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Wie sich ein Strom entgegenstürzt dem andern,
Wie Winde, die sich wuthentbrannt bekriegen,
Wie Flammen aus verschied'nen Punkten stürzen
Und immer eins mehr Muth zeigt als das andere,
So werfen sich zwei Menschen auf einander; –
Kein Streit der aufgeregten Elemente,
Wenn auch die Teufel selbst sie dabei führten,
Mag sich mit eines Menschen Zorn vergleichen.
Frenaud.
Der Aeltere von unseren beiden Reisenden, wenn gleich ein starker und mit Anstrengungen vertrauter Mann, schlief fester und länger als gewöhnlich an dem Morgen, der jetzt zu dämmern begann; aber seinem Sohn Arthur lag etwas im Sinn, was seine Ruhe frühzeitig unterbrach. Der Zweikampf mit dem unverschämten Schweizer, einem ausgezeichneten Sprossen aus einem berühmten Geschlecht von Kriegern, war eine Verpflichtung, die nach der Meinung der Zeit, in welcher er lebte, nicht aufgeschoben oder gebrochen werden durfte. Er verließ die Seite seines Vaters, und vermied so gut als möglich, ihn zu stören, obgleich diesem selbst das nicht aufgefallen wäre. Denn Arthur war gewöhnt, früh aufzustehen, um Vorbereitungen für die Tagereise zu machen, zu sehen, ob der Führer zur Stelle sei, ob das Maulthier sein Futter bekam und ähnliche Geschäfte zu besorgen, welche sonst seinen Vater belästigt haben würden. Der alte Mann schlief jedoch, ermüdet von den Anstrengungen des vorigen Tages, wie wir bereits gesagt, ungewöhnlich fest. Arthur waffnete sich mit seinem guten Schwert und eilte auf den Grasplatz vor des Landammanns Wohnung beim Grauen eines schönen Herbstmorgens in den Schweizergebirgen.
Die Sonne war eben im Begriff, die Spitze des riesigsten aus diesem Titanengeschlecht zu küssen, aber lange Schatten lagen noch auf dem Grase, das sich unter des jungen Mannes Füßen mit einer starken Andeutung von Frost krümmte. Arthur blickte nicht auf die Landschaft, die so lieblich dalag, in der Erwartung einer Welle aus dem Tagesgestirn, um dann plötzlich in ein glänzendes Dasein zu treten. Er zog das Gehenk seines Schwertes an; – als er das Haus verließ, war er schon daran gewesen, es zu festigen, und ehe er die Schnalle zurechtgebracht, war er schon viele Schritte auf dem Wege nach dem Platze hin, wo er sich einstellen sollte.
Es war in diesen kriegerischen Zeiten Sitte, eine Aufforderung zum Kampf als eine heilige Verbindlichkeit anzusehen, die allen andern vorging, welche man etwa eingehen konnte. Man unterdrückte alle inneren Gefühle, welche die widerstrebende Natur den Forderungen des Herkommens entgegensetzen mochte; der Schritt des Geforderten auf den Kampfplatz mußte frei und leicht sein, als ginge er zu einer Hochzeit. Ich weiß nicht, ob diese Munterkeit bei Arthur wirklich vorhanden war, aber wenn sie es nicht war, so verriethen weder Blick noch Schritt das Geheimniß.
Nachdem er in Eile die Felder und Wäldchen durchschnitten, welche des Landammanns Wohnung von dem alten Schloß Geierstein trennten, trat er in den Hof von der Seite des Schlosses ein, von welcher man die Gegend überschauen konnte, und beinahe in demselben Augenblick stieg sein fast gigantischer Gegner von der unsicheren Flußbrücke herauf. Er hatte Geierstein auf einem anderen Wege erreicht, als der Engländer, und sah jetzt bei blassem Morgenlicht noch größer und dicker aus, als er verwichenen Abend erschienen war.
Dem Berner Kämpen hing eines der ungeheuren, zweihändigen Schwerter auf dem Rücken, deren Klinge fünf Fuß maß, und welche mit beiden Händen geschwungen wurden. Sie standen in fast allgemeinem Gebrauch bei den Schweizern; denn neben dem Eindruck, den solche Waffen voraussichtlich auf die Schlachtreihen deutscher Kriegsleute machen mußten, deren Rüstung für leichtere Waffen undurchdringlich blieb, waren sie auch noch auf die Vertheidigung von Bergpässen berechnet, wo die größte Körperstärke und Beweglichkeit die, welche sie trugen, in Stand setzte, dieselben trotz ihrer Schwere und Länge mit viel Gewandtheit und Wirksamkeit in Anwendung zu bringen. Eines dieser Riesenschwerter hing Rudolph Donnerhügel um den Hals; die Spitze klapperte gegen seine Fersen, und der Griff erhob sich über seine linke Schulter weit über den Kopf hinaus. Ein anderes trug er in der Hand.
»Du bist pünktlich,« schrie er Arthur Philipson so laut zu, daß man es deutlich über dem Brausen des Wasserfalls hörte, der damit in hartnäckiger Anstrengung zu wetteifern schien. »Aber ich dachte, du würdest ohne ein zweihändiges Schwert kommen. Hier ist das meines Vetters Ernst,« sagte er und warf die Waffe, die er trug, auf den Boden, das Heft gegen den jungen Engländer gekehrt. »Sieh' zu, Fremder, daß du es nicht verunehrst, denn mein Vetter würde mir nimmer verzeihen, wenn du das thätest, oder du kannst das meine haben, wenn du so lieber willst.«
Der Engländer blickte etwas überrascht auf eine Waffe, an deren Führung er gar nicht gewöhnt war.
»Der Ausforderer,« sagte er, »läßt sich in allen Ländern, wo man etwas von Ehre weiß, die Waffen des Geforderten gefallen.«
»Wer an einem Schweizerberge ficht, der ficht mit einem Schweizerschwert,« antwortete Rudolph. »Glaubt Ihr, unsere Hände seien gemacht, um Federmesser zu halten?«
»Die unseren sind auch nicht gemacht, Sensen zu schwingen,« sagte Arthur, und murmelte mit einem Blick auf das Schwert, das ihm der Schweizer noch immer hinhielt: » usum non habeo. Ich bin es nicht gewohnt 1. Sam. 17, 39.«.
»Bereut Ihr den Handel, den Ihr eingegangen?« rief der Schweizer. »Wenn das ist, so gebt Euch überwunden und geht ungekränkt davon. Sprecht frei heraus, statt lateinisch zu plappern, wie ein Schreiber oder geschorner Mönch.«
»Nein, stolzer Mann,« versetzte der Engländer, »ich bitte dich nicht um Schonung; ich dachte blos an einen Kampf zwischen einem Hirten und einem Riesen, in welchem Gott demjenigen den Sieg verlieh, der noch schlechtere und ungleichere Waffen hatte, als mir heute zugefallen. Ich will fechten, wie ich dastehe, und mein eigenes, gutes Schwert soll mir heute in meiner Noth helfen, wie zuvor!«
»Sei's! – Aber macht mir keinen Vorwurf, da ich Euch Gleichheit der Waffen anbot,« sagte der Bergbewohner, »und jetzt hört mich! Es ist das ein Streit auf Leben und Tod, jener Wasserfall bläst dabei zu den Waffen. – Ja, alter Schreihals,« fuhr er mit einem Blick rückwärts fort, »es ist lange her, seitdem du den Schlachtlärm gehört. Seht ihn an, Fremder, ehe wir beginnen, denn wenn Ihr fallet, übergebe ich Euren Leib seinen Gewässern.«
»Und wenn du fällst, übermüthiger Schweizer,« antwortete Arthur, »denn ich glaube wohl, daß dich deine Vermessenheit in den Tod führt, will ich dich in der Kirche zu Einsiedeln begraben lassen, und die Priester sollen Messen für deine Seele singen. Dein zweihändiges Schwert soll auf dein Grab gelegt werden, und eine Inschrift soll den Vorübergehenden sagen: Hier liegt das Junge eines Bären von Bern, getödtet von Arthur, dem Engländer.«
»Der Stein ist nicht im Schweizerland, so viel Felsen es auch hat,« sagte Rudolph höhnisch, »der diese Aufschrift tragen soll. Rüste dich zum Kampf!«
Der Engländer warf einen ruhigen und vorsichtigen Blick auf den Schauplatz der Handlung, einen Hof, zum Theil frei, zum Theil mit Trümmern bedeckt, in größeren und kleineren Haufen.
»Ich meine,« sagte er bei sich selbst, »Einer, der seiner Waffe Meister ist, und dem die Unterweisungen des Bottaferma zu Florenz im Gedächtniß sind, kann mit einem freien Herzen, einer guten Klinge, einer festen Hand und einer gerechten Sache eine größere Ungleichheit gut machen, als zwei Zoll Stahl.«
Während er so dachte und sich, so gut es die Zeit erlaubte, jede Beschaffenheit des Orts einprägte, die einen Vorteil im Kampf versprach, nahm er seinen Standpunkt in der Mitte des Burghofes, wo der Boden völlig frei war, warf den Mantel ab und zog das Schwert.
Rudolph hatte zuerst geglaubt, sein Gegner sei ein weibischer Junge, den der erste Schwung seiner furchtbaren Waffe vor ihm wegfegen würde. Aber die feste und behutsame Stellung, die der junge Mann annahm, erinnerte den Schweizer an die Mängel seines eigenen unbehülflichen Kampfwerkzeugs und brachte ihn zu dem Entschluß, jede Uebereilung zu vermeiden, die einem kühnen und wachsamen Feinde Vortheil verschaffen könnte. Er zog seine gewaltige Wehre über die linke Schulter herauf aus der Scheide, und da dieß Geschäft einige Zeit erforderte, so würde sich einem Gegner dabei ein furchtbarer Vortheil geboten haben, wenn Arthurs Sinn für Ehre ihm gestattet hätte, den Angriff zu beginnen, ehe Alles fertig war. Der Engländer blieb ruhig, bis der Schweizer seinen breiten Flamberg der Morgensonne darbot, und drei oder vier Schwingungen machte, wie um das Gewicht desselben und die Leichtigkeit zu zeigen, mit welcher er ihn handhabte, – dann sich innerhalb Schwerteslänge seinem Gegner fest gegenüber stellte, seine Waffe mit beiden Händen faßte und etwas vor sich hinhielt, die Spitze gerade aufwärts gerichtet. Der Engländer dagegen führte sein Schwert mit einer Hand und hielt es quer vor dem Gesicht in horizontaler Lage, so daß er zum Schlagen, Stoßen und Abwehren zugleich bereit war.
»Schlag' zu, Engländer!« sagte der Schweizer, nachdem sie einander etwa eine Minute so gegenüber standen.
»Das längste Schwert sollte den ersten Streich thun,« sagte Arthur; und die Worte waren ihm noch nicht aus dem Munde gegangen, als des Schweizers Schwert sich hob und mit einer Schnelligkeit niederfiel, welche in Betracht der Schwere und Größe der Waffe wunderbar schien. Kein noch so geschicktes Pariren hätte das verderbenschwangere Niederfahren der furchtbaren Waffe verhindern können, mit welchem der Berner Kämpe das Treffen zugleich zu beginnen und zu endigen gehofft hatte. Aber der junge Philipson hatte die Schärfe seiner Augen und die Beweglichkeit seiner Glieder nicht überschätzt. Ehe die Klinge herabkam, brachte ihn ein schneller Sprung außer den Bereich des gewaltigen Streichs, und ehe der Schweizer sein Schwert wieder in die Höhe bringen konnte, hatte er eine, wenn auch leichte Wunde am linken Arm. Zornig über den Fehlhieb und die Wunde erhob der Schweizer abermals seine Waffe und entlud, indem er sich auf die der Größe entsprechende Stärke derselben verließ, auf seinen Gegner eine Reihe von Hieben in gerader, querer und wagerechter Richtung von links nach rechts, und mit so überraschender Stärke und Geschwindigkeit, daß alle Geschicklichkeit des jungen Engländers nöthig war, um abzuwehren, auszuweichen, zurückzugeben und sich dem Hagel von Streichen zu entziehen, die schon einzeln zur Spaltung eines Felsens hinzureichen schienen. Der Engländer war genöthigt, zu weichen, und bald rückwärts, bald auf die eine oder die andere Seite zu treten, bald die Trümmerstücke zu benützen, bald eine Zeitlang mit der größten Kaltblütigkeit den Augenblick abzupassen, in welchem die Stärke seines rasenden Feindes in etwas erschöpft wäre, und er sich durch einen unvorsichtigen oder wüthenden Hieb einem wirksamen Angriff bloßstellen würde. Der letztere dieser Vortheile hatte sich eben gezeigt; denn der Schweizer stolperte mitten in seinem hitzigen Angriff über einen großen, unter dem langen Grase versteckten Stein, und ehe er sich wieder aufraffen konnte, traf ihn ein heftiger Streich seines Gegners über den Kopf. Er ging auf seine Mütze, in deren Futter eine dünne Stahlhaube eingenäht war, so daß es ohne Verletzung abging. Rudolph sprang auf und erneuerte den Kampf mit unveränderter Wuth, obgleich, wie es dem jungen Engländer schien, mit etwas kürzerem Athem und vorsichtigeren Streichen.
Sie stritten noch immer mit gleichem Glück, als eine furchtbare Stimme das Rasseln der Schwerter übertönte, wie das Gebrüll des Wassers, und in befehlendem Tone rief: »Bei Eurem Leben, haltet inne!«
Die beiden Kämpfer ließen ihre Schwerter sinken, und vielleicht war es ihnen nicht leid, daß ein Streit unterbrochen wurde, der ohne eine solche Störung einen tödtlichen Ausgang hätte nehmen müssen. Sie sahen sich um, und der Landammann stand vor ihnen, die breite und ausdrucksvolle Stirne zornig gerunzelt.
»Was nun, ihr Knaben?« sagte er, »seid ihr Gäste Arnold Biedermanns und entehrt sein Haus durch Gewaltthaten, wie sie sich eher für die Wölfe im Gebirge, als für Wesen schicken, denen der große Schöpfer eine Gestalt nach seinem Bilde und eine unsterbliche Seele gegeben hat, um durch Buße und Reue selig zu werden?«
»Arthur,« sagte der ältere Philipson, der zugleich mit ihrem Wirth herbeigekommen war, »was ist das für ein Wahnsinn? Sind deine Pflichten so leicht und gleichgültig, daß sie dir Zeit und Raum zu Streitigkeiten und Kämpfen mit jedem müssigen Bauer lassen, der zufällig eben so großsprecherisch als starrköpfig ist?«
Die jungen Männer, deren Streit beim Eintritt dieser unerwarteten Zuschauer aufgehört hatte, standen und sahen einander an, und stützten sich auf ihre Schwerter.
»Rudolph Donnerhügel,« sagte der Landammann, »gib mir dein Schwert, mir, dem Besitzer dieses Grundes und Bodens, dem Herrn dieser Familie und dem Beamten des Kantons.«
»Und was noch mehr ist,« antwortete Rudolph demüthig, »Euch, Arnold Biedermann, auf dessen Befehl jeder Eingeborne in diesen Bergen sein Schwert zieht oder einsteckt.«
Er reichte sein zweihändig Schwert dem Landammann.
»Nun, bei meinem Ehrenwort, es ist dasselbe,« sagte Biedermann, »mit welchem dein Vater Stephan so ruhmvoll bei Sempach focht, neben dem berühmten Winkelried! Es ist eine Schande, daß es gegen einen hülflosen Fremden gezogen werden soll. – Und Ihr, junger Herr,« fuhr der Schweizer gegen Arthur gewendet, fort, während sein Vater zu gleicher Zeit sagte: »Junger Mann, gebt Euer Schwert dem Landammann!«
»Das wird's nicht brauchen, Herr,« versetzte der junge Engländer, »denn ich meines Theils halte unsern Streit für beendigt. Dieser tapfere Edelmann berief mich hierher, um, wie ich denke, eine Probe meines Muths zu sehen; ich kann seiner Tapferkeit und Waffenkunde mein unmaßgebliches Zeugniß nicht versagen, und da ich glaube, er werde nichts an meiner Herzhaftigkeit auszusetzen haben, so denke ich, hat unser Streit für unsern Zweck lang genug gedauert.«
»Zu lange für mich,« sagte Rudolph offen, »der grüne Aermel an meinem Wamms, mit dessen Farbe ich meine Liebe zu den Waldkantonen andeuten will, hat sich jetzt so hochroth gefärbt, als ihn ein Färber von Ypern oder Gent hätte machen können. Aber ich vergebe von Herzen dem wackern Fremdling, der mein Wamms verdorben und seinem Meister eine Lektion gegeben hat, die er nicht so bald vergessen wird. Wären alle Engländer gewesen, wie unser Gast, würdiger Vetter, ich glaube, der Hügel von Buttisholz wäre schwerlich so groß geworden.«
»Vetter Rudolph,« sagte der Landammann, dessen Stirne sich geglättet hatte bei den Reden seines Vetters, »ich habe dich stets für eben so edel gehalten, als du unbesonnen und händelsüchtig bist. Und Ihr, mein junger Gast, könnt Euch darauf verlassen, daß der Streit sich unmöglich erneuern kann, wenn ein Schweizer sagt: Er ist vorbei. Wir sind nicht wie die Männer in den östlichen Thälern, welche die Rache nähren, als wäre sie ihr Lieblingskind. Gebt Euch jetzt die Hände, meine Kinder, und laßt uns die tolle Fehde vergessen.«
»Hier ist meine Hand, wackerer Fremdling,« sagte Donnerhügel, »du hast mich einen Fechterkunstgriff gelehrt, und wenn wir unser Frühstück eingenommen haben, so wollen wir, mit Eurer Erlaubniß, in den Wald, wo ich Euch ein Waidmannsstückchen dagegen zeigen will. Wenn Euer Fuß halb so viel Erfahrung hat, als Eure Hand, und wie Euer Auge einen Theil von der Festigkeit Eures Herzens gewonnen hat, so werdet Ihr nicht viel Jäger finden, die's Euch gleichthun.«
Arthur nahm mit all' dem schnellen Vertrauen der Jugend bereitwillig einen so offenherzigen Vorschlag an, und ehe sie das Haus erreichten, waren verschiedene Gegenstände der Jagd eifrig und mit so viel Herzlichkeit besprochen, als ob keine Störung ihrer Eintracht stattgefunden hätte.
»So ist's recht,« sagte der Landammann. »Ich bin stets bereit, der tollköpfigen Heftigkeit unserer Jünglinge zu vergeben, wenn sie nur männlich und offen sind bei der Versöhnung, und das Herz auf der Zunge tragen, wie ein rechter Schweizer thun sollte.«
»Die beiden Jünglinge hätten aber schlimme Arbeit machen können,« sagte Philipson, »wenn Ihr nicht etwas von ihrem Zweikampf erfahren und mich aufgerufen hättet, ihr Vorhaben zu hemmen. Darf ich fragen, wie das zu so gelegener Zeit zu Eurer Kenntniß kam?«
»Das geschah durch meine Hausfee,« antwortete Arnold Biedermann, »die für das Glück meines Hauses geboren zu sein scheint. Ich rede von meiner Nichte Anna; sie hat gesehen, daß zwischen den beiden Prahlhänsen ein Handschuh gewechselt wurde. Sie hat auch gehört, wie sie Tagesanbruch und Geierstein erwähnten. O Herr, man macht sich auch kaum einen Begriff von dem Scharfsinn eines Weibes. Es würde lang gedauert haben, bis meine dickköpfigen Söhne etwas davon gemerkt hätten.«
»Ich glaube, ich sehe unsere gnädige Beschützerin, wie sie von jener Anhöhe nach uns ausschaut,« sagte Philipson, »aber es scheint, sie möchte uns gern sehen, ohne von uns bemerkt zu werden.«
»Aha,« versetzte der Landammann, »sie hat zu erfahren gesucht, ob Niemand Schaden genommen hat, und jetzt wollte ich dafür stehen, das närrische Mädchen schämt sich, so viel lobenswerthe Theilnahme für eine Sache von der Art gezeigt zu haben.«
»Ich möchte gerne,« sagte der Engländer, »dem schönen Mädchen, dem ich so hoch verpflichtet bin, meinen Dank in Eurer Gegenwart abstatten.«
»Dazu kann es keine bessere Zeit geben, als jetzt,« sagte der Landammann, und ließ des Mädchens Namen in einem der schrillen Töne erschallen, die schon berührt worden sind.
Anna von Geierstein hatte sich wirklich auf einem kleinen, etwas entfernten Hügel aufgestellt, und hielt sich vor dem Gesehenwerden durch einen Schirm von Reisholz gesichert. Sie fuhr deßhalb bei der Aufforderung ihres Oheims in die Höhe, gehorchte aber alsbald, wich den jungen Leuten, die vorausgingen, aus, und kam zu dem Landammann und Philipson auf einem Umweg durch das Gehölz.
»Mein würdiger Freund und Gast will mit dir reden, Anna,« sagte der Landammann, sobald die Morgengrüße ausgetauscht waren. Das Schweizerkind ward roth an Stirn und Hals, als Philipson mit einem Anstand, der über seinen Stand zu gehen schien, sie folgendermaßen anredete:
»Es geschieht uns Kaufleuten manchmal, meine schöne junge Freundin, daß wir unglücklich genug sind, für den Augenblick nicht hinreichende Mittel zu besitzen, um unsere Schulden zu bezahlen; aber der wird unter uns für den niederträchtigsten Menschen gehalten, der sie nicht anerkennt. Nehmet daher den Dank des Vaters an, dem Euer Muth erst gestern den Sohn vor Vernichtung gerettet, und dem Eure Klugheit denselben diesen Morgen aus einer großen Gefahr befreit hat. Kränket mich nicht dadurch, daß Ihr Euch weigert, diese Ohrringe zu tragen,« fuhr er fort, indem er ein kleines Juwelenkästchen hervorlangte und es unter'm Sprechen aufmachte; »sie sind freilich nur von Perlen, aber man hat sie nicht zu schlecht gefunden für die Ohren einer Gräfin.«
»Sie würden also,« sagte der alte Landammann, »an einem Schweizermädchen von Unterwalden nicht an ihrem Platze sein, denn das und nichts Anderes ist meine Nichte, so lange sie in meiner Abgeschiedenheit wohnt. Mich dünkt, guter Meister Philipson, Ihr zeigt weniger Klugheit als gewöhnlich, wenn Ihr den Werth Eurer Geschenke gegen den Rang derer abmesset, denen Ihr sie gebet; auch solltet Ihr Euch als Kaufmann erinnern, daß große Belohnungen Euren Gewinn vermindern.«
»Laßt mich Euch um Verzeihung bitten, mein guter Wirth,« antwortete der Engländer, »und mich erwidern, daß ich wenigstens mein eigenes Bewußtsein von der Verpflichtung, die mich drückt, zu Rathe gezogen, und unter den Sachen, die zu meiner freien Verfügung stehen, das ausgesucht habe, was meiner Meinung nach am besten meine Erkenntlichkeit ausdrücken würde. Ich hege das Vertrauen zu dem Gastfreund, den ich bisher so gütig gefunden, er werde dies junge Mädchen nicht verhindern, anzunehmen, was am Ende nicht so unpassend ist für den Rang, in welchem sie geboren wurde. Ihr beurtheilt mich unrecht, wenn Ihr mich für fähig haltet, mir oder Euch dadurch ein Unrecht zu thun, daß ich Jemand ein Andenken von mehr Werth anbiete, als ich mit Leichtigkeit entbehren kann.«
Der Landammann nahm das Juwelenkästchen in die Hand.
»Ich habe,« sagte er, »immer eine Abneigung gegen Putzsachen und Edelsteine gehabt, die uns täglich mehr von der Einfachheit unserer Eltern abbringen. Und doch,« fügte er mit gutmüthigem Lächeln hinzu und hielt einen der Ohrringe fest an das Gesicht seiner Verwandtin, »der Schmuck steht den Dirnen außerordentlich gut, und man sagt, sie haben mehr Freude daran, solchen Tand zu tragen, als grauhaarige Männer begreifen können. Du hast, liebe Anna, ein größeres Vertrauen in wichtigeren Angelegenheiten verdient, und so überlasse ich deinem eigenen Verstand, zu entscheiden, ob du das köstliche Geschenk unseres guten Freundes annehmen und tragen willst oder nicht.«
»Da dies Euer Wille ist, mein bester Freund und Vetter,« sagte das junge Mädchen und wurde dabei wieder roth, »so will ich unsern geschätzten Gast nicht betrüben, und das zurückweisen, was er so ernstlich von mir angenommen zu sehen wünscht; aber mit seiner Erlaubniß, guter Oheim, und mit der Eurigen will ich diese glänzenden Ohrringe in den Schrein Unserer lieben Frau zu Einsiedeln niederlegen, um unser Aller Dankbarkeit für ihre schützende Gnade auszudrücken, die mit uns gewesen ist in den Schrecknissen des gestrigen Sturmes und bei dem Zwiste an diesem Morgen.«
»Bei Unserer heiligen Jungfrau, die Dirne spricht verständig,« sagte der Landammann, »und ihre Klugheit hat deine großmüthige Gabe gut angelegt, mein guter Gast, wenn sie dafür Gebete für deine und meine Familie sprechen läßt, und für die allgemeine Ruhe der Unterwaldner. – Geh', Anna, du sollst ein Halsband von schwarzem Bernstein bei der nächsten Schur bekommen, wenn unsere Wolle auf dem Markt einen ordentlichen Preis hat.«