Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Drittes Kapitel.

Dir soll es nie an einem Trunke fehlen,
Wenn neben Dir die volle Kanne steht! –
Nein, fürcht' mich nicht, es macht mir kein Vergnügen,
Der Menschen Laster zu beachten, da
Ich selbst mich keiner Tugend rühmen kann. –
Ein Raufbold bin ich, mit der ganzen Welt
Möcht' ich mich schlagen, ohne Unterschied.

Pandämonium.

In seltsamer Gemüthsbewegung war Tressilian kaum die ersten zwei oder drei Stufen der Wendeltreppe hinuntergegangen, als ihm zu seinem großen Erstaunen und Mißfallen Michael Lambourne begegnete, dessen Gesicht einen so unverschämten Ausdruck der Vertraulichkeit an sich trug, daß Tressilian sich sehr geneigt fühlte, ihn die Treppe hinunterzuwerfen, als ihm einfiel, welchen Nachtheil Emma wahrscheinlich davon haben werde, wenn er zu der Zeit und an dem Orte eine so gewaltsame Handlung beginge.

Er begnügte sich also damit, Lambourne finster anzusehen, als ob er ihn der Beachtung unwerth halte, und versuchte ohne ein Zeichen der Bekanntschaft an ihm vorüberzugehen. Doch Lambourne, welcher bei der verschwenderischen Gastfreiheit jenes Tages nicht verfehlt hatte, wacker, obgleich nicht zu viel zu trinken, war nicht in der Laune, sich vor den Blicken irgend eines Menschen zu demüthigen. Er hielt Tressilian ohne die geringste Verlegenheit auf der Treppe zurück, und redete ihn an, als stehe er in dem besten Vernehmen mit ihm: »Nun, Herr Tressilian, hoffentlich ist kein Groll mehr zwischen uns? – Ich erinnere mich lieber früherer Güte, als späteren Zankes – ich will Euch überzeugen, daß ich es ehrlich und gut mit Euch im Sinne hatte.«

»Ich wünsche Eure Vertraulichkeit nicht,« sagte Tressilian – »haltet Umgang mit Euresgleichen.«

»Ei, wie hastig er ist!« sagte Lambourne, »und wie diese Cavaliere, die ohne Zweifel aus Porcellanerde gemacht sind, auf den armen Michael Lambourne niederblicken! Man sollte glauben, Herr Tressilian sei der mädchenhafteste, bescheidenste, zimperlichste Damenknecht, der je ein Liebesgeständniß machte, wenn die Lichter heruntergebrannt waren. – Ihr wollt den Heiligen unter uns spielen, Herr Tressilian, und vergeßt, daß Ihr selber in Eurem Schlafzimmer ein hübsches Mädchen versteckt habt, zur Schande des gräflichen Schlosses! Ha, ha, ha! Hab' ich's getroffen, Herr Tressilian?«

»Ich weiß nicht, was Ihr meint,« sagte Tressilian, der indeß zu gewiß überzeugt war, daß der ausgelassene Schurke mit Emma's Aufenthalte in seinem Zimmer bekannt war; »doch wenn Du ein Kammerdiener bist,« setzte er hinzu, »und eine Belohnung haben willst, so hast Du hier eine, um mein Zimmer unbelästigt zu lassen.«

Lambourne sah das Goldstück an, steckte es in die Tasche und sagte: »Ich weiß nicht, wie es zugeht, Ihr hättet durch ein freundliches Wort mehr bei mir ausrichten können, als mit diesem Trinkgelde. Doch bei alledem, der bezahlt gut, der mit Gold bezahlt – und Michel Lambourne war nie ein Spaßverderber, oder dergleichen. Leben und leben lassen, das ist mein Wahlspruch – nur mag ich nicht gerne, wenn die Leute vor mir die Nase rümpfen, als wären sie von gediegenem Silber, und ich von holländischem Zinn. Wenn ich Euer Geheimniß bewahre, Herr Tressilian, so könnt Ihr mich wenigstens freundlich ansehen, und bedürfte ich einer kleinen Nachsicht, oder Unterstützung, wenn man mich bei einem kleinen Fehler betroffen, was dem Besten unter uns begegnen kann – nun, Ihr verdankt es mir, und so mögt Ihr denn mit jenem Vogel in einem Käfig wohnen – das ist Michel Lambourne einerlei.«

»Macht Platz, Herr!« sagte Tressilian, der nicht im Stande war, seinen Unwillen zu zügeln, »Ihr habt Euren Lohn erhalten.«

»Hm!« sagte Lambourne, welcher auswich und Tressilians Worte wiederholte – »Platz machen – habe meinen Lohn – aber das thut nichts, ich will ihm den Spaß nicht verderben, wie gesagt; ich bin kein Hund, der auf der Lauer steht.«

Er sprach lauter und lauter, so wie Tressilian sich entfernte. »Ich bin kein Spürhund – doch will ich auch keine Kohlen tragen – das mögt Ihr bedenken, Herr Tressilian, und ich will mir doch einmal die Dirne ansehn, die Ihr so bequem in Eurem alten Zimmer einquartirt habt, – er fürchtet sich wahrscheinlich vor Geistern und will nicht allein schlafen. Hätte ich dies in dem Schlosse eines fremden Lords gethan, so hätte es geheißen: in's Hundeloch mit dem Schurken – peitscht ihn – werft ihn die Treppe hinunter. – Unsere tugendhaften Cavaliere nehmen sich viel heraus. Gut – ich habe den Kopf meines guten Herrn Tressilian unter meinem Schwertgürtel, vermöge dieser glücklichen Entdeckung, das ist der erste Punkt, und dann will ich versuchen, seine Dulcinea zu Gesicht zu bekommen, das ist der zweite.«



 << zurück weiter >>