboten worden von einem schollentretenden Bauernlümmel. Ich, den Vincentio Salviola seinen hurtigsten und gewandtesten Schüler nannte, ich bin, um es kurz zu sagen, übermeistert worden von einem Kuhbuben, der nicht mehr von der Fechtkunst verstand, als auf jeder Kirchweihe geübt wird. Ich werde, so kam es mir wenigstens vor, mit einer ganz gehörigen Stoccata durch und durch gerannt und stürze ohnmächtig nieder, und doch, als ich wieder zu mir komme, finde ich mich ohne Schramme noch Wunde, und es fehlt mir Nichts als mein braunrothes mit Atlas ausgepufftes Wams, wornach ich Euch bitte suchen zu lassen, ob es nicht vielleicht der Teufel, welcher mich durch die Lüfte geführt, unterwegs auf einen Baum oder Busch hat fallen lassen, – sintemal es ein ausgesuchtes und höchst geschmackvolles Kleidungsstück ist, welches ich zum ersten Mal bei dem Aufzug der Königin in Southwark angehabt.«
»Herr Ritter,« sprach der Mönch, »Ihr schweift abermals von der Sache ab. Ich frage Euch nach Dingen, wobei es sich um das Leben eines Menschen handelt und vielleicht auch um Euer eignes, und Ihr erwidert mir mit der Geschichte eines alten Wamses!«
»Alt?« rief Herr Piercie. »Nun bei den Göttern und Heiligen, wenn unter den Rittern und Herrn am brittischen Hofe sich Einer findet, der geschmackvoller in seiner Wahl und gewählter in seinem Geschmack, der zierlicher in seiner Sorgfalt, und sorgfältiger in seiner Zierlichkeit ist im häufigen Wechsel reicher Kleidungsstücke, wie es sich ziemt für Einen, welcher im allereigentlichsten Sinne Hofmann genannt werden darf, dann will ich Euch erlauben, mich einen Sklaven und Lügner zu nennen.«
Der Mönch dachte, sagte es aber nicht, daß er bereits das Recht habe, an der Wahrhaftigkeit des Euphuisten zu zweifeln, in Betracht der Wundermähre, welche er erzählt hatte. Allein jetzt fiel ihm sein eignes und Pater Philipp's Abenteuer ein und hinderte ihn, einen Schluß zu ziehen. Er beschränkte sich also auf die Bemerkungen, daß dieß sonderbare Umstände seien, und ersuchte Herrn Piercie, zu sagen, ob er sonstige Gründe hätte, sich so sonderbarer Weise zum Spielwerk von Zaubermächten auserwählt zu glauben.
»Herr Subprior,« sprach der Euphuist, »der außerordentliche Umstand bleibt noch zu erwähnen, welcher schon für sich allein, wäre ich auch weder im Wortwechsel gehöhnt, noch im Zweikampf übermeistert, noch im Lauf weniger Stunden verwundet und geheilt worden, ohne irgend einen andern verstärkenden Beweisgrund mich hätte nöthigen müssen, zu glauben, daß ich der Gegenstand einer boshaften Bezauberung sei. Ehrwürdiger Herr, nicht vor Euren Ohren sollte man Geschichten von Minne und Frauendienst erzählen, und Herr Piercie Shafton ist nicht derjenige, so, vor welchen Ohren es auch sei, zu prahlen pflegt, mit seiner Wohlangesehenheit bei den ausbündigsten und ersten Schönheiten des Hofes, dermaßen, daß eine edle Frau, keins der am wenigsten strahlenden Gestirne in jener Hemisphäre von Ehre, Wonne und Schönheit, mich ihre Schweigsamkeit zu nennen pflegte. Nichts destoweniger, der Wahrheit die Ehre! Ich kann nicht umhin zuzugeben, als die allgemeine Rede am Hof, als das was in Lagern zugegeben ward und wovon Stadt und Land wiederhallten: daß in der artigen Munterkeit beim Herantreten, in lieblicher Zärtlichkeit des Blickes, in Witzigkeit der Anrede, in Berücksichtigung des Geschmacks der angeredeten Person, in Feierlichkeit des Redeschlusses, in Anmuth beim Zurücktreten, Piercie Shafton der Held des Tages und bei den auserwählteren Schönheiten so wohlangesehen sei, daß kein Tänzer aus dem Audienzzimmer in seinen seidenen Strümpfen, kein Turnierer von der Stechbahn mit seinen wehenden Federn ihm auf Bogenlänge nahe zu kommen wagte vor dem Antlitz edler Frauen, dem Ziele, nach welchem jedes edle jugendliche Gemüth seine Pfeile sendet. Demungeachtet, ehrwürdiger Herr, was begegnet mir hier? Ich finde in dieser Wildniß ein Wesen, welches seinem Blut und seiner Geburt nach Fräulein genannt werden kann, ich wünsche in der Kunst, den Frauen zu huldigen, nicht aus der Uebung zu kommen und zugleich meine Ergebenheit gegen das Geschlecht überhaupt an den Tag zu legen, und schieße etliche Komplimentirpfeile nach dieser Maria Avenel ab, nenne sie meine Verständigkeit, benebst anderen zierlichen und wohlausgedachten Höflichkeiten, welche mehr aus meiner Güte herflossen als durch ihr Verdienst gerechtfertigt waren, oder etwa gleich dem kindischen Vogeljäger, welcher, ehe er sein Gewehr ruhen läßt, lieber nach Krähen und Elstern schießt in Ermangelung besseren Wildpretes« – –
»Maria Avenel muß Euch sehr verbunden sein für diese Bemerkung,« unterbrach der Mönch; »allein wozu sollen alle diese Ausführlichkeiten in Betreff vergangener und gegenwärtiger Galanterien führen?«
»Zu dem Schluß,« antwortete der Ritter, »daß entweder diese meine Verständigkeit oder aber ich selber nicht viel weniger als behext sind. Denn anstatt mein Herzutreten mit einer Verbeugung des Wohlgefallens aufzunehmen, anstatt auf meinen Blick mit einem unterdrückten Lächeln zu antworten, anstatt mein Zurücktreten oder mein Weggehen mit einem leichten Seufzer zu begleiten – Ehrenbezeugungen, mit welchen, das versichere ich Euch, die vornehmsten Tänzerinnen und die stolzesten Schönheiten des Hofes von Feliciana meine geringen Dienste belohnt haben, – anstatt Alles dessen hat sie mir so geringe und so kalte Aufmerksamkeit geschenkt, als ob ich ein klotzköpfiger Bauer aus diesen kahlen Bergen wäre! Was sage ich? Am heutigen Tage, als ich zu ihren Füßen kniete, um ihr Hülfe zu leisten mit dieser scharfen Quintessenz des reinsten Spiritus, destillirt von den schönsten Händen des Hofes von Feliciana, stieß sie mich von sich mit Blicken, welche nach Widerwillen schmeckten, ja ich glaube gar, sie trat mit dem Fuß nach mir, als wollte sie mich solchergestalt aus ihrer Gegenwart verstoßen. Diese Dinge, ehrwürdiger Vater, sind sonderbar, wundersam unnatürlich und kommen nicht im gewöhnlichen Lauf der Dinge vor, sondern weisen auf Zauberei und Behexung hin. Nachdem ich solchermaßen Ew. Ehrwürden einen vollständigen einfachen und klaren Bericht von allem dem gegeben, was ich in Betreff dieser Sache weiß, überlasse ich es Eurer Weisheit, zu lösen, was in derselbigen lösbar erfunden werden mag, sintemal es mein Vorsatz ist, morgen mit der ersten Dämmerung gen Edinburgh aufzubrechen.«
»Ich bedaure, Eure Pläne durchkreuzen zu müssen, Herr Ritter,« entgegnete der Mönch. »Jener Vorsatz wird schwerlich in Erfüllung gehen.«
»Wie, Ehrwürdiger Herr!« sprach der Ritter mit dem Ausdruck des höchsten Erstaunens. – »Wenn das, was Ihr gesagt habt, sich auf meine Abreise bezieht, so wisset, daß sie stattfinden muß, denn ich habe sie beschlossen.«
»Herr Ritter,« erwiederte der Subprior; »ich muß wiederholen, es kann nicht sein, bis des Abtes Wille in dieser Sache ausgesprochen ist.«
»Ehrwürdiger Herr,« sagte der Ritter, sich mit vieler Würde emporrichtend, »ich lasse mich herzlich und dankbar dem Abt empfehlen, aber in dieser Sache geht mich Sr. Hochwürden Wille gar Nichts an, sintemal ich gedenke, lediglich den meinigen zu Rathe zu ziehen.«
»Verzeiht,« entgegnete der Subprior, »der Abt hat in dieser Sache eine entscheidende Stimme.«
Herrn Piercie Shafton begann das Blut zu Kopfe zu steigen. »Ich bin verwundert,« sprach er, »Ew. Ehrwürden so reden zu hören. – Wie? Ihr wollt um des vermeintlichen Todes eines gemeinen, niedriggebornen, raufsüchtigen Lümmels willen es wagen, einen Eingriff zu thun in die Freiheit eines Verwandten des Hauses Piercie?«
»Herr Ritter,« versetzte der Subprior ruhig. »Eure hohe Abkunft und Euer Zürnen wird Euch wenig helfen bei dieser Sache. Ihr sollt nicht hieher kommen, Schutz zu suchen, und unser Blut vergießen, als wäre es Wasser.«
»Ich sage Euch nochmals,« erklärte der Ritter, »daß kein Blut vergossen worden ist, mit Ausnahme des meinigen.«
»Das steht noch zu beweisen,« entgegnete der Subprior. »Wir vom Stift S. Marien zu Kennaquhair pflegen nicht Feenmährchen als Ersatz für das Leben unserer Unterthanen anzunehmen.«
»Wir vom Hause Piercie,« antwortete Shafton, »dulden weder Drohungen noch Zwang. Ich sage, morgen reise ich, geschehe was da wolle!«
»Und ich,« versetzte Eustach, »ich sage, ich hindere Eure Reise, komme, was da wolle!«
»Wer will Etwas dagegen haben, wenn ich mir mit Gewalt Bahn mache?«
»Ihr werdet Euch wohl bedenken,« antwortete der Mönch mit Ruhe, »ehe Ihr dergleichen versucht. Im Stift sind Männer genug, um dessen Rechte zu behaupten wider Die, so es wagen, dieselben zu verletzen.«
»Mein Vetter von Northumberland wird diese Behandlung eines ihm so werthen nahen Verwandten zu rächen wissen,« sprach der Engländer.
»Der Gnädige Herr Abt wird seine Herrschaftsrechte zu behaupten wissen sowohl mit dem weltlichen, wie mit dem geistlichen Schwert,« versetzte der Mönch. »Bedenkt übrigens, wenn wir Euch morgen Eurem Vetter nach Alewick oder Markwarth zuschickten, so dürfte derselbe nichts Anderes thun, als Euch in Fesseln der Königin von England überliefern. Erwägt, Herr Ritter, daß Ihr auf schlüpferigem Boden steht, und daß Ihr wohl daran thut, Euch zu bescheiden, hier als Gefangener zu bleiben, bis der Abt die Sache entscheidet. Es sind hier gewaffnete Leute genug, um alle Eure Fluchtversuche zu vereiteln. Wappnet Euch darum mit Geduld und Ergebung, um Euch in Eure Lage zu fügen.«
So sprechend klatschte er mit den Händen und rief. Edward trat ein mit zwei wohlbewaffneten jungen Leuten, die auf seine Einladung herbeigeeilt waren.
»Edward,« sprach der Subprior, »Ihr werdet den englischen Ritter hier in dieser Speisekammer mit gebührlicher Nahrung und mit Bequemlichkeiten für seine Nachtruhe versehen und ihn so freundlich behandeln, als ob nichts zwischen Euch vorgefallen wäre. Auf der andern Seite werdet Ihr eine hinlängliche Wache aufstellen und sorgfältig Acht haben, daß er nicht entfliehe. Sollte er versuchen herauszubrechen, so widersteht ihm auf Leben und Tod. Aber in keinem anderen Falle krümmt Ihr ihm ein Haar; dafür seid Ihr verantwortlich.«
Edward Glendinning antwortete: »Um Eurem Befehl Folge zu leisten, Ehrwürdiger Herr, will ich nicht mehr in seine Nähe kommen. Denn eine Schande wäre es für mich, den Frieden des Stiftes zu brechen, aber keine geringere Schande auch, den Tod meines Bruders ungerächt zu lassen.«
Während er sprach, wurden seine Lippen bleich, und das Blut zog sich aus seinen Wangen zurück. Er wollte das Gemach verlassen, da rief ihn der Subprior zurück und sagte in feierlichem Ton: »Edward, ich habe Euch von Kind auf gekannt. Ich habe gethan, was in meinen Kräften stand, um Euch nützlich zu sein. Ich sage Nichts davon, was Ihr mir, als dem Statthalter Eures geistlichen Oberen schuldig seid, – Nichts von Eurer Pflicht als Lehensmann gegen den Subprior. Aber Pater Eustachius erwartet von seinem Zögling, er erwartet von Edward Glendinning, daß derselbe durch keine Gewaltthat, so sehr er sie auch durch den Anlaß gerechtfertigt glauben mag, die Achtung verletzt, so er der Gerechtigkeit schuldig ist, oder die, welche von ihm zu verlangen sein Lehrer ein besonderes Recht hat.«
»Fürchtet Nichts, ehrwürdiger Vater – denn so darf ich Euch in hundert Beziehungen nennen« – versetzte der Jüngling: »fürchtet nicht, daß ich im Geringsten die Achtung verletze, welche ich der verehrungswürdigen Brüderschaft schuldig bin, die uns so lange beschirmt hat. Noch weit weniger will ich irgend Etwas thun, was mit der Ehrfurcht gegen Eure Person streitet. Aber das Blut meines Bruders darf nicht vergebens um Rache schreien – Ihr kennt unseren Gränzerglauben.«
»Die Rache ist mein, spricht der Herr, und ich will vergelten,« antwortete der Mönch. »Der heidnische Brauch der Blutrache in diesem Land, demzufolge jeder auf eigne Hand Vergeltung übt für den Tod seines Verwandten oder Freundes, hat unsere Thäler mit dem Blut schottischer Männer überschwemmt, vergossen durch die Hände von Landsleuten und Stammgenossen. Es ließe sich kein Ende finden, wollte man die unglückseligen Erfolge aufzählen. Auf der Ostgränze sind die Home's in Fehde mit den Swinton's und Cockburn's. Auf unserer Mittelmark haben die Scott's und Kerr's in inneren Fehden so viel Blut verspritzt, daß es hingereicht hätte, eine Feldschlacht in England zu liefern, wofern dieselben ein zufälliges Zusammentreffen hätten vergeben und vergessen können, welches ihre Namen in Feindschaft wider einander gebracht hat. Auf der Westgränze sind die Johnstone's im Krieg mit den Maxwell's, die Jardine's mit den Bell's und ziehen hinter sich nach zum blutigen Bürgerkrieg, zur Verwüstung und Schwächung des schon ohnedem zwiespältigen Landes, den Kern unseres Volkes, dessen Brust ein Bollwerk wider England bilden sollte. Laßt nicht, mein lieber Sohn Edward, dieß blutige Vorurtheil Euer Gemüth beherrschen. Ich kann Euch nicht zumuthen, das vermeintliche Verbrechen so anzusehen, als ob das vergossene Blut Euch minder theuer gewesen wäre; ich weiß, dieß ist leider unmöglich. Aber ich verlange von Euch, daß in demselben Maße wie Euer Gefühl für den vermeintlichen Todten spricht, (denn bis jetzt liegt noch Nichts weiter als Vermuthung vor,) daß in demselben Maße Eure Vernunft den Beweis erwägt, welcher erforderlich ist, um den Verdächtigen schuldig zu finden. Er hat mit mir gesprochen, und ich gestehe, seine Erzählung ist so sonderbar, daß ich sie unbedenklich und unglaubwürdig verworfen haben würde, wenn nicht ein Fall, welcher mir selber in dieser Schlucht begegnet ist – doch davon ein andermal. Für jetzt genüge es, zu sagen, daß ich, nach dem, was ich selber erlebt habe, die Geschichte von Herrn Piercie Shafton, trotz ihrer Sonderbarkeit, nicht für unmöglich halte.«
»Vater,« sprach Edward, als er sah, daß sein Lehrer inne hielt und sich nicht auslassen wollte über die Gründe, welche ihn bestimmten, der, von ihm selber als unwahrscheinlich bezeichneten, Erzählung Shaftons Glauben beizumessen, – »Vater seid Ihr mir in jeder Beziehung gewesen. Ihr wisset, daß meine Hand lieber nach dem Buch als nach dem Schwert griff und daß mir gänzlich abging der rasche und kühne Sinn« – – Seine Stimme versagte ihm und er hielt einen Augenblick inne, fuhr aber dann entschlossen und geläufig fort: »Ich wollte sagen, daß ich Halberten nicht gleich kam in Raschheit des Sinnes und der Hand. Aber Halbert ist hin und ich stehe an seiner und an meines Vaters Statt da – als sein Nachfolger in all seinen Rechten« (hier sprühten seine Augen Feuer) »und verpflichtet dieselben zu handhaben und zu behaupten, wie er gethan haben würde. Darum bin ich jetzt ein anderer Mensch, ein Mensch mit vermehrtem Muth, und mit vermehrten Rechten und Ansprüchen. Ehrwürdiger Pater, achtungsvoll, aber fest und offen erkläre ich, sein Blut, wenn es durch diesen Mann vergossen ist, soll gerächt werden, Halbert soll nicht vergessen in seinem einsamen Grabe schlummern, als ob mit ihm der Geist meines Vaters für immer dahin wäre. Sein Blut fließt in meinen Adern, und so lange das Blut Halberts ohne Vergeltung vergossen bleibt, wird das meine mir keine Ruhe lassen. Meine Armuth und mein geringer Stand sollen dem hochadeligen Mörder nichts helfen; meine ruhige Gemüthsart und meine friedlichen Bestrebungen sollen ihn nicht schützen. Selbst die Verbindlichkeiten, welche ich gegen Euch habe, sollen ihn nicht schützen. Ich erwarte in Geduld das Urtheil vom Abt und Kapitel für die Tödtung eines Lehensmannes aus einer der ältesten Familien im Stift. Lassen sie dem Andenken meines Bruders Gerechtigkeit widerfahren, dann ist es gut. Aber, merket wohl, Vater, wenn sie unterlassen, mir diese Gerechtigkeit zu gewähren, dann wird man sehen, daß mein Herz und meine Hand, obwohl ich dergleichen äußerste Mittel nicht liebe, fähig sind, einen solchen Fehler gut zu machen. Wer meines Bruders Erbschaft in Anspruch nimmt, muß seinen Tod rächen.«
Der Subprior sah mit Erstaunen, daß Edward bei all' seinem Mangel an Selbstvertrauen, bei seiner Demuth und bei seinem folgsamen Fleiße, dennoch in seinem Blut die wilden Grundsätze seiner Vorfahren und seiner Umgebung trug. Sein Auge funkelte, sein Körper war in lebhafter Aufregung und seine Rachelust gab seinen Bewegungen das Ansehen fröhlicher Unruhe.
»Gott helfe uns,« sprach Pater Eustachius. »Elend und schwach, wie wir sind, wissen wir uns wider starke Versuchung nicht zu helfen. Edward ich verlasse mich auf Euer Wort, daß Ihr keinen übereilten Schritt thut.«
»Gewiß nicht,« antwortete Edward, »das versprech' ich Euch, der Ihr mehr für mich seid, als Vater. Aber das Blut meines Bruders, die Thränen meiner Mutter – und – und – und von Maria Avenel sollen nicht vergebens vergossen sein. Ich will Euch nicht täuschen; wenn dieser Piercie Shafton meinen Bruder getödtet hat, so stirbt er, und wenn er alles Blut des Gesammthauses Piercie in seinen Adern hätte.«
Der feierliche und entschiedene Ton, mit welchem Edward diese Worte sprach, ließ keinen Zweifel an seinem festen Entschluß. Der Subprior seufzte tief, und drang nicht weiter in seinen Zögling, sich zu beruhigen. Er ließ Licht in das untere Zimmer bringen und ging in demselben eine Zeit lang schweigend auf und ab.
Tausend Gedanken und selbst verschiedene Grundsätze kämpften in seinem Inneren. Er hegte starken Zweifel gegen des Ritters Bericht von dem Zweikampf und von dem, was darauf gefolgt war. Auf der anderen Seite stand die Erinnerung an die außerordentlichen und wunderbaren Umstände, welche ihm und dem Küster in eben dieser Gegend zugestoßen waren, und verstattete ihm nicht, die Erzählung von der wunderbaren Wunde und Wiederherstellung Shaftons entschieden zu verwerfen, und für unmöglich zu erklären, was höchst unwahrscheinlich war. Nicht minder war er in Verlegenheit, wie er die brüderlichen Gefühle Edwards im Zaum halten sollte. Diesem Jüngling gegenüber kam er sich wie der Wärter eines jungen Löwen vor, der das Geschöpf von Kleinem auf unter seinen Willen gebeugt hatte, plötzlich aber findet, daß das herangewachsene Thier gereizt seine Krallen und Zähne weiset, seine Mähne sträubt, seine wilde Natur wieder annimmt und seinem Wärter und aller Welt Trotz bietet.
Wie er es anfangen sollte, einen Zorn im Zaum zu halten und zu besänftigen, welchen das allgemeine Beispiel unversöhnlich und todbringend machte, – diese Frage hätte dem Pater schon genug zu denken geben können. Dabei hatte er aber auch die Lage seiner Klosterbrüderschaft zu erwägen, welche entehrt war, wenn sie die Tödtung eines Unterthanen ungerächt hingehen ließ. Konnte eine solche Vernachlässigung nicht den schwankenden Untergebenen einen Vorwand zur Empörung bieten? Auf der andern Seite, welcher Gefahr war die Brüderschaft nicht ausgesetzt, wenn sie ein Strafverfahren einleitete gegen einen Engländer von Rang, verwandt mit dem Hause von Northumberland und mit andern großen nordischen Familien, welche die Mittel besaßen und welchen schwerlich die Neigung fehlen konnte, für jede an ihrem Verwandten geübte Gewalt Rache an den Stiftslanden zu nehmen. Er sah voraus, daß in dem einen wie in dem anderen Fall, mochte eine Empörung oder ein feindlicher Einfall statt finden, Gründe und Beweise Nichts helfen konnten. Er seufzte in seinem Inneren wenn er überlegte, daß hier in allen möglichen Fällen immer nur die Wahl zwischen Schwierigkeiten bliebe. Als Mensch fühlte er sich empört durch den Gedanken, daß ein ausgemachter Fechter den in der Kunst der Waffen ungeübten Stiftsunterthanen erschlagen hatte, als Klosterbruder stellte er sich lebhaft die Schmach vor, welche über seine Brüderschaft kommen müßte, wenn eine so schwere Verletzung ungeahndet hinginge. Und in welchem Licht mußte die, gegenwärtig am Hof von Schottland herrschende, Partei die Sache betrachten? Diese Partei hing der Reformation an, war durch gemeinsamen Glauben und durch gemeinsamen Vortheil mit der Königin Elisabeth verknüpft. Ihr gelüstete nach den Einkünften der Kirche. Welch herrlichen Vorwand, nach den Gütern des Stiftes zu greifen, gewährte ihr nicht die straflose Tödtung eines Schotten einen katholischen Engländer, einen Rebellen wider die Königin Elisabeth?
Auf der andern Seite einen, mit den Piercie's durch Verwandtschaft und durch politische Umtriebe verbundenen, englischen Ritter, einen treuen Anhänger der katholischen Kirche, welcher im Stift Zuflucht gesucht hatte, an England oder, was fast auf dasselbe hinauslief, an die schottische Regierung auszuliefern, dünkte dem Subprior ein unwürdiges Verfahren, welches den Fluch des Himmels verdiene und selbst mit großer zeitlicher Gefahr verknüpft sei. War auch die Regierung von Schottland jetzt fast gänzlich in den Händen der protestantischen Partei, so hing doch die Königin dem katholischen Glauben an. Wer konnte wissen, ob sie unter den plötzlichen Wechseln, welche dieß unruhige Land bewegten, nicht die Gewalt in ihre Hände bekam und in Stand gesetzt wurde, ihre Glaubensgenossen zu beschützen? Und dann wenn der Hof und die Königin von England eifrig protestantisch waren, so enthielten dagegen die nördlichen Grafschaften, deren Freundschaft oder Feindschaft für das Stift von der größten Bedeutung war, eine Menge Katholiken, deren Häupter im Stande und höchstwahrscheinlich auch bereit sein würden, Rache zu nehmen, wenn Herr Piercie Shafton Etwas zu Leide geschähe.
Von welcher Seite also auch der pflichtmäßig um sein Kloster besorgte Subprior die Sache betrachtete, überall sah er Schaden, Schande, feindlichen Einfall und Einziehung der Güter bevorstehen. Er sah keinen andern Ausweg als, einem entschlossenen Piloten gleich, beim Steuerruder zu bleiben. Alles, was vorkommen möchte, zu beobachten, sein Möglichstes zu thun, um jeder Klippe und Untiefe auszuweichen, und das Uebrige dem Himmel und den Schutzheiligen zu überlassen.
Als er das Gemach verließ, rief ihm der Ritter, der ihn vorbeigehen hörte, zu, und bat ihn, sein Felleisen in die Speisekammer bringen zu lassen, da er hier die Nacht über bewacht werden sollte; denn er wünschte sich umzukleiden.
»Ja, ja,« murmelte der Mönch, indem er die Wendeltreppe hinaufstieg, »bringt ihm geschwind seinen Flitterstaat. Wie doch ein Mann, für welchen so manches edle Ziel seines Strebens vorhanden wäre, wie ein Hans Narr an einer bordirten Jacke und einer Schellenkappe seine Freude haben mag! – Ich muß jetzt an das traurige Geschäft gehen, ein Wesen zu trösten, welches fast untröstlich ist, eine Mutter, die um ihren Erstgebornen weint.«
Er klopfte leise an und trat in das Frauengemach. Hier fand er Marien Avenel sehr unwohl im Bette liegend, Dame Glendinning und Tibb ihrem Schmerz nachhängend bei einem erlöschenden Feuer und bei einer kleinen eisernen Lampe. Die arme Elspeth hatte ihre Schürze vor dem Gesicht und schluchzte und weinte bitterlich um ihren schönen, braven Halbert, das Ebenbild ihres theuren Simon Glendinning, »die Stütze ihrer Wittwenschaft und den Stab ihres Alters.«
Die treue Tibb hallte ihre Klagen nach und gelobte, lauter und heftiger, schwere Rache über Herrn Piercie Shafton, »wenn nur noch ein Mann im Süden wäre, der eine Fuchtel ziehen, oder ein Weib, welches ein Reibeisen werfen könnte.« Die Gegenwart des Subpriors machte diesem Geschrei ein Ende. Er setzte sich neben der unglücklichen Mutter nieder und suchte durch Gründe der Religion und der Vernunft die heftigen Gefühle der Dame zu besänftigen. Allein seine Bemühungen waren fruchtlos. Sie hörte ihm zwar mit einiger Aufmerksamkeit zu, als er sein Wort gab, seinen ganzen Einfluß bei dem Abt aufzubieten, daß die Familie, welche ihren Erstgebornen durch einen, auf sein Geheiß aufgenommenen, Gast verloren hätte, den besondern Schutz des Klosters genießen, und daß Simon Glendinnings Lehen, vergrößert und mit größeren Freiheiten begabt, auf Edward übertragen werden sollte. Allein nur auf kurze Zeit war das Schluchzen der Mutter leiser und ihr Schmerz gemäßigter. Bald machte sie sich Vorwürfe, daß sie einen Augenblick an weltlichen Tand denken konnte, während der arme Halbert in seinem blutigen Hemde in der Erde lag. Eben so wenig Erfolg hatte des Subpriors Versprechen, »daß Halberts Leiche in geweihte Erde gebracht, und daß für seine Seele durch die Gebete der Kirche gesorgt werden solle.« Der Schmerz verlangte freien Lauf und die Stimme des Trösters verhallte nutzlos.
Herrn Piercie Shafton's ausnehmende Liebhaberei an Kleidungsstücken war allen Modenarren dieser Zeit gemein. Ihre Voreltern hatten durch ein zahlreiches Gefolge zu glänzen gesucht; als aber in Frankreich sowohl wie in England der Einfluß des Adels durch die wachsende Macht der Krone beschränkt wurde, suchte die ausschweifende Eitelkeit ihre Befriedigung im Putz. Viele Anspielungen auf diese Veränderung der Sitte, finden sich bei Shakspeare und andern Dramatikern der Zeit, wo der Leser erwähnt findet:
»Manch Schuldverschreiben
Für Putz, am Tag des Maskenzugs zu tragen.«
Jonson berichtet, für das erste Auftreten eines Weltmannes »wäre es gut, Ihr verwandeltet vier- oder fünfhundert Morgen Eures besten Landes in zwei- oder drei Kasten voll Kleider.« – Jeder Mann aus seiner Laune.
Im Gedenkbuch der Familie Somerville findet sich ein merkwürdiges Beispiel dieser Art von Verschwendung. Als im Jahr 1537 Jakob V. seine Braut, welche nur kurze Zeit lebte, aus Frankreich herüberbrachte, war der Herr von Somerville so verschwenderisch in Kleiderpracht, daß er für die, bei dieser Gelegenheit aufgenommene, Summe eine ewige Jahresrente von dreihundert Pfund Schottisch, zahlbar aus der Freiherrschaft Carnwath bis zum jüngsten Tag, verschreiben mußte, welche von dem Gläubiger der S. Magdalenenkapelle zugewiesen ward. Durch diesen bedeutenden Aufwand war Somerville in Stand gesetzt, eine solche Pracht zu entfalten, daß der König, als er ihn mit nur zwei Edelknaben hinter sich zum Thor von Holyrood einreiten sah, mehreren Hofleuten auftrug, zu erforschen, wer das sein möchte, der so köstlich gekleidet, und mit so geringem Gefolge daher kam, und daß man ihn nicht eher erkannte, als bis er in das Audienzzimmer eintrat. »Ihr seid gar stattlich, mein Herr,« sagte der König, als er die Huldigung von ihm empfing, »aber wo sind Eure Mannen und Diener?« Somerville antwortete ohne Zögern: »Erlaubt Ew. Majestät, hier sind sie,« – und damit deutete er auf die Schnüre an seinen und an seiner Edelknaben Kleidern. Der König lachte herzlich, betrachtete den Putz näher, und hieß ihn das Zeug abthun und seine mannhafte Schaar von Spießen wieder anschaffen.
Im sechsten Auftritt des vierten Aufzugs seines »Jedermann aus seiner Laune« schildert Jonson einen Euphuisten, welcher die Wirkung eines Zweikampfes auf seine und auf seines Gegners Kleider beschreibt, und damit fast lediglich ein Verzeichniß seiner Garderobe gibt. Wir theilen das Bruchstück hier mit, zum Beweis, daß die Putzsucht unserer Vorfahren nicht geringer war, als die unsrige.
» Fastidius. Wahrhaftig, Signor, da Ihr eben von einer Rauferei sprecht, so will ich Euch mit einem Streit bekannt machen, welcher zwischen einem Ritter und mir vorgefallen. Ihr kennt ihn, wenn ich ihn nenne. – Signor Luculento.«
» Puntarvalo. Luculento! Welch unseliger Zufall ist zwischen Eure beiderseitige Liebe gekommen?«
» Fastidius. Wahrlich derselbe, welcher Agamemnon und der Thetis großen Sohn getrennt hat. Doch lassen wir die Ursache auf sich beruhen. Er schickte mir eine Aufforderung mit etlichen trotzigen Redensarten zu, welche ich erwiederte. Wir trafen uns. Nun muß ich Euch wirklich sagen, am Anfang ging er verzweifelt ein, aber ohne Ueberlegung. Denn seht, Herr, ich nahm diese Stellung an. Jetzt kam er mit Heftigkeit heran; ich ging um seine Klinge herum und gedachte ihm eins auf den Arm zu versetzen, denn sein ganzer Leib war ungedeckt. Ich fehlte seinen Arm, schlitzte den Aermel seines Wamses, stieß ihm dicht bei der Wange vorbei und durch sein Haar hindurch. Er seinerseits trifft mich hieher – ich hatte eine goldne gedrehte Hutschnur, wie sie eben aufgekommen war, um meinen braunrothen französischen Hut, er haut mir die Hutschnur durch – und sie war massive Goldschmiedsarbeit, – haut mir die Krempe durch, welche glücklicherweise dick mit Goldfäden gestickt und mit Goldblättchen besetzt war, und dadurch die Gewalt des Hiebes zu Schanden machte. Nichtsdestoweniger streifte der Hieb auf meine Schulter und nahm mir sechs Perlen von einem italienischen gezackten Band weg, welches ich trug, und welches mich Tags zuvor drei Pfund an der Börse gekostet hatte – –«
» Puntarvalo. Das war ein sonderbares Gefecht.«
» Fastidius. Nein, hört nur zu, Herr ... Hiermit war der erste Gang geendigt, und wir schöpften Athem. Als er seinen zweiten Hieb anzog, nahm ich meine vorige Deckung wieder ein; er seiner Seits gab sich bloß und hieb immer zu. Ich mochte den tödtlichen Vortheil nicht benutzen, den mir die Entblößung seiner linken Seite gab, und stieß ihm ein Quart bis an das Heft durch das Wams, durch das Hemd, traf aber die Haut nicht. Er schlägt mir ein Terz nach, trifft meinen gebuckelten Gurt – das Gehens hatte ich kurz zuvor abgelegt – haut mir den Rand eines stark bordirten Atlaswamses weg, der mit vierfachem Taffet gefüttert war, schlägt mir zwei mit Perlen gestickte Rauten von den Hosen herunter, reißt den Besatz von Goldstoff durch, dringt in das Futter ein, und berührt das Fleisch.«
» Car. ( bei Seite) Daß er nichts von seinem gewirkten Hemd sagt!«.
» Fastidius. Hier hielten wir inne, in der Meinung, daß wir uns wechselseitig verwundet hätten. Doch ehe ich weiter gehe, muß ich Euch sagen, daß bei dem letzten Gang, da ich keine Zeit hatte, meine silbernen Sporen abzulegen, ein Rädchen sich in dem Umschlag meines Stiefels verfing. Es war spanisches Leder, das leicht riß; ich falle um, und das Sporenrad zerreißt mir zwei Paar seidene Strümpfe, wovon das eine pfirsichfarben, – denn es war ein etwas rauher Morgen – und dringt mir einen halben Zoll tief neben in der Wade ein. So wie er das Blut kommen steht, steigt er zu Pferd und fort. Ich verbinde meine Wunde mit einem Stück von meinem gewirkten Hemd.« –
» Car. Aha, da haben wir's.«
» Fastidius. – reite ihm nach. Am Schloßthor steigen wir zu gleicher Zeit ab, umarmen uns und gehen Hand in Hand hinauf in's Audienzzimmer. War diese Sache nicht schön durchgeführt.«
» Maci. Ei gewiß! Und auf diese Weise können wir uns denken, welche Kleidung der Herr trug.«
» Puntarvalo. Es war eine Sache, begonnen mit vieler Entschlossenheit, durchgeführt mit eben so viel Mannhaftigkeit, geendet mit noch mehr Menschlichkeit.«