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Vierzehntes Kapitel.

Lange vor Tagesanbruch kamen sie vor den Toren von Niddrie an, einem Schlosse in Westlothian, das dem Lord Seyton gehörte. Heinrich Seyton kam Georg Douglas zuvor, der Königin beim Absteigen zu helfen, und sich auf ein Knie niederlassend, ersuchte er sie, einzutreten in das Haus seines Vaters, ihres allzeit getreuen Dieners.

»Hier kann Eure Majestät in völliger Sicherheit ausruhen, das Schloß ist bereits von streitbaren Kriegern zu Eurem Schutze besetzt, und ich habe meinem Vater durch expressen Boten zu wissen getan, daß Ihr hier seid. Wir dürfen seiner schnellen Ankunft mit einer Schar von 500 Mann uns gewärtig halten. Erschreckt also nicht, wenn Euer Schlaf durch Pferdegetrappel gestört wird, sondern denkt bloß, daß wir noch weiteren Zuwachs von vermessenen Seytons bekommen.«

»Und von bessern Freunden als ihnen kann keine Königin Schottlands bewacht werden!« erwiderte Maria. »Mein Zelter hat ja den alten leichten Trab behalten, aber es ist so lange her, daß ich nicht mehr über Feld und Heide geritten bin, und ich fühle mich recht matt. Ach, Ruhe wird mir recht willkommen sein! ... Katharina, mein Lieb, Du mußt heut nacht mit in meinem Zimmer schlafen, und mich morgen Deinem Vater zuführen. Dank, vielen Dank meinen Befreiern insgesamt! Was kann ich ihnen anders bieten als Dank und gute Nacht? Doch erklimme ich noch einmal die Höhe von Fortunens Rad, dann will ich nicht Fortunens Binde tragen, sondern will meine Augen offen halten und Freund und Feind zu unterscheiden wissen.. Seyton, es wird kaum von nöten sein, den hochwürdigen Abt, unsern Douglas und meinen Pagen Roland Eurer Gastfreundschaft zu empfehlen?«

Heinrich Seyton verneigte sich, und Katharina verfügte sich mit Lady Fleming in das für die Königin hergerichtete Gemach. Hier überließ sich die Königin, während sie scherzend meinte, heute wäre es mit dem Offenhalten der Augen schwerlich das Rechte der Ruhe und erwachte erst, als der Morgen schon weit vorgerückt war.

Ihr erster Gedanke, als sie erwachte, war, ob sie auch wirklich die Freiheit wiedergewonnen habe, und sie sprang, einen Mantel über die Schulter werfend, ans Fenster, um sich davon zu überzeugen... O des herrlichen Anblicks, der sich hier bot! Von dem glatten Wasserspiegel, der sich in Lochleven ihren Blicken gezeigt hatte, sobald sie ans Fenster trat, keine Spur! Ueberall wohin sie sah, Wald und Moor, und der ganze Park um das Schloß dicht angefüllt von Kriegerscharen ihrer getreuesten Edlen!

»Steh auf, Katharina, steh auf!« rief die entzückte Fürstin, »steh auf und komm her! Sieh, wie die Schwerter und Speere blitzen, wie die Sonne auf den Rüstungen glitzert! da sieh die Fahnen im Winde spielen!.. Großer Gott! ist das eine Lust für meine matten Augen, ihre Wappen zu ermitteln! Da weht die Fahne Deines tapfern Vaters! und dort die des fürstlichen Hamilton, dort die des getreuen Fleming!.. O sieh, sieh Katharina! sie haben mich gesehen und drängen sich näher zum Fenster heran!«

Sie riß das Fenster weit auf, und nicht achtend der ungezwungenen Toilette nicht achtend der Locken, die fessellos ihr schönes Haupt umwallten, nicht achtend der Blöße ihres Arms, erwiderte sie durch Mienen und Gebärden das Jauchzen der Krieger, das von weit und breit zu ihr herüber brauste... und dann ward sie der leichten Kleidung, die ihren herrlichen Leib deckte, inne, und rasch trat sie zurück vom Fenster, errötend und die Hände vor die Augen führend, aber draußen erriet man den Grund, weshalb sie so schnell zurückwich, und ein Jubel von Begeisterung brach aus über diese holde Fürstin, die in der Eile, ihren Untertanen ihren Dank zu künden, ihres Ranges und der ihrem Range schuldigen Rücksicht vergessen hatte... Maria warf sich in den nächststehenden Sessel und rief, noch immer errötend, mit unterdrücktem Lächeln:

»Mein Lieb! was werden sie von mir denken? wie konnte ich mich ihnen zeigen barfuß in Pantoffeln? bloß in diesem losen Mantel! mit dem fliegenden Haar um die nackten Schultern und Arme? ... O, das beste, was sie denken, mag sein, daß mir der lange Aufenthalt im Kerker den Verstand verwirrt habe! Aber meine Untertanen haben mich schmucklos gesehen und im tiefsten Schmerze, warum sollt ich diesen wackern und treuen Männern gegenüber ein kälteres Zeremoniell zeigen? ... Ach, rufe die Fleming! .. Sie hat hoffentlich das kleine Päckchen nicht liegen lassen, das ich ihr gab, ehe wir Schloß Lochleven verließen. Es barg meine bessern Kleider. Wir müssen Uns doch so stattlich zeigen wir irgend möglich.«

»Nein, gnädigste Frau, unsre gute Fleming war nicht im stande, auch nur an das Geringste zu denken,« sagte Katharina.

»Du scherzest, Katharina?« fragte, nicht frei von Empfindlichkeit, die Königin, »es liegt doch wirklich nicht in ihrer Art, ihrer Pflicht für meine Garderobe zu sorgen, dermaßen uneingedenk zu sein!«

»Roland Gräme, gnädigste Frau,« sagte Katharina, »hat sich des Pakets angenommen und es, ehe er zurückrannte, das Tor zu verschließen, ins Boot geworfen, mir wär's beinahe auf den Kopf gepurzelt ... wirklich, mir ist ein größerer Tolpatsch von Page noch nie vor die Augen gekommen!«

»Das soll er Dir abbitten!« sagte lachend die Königin, »nebst allen Dir sonst zugefügten Kränkungen .. Aber rufe die Fleming! sie soll sich mit unsrer Toilette befassen, daß Wir vor Unsern Lords angemessen und würdevoll erscheinen.«

Lady Fleming entledigte sich ihrer Aufgabe mit außerordentlichem Talent, und bald trat Maria Stuart, geschmückt als Königin, vor ihre Lords und mit der ihr eigentümlichen Grazie sprach sie nicht bloß jedem einzelnen von ihnen Dank aus für seine Anhänglichkeit und Treue, sondern zeichnete neben den vornehmeren auch manchen der geringeren Barone durch huldvolle Ansprache aus.

»Und wohin nun, meine Lords?« fragte sie. »Welche Route habt Ihr in Euren Beratungen festgestellt?«

»Nach Schloß Draphane,« antwortete Lord Arbroath, »sofern es Eure Majestät gut heißen. Von da nach Dumbarton. Dort werden Eure Majestät in völliger Sicherheit sein. Und wir, wir werden abwarten, ob die Verräter sich wirklich in offner Feldschlacht uns stellen werden.«

»Und wann brechen wir auf?«

»Nach dem Frühstück, sofern Eure Gnaden nicht zu sehr angegriffen sein sollten,« sagte Lord Seyton.

»Eure Wünsche, Mylords, sind auch die meinigen,« antwortete die Königin; »Wir richten Unsre Reise ganz nach Eurer Weisheit ein und hoffen, künftighin durch Eure Weisheit Herrscherin zu sein in Unserm Lande. Doch werdet Ihr meinen Damen und mir, meine lieben Lords, gestatten mögen, in Eurer Gesellschaft unser Frühstück einzunehmen.. Wir müssen uns jetzt als halbe Krieger ansehen und höfisches Zeremoniell beiseite setzen.«

Manch behelmtes Haupt verneigte sich tief bei diesem huldreichen Erbieten.. da bemerkte Maria, daß unter den versammelten Führern Douglas sowohl als Roland Gräme fehlte, und sie flüsterte Katharina eine diesbezügliche Frage ins Ohr.

»Sie sitzen mißmutig in der Kapelle, Majestät,« erwiderte Katharina, und die Königin bemerkte, daß die Augen ihres Lieblings von Tränen gerötet waren.

»Das soll nicht sein,« sagte die Königin. »Unterhalte Dich mit der Gesellschaft. Ich will mich nach ihnen umsehen.«

Sie begab sich in die Kapelle, wo sie zuerst Douglas sah, der in einer Fensternische lehnte, mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt, und die Arme über der Brust zusammengeschlagen hielt. Als er der Königin ansichtig wurde, schreckte er zusammen. Dann verklärte sich seine Miene, aber gleich wieder wich seine jähe Freude ebenso jäh einem Anfluge von Schwermut.

»Was soll das heißen, Douglas?« fragte die Königin. »Warum flieht derjenige, dessen kühnem Plane ich meine Freiheit doch nur zu danken habe, Unsre gesellige Tafel?«

»Gnädigste Frau,« erwiderte Douglas, »all die Lords, denen Ihr die Gnade Eurer Gegenwart gewährt, führen Euch streitbare Mannen zu und bringen Euch Schätze zum Unterhalt Eures Hofstaats oder besitzen Burgen, Euch zu bergen. Ich aber bin ein heimatloser Mensch, der weder Mannen noch Schätze noch Burgen sein nennt, der enterbt ist vom Vater, der belastet ist mit dem Fluche seines Hauses und seines Geschlechtes, der ausgestoßen ist von allen, die den Namen Douglas führen. Ich bring Euch nichts zu Eurem Banner als ein bloßes Schwert und das armselige Leben seines Trägers.«

»Wollt Ihr mir Vorwürfe machen, Douglas, über die Verluste, die Euch betroffen haben?« fragte, selbst vorwurfsvoll, die Königin, – »Behüte Gott meine Gnädige,« fiel ihr mit Lebhaftigkeit Douglas ins Wort; »stünde es nochmals in meiner Macht, und besäße ich zehnmal mehr Rang und Reichtum und zwanzigmal mehr Freunde, so würde ich nicht anders handeln, als ich gehandelt habe! überreich würde ich alles, was ich verloren, vergolten sehen dadurch, daß ich Eure Majestät als freie Fürstin auf ihrem Throne, auf Schottlands Throne, sähe!«

»Warum wollt Ihr Euch denn nicht freuen mit denen, die durch die Freude über den Wiedereintritt dieses Ereignisses zu fröhlicher Tafel versammelt sind?« fragte die Königin.

»Gnädigste Frau,« erwiderte der Jüngling; »wenn ich auch ein Enterbter und Ausgestoßener bin, so bin ich doch noch immer ein Douglas, und mit den meisten dieser Adelinge hat meine Familie in Fehde gelebt. Eine kühle Aufnahme ihrerseits wäre für mich eine Kränkung, eine freundliche Aufnahme noch eine größere Demütigung für mich.«

»Schäme Dich, Douglas!« rief die Königin, »schüttle solch unmännlichen Trübsinn von Dir! Dem Besten unter ihnen kann ich Dich gleichstellen an Rang und Reichtum, und glaube mir, ich will es auch! .. Begib Dich also in ihre Gesellschaft. Ich befehle es Dir.«

»Diese Worte sind genügend,« antwortete Douglas. »Ich gehe. Nur eins erlaubt mir zu bemerken: Nicht um Rang und Reichtum hätt ich getan, was ich getan! Maria Stuart will nicht, und die Königin kann mich nicht belohnen.«

Mit diesen Worten schritt er aus der Kapelle und mischte sich unter die Adelinge, setzte sich aber an das untere Ende der Tafel, Die Königin blickte ihm nach und trocknete sich die Augen.

»Heilige Gottesmutter, hab mit mir Erbarmen,« flehte sie, »denn kaum haben meine Schmerzen als Gefangne ein Ende gefunden, fangen die Sorgen der Königin wieder an, mich zu bedrücken ... Glückliche Elisabeth! der das Staatsinteresse alles gilt und die sich nie betören läßt durch Herzenssachen! ... Doch nun muß ich den andern Jüngling aufsuchen, wenn verhindert werden soll, daß er und Seyton mit den Dolchen aufeinander losgehen!«

Roland Gräme war wohl auch in der Kapelle, aber so weit abseits von Douglas, daß er nicht hatte hören können, was zwischen der Königin und ihm gesprochen worden war. Auch Roland war verdrießlich und in Nachdenken verloren, aber auch seine Stirn heiterte sich auf, als er die Frage aus dem Munde der Königin vernahm:

»Wie steht es, Roland? hat Euch der nächtliche Ritt so müde gemacht? Ihr vernachlässigt ja ganz Euren Dienst!«

»Gnädigste Fürstin, ich bin nicht müde,« versetzte Roland, »aber es ist mir gesagt worden, der in Lochleven Page gewesen sei, sei nicht mehr Page in Schloß Niddrie, und so hat mich Junker Seyton meines Dienstes überhoben.«

»Herr im Himmel!« rief die Königin, »wie bald schwillt diesen jungen Hähnchen der Kamm!... So will ich mich wenigstens gegen Kinder und Knaben als Königin erweisen.. Ihr müßt mir Freunde zusammen werden... Hole mir auf der Stelle jemand den jungen Seyton her!..« Aber kaum war der Name über ihre Lippen, so war auch sein Träger zur Stelle.. »Tretet näher, Seyton! und reicht diesem Jüngling hier die Hand! Ihr wißt doch, was wir ihm zu danken haben bei diesem Werk meiner Befreiung.«

»Gern, gnädigste Frau,« antwortete Seyton, »sobald mir dieser Jüngling verspricht, die Hand meiner Schwester nicht zu berühren, denn bisher hat ihm die meinige hierfür gegolten. Will er meine Freundschaft gewinnen, muß er die Liebe meiner Schwester sich aus dem Kopfe schlagen.«

»Heinrich Seyton, kommt es Euch zu, Bedingungen zu stellen, wenn ich Gehorsam fordre?« fragte die Königin.

»Gnädigste Frau,« sagte Heinrich, »ich bin Euer Diener, als Sohn Eures treuesten Vasallen in Schottland; unsre Habe, unsre Schlosser, unser Blut sind Euch geweiht. Aber unsre Ehre zu erhalten, ist unsre Sache. Ich könnte Weiteres noch sagen. Aber...«

»Sprecht weiter, ungestümer Knabe!« sagte die Königin, »was hilft es mir, aus Lochleven befreit zu sein, wenn ich unter das Joch meiner Befreier gezwängt sein soll? wenn man hindern will, gegen jemand gerecht zu sein, der sich mir so treu und eifrig erwies, wie Ihr selbst?«

»Laßt Euch nicht die Laune verderben um meinetwillen,« sagte Roland, »dieser Jüngling besitzt als treuer Diener Eurer Gnaden und als Bruder von Katharina Seyton etwas, das ihn feit gegen jeden Zornesausbruch meines Gemüts.«

»Ich warne Dich noch einmal, Aeußerungen zu tun,« rief Heinrich stolz, »die sich so anhören, als sei die Tochter des Lord Seyton mehr für Dich als jeden Niedriggebornen Schottlands.«

Die Königin wollte eben wieder vermitteln, denn über Rolands Wangen glitt jähe Röte, die es zweifelhaft erscheinen ließ, wie lange seine Liebe zu Katharina den Zorn gegen Heinrich zu dämpfen vermochte, da kam eine andre Person, bislang von niemand beachtet oder bemerkt, aber von Anbeginn Zeuge dieses Auftritts, der Königin zuvor. Aus einer Nische hervor trat eine hohe weibliche Gestalt, die dort gebetet hatte. Es war Magdalena Gräme. Sie wandte sich unmittelbar an den jungen Seyton, anknüpfend an seine kränkenden Aeußerungen gegen Roland.

»Aus welchem Tone sind sie denn geformt, die stolzen Seytons, daß das Blut der Grämes kein Anrecht haben sollte, sich dem ihrigen zu vermischen? Wisse, Du hochmütiger Knabe, daß ich diesen Sohn den Sohn meiner Tochter nenne, und daß ich dadurch seine Abkunft von Malisius bezeuge, zubenannt mit dem funkelnden Schwer, von Malisius, Grafen von Strathern. Euer Blut entspringt, glaube ich behaupten zu dürfen, aus keiner edleren Quelle.«

»Wackre Mutter,« erwiderte Seyton, »Eure Heiligkeit sollte Euch erheben über solche irdischen Eitelkeiten. Es scheint auch, wie wenn sich Euer Gedächtnis in dieser Hinsicht geschwächt habe, aber um sich der Herkunft als Adeling zu rühmen, muß der Name und Stammbaum des Vaters ebenso vornehm und unbescholten sein wie der der Mutter.«

»Und wenn ich Euch sagte, daß er von väterlicher Seite herstammt aus dem Geschlechte der Avenel, nenn ich dann sein Blut edler als das Deinige, hochfahrender Jüngling?« rief die Gräme mit hohem Feuer.

»Vom Blute der Avenels entstammte mein Page?« fragte die Königin.

»Jawohl, gnädigste Königin!« antwortete Magdalena Gräme. »Roland ist Sohn des Julian von Avenel, des letzten männlichen Erben des uralten Geschlechtes, der in der Schlacht gegen die Leute aus dem Süden fiel.«

»Ich habe von dieser traurigen Geschichte gehört,« sagte die Königin. »Also Deine Tochter war es, die diesem unglücklichen Lord in die Schlacht folgte und auf seiner Leiche den Tod fand? Ach, wie viel Wege zum eignen Elend findet doch die Leidenschaft eines Weibes!... Und Du, Roland, bist jenes Kind des Unglücks, das zwischen Leichen und Lebendigen zurückblieb? Heinrich Seyton, Roland ist Dir als Avenel und als Gräme ebenbürtig an Geschlecht und Abkunft.«

»Das doch nicht, gnädige Fürstin!« warf Heinrich Seyton ein, »denn wenn die Lieder und Erzählungen, die über diesen Vorfall berichten, die Wahrheit künden, dann war Julian von Avenel ein falscher, treuloser Ritter, und seine Mutter eine Buhlerin, wenigstens ein schwaches, leichtgläubiges Mädchen.«

»Jetzt, beim Himmel, Seyton, lügt Dein Mund!« rief Roland, indem er mit der Hand nach seinem Schwerte fuhr.

Aber der Eintritt Lord Seytons machte dem Auftritt ein Ende. –

»Rettet mich, Mylord!« rief die Königin, »und bringt diese beiden ungestümen Jünglinge auseinander!«

»Wie, Heinrich!« sprach der Baron, »sind mein Schloß und die Anwesenheit unsrer Königin für Deinen Hochmut keine Schranken? ... Und mit wem haderst Du? ... Trügt mich dies Zeichen nicht, so steht der Jüngling vor mir, der mir im Streite mit den Leslies so wacker zur Seite stand! Zeig mir das Medaillon, mein Sohn! Beim heiligen Benediktus! es ist derselbe! Heinrich, ich befehle Dir, laß ab von diesem Zwiste, so wahr Dir mein Segen lieb ist!«

»Und so weit Dir Meine Huld lieb ist!« setzte die Königin hinzu, »denn fürwahr! mir leistete Roland getreuesten Dienst!«

»Jawohl, hohe Fürstin,« rief Heinrich Seyton, »als er das Briefchen in der Scheide Seytonschen Schwertes zu Euch brachte, ohne von Schwert und Scheide mehr zu wissen als das Packpferd, das es auf dem Sattel schleppt!«

»Aber ich, die den Jüngling dem großen Werke weihete,« nahm Magdalena Gräme das Wort, »durch deren Rat und Mitwirkung diese rechtmäßige Fürstin unseres Reiches aus ihrer entwürdigenden Haft befreit wurde, ich flehe diese Königin jetzt an, diesen Jüngling einzusetzen zum Erben des schwachen Lohns, den ich mir durch mein Tun verdient habe! ... Hier geht mein Geschäft zu Ende. Huldreiche Königin, Ihr seid frei, seid unumschränkte Fürstin, steht an der Spitze eines mutigen Heers, seid umringt von treuen, tapferen Baronen! ... Meine Dienste könnten Euch in der öffentlichen Meinung nicht mehr nützen, sondern eher schaden. Denn hinfort ruht Euer Glück auf den Schwertern dieser Krieger! Möge ihre Tapferkeit und Treue sich nicht schlechter bewähren als die Treue Eurer weiblichen Untertanen!«

»Ihr werdet Uns nicht verlassen, fromme Mutter,« erwiderte die Königin. »Denn wieviel Wir Euch zu danken haben, wissen Wir gar wohl; Ihr habt große Gefahren bestanden, Ihr habt Großes gewagt und habt Großes gewonnen, habt die Augen unsrer Feinde geblendet und den Mut unsrer Freunde befeuert... Nein! fromme Mutter, Ihr werdet nicht von Uns gehen, werdet Uns nicht verlassen in der Morgenröte Unsers wiedererwachenden Glückes, werdet bleiben, bis Wir Zeit gehabt haben, Euch kennen zu lernen, Euch zu danken.«

»Ihr könnt diejenige nicht kennen lernen, die sich selbst nicht kennt. Es gibt Zeiten, da wohnt in dieser weiblichen Hülle die Stärke eines Saul, und in diesem gequälten Hirne die Weisheit eines Joseph.. und dann liegt wieder über mir eine Nebelkappe, daß meine Stärke zur Ohnmacht, meine Weisheit zur Torheit wird. Ich habe vor Fürsten und Kardinalen gesprochen, ja selbst vor den Fürsten Deines Stammhauses Lothringen, edelste der Fürstinnen, und nimmer hab ich gewußt, woher mir die Worte kamen, solche Unterredungen zu führen, wie ich die Reden fand, die den Weg fanden zu solchen Ohren... Und jetzt, da ich dieser Worte am meisten bedürfte, jetzt liegt etwas über mir, das den Fluß dieser Worte hemmt, das den Lippen die Kraft raubt, sie auszusprechen.«

»Kann ich Dir irgend etwas gewähren zu Deiner Freude, das in meiner Gewalt steht, Dir zu geben,« sprach die Königin, »dann brauchst Du der Beredsamkeit nicht, sondern es genügt der schlichte Name.«

»Mächtige Fürstin,« sagte die Gräme, »es beschämt mich, daß in einem Augenblick solcher Erhabenheit einer greisen Frau, deren Gelübde die Heiligen erhörten, deren Arbeit und Mühe in einer gerechten Sache die Gunst des Himmels zu teil wurde, eine Spur menschlicher Schwäche anhaften muß. Aber das wird wohl bleiben, so lange die Welt steht, so lange sterbliche Wesen auf dieser Erde wandeln. Ich will dieser Schwachheit nicht widerstreben, aber es soll die letzte sein, die dieses Herz beschleicht.« Bei diesen Worten nahm sie Roland bei der Hand, führte ihn zur Königin, hieß ihn niederknieen und ließ sich selbst auf ein Knie nieder.. »Hochedle Fürstin,« bat sie, »blickt auf diese Blume! ein mitleidiger fremder Mann fand sie auf einem Schlachtfelde, und lange währte es, ehe meine Augen sahen und meine Arme umschlungen hielten was von meiner Tochter mir allein zurückgeblieben. Um Euretwillen, um des heiligen Glaubens willen konnte ich es über mich gewinnen, die zarte Blume fremder Pflege zu überlassen, ja sie Feinden in die Hände zu geben, denen es vielleicht eine Freude gewesen wäre, sie verkümmern und eingehen zu lassen. Wer mag es denken, was ein ketzerischer Glendinning wohl getan hätte, wenn ihm bekannt gewesen wäre, daß er den Erben der Avenels in seinem Hause hielte? Seitdem habe ich mein Kind nur wiedergesehen in Stunden der Gefahr und in Augenblicken des Zweifels, und nun scheide ich von dem Kinde meiner Liebe für immer, ach! für immer! O, gnädigste aller Fürstinnen, um der vielen beschwerlichen Schritte willen, die ich in Eurer gerechten Sache getan habe, gewährt ihm Euren Schutz! ihm, meinem Roland, den ich nicht mehr Kind nennen darf.«

»Ich schwöre Euch zu, Mutter,« sagte tiefbewegt die Königin, »daß um Euret- und seiner selbst willen sein Glück und seine Wohlfahrt Unsre ständige Sorge sein soll.«

»Ich danke Euch, erhabne Fürstentochter,« antwortete begeistert die Gräme und drückte ihre Lippen erst auf die Hand der Königin, dann auf die Stirn ihres Enkels. »Und nun,« fuhr sie fort, indem sie ihre Tränen trocknete und sich mit Würde erhob, »nun hat die Erde ihren Anteil, das andre gehört dem Himmel... Löwin von Schottland, zeuch hin und siege! Die Gebete einer Gottgeweihten sollen in fernen Landen und vor fernen Altären für Dich aufsteigen zum Himmel. Wie ein Geist will ich schweifen von Tempel zu Tempel, und wo man selbst meines Heimatlands Namen nicht kennt, soll der Priester fragen, wer ist die Königin des fernen Landes im Norden, für die diese Pilgerin so brünstig zu ihrem Gott betet? Königin, lebe wohl! Möge Dir Ehre werden und irdisches Gedeihen, sofern es des Höchsten Wille ist, und beschließt Er anders, dann möge die Buße, die Du hienieden tun mußt, die ewige Seligkeit Dir bürgen. Ich bitte Dich, laß niemand mir folgen, niemand zu mir sprechen! mein Entschluß ist gefaßt, mein Gelübde muß vollbracht werden!«

Mit diesen Worten, und den letzten Blick auf ihren Enkel gerichtet, war sie verschwunden. Roland wollte aufstehen und ihr nacheilen, aber die Königin und Lord Seyton wehrten es ihm.

»Beliebt es Euer Gnaden,« sagte Lord Seyton, »nachdem einem jungen Ritter sein Recht geworden, unser karges Morgenmahl mit uns zu teilen? Wir müssen aufsitzen, so zeitig wie möglich, denn bald sollen unsre Fahnen sich spiegeln im Clyde. Ritter Roland Avenel, denn dieser Name und Rang gebühren Euch hinfort, kommt mit uns!«


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