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Es war im Laufe des Winters vom Jahre 1828 auf 1829, als ich am Ufer des Bugs stationiert war. Die russischen Heere kriegten in der Moldau und am Balkan, und die damaligen politischen Verhältnisse hatten zwischen den Regierungen eine Spannung hervorgebracht, welche von seiten Rußlands eine strenge Aufsicht an der Grenze, ja beinahe eine Sperrung hervorgebracht hatte. Wir Offiziere, der angrenzenden Stationen insbesondere, waren der Gegenstand sehr strenger Beobachtung von seiten des Großfürsten Konstantin, und wir wußten, daß der Befehl bestand, jeden Offizier, der ohne gültige Erlaubnis der russischen Behörde auf russischem Boden betroffen würde, ohne weiteres zu verhaften und unverweilt nach Warschau zu transportieren. Die Stimmung, welche damals durchgänglich in Galizien und unter den österreichischen Truppen herrschte, gab allerdings zu diesen wenig wohlwollenden Maßregeln einige Veranlassung; und es war somit den russischen Behörden nicht zu verdenken, daß ihnen österreichische Offiziere auf ihrem Boden, um so mehr, als die für die russischen Waffen ungünstigen Kriegsereignisse deren Geheimhaltung notwendig machten, nicht willkommen waren. Es bedurfte also, um sich auch nur eine Viertelmeile weit aus Galizien in das Territorium des Königreichs Polen begeben zu können, eines formellen Passes, der nebstbei nur mit vieler Schwierigkeit ausgestellt wurde. Dieser Umstand war für die meisten von uns, welche seit unserm langen Aufenthalt in diesen Gegenden zahlreiche, liebe Bekanntschaften und Relationen mit den liebenswürdigen Familien im Königreiche gefunden hatten, keine geringe Beschwernis. Die Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit des polnischen Adels ist bekannt, es war also höchst fatal, den Umgang mit diesen so werten und liebenswürdigen Familien plötzlich abbrechen zu müssen, deren Gastfreundschaft wir die angenehmsten Stunden verdankten. Auch fanden die meisten von uns allerhand expedients, um die strenge Klausur zu umgehen und unter mancherlei Vorwänden, mit verschiedenen Verkleidungen, wenn auch mit mehr oder weniger Gefahr oder Beschwerlichkeit ihre Ausflüge und Besuche auf dem jenseitigen Ufer des Bugs fortzusetzen. Mich trieb nebstbei noch ein anderer Beweggrund an, es öfters zu versuchen, indem dies die einzige Art und Weise war, von den kriegerischen Ereignissen und dem Zustande der russischen Heere, dem Stande der Dinge auf dem Kriegstheater genaue Notizen zu sammeln, welche für die diesseitigen Militärbehörden von höchstem Interesse waren und durch deren Mitteilung ich wesentliche Dienste zu leisten hoffen durfte. Nun hatte ich das Glück, in einem etwa eine halbe Meile von der Grenze jenseits des Bugs liegenden Schlosse auf das gütigste aufgenommen zu werden. Es war dies auch ein Sammelplatz der in der Nachbarschaft stationierenden polnischen Offiziere. Einige liebliche Frauen und Mädchen, welche dort hausten, vermehrten die Annehmlichkeit dieses angenehmen Aufenthaltes. Es wurde getanzt, gespielt, und ich war nicht der Mann, welchen einige Kosakenposten so leicht solchen Lockungen zu entsagen vermögen konnten. Ich wußte, daß nächsten Sonntag dort getanzt werden sollte, und beschloß, coûte que coûte hinzukommen.
Es war im Monate Jänner 1829. Wer sich jener Zeit zu erinnern weiß, wird sich entsinnen, daß der damalige Winter fast beispiellos streng war. Von Weinachten an variierte die Kälte von 20 bis 28, auch 30 Grad unter dem Gefrierpunkte. Es zeigten sich in der Atmosphäre die sogenannten Frostsäulen, d. h. senkrechte Säulen zwischen dem Boden und dem Firmamente mit allen Farben des Regenbogens, ein Beweis sehr großer Kälte, welche die in der Luft schwebenden Wasserteile koagulieren macht. Öfters ist mir im Wagen der Branntwein gefroren. Die Wölfe kamen bis in die Hofräume der Wohnungen. Der Schnee bedeckte klafterhoch das Land. Um nach N., so hieß das Schloß, welches das Ziel meiner Reise war, zu gelangen, mußte ich durch einen etwa drei Stunden langen Wald, welchen der Bug seiner ganzen Länge nach durchschnitt. Jetzt war er fest gefroren, und die Schneedecke, welche über dem Eise lag, machte das Bett fast unkenntlich. Jenseits aber bildeten die Kosaken eine Postenkette, je 200 bis 300 Schritte voneinander entfernt und in den Zwischenräumen patrouillierend. Leider war die gewöhnlich hier stationierte Kosakenabteilung, deren Offizier ich persönlich kannte, eben abgelöst worden, und das Sprichwort: »Neue Besen kehren gut!« ließ von den eben frisch Angelangten mehr Diensteifer und weniger Schonung für uns erwarten. Doch bewog mich das zu meinem Unternehmen sehr günstige Wetter, es war nämlich ein heftiges Schneegestöber und Sturmwind, welches die Wachsamkeit der Kosaken erschwerte und verminderte, an diesem Tage die Fahrt zu versuchen, um so mehr, als an einem Sonntage die Straßen und Wege minder besucht und also auch minder beobachtet sein mußten. Ich wählte zu diesem Zwecke einen ganz leichten und niedern Schlitten. Jakob Schmul, ein geschickter, pfiffiger, oft mit Konterbande und allem Unerlaubten, wenn es nur Gewinn bringen konnte, sich abgebender Israelit, der in meinem Judenstädtchen mein Nachbar und quasi Hausfreund war, lieh mir gegen bare Bezahlung einen großen russischen Schimmel, den besten Traber der Umgegend, und seinen alten Knecht Schmekpüdeles, beide mit derlei Expeditionen wohlvertraut. Der Schimmel wurde eingespannt, ein mit Rehposten geladenes Doppelgewehr und eine Flasche Rum hineingelegt, eine wollene Decke überbreitet, über meinen Jagdrock legte ich einen guten Pelzmantel, zog die Mütze über die Ohren, und hurra! trabte der Schimmel pfeilschnell fort, über Eisgefilde, von den Schneeflocken umkreist, den niedern Schlitten fast unsichtbar im tiefen Schneegleise hinter sich nehmend. Bald auch hatten wir unbemerkt und glücklich den Bug passiert, – ebenso schnell ging es durch den langen Wald, wenn auch die Zweige der Fichten oft etwas unsanft ihre Schneelast mir in den Schlitten und auf den Kragen abschüttelten; ein paarmal schlug das kleine Fahrzeug um, aber es genügte ein Griff, es wieder aufzurichten. Wohl hörte ich im Walde hinter uns einige Stimmen, es mochten wohl die Kosaken sein, die auf der Patrouille die frische Schlittenspur entdeckt hatten. Da wir aber sehr rasch fuhren, der Schnee und Sturm das Geleise schnell verwehte, nebstbei es sich zuweilen mit andern Spuren kreuzte, so gaben sie die Verfolgung bald auf, und nach wenigen Stunden saß ich froh und wohlgemut am warmen Kaminfeuer im Schlosse zu N., umgeben von den freundlichen Hausgenossen.
Der Tag verging heiter und vergnügt. Mehrere Offiziere der benachbarten polnischen Regimenter vermehrten die Gesellschaft auf höchst angenehme Weise, abends wurde getanzt. Nie vergesse ich eine Masurka, welcher ich damals zusah. – Mit welcher Anmut, Behendigkeit, Grazie, mit welchem nationalen Ausdrucke bewegten sich Tänzer und Tänzerinnen in verschlungenen Kreisen, welche liebliche Koketterie und Zierlichkeit in diesen graziösen Sylphengestalten, welche Kraft und kühner Trotz in den männlichen Figuren, wie schwebten die einen, wie tobten die andern, wie rauschten die seidenen Kleider, wie klirrten die Sporen! Wieviel Anmut und Lieblichkeit bei den Frauen – welche warme Tatkraft bei den Männern und welch hohes, reges Nationalgefühl bei beiden wohnte damals in Polen. Die Frauen insbesondere, die höchste und die niedrigste, die beste wie die schlechteste, waren die Priesterinnen, welche das geheiligte Feuer der Vaterlandsliebe und Nationalbegeisterung unverlöscht zu unterhalten wußten. Wer die Frauen im allgemeinen schmäht, muß die Polinnen auf ihrem Schlachtfelde nicht gekannt, sie bei diesem würdigen Kampfe in den Spitälern, inmitten des unaussprechlichen, aus dessen unglücklichem Ausgang erfolgenden Elendes nicht gesehen haben. Voilà le champ de bataille des femmes! ebenso großartig und ehrfurchtgebietend wie das der Männer. Da sieht man die Heldinnen des Frauengeschlechtes, Engeln gleich, tröstend, helfend, mildernd. Was für zarte Hände verbanden da die ekelhaftesten Wunden – wie manche große Dame brachte inmitten ansteckender Krankenhäuser Hilfe und Trost – mit welcher Ergebenheit trugen die an orientalischen Luxus und französische Eleganz gewohnten Frauen Strapazen, Entbehrungen, Aufopferungen, von denen sie früher nichts geträumt hatten, – wie herrlich spielten sie ihre Rolle auf jener Schaubühne des Krieges und Elendes, Blutszenen und Jammerdramas vorstellend, von denen die zarten Gemüter keine Ahnung hatten! Und als der Hahn krähte, verriet keine ihren Meister und Herrn, das teure Vaterland! Und ganz Europa mußte, wenn es auch, – wie die entarteten Römer im Zirkus, – die heldenmütige Nation abschlachten und von den wilden Tieren zerreißen ließ, ohne den Daumen zu heben, Beifall rufen! – Solche Weiber können einen Kosciuszko und einen Poniatowsky gebären, denn sie verdienen von Helden geliebt zu werden. –
Wie hat der wenige Jahre nachher sich erhebende Völkersturm meine holde Masurka zerstoben! Die Tänzer schlummern jetzt still in den Feldern von Grochow, Ostrolenka und von Warschau, die Tänzerinnen sind fast alle in Gram und Elend verblichen! Eine einzige lebt von ihnen, soviel mir bekannt ist, verbannt mit ihren Kindern auf fremdem Boden; die zarten, feinen Hände erwerben jetzt mühsam den Unterhalt für sich und die Ihrigen! –
Als der Tanz geendigt war, setzte man sich zur Tafel, der niedliche Schuh der Frau vom Hause wurde mit Ungarwein gefüllt, und man trank auf Polens Wohl, dann auf jenes der Damen, dann auf Kosciuszkos, Poniatowskys, Malachowskys Andenken, kurz man trank so oft und viel, daß ich es für die höchste Zeit ansah, mich zu empfehlen. Mein Schlitten stand parat vor der Tür, man begleitete mich freundlich bis an die Schwelle, und bald flog der Schlitten, von dem wohlgefütterten und erholten Schimmel mit Windesschnelle fortgeschleppt, beim Hofe hinaus. Der Sturm tobte fort, der Schnee kräuselte in dicken Flocken, man sah keine Hand vor sich, und Augen und Nase waren beständig mit Schnee gefüllt. Noch tönten mir die Masurkaklänge in die Ohren, ich schloß die Augen, ließ die lieblichen Bilder des Tages und Abends an meiner inneren Camera obscura vorüberwandeln und gab Ball und Fest in meiner inneren Welt, die äußere vergessend. – In mir flimmerten und glänzten Lampen und Kronleuchter, tönte Musik, klangen liebliche Stimmen, – in mir war es warm und wohnlich, – was kümmerte mich außen Nachtsturm und Schnee, – ich zog die Pelzkappe immer mehr über die Ohren und die Fühlhörner meiner Sinne in mich hinein, und so mochte ich eine geraume Zeit in diesem Zustande des Halbwachens oder Träumens fortgefahren sein, als Herr Schmekpüdeles plötzlich anhielt. Anfangs wollte ich keine Notiz von seinem Beginnen nehmen, denn mein träumerischer Zustand war mir zu behaglich, als daß ich aus dem Feenpalaste meiner Phantasie so leicht die Nase in die kalte Wirklichkeit hätte herausstrecken mögen. Aber es half nichts. Nach einer Weile kam Schmekpüdeles und eröffnete mir: er glaube, er habe den Weg verfehlt, da der Schnee alles verweht habe, und er würde sich umsehen, ob er das alte Geleise nicht finden könne; einstweilen händigte er mir die Zügel ein. Da mußte ich nun wohl die Augen aufsperren! Wir waren mitten im Walde, der Schlitten steckte in klafterhohem Schnee, der auch dem armen Schimmel bis an den Bauch reichte. Es dauerte lange, bis Schmekpüdeles zurückkam, und während der Zeit glaubte ich, daß meine Hände an den Zügeln anfrieren müßten. Endlich watete er durch den Schnee heran, um mir die desperate Kunde mitzuteilen: er wüßte nicht mehr als früher. Nun versuchte ich, wie der Rabe aus der Arche Noah, auf Entdeckungen auszufliegen; ich verließ den Schlitten und suchte, wo ich zwischen den Bäumen eine Fahrgasse zu entdecken glaubte, den Weg. Ich versank bis an die Hüften in den Schnee, aus dem ich mich nur mühsam wieder emporraffte, zerkratzte mir Hände und Gesicht an den Tannenreisern und verlor am Ende selbst die Spur zum Schlitten zurück! Jetzt war meine Lage wirklich kritisch. In der Entfernung hörte ich zur Konsolation die Wölfe ein anmutiges Konzert heulen. Obzwar ich ermüdet und inwendig von Schweiß durchnäßt war, so pfiff der Sturm mir so eisig um Nase und Ohren, daß ich stets befürchten mußte, einen dieser Teile zu erfrieren. Der Schnee war durch meine Stiefel und meinen Rock eingedrungen und durchnäßte mich bis auf die Haut (mein Pelzmantel war mit dem Gewehre auf dem Schlitten zurückgeblieben). – Ich mochte wohl eine Stunde mich so abgemüht haben, als ich durch Zufall plötzlich vor dem Kopfe unseres verlassenen Schimmels stand. Meine Freude war aber nicht wenig vermindert, als ich Schmekpüdeles daneben ausgestreckt liegen sah. Ich vermeinte, er sei erfroren; aber die neben ihm liegende leere Rumflasche genügte, mir den Zusammenhang der Sache zu erklären. Obzwar in Polen die Israeliten, trotz der allgemeinen Trunksucht, sich diesem Laster selten oder nie ergeben, so hatte der arme Schmekpüdeles in diesem Augenblicke eine Ausnahme gemacht, in der Absicht, sich durch Branntwein die Kälte zu paralysieren. Dieses Getränkes ungewohnt, war gar bald Erschlaffung und Betäubung eingetreten, bei diesen Umständen eine lebensgefährliche Situation, aus welcher ich ihn coûte que coûte reißen mußte. Auf mein Anrufen antwortete er mir nur durch unverständliches Lallen; ein Wasser hatte ich nicht, um ihn damit zu besprengen. Ich rieb ihm Gesicht und Schläfe mit Schnee und brachte ihn endlich mühsam etwas zu sich, setzte ihn auf den Schlitten und fuhr auf Geratewohl in der Richtung zurück, aus welcher ich glaubte gekommen zu sein. Es gelang mir aber durchaus nicht, mich zu orientieren, im Gegenteile, am Ende konnte ich mich gar nicht mehr auf irgendeine bestimmte Direktion besinnen. Das Wolfsgeheul schien mir immer näher zu kommen, und alles trug bei, diese Lage wirklich zu einer ganz desperaten zu machen. Eine andere Besorgnis war, daß der Schimmel durch sein Wiehern uns verraten und unsere gefährlichen Feinde, Wölfe oder Kosaken, herbeiführen könnte. Etwa zwei Stunden mochte ich im Walde herumgeirrt sein, das Pferd an der Hand führend und den noch immer benebelten, halb erfrornen Schmekpüdeles durch wiederholte Schneefriktionen wach erhaltend, als das bis dahin anhaltende Schneegestöber aufhörte, die Wolken sich zerteilten, der Mond in seinem ganzen Glanze hervortrat und die Gegend beleuchtete. Ich hatte gehofft, nach meiner Berechnung längst am Ufer des Bug zu sein und die Kosakenlinie durchpassiert zu haben, beschloß aber doch, mich etwas vorzuschleichen, um den nächsten Weg zu suchen. Ich war aber kaum ein paar hundert Schritte fortgekrochen, als ich Stimmen und Pferdegewieher hörte. Dem Geräusche mich nähernd, gelangte ich auf einen offenen Platz, wo der Wald gelichtet war. Mit nicht geringem Schrecken entdeckte ich eine doppelte Kosakenvedette und ein Piket von einigen Mann, deren Pferde an den nächsten Bäumen angebunden waren, die Leute aber an einem verglimmenden Feuer saßen. Die Posten hatten den Rücken gegen mich gekehrt, woraus mir die traurige Gewißheit erwuchs, noch innerhalb der russischen Grenzlinie mich zu befinden. Der Mond beleuchtete hell die ganze Szene. Ich eilte nun, so schnell ich es in dem tiefen Schnee vermochte, zu dem Schlitten zurück. Der Jude war einstweilen so ziemlich nüchtern geworden und mit der seiner Rasse eigenen Besonnenheit und instinktmäßigen Behutsamkeit hatte er eine Decke zerschnitten und damit die Hufe des Pferdes eingewickelt, erstens um es gegen die Kälte zu schützen, zweitens um die Spur unkenntlich zu machen. Damit aber das Tier nicht etwa durch unzeitiges Wiehern uns verriete, beschlossen wir, es tiefer in den Wald zu führen, gebrauchten aber die Vorsicht, es an den verkehrten Schlitten zu spannen, wodurch die Spur das Ansehen hatte, als ob sie von da herkäme, wo sie eigentlich hinging. So zogen wir einige hundert Schritte in den tiefsten Wald hinein, einen verwachsenen Holzweg, der in dieser Richtung führte, benützend, teilweise abweichend und vorsichtig in unsere Fußstapfen tretend, um nicht durch deren größere Zahl die Aufmerksamkeit zu erregen, falls eine Kosakenpatrouille denselben Weg gekommen wäre. Als wir glaubten, tief genug im Walde zu sein, um von den Kosaken nicht entdeckt zu werden, machten wir halt und warfen vorerst dem Pferde das Heu vor, welches im Schlitten lag, um es zu beschäftigen und das Wiehern womöglich zu beseitigen. Dann versuchten wir, ein kleines Feuer anzumachen, welches uns erst nach vielen fruchtlosen Versuchen, da unsere erfrornen Hände und vor Kälte steifen Glieder jeden Dienst versagten, gelang. Jedoch durften wir nur mäßig dieses Feuer unterhalten, damit Flamme oder Rauch nicht Kunde von unserm Aufenthalte gäbe, und da dessen Wärme nicht hinreichte, uns arme Erfrorne genugsam zu beleben, so nahm ich von Zeit zu Zeit mit Schmekpüdeles allerlei gymnastische Übungen, als Springen, Ringen, Hüpfen usw., vor. In meiner Verzweiflung ließ ich mir von ihm einen Judentanz lehren, den er in Perfektion tanzte; bei jeder andern Gelegenheit aber hätte mich dessen Possierlichkeit wahrscheinlich weit mehr erheitert. Die Uhr zeigte auf zwei. Solange der Mond schien, war keine Hoffnung, den Versuch wagen zu können, durch die Kosakenlinie zu kommen, und somit trat die Besorgnis ein, wenn uns der Tag in dieser Situation fand, denselben in statu quo zubringen zu müssen; denn um keinen Preis konnte ich mich der Gefahr aussetzen, mich den Kosaken überliefern zu müssen. Drei martervolle Stunden brachten wir so zu; endlich war der Mond untergegangen, und die frostige Kälte verwandelte sich in heulende Windesbraut, welche bald dickes Schneegewölk zusammentrieb, und das Schneegestöber des vorigen Abends wiederholte sich in seiner ganzen Gewalt. Wir zogen nun zu unserm Schlitten zurück, den wir ein Stück Weges hinter uns gelassen und mit Reisig bedeckt hatten, der Schimmel wird wieder eingespannt und behutsam bis in die Nähe des Pikets vorgeführt. Im scharfen Trabe fuhr Schmekpüdeles über die offene Waldlücke, der wachhabende Kosak sah uns zwar bei dem dichten Schneegestöber nicht, mochte aber doch etwas hören, denn es erscholl sein » Postoy!« (Steht!) – auch trabte er in die Richtung hin, aber etwa fünfzig Schritte hinter uns vorbei. Ehe er zurückkam, hörten wir schon das Eis des Flusses unter den Tritten unseres Pferdes knistern, und ein paar hundert Schritte weiter waren wir auf österreichischem Boden in Sicherheit. – Es war acht Uhr, als ich in meiner Station ankam. Die Wollust, welche ich empfand, als ich im Schlafrock am Kamin saß, ist nicht zu beschreiben! Ich war den Wölfen und Kosaken glücklich entkommen, aber wenn auch nicht mit einem blauen Auge, so doch mit zwei roten Ohren, welche lange die sichtlichen Spuren dieser Nacht, in der ich sie erfroren hatte, an sich trugen.
Schmekpüdeles wurde reichlich belohnt, beschwor aber dennoch, daß er hinfüro um keinen Preis zwischen Kosaken und Wölfen biwakieren wollte.
Später machte ich eine abermalige verbotene Exkursion nach Jassy mit dem Israeliten Kola, selbst als Jude verkleidet. Diese Fahrt brachte mich mit den Eigentümlichkeiten dieses merkwürdigen Volkes in vielseitige Berührung und ist deswegen von großem Interesse für mich gewesen.