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Um andern Morgen wurde zur üblichen Stunde vom Hausmeier mit üblicher Förmlichkeit das Frühstück aufgetragen ... »Es möge von jetzt ab, junger Musje, Euer Amt sein, den Vorschneider zu machen – zu lange schon ist mit diesem Dienst bei der Lady Maria ein Douglas betraut gewesen.«
»Es wäre für den Vornehmsten dieses Geschlechts, ja für den Stammherrn ein Ehrenamt gewesen!«
Diese herausfordernden Worte des Pagen mit finsterm Blicke beantwortend, verlieh der Hausmeier das Zimmer. Roland aber zeigte sich beflissen, all den Anstand und die gute Manier bei dem neuen Dienste zu zeigen, wodurch Georg Douglas sich hervorzutun verstanden hatte. Aber was ihn hierbei vor allem leitete, war ein Gefühl edelmütiger Aufopferung, wie etwa ein tapfrer Krieger in das Glied eines gefallnen Kampfgenossen vorrückt; »hinfort bin ich ihr einziger Hort und Schutz,« sprach er bei sich, »und ich will ihr, im Glück und im Unglück, dienen so treu und brav, wie es kein Douglas besser vermöchte.«
In diesem Augenblicke trat, ihrer Gewohnheit völlig zuwider, ein Tuch vor die Augen haltend, Katharina Seyton allein in das Vorzimmer; ängstlich trat Roland ihr näher und fragte sie mit klopfendem Herzen, wie sich die Königin befände.
»Könnt Ihr etwa meinen, sie befände sich wohl?« erwiderte Katharina Seyton! »da müßte sie ja gerade von Stahl und Eisen sein, wenn sie nach der grausamen Enttäuschung noch den gräßlichen Hohn dieser puritanischen Hexe aushalten sollte. Ach, daß ich kein Mann bin! wie wollt ich ihr helfen und beistehen!«
»Wenn Leute, die Pistolen, Stöcke und Dolche führen, auch nicht allemal Männer sind,« versetzte Roland, »so sind es dann doch Amazonen; und das kommt, wenn es nicht gar noch schlimmer ist, auf ein und dasselbe hinaus.«
»Ei, Ihr seid ja heute recht gut aufgelegt,« erwiderte das Fräulein, »ich bin's aber nicht, und kann Witz deshalb nicht recht vertragen, geschweige erwidern.«
»Nun,« sagte der Page, »so vergönnt mir ein Wort im Ernste. Fürs erste erlaubt mir die Bemerkung, daß gestern abend alles weit besser verlaufen wäre, hättet Ihr mich ins Vertrauen gezogen.«
»Das ist auch unsre Absicht gewesen. Wem konnte es aber einfallen, daß es Euch belieben würde, die Nacht im Garten zu verbringen?«
»Und muß denn solch wichtige Angelegenheit bis zum äußersten Augenblick geheim gehalten werden?«
»Euer Verkehr mit dem Kaplan Henderson hat uns abgehalten, uns früher an Euch zu wenden.«
»Und warum noch im letzten Augenblicke?« fragte hierauf der Page, der sich durch diese Worte gekränkt fühlte; »warum überhaupt in irgend einem Augenblicke, da ich doch einmal das Malheur hatte, soviel Mißtrauen zu wecken?«
»Nun seid Ihr schon wieder knurrig,« versetzte Katharina, »ich müßte, wenn ich verfahren wollte, wie es recht und billig ist, eigentlich kein Wort mehr mit Euch wechseln; aber ich will noch einmal Gnade für Recht ergehen lassen und Eure Frage beantworten. Unser Grund, Euch zu vertrauen – versteht Ihr wohl? vertrauen, sage ich – war ein doppelter: erstens ließ es sich doch nicht vermeiden, daß wir den Weg durch Euer Zimmer nahmen, und zweitens ...«
»Bitte, bitte! den zweiten Grund könnt Ihr Euch sparen,« bemerkte der Page, »macht doch der erste Euer Vertrauen bloß zu einem notgedrungnen.«
»Ich möchte nichtsdestoweniger bitten, mich ausreden zu lassen,« sagte Katharina, »zweitens, sage ich, gibt's unter uns Weibsvolk hier oben auf der Burg ein törichtes Ding, das sich einbildet, Roland Gräme hätte, wenn's ihm auch im Kopfe ein wenig schwindelt, doch ein warmes Herz, und auch, wenngleich ein hitzig wallendes, doch ein treues Blut und hohes Ehrgefühl, wenngleich eine Zunge, die leicht alle Vorsicht vergißt.«
Katharina legte dieses Bekenntnis ab mit leiser Stimme und mit zu Boden geschlagenen Augen, es war, als ob sie Rolands Blick aus dem Wege gehen wollte, als diese Worte den Weg über ihre Lippen nahmen. »Und dieses einzige Wesen, das dem armen Roland Gerechtigkeit zu teil werden läßt,« rief der Jüngling mit gehobner Stimme, »die ihrem eignen edlen Herzen befiehlt, zwischen Kopf und Herz und den Irrungen beider zu unterscheiden ... dies einzige Wesen, geliebte Katharina, wo muß ich es suchen? wem bin ich innigen Dank dafür schuldig?«
»Ich kann's Euch nicht sagen,« versetzte Katharina, »Wenn es nicht Euer eignes Herz Euch sagt.«
Der Page ließ sich auf ein Knie nieder und faßte die Hand des Mädchens. »Geliebteste Katharina!«
»Ich sage ja,« wiederholte Katharina, »wenn es nicht Euer eignes Herz Euch sagt, dann habt Ihr ein recht undankbares Ding von Herz!« und sie entzog ihm langsam ihre Hand .. »denn da doch die mütterliche Zärtlichkeit und Fürsorge von Lady Fleming.« Im Nu war der Page auf den Beinen. »Beim Himmel, Katharina!« rief er, »Eure Zunge hüllt sich in so verschiedne Tracht, wie Euer Leib. Warum treibt Ihr mit mir solch herben Spott? Ihr wißt doch recht gut, daß Lady Fleming sich so wenig um jemand bekümmert, wie dort die arme Prinzessin in dem Stück alter Tapete.«
»Was kann schon sein,« sagte Katharina, »aber redet doch deshalb nicht so laut!«
»Ihr wißt, daß sie sich außer um die Königin und um sich selbst um keinen Menschen bekümmert! und ebenso gut wißt Ihr, daß mir an keines Menschen Beifall etwas liegt außer an dem Eurigen ... selbst nicht an dem der Königin.«
»Wenn es an dem ist,« sagte darauf Katharina mit Gelassenheit, »so müßt Ihr Euch um so ärger schämen!«
»Aber, schöne Katharina,« rief der Page wieder, »warum wollt Ihr mich dadurch, daß Ihr der Glut meiner Liebe solchen Dämpfer aufsetzt, verhindern, mich mit Leib und Seele der Sache meiner Gebieterin zu weihen?«
»Wer seinem Glauben, seinem Fürsten, seinem Vaterlande mit Eifer und Hingebung dienen will, der braucht dazu keinen romanhaften Ausputz .. und wer diese gekränkte Fürstin aus ihrem Kerker errettet und als freie Königin ihren freien und tapfern Adelingen zuführt, deren Herzen vor Begierde brennen, sie willkommen zu heißen – dessen Liebe wäre hohe Ehre für jedes Mädchen Schottlands, und wäre sie dem Blute des vaterländischen Königshauses entsprossen und er des ärmsten Käthners Sohn, der jemals hinter einem Pfluge schritt!«
»Schönste Katharina,« rief Roland begeistert, »ich will das Abenteuer wagen! doch sagt mir zuvor, und so, als wenn Ihr dem Priester die Beichte ablegtet – ich weiß, die arme Königin ist tiefunglücklich, aber, Katharina, ist sie auch unschuldig? man zeiht sie des Mordes!«
»Halt ich das Lamm für schuldig, weil der Wolf es anfällt?« erwiderte Katharina, »oder die Sonne dort für besudelt, weil Erdendunst ihren Glanz verhüllt?«
Seufzend blickte der Page zu Boden. »Hätt ich doch Deine feste Ueberzeugung! aber eins ist offenbar: durch diese Kerkerhaft geschieht ihr das herbste Unrecht – auf einen Vergleich hin hat sie sich den Adelingen ihres Reiches ausgeliefert, und die Bedingungen des Vergleichs sind ihr nicht gehalten worden – Katharina! ich will für ihre Sache eintreten mit Tod und Leben!«
»Das wolltet Ihr? wolltet Ihr wirklich?« rief Katharina, jetzt seine Hand ergreifend; »o, sei so standhaften Sinnes, wie Du kühn und entschlossen im Wollen bist – halte Dein verpfändetes Wort, und künftige Geschlechter werden in Dir Schottlands Erlöser verehren.«
»Hab ich aber mit Erfolg gestrebt, die Lea – Ehre – zu gewinnen, soll ich dann etwa noch verurteilt sein, weitere Jahre um die Rahel – Liebe – zu dienen?«
»Darüber werden wir noch Zeit genug finden zu reden,« versetzte Katharina, ihre Hand wieder aus der seinigen ziehend. »Ehre ist die ältere der beiden Schwestern und will zuerst errungen sein.«
»Ob ich sie erringe, steht nicht allein bei mir,« sagte drauf der Page, »wagen dafür will ich, was im Vermögen eines Menschen steht. Zudem laßt Euch sagen, schönste Katharina, daß nicht Ehre allein, und auch nicht jene andre Schwester, deren bloße Erwähnung schon Eure Stirn in Falten legt, mich treibt, zur Befreiung der Königin aus ihrer schmählichen Haft das meinige zu tun, sondern auch das strenge Gebot der Pflicht.«
»Wirklich?« fragte Katharina, »das hat Euch doch aber so manchen Zweifel bereitet?«
»Ehedem,« versetzte der Page, »als ich sie noch nicht in ihrem Leben bedroht wußte.«
»Ist denn Ihr Leben jetzt schärfer bedroht als früher?« fragte lebhaft erschrocken das Fräulein.
»Aengstigt Euch nicht,« sagte der Page, »aber Ihr habt doch gehört, mit welchen Worten Eure Herrin von der greisen Lady schied?«
»Gewiß, gewiß!« erwiderte Katharina, »ach! daß sie ihren fürstlichen Unwillen nicht mäßigen kann!«
»Zwischen den beiden Frauen ist etwas vorgegangen,« sagte Roland, »was Frauen niemals verzeihen. Ich habe recht gut gesehen, wie zuerst bleich, und dann schwarz das Gesicht der Lady wurde, als ihr die Königin vor dem ganzen Hausgesinde ihre Schande vorwarf. Ich habe auch den Schwur vernommen, den sie in ihrem Grimm und Rachegefühl einem ins Ohr raunte, der nach der Antwort, die er darauf gab, nur zu bereitwillig sein dürfte, ihren Willen zu vollstrecken.«
»Ihr setzt mich in Schrecken,« rief ängstlich Katharina.
»Begebt Euch nicht unter das Joch der Furcht,« sagte Roland; »rafft Euch auf, wendet Euch an die männliche Seite Eures Charakters, und laßt uns auf der Hut sein, damit wir Pläne vereiteln, so gefahrvoll sie auch sein mögen. Warum seht Ihr mich so an und weint?«
»Ach,« erwiderte Katharina, »Ihr seid ein Mann, steht in Eurer vollen Jugend, seid erfüllt von edlem Unternehmungsgeist, und erfreut Euch noch aller Sorglosigkeit einer frischen Jugend! wenn Ihr nun heut oder morgen verstümmelt und entseelt auf dem Boden dieses verhaßten Kerkerloches liegt, wem anders als Katharina Seyton wird dann die Schuld beizumessen sein, daß Eure Laufbahn schon zerstört wird, kaum daß Ihr in die Schranken getreten seid? und hattet Ihr sie nicht erkoren, Euch die Myrte ins Haar zu binden? und sie soll bestimmt sein, Euch das Totenhemd zu weben?«
»Und das geschehe,« rief Roland in jugendlicher Begeisterung, »wenn Du Tränen hineinwebst, wie sie jetzt aus Deinen Augen rinnen; welch schönere Ehre konnte es geben für meine irdische Hülle? kein Grafenmantel könnte dem Lebenden schönere Zierde sein! Aber beiseite jetzt mit aller Weichheit des Herzens! Katharina, sei eine Seyton, oder richtiger gesprochen, sei ein Seyton! – sofern Du es willst, kannst Du schon einer sein!«
Katharina wischte sich die Tränen aus den Augen und versuchte zu lächeln. »Befragt mich nicht jetzt über Dinge, die Euer Herz beunruhigen! mit der Zeit sollt und werdet Ihr alles erfahren – gleich in diesem Augenblicke solltet Ihr es erfahren, wenn nicht – doch still! die Königin kommt!«
Maria von Schottland trat, bleicher als sonst, aus ihrem Zimmer. Sie war sichtlich erschöpft und abgespannt durch eine schlaflose Nacht. Aber ihre Schönheit verlor nicht hierdurch, denn an die Stelle hoheitsvoller Anmut der Königin trat jene zarte Erregbarkeit des liebevollen und liebenswürdigen Weibes. Abweichend von ihrer sonstigen Weise, hatte sie ihre Toilette hastig gemacht; das Haar, das sonst von Lady Fleming sorgsam frisiert wurde, fiel in den langen, üppigen Locken, die von der Natur selbst gekräuselt wurden, lose um die Stirn hernieder und über Hals und Busen, die nicht so fürsorglich wie sonst verhüllt waren. Kaum hatte die Königin den Fuß über die Schwelle gesetzt, als Katharina ihr entgegeneilte, sich vor ihr auf ein Knie niederließ und ihr die Hand küßte. Auf der einen Seite die Fleming, auf der andern Katharina, schienen sie sich in die ehrenvolle Aufgabe, ihr Stütze und Beistand zu sein, mit treuem Eifer zu teilen. Der Page rückte den Armsessel an die Tafel heran, in welchen sie sich in der Regel niederließ, um ihr Frühstück einzunehmen, und stand, seines Dienstes gewärtig, auf dem Platze, den bisher der junge Seneschall Georg Douglas eingenommen hatte. Marias Auge ruhte eine Weile auf ihm; es mußte ihr natürlich bewußt werden, daß in diesem Dieneramt ein Wechsel vorgegangen war, und doch war sie sich vielleicht der Worte »Armer Douglas!« die ihr jetzt entschlüpften, nicht bewußt; sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück und brachte ihr Tuch vor die Augen.
»Ja, gnädigste Herrin,« sagte Katharina, mit heiterer Miene, in der Absicht, das Gemüt Marias dadurch aufzuheitern, »unsrer wackrer Amadis ist von uns gegangen, er war dem kühnen Wagnis nicht gewachsen; indessen hat er uns einen jungen Knappen hinterlassen, der dem Dienste seiner Königin nicht minder ergeben ist und Euch durch mich Hand und Schwert bieten läßt.«
»Wozu das alles?« erwiderte die Königin; »weshalb immer und immer wieder für neue Opfer sorgen, Katharina, sie mit meinem unglücklichen Schicksal zu verketten? Geben wir lieber alles weitere Bemühen, eine Aenderung meiner Lage herbeizuführen, auf! es widerstrebt mir, soviel edle Herzen, die zu unserm Heile ihr Bestes einsetzen, mit in mein Verderben zu reißen; es haben sich in meiner Umgebung genug Anschläge und Ränke abgespielt, seit ich als verwaistes Kind in meiner Wiege lag, und die feindlichen Adelinge meines Reichs sich darum bekämpften, wer von, ihnen im Namen des unschuldigen und bewußtlosen Kindes das Regiment in meinem Reiche führen sollte – es ist ja wirklich an der Zeit, daß dieser schmachvolle und gefahrvolle Zustand sein Ende finde! Ich will meine Haft hinfort als Klosterhaft ansehen, will mir vorstellen, als hätte ich mich freiwillig von der Welt und ihrem Treiben in diese stille Klause zurückgezogen.«
»O, gnädigste Fürstin,« erwiderte Katharina, »redet doch nicht so in Gegenwart Eurer treuesten Diener! muß das nicht ihnen allen Eifer rauben, Euch zu dienen? muß ihnen solche königliche Rede nicht das Herz brechen! Komm, Roland! wir sind die jüngsten ihres Gefolges, knie neben mir nieder vor ihrem Schemel und flehe mit mir zu ihr, daß sie ihren hohen Sinn auch fürder behalte!« und sie nahm Roland bei der Hand und kniete mit ihm vor der Königin. Maria richtete sich empor, reichte die eine Hand dem Pagen zum Kusse und strich mit der andern die üppigen Locken aus der kühnen und offenen Stirn des jungen Mädchens.
»Ach, ma mignonne,« sagte sie, denn mit diesem Kosenamen liebte sie ihre junge Dienerin zu nennen, »wie soll ich es billigen, daß Du Dein junges Leben an mein unheilvolles Schicksal kettest? .. Sieh doch her, Fleming! ist's nicht ein holdes Paar? und muß mir der Gedanke, daß ich ihnen zum Untergang werden soll, nicht das Herz zerfleischen?«
»Sprecht nicht also, gnädigste Fürstin,« rief da begeistert Roland, »denn unser freier Wille ist's, Euch Befreiung zu schaffen,«
»Aus dem Munde dieser Kinder,« sprach die Königin, indem sie den Blick gen Himmel lenkte, »wird mir also vom Himmel die Aufforderung, jene hohen Gedanken weiter zu nähren, die meiner Geburt und meinen Rechten geziemen. Da darf ich wohl erwarten, daß er ihnen auch seinen Schutz wird angedeihen lassen und die Macht verleihen wird, ihren Eifer zu belohnen.« Hierauf an Lady Fleming sich wendend, setzte sie hinzu: »Du weißt ja, liebe Fleming, wie glücklich ich mich immer gefühlt habe, wenn es mir vergönnt war, Dienste fürstlich zu lohnen – ach, und wie gern hab ich mich immer unter glücklichen Menschen bewegt! selbst als man es mir übel anrechnete, daß ich mich in ungebundner Fröhlichkeit unter die Maskenzüge meines Hofstaates mischte und an den Tänzen von dessen jungem Volke teilnahm! mag es auch der kalvinistische Knox, der strenge Prediger des Ketzertums, eine Sünde genannt und Graf Morton es als eine Herabwürdigung königlichen Ansehens bezeichnet haben! ich bereue es auch heute noch nicht, denn wehe der armseligen Scheelsucht, die aus dem Ueberschwange unbewachter Fröhlichkeit eine Herzenssünde herzuleiten vermag. Verlaß Dich drauf, Fleming! sind Wir erst wieder in den Besitz Unsres Thrones gelangt, so soll ein fröhliches Hochzeitsfest Uns alle vereinen! aber Wir dürfen zurzeit weder Braut noch Bräutigam nennen, doch haben Wir dem Bräutigam die Baronie von Blairgowrie zugedacht, die auch als Geschenk einer Königin noch immer ein schönes Geschenk genannt weiden darf, und in den Kranz der Braut wollen Wir die schönsten Perlen flechten, die in den Tiefen des Lamondfees gefischt worden sind – und Du selbst, liebe Fleming, die geschickteste Haarkräuslerin, die je die Locken einer Königin flocht, und die sich wohl an keines Weibes Haar von geringer Herkunft vergriffe, Du selbst sollt die Perlen mir zuliebe ihr, Unsrer holden Braut, in die Locken flechten – Liebe Fleming, setzen Wir den Fall, es wären Locken von der üppigen Art, wie sie das süße Köpfchen Unsres Lieblings hier, Unsrer frohen Katharina, zieren? sie würden doch Deiner schönen Kunst nimmer zur Unehre gereichen! – Was meinst Du wohl?« und während sie liebkosend mit der Hand über den Kopf ihres Lieblings strich, blickte sie der andern ihrer beiden Hofdamen so mild und glückselig in die Augen, daß dieser die hellen Trauen in die Augen schossen.
»Ach, gnädigste Dame,« rief leise klagend die bejahrte Dienerin, »Eure Gedanken schweifen in gar weite Fernen!«
»Freilich, freilich, meine liebe Fleming!« erwiderte darauf die Königin; »aber ist es recht von Dir, sie zurückzurufen? ist's freundlich von Dir? Bei wessen Hochzeit war es denn, liebe Fleming, daß Wir zum letzten Male tanzten? Bei der Hochzeit, von der ich jetzt spreche, soll Maria nichts spüren von all ihren Sorgen und Kümmernissen! da will sie selbst noch einmal den Reigen führen! in ungebundner Fröhlichkeit! ... Ach, Fleming, mir ist's heut ganz zu Mute, als hätte mir der gestrige Auftritt das Gedächtnis ein bißchen verwirrt – ich sollte doch eigentlich wissen, wann ich zum letzten Male im heitern Tanze mich drehte! Kannst Du mir nicht einhelfen? Freilich, kannst Du es, liebe Fleming! warum tust Du's denn nicht?«
»Ach, gnädigste Herrin,« wehrte die Fleming ab ...
»Aber warum denn so ungehorsam, liebe Fleming! warum willst Du es meinem Gedächtnis weigern, ihm zu helfen? – ich muß doch meinen, Fleming, daß Unsre Reden Deinem ernstern Sinne als eitle Torheit erscheinen. Du bist aber doch am Hofe erzogen, Fleming, und weißt, was solcher Ungehorsam gegen Deine Gebieterin bedeutet – ich sage Dir also, daß ich es Dir befehle! verstehst Du, Fleming, die Königin befiehlt der Lady Fleming, ihr zu sagen, wann sie den letzten Reigen geführt hat!«
Todbleich wurde die Hofdame, aber sie weigerte sich nicht länger, der Aufforderung zu gehorchen, und mit einer Miene, wie wenn sie in die Erde sinken müsse, sagte sie: »Gnädigste Fürstin, sofern mich mein Gedächtnis nicht trügt, so war es auf einem Maskenball in Holyrood, bei der Hochzeit Sebastians.«
Bei diesem unheilvollen Worte entfuhr der unglücklichen Königin, die bis jetzt der stotternden Hofdame mit übermütigem Lächeln zugehört hatte, ein so wilder, so furchtbarer Schrei, daß das ganze Gemach davon widerhallte. Katharina und Roland eilten in der größten Bestürzung an ihre Seite. Völlig außer sich durch die Verknüpfung der grausigsten Vorstellungen, aus allen Grenzen der Vernunft gerissen durch diese plötzliche Erinnerung an das Entsetzlichste, das sie in ihrem jungen Leben getragen, schrie sie mit gellender Stimme: »Verräterin! Deinen Fürsten wolltest Du morden! Ruft meine Garden! à moi, à moi, mes Français! – Verräter umzingeln mich in meinem eignen Palaste! meinen Gemahl haben sie ermordet – Hilfe, Hilfe der Königin von Schottland!« Ihre in ihrer Blässe noch eben so überaus lieblichen Züge waren entflammt von der Wut des Wahnsinns und glichen denen Bellonas, der Kriegsgöttin Roms. »Ha!« schrie sie wieder, »Unsre Hauptstadt soll wachsam sein! Lothian und Fife sollen wachsam sein! man sattle Unser spanisch Roß, und Paris, der Franzose, soll unsren Karabiner laden! besser, an der Spitze Unsrer tapfern Soldaten wie Unser Großvater zu Flodden sterben, als an einem gebrochnen Herzen hinsiechen wie Unser unter einem unheilvollen Sterne geborner Vater.«
»Beruhigt Euch doch, gnädigste Fürstin!« bat Katharina und wandte sich hierauf an ihre Gefährtin: »Wie konntet Ihr auch nur ein Wort sagen, das sie an ihren Gemahl erinnerte!«
»Gemahl!« wiederholte die unglückliche Königin, denn sie hatte dies Wort aufgefangen und wiederholte es hastig ein paarmal hintereinander. Dann schrie sie: »Welcher? welcher Gemahl? Seine allerchristlichste Majestät nicht, denn die ist unpaß – kann nicht aufs Pferd hinauf – auch nicht der von Lennox – der Herzog von Orkney war's, auf den Du anspieltest!«
»Um Gottes willen, Fürstin,« bat die Fleming, »seid ruhig!«
Aber die erregte Phantasie der Königin war nicht zu besänftigen ... »Ruf ihn her! sag ihm, er solle mir helfen! solle seine Lämmer mitbringen, wie er sie nennt: Bowton, Hay von Talla, Ormiston den Schwarzen, und Robert, seinen Vetter! – Ach, prrrr! wie sie nach Schwefel duften! und wie schwarz sie aussehen! – Was? mit Morton im geheimen Rat? Nein! wenn die Douglasse mit den Hepburns über einem Anschlage brüten, dann jagt der Vogel, der aus der Schale kriecht, ganz Schottland in Angst und Schrecken – meinst Du nicht, liebe Fleming?«
»Sie wird immer irrer,« sagte die Fleming, »wir haben für diese verworrnen Reden der Zuhörer zuviel.«
»Roland,« rief Katharina und trieb den Pagen in das Vorzimmer, »laß uns allein mit ihr fertig werden; Du kannst uns nichts dabei helfen – Fort – fort!« Aber trotzdem die Tür hinter ihm abgeschlossen und verriegelt wurde, konnte er die Königin noch immer schreien hören, bis ihre Stimme sich endlich in einem leisen Gewimmer verlor.
Da trat Katharina wieder zu ihm ... »Mach Dir keine Sorge weiter,« sagte sie zu ihm, »der Anfall ist vorüber. Aber halte die Tür versperrt und laß niemand herein, bis sie ihre Fassung wiedergewonnen hat.«
»Um Gottes willen, Katharina,« sagte Roland, »was bargen die Worte der Fleming so Schreckliches, daß die Königin in eine so wilde Erregung geriet?«
»Ach, die Fleming, die Fleming!« sagte Katharina, den Namen ungeduldig wiederholend, »die Fleming ist ein dummes Frauenzimmer, sie hängt an ihrer Herrin mit aller Liebe, weiß aber nicht, wie sie diese Liebe beweisen soll – wenn ihr die Königin befehlen sollte, sie zu vergiften, so würde sie sich auch nicht besinnen, sondern es tun, weil es ihr eben von der Königin befohlen worden – ich hätt ihr die Halskrause herunterreißen können um dieses Wortes Sebastian willen – mir hätte die Königin eher das Herz aus der Brust reißen können, als daß ich diesen Namen über meine Lippen gelassen hätte!«
»Und was ist's denn für eine Geschichte mit diesem Sebastian?« fragte Roland; »beim Himmel, Katharina! Ihr seid das lebendige Rätsel!«
»Und Ihr ein Narr, wie die Fleming eine Närrin!« versetzte das Fräulein voll Ungeduld, »wißt Ihr denn nicht, daß in jener Nacht, da Heinrich Darnley ermordet und die Feldkirche in die Luft gesprengt wurde, die Königin auf einem Maskenballe anwesend war, den sie zum Hochzeitsfeste ihres Leibdieners mit Namen Sebastian gab, der sich mit einem Hoffräulein von ihr verheiratete?«
»Beim Himmel! dann wundre ich mich freilich nicht mehr über ihre Erregtheit,« sagte Roland, »bloß der Gedächtnismangel ist mir nicht verständlich, daß sie der Fleming solche Frage mit solcher Dringlichkeit stellen konnte!«
»Darüber kann ich freilich auch nichts sagen,« erwiderte Katharina, »aber großes Seelenleid mag wohl, wenn es sich mit einem wilden Schreck gepaart hat, das Gedächtnis schwächen oder verdüstern. Indessen will ich mit Euch nicht länger müßig diskutieren, während es mir in allen Fingern juckt, der Fleming noch jetzt eine kalte Douche zu geben – verwahrt mir die Tür gut, Roland, denn auf keinen Fall möcht ich haben, daß einer von dem Ketzerpack im Schloß sie in diesem traurigen Zustande vor die Augen bekäme – denn in der Freude darüber, daß ihre teuflischen Pläne so herrlich angeschlagen, möchten sie sich keine Sekunde besinnen, den Anfall der Königin in ihrem ekelhaften Kauderwelsch als ein Strafgericht des Himmels zu preisen.«
Gerade als sie den Fuß aus dem Vorzimmer setzte, um zur Königin zurückzukehren, wurde von draußen mit Wucht auf die Türklinke gedrückt; aber Roland hatte den Riegel fest vorgeschoben, und er widerstand den Bemühungen des groben Eindringlings.. »Wer ist an der Tür?« fragte Roland.
»Ich, der Hausmeier,« erwiderte Dryfesdale.
»Ihr könnt nicht herein,« rief Roland.
»Warum nicht?« rief draußen Dryfesdale; »ich komme ja nur, mich pflichtschuldigst zu erkundigen, weshalb die Moabiterin so laut geschrieen hat?«
»Bleibt draußen!« rief Roland; »herein dürft Ihr nicht!«
»Und warum nicht, junger Hansdampf?« fragte Dryfesdale.
»Weil ich den Riegel vorgeschoben habe, und weil ich keine Lust habe, ihn Euch zu Gefallen wegzuschieben – Wurst wider Wurst, Hausmeierchen!«
»Laß Dir solche Dummheiten nicht beikommen, Musje,« schrie vor Wut außer sich draußen der Hausmeier, »ich setze auf der Stelle die Schloßherrin in Kenntnis.«
»Ihr könnt der Dame zugleich mit melden, daß die Königin sich alle Besuche verbittet, wie auch alle Botschaft, denn sie fühlt sich zurzeit nicht wohl und empfängt niemand.«
Also abgewiesen, begab sich Dryfesdale unter lautem Gebrumm wieder die Treppe hinunter.