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Gedanken über das Lager bei Liegnitz

Oktober 1841

Ich teilte diesen Aufsatz vor dem Abdrucke desselben einem Freunde, einem ausgezeichneten Offizier im preußischen Heere, mit und erachte es für interessant, die Bemerkungen desselben in einigen Noten zu geben.

Der verabschiedete Landsknecht.

Das große Wort: Il n'y a plus de Pyrénées! ist eine Phrase geblieben; dagegen ist es Wahrheit geworden, daß über das Riesengebirge hinweg sich die gekrönten Adler – jene des Königs und der Kaiserin, die sich an diesen Marken einst so blutig befehdeten – freundlich aneinander schließen, von nun an nur einem gemeinsamen Feinde, er komme von Nord, Süd, Ost oder West, um so furchtbarer. Unter solchen Fittichen kann Deutschland sicher stehen, sie sind mächtig genug zum Schirm, sowie das scharfe Gewaffe zur Abwehr übermütigen Raubgeflügels.

Von diesem Gesichtspunkt betrachtet, gewährte der Anblick des preußischen Lagers bei Liegnitz ein erhebendes, erfreuliches Bild. Man sah einen König, geliebt von Volk und Heer, dessen Zustände mit eigenem väterlichen Herrscherblick überwachend – umgeben von deutschen Nachbarfürsten.

Im traulichen Verein prangten österreichische, bayrische, hessische Waffenröcke im preußischen Königsgefolge, das durch die Anwesenheit von vier Erzherzogen von Österreich (unter ihnen der Sohn des unsterblichen Siegers von Aspern), eines königlichen bayrischen und hessischen Prinzen verherrlicht war.

Wahrlich ein trostreiches Gefühl, wenn man bedenkt, daß die Lorbeeren, welche des Helden Friedrichs sowohl als der großen Kaiserin Maria Theresia ruhmgekrönte Häupter bekränzten, einst auf denselben, aber erst mit deutschem Blut gedüngten deutschen Feldern entsprossen waren, – wenn man auf die dunklen Jahre 1805-1806 zurückblickt, auf die Schmachtage von Ulm und Jena! – Sie wären damals nicht gekommen, wären wir beraten gewesen wie jetzt. – Wohl dem deutschen Auge, daß es von diesen Erinnerungen nicht weit suchen muß, um die Siegesfelder an der Katzbach, bei Kulm und Leipzig zu erschauen!

Glatz und Neiße, Theresienstadt und Königgrätz, Schweidnitz und Josephstadt stehen sich nicht mehr drohend gegenüber: nein, die stein- und eisenumgürteten Schwestern reichen sich gegenseitig die mächtige Hand, um vereint die Hesperidenäpfel, die in den gesegneten deutschen Landen blühen, vor fremden Näschern zu schützen – und in diesem Falle dürften, wie es schon im Dreißigjährigen Kriege Kurfürst Friedrich meinte, sich allerdings darunter Nüsse finden, an denen auch das stärkste Gebiß sich die Zähne ausknacken müßte.

Ja, das Lager bei Liegnitz war kein gewöhnliches, kein sogenanntes Lustlager – so wenig als die Feste in Breslau ein gewöhnlicher Königsempfang.

Es waren beide Zeichen höherer Art, wie der Regenbogen am Himmel, Kraft, Milde, Liebe und Eintracht verkündend!

Für den echten Soldaten gibt es, unserer Meinung nach, keine ärgere Probe militärischen Gehorsams und christlicher Selbstverleugnung als das sogenannte Lustlager; nichts, was ihn mit mehr Unlust für seinen Stand erfüllen muß, je mehr er von dessen Ernst und von seinem hohen Beruf erfüllt, je weniger er es innerlich erträgt, denselben zum Puppenspiel erniedrigt zu sehen.

Da wird geputzt, gebügelt – dressiert, frisiert, adjustiert, exerziert und manövriert, um am Ende eine Art Riesenballett aufzuführen, dessen Schlußtableau mit Pulver und Knalleffekt von einem teils betreßten, teils unbetreßten kriegsschauspiellustigen, aber ziemlich profanen Publikum bewundert wird, bei welchem die Damen, trotz der Gefahr für ihre Toilette, mit teilnehmenden Blicken durch Staubwolken und Pulverrauch in den vorbeijagenden Geschwadern einige kühne Reiter verfolgen. – Solch Spektakelstück hat mit dem blutigen großen Originale so wenig Ähnlichkeit wie der Nymphentanz der Diana auf dem Theater mit einer Eberjagd im wilden Forst! Inwiefern ein solches Lustlager die Zeit, die Summen und die Mühe lohnt, die es Hof, Staat und Heer kostet, inwiefern hier die Lust, welche die einen genießen, und die Last, welche die anderen tragen, im Verhältnisse stehen, lassen wir dahingestellt, davon aber kann man überzeugt sein, daß bei solchen Gelegenheiten unter dem Begriff Exerzieren nichts weniger als die getreue Übersetzung »üben« – nämlich zum Kriege –, also Kriegsübung, zu verstehen ist und damit bezweckt oder beabsichtigt wird.

Mit desto größerer Bewunderung erfüllte uns daher die ganze Art und Weise des Liegnitzer Lagers, sowie die Haltung und Richtung des preußischen Heeres dabei. Wahrhaft lehrreich, nützlich ausbildend – in intellektueller und materieller Beziehung zum ernsten Handwerk vorbereitend, waren Anordnung, Einleitung und Ausführung der Manöver, das Leben im Lager, eine Vorschule in Disziplin, Ordnung, Dienst für das wirkliche Feldlager –, und der zusehende, mit seinem Beutel kontribuierende Landmann oder Bürger, Gutsbesitzer oder Beamte konnte sich für seine Geldopfer mit der Überzeugung trösten, daß diese Scharen, die zu seinem Heil und Schutz, zur Sicherheit seiner Ehre und Ruhe ihm zum Schirm für Haus und Hof gerüstet sind, hier zur notwendigen Vorbereitung zu ihrer schweren Berufspflicht versammelt waren – und dies muß geschehen, sollen sie dem Staate nicht eine drückende und doch nutzlose Last sein.

Was sich dem Beobachter zuerst aufdrängt, ist die Überzeugung, daß eben von oben herab, mit Ausschluß aller pomphaften Puppenspielerei, diese praktisch-ernste Richtung vorgezeichnet, dieser männliche Ton angegeben wird. Der König, die Prinzen, Feldherren, wie die Generale Grolman, Brandenburg, Boyen, Krauseneck, Ziethen, Nostiz, Natzmer u. m. a., sind Männer, die in dem Militärareopagus nicht als honoräre Assessoren Sitz und Stimme erlangt, sondern sich den Doktorhut der Kriegskunde auf der blutigen Kanzel in donnernden Disputationen selbst erworben haben. Vor Ausstellungen, Belehrungen, Zurechtweisungen, welche aus solchen Quellen fließen, beugt sich dankbar und anerkennend der Mann vom Handwerk. Daher die militärisch-praktische, stets den reinsten, reellen Zweck der Sache im Auge behaltende Leitung des Ganzen. – Instruktion, ein vortrefflicher Geist, ein unzerstörbarer guter Wille und Ausdauer bei Offizieren und Mannschaft und eine daraus entspringende, für die kurze Dienstzeit bewunderungswürdige taktische Ausbildung der Truppen sind die zweite erfreuliche Tatsache, welche zu der vortrefflichen Leitung auch die Mittel der Ausführung bietet. Napoleon stellt folgende Forderungen an eine gute Armee: Un bon général, des bons cadres, une bonne organisation, une bonne instruction, une bonne et sévère discipline.

Nur aus den oben angeführten moralischen und geistigen Motiven ist die materielle Realisierung des schweren Problems, aus Rekruten ein stehendes, geübtes Heer und das vielleicht noch schwerere: aus ausgedienten Soldaten eine disziplinierte Nationalmiliz zu bilden und beide miteinander zu einem organisierten Ganzen zu verschmelzen, erklärbar.

Daß man aus jungen, intelligenten, willigen Leuten mit guten Offizieren und Chargen binnen wenigen Monaten vortreffliche Infanterie bilden könne, haben die Franzosen zur Zeit des Konvents und des Kaiserreichs, die österreichischen Landwehren im Jahre 1809, die Preußen in den Kriegsjahren 1813 und 1814, die Spanier unter Zumalacarreguy und Cabrera bewiesen.

Daß man aber Kavalleristen und Artilleristen bei so kurzer Dienstzeit bilden könne, blieb wohl manchem Kriegskundigen zweifelhaft, wo nicht unbegreiflich. Besonders bei der Reiterei konnte man sich die Sache um so weniger denken, als der (wer als Reiter gedient hat, wird den Ausdruck nicht lächerlich finden) gewisse geistige und materielle Nexus zwischen Mann und Pferd – wodurch beide sozusagen in ein Wesen verschmolzen werden, dessen beide Elemente nicht getrennt werden dürfen, und welches daher nur aus einer längeren Gewohnheit des Beisammenseins und dem daraus folgenden Vertrauen und der Anhänglichkeit zwischen beiden entspringt – nicht obwalten kann Scharnhorst pflegte die Kavallerie mit folgendem Paradoxon zu ärgern: »Nehmt des Müllers Roß und setzt des Müllers Knecht darauf, und ihr habt einen Kavalleristen, wenn er Lust hat sich zu schlagen.« Auch hier ist ein wirkliches juste milieu praktisch. Der pr. Offizier., so daß es scheint, als müßten durchaus Reitkunst und Pferdewartung dabei verlorengehen. Dennoch überzeugt man sich, daß nicht allein bei den geschlossenen, schärferen Bewegungen die preußische Linienreiterei, besonders die Husaren, ihrer Pferde durchaus Meister ist, rasch und präzise manöveriert, sondern daß sie auch einzeln flink und keck reiten und die Pferdewartung im allgemeinen, trotz der kühlen Nächte im Biwak und der Anstrengungen während der Exerzierzeit, durchaus im guten Zustande gehalten ist. In der österreichischen Reiterei verbietet das Reglement einem Reiter, ohne dringende Ursache sein Pferd auszutauschen; reitet er es acht Jahre, so erhält er jedes folgende Jahr bei der Musterung einen Dukaten Reitdouceur. Dieser für den Reiter als sehr lobenswert betrachtete Fall tritt bei manchen Schwadronen oft mehrmals zugleich ein. Aber wir gestehen es, über alle Erwartung fanden wir die Landwehrreiterei; denn wenn man weiß, wie schwer es ist, auch bei geübten Truppen einer vor kurzem zusammengesetzten Reiterabteilung die gehörige Manöverierfähigkeit beizubringen, wenn man bedenkt, daß diese Pferde vor vierzehn Tagen noch am Wagen, am Pflug oder als gewöhnliche Reitpferde gebraucht wurden, daß die Reiter ihren verschiedenen bürgerlichen Beschäftigungen oblagen, daß die aus diesen Elementen zusammengesetzten Truppenkörper zum Teil von Offizieren geführt werden, welche erst seit wenigen Wochen aus ihren Zivilverhältnissen getreten sind oder sich wenigstens erst seitdem wieder in den Dienst einüben müssen, so wird man einem so erfreulichen Resultate eines der ganzen Bevölkerung inwohnenden Geistes und einer vorgerückten Intelligenz, sowie dem daraus hervorleuchtenden energischen festen Willen seine Bewunderung nicht versagen. Wir wollen damit nicht behaupten, daß die preußische Landwehrkavallerie ein Vorbild kriegerischer Vollkommenheit in dieser Waffe sei, sind auch für ihre vielfachen Mängel nicht blind; trotzdem aber können wir beteuern, daß sie eine schlagfertige, mit etwas Ausbildung selbst auf dem Marsche bis zum Kriegsschauplatz leicht zu vervollkommnende, im Massengefecht durchaus brauchbare Truppe ist; besser beritten, besser ausgerüstet und instruiert als jene Reitermassen, mit welchen Napoleon viele seiner Siege zu erfechten wußte, und von Offizieren angeführt, welche an Entschlossenheit und persönlicher Bravour gewiß den französischen, als so tapfer anerkannten Kavallerieoffizieren nichts nachgeben, dabei jedoch weit bessere Reiter und besser beritten sind. Die Landwehrkavallerie würde sehr an Brauchbarkeit gewinnen, wenn ihre Organisation sich noch enger an die Linienkavallerie anschlösse. So die öffentliche Meinung in der Armee. Der pr. Offizier.

Wer aber weiß, und wir berufen uns hier auf die Autorität des berühmten Reiterphysiologen, des genialen Schriftstellers und erfahrenen Generals Graf Bismarck – wer da weiß, wie sehr es bei Reitergefechten auf die Persönlichkeit der Offiziere ankömmt, der wird mit desto größerem Vertrauen auf die preußische Landwehrkavallerie blicken. Die Pferdezucht hat in diesem Staate, im Gegensatze mit so vielen anderen europäischen Ländern, das praktisch günstige Resultat gehabt, vortreffliche Pferde für den Dienst und zum Gebrauch der Offiziere bei zu erschwingenden Preisen zu erzielen, und es läßt sich nicht leugnen, daß in dieser Hinsicht die preußischen Offiziere in diesem Augenblicke den Vorrang vor denen aller andern Armeen haben dürften.

Es ist eine vortreffliche Maßregel, die Landwehrreiterei mit der Lanze zu bewaffnen. In manchen Provinzen, so im Bereich des fünften und sechsten Armeekorps. In Sachsen, Westfalen und am Rhein ist man nicht dafür, die Reiter und Pferde sind nicht darnach. Der pr. Offizier. Bei der leichten Reiterei ist jede Waffe gut, auf die der Mann sein Vertrauen setzt und auf die er eingeübt ist. Der sichelförmige Säbel des Türken, der Husarensäbel des Ungars, der deutsche Pallasch, die Lanze des Polen, der Yatagan des Arabers und der Dolch des Tscherkessen, ja sogar das Fangseil des Gauchos in Südamerika haben sich in dieser Hinsicht bewährt, aber für die schwere Reiterei – für jene, die im geschlossenen Chok ihre Kraft äußert – ist unbestreitbar die Lanze die beste Waffe.

Wer Gelegenheit gehabt hat, den moralischen Eindruck, den eine mit gezückten Säbeln ansprengende Truppe macht, mit jenem zu vergleichen, den man einer, auch nur im scharfen Trabe mit hervorstarrender Lanzenreihe anrückenden Reitermasse gegenüber empfindet, der wird gewiß unsere Meinung teilen. Wer aber jemals, und dies geschah wohl jedem Krieger, von beiden Gattungen Reiterei verfolgt worden ist, wird wissen, welchen Respekt vornehmlich die Lanze, besonders durch die weit schwereren Verletzungen, die sie zugefügt, nach einigen Gefechten dem Gegner einflößt.

Wir sind fest überzeugt, daß bei eintretenden kriegerischen Ereignissen die preußische Landwehrkavallerie in größeren Massen die vortrefflichsten Dienste zu leisten geeignet ist, und müssen besonders ein von dem Fürsten von Hohenlohe befehligtes schlesisches Landwehrreiterregiment als eine Truppe bezeichnen, welche auch dem schärfsten Beobachter wenig oder nichts zu wünschen übriglassen dürfte. Auch die Posensche Landwehrreiterei bot an Mann und Roß ein schönes Bild.

Der Anblick der schwarzen und braunen Husaren (die letzteren wurden bei der großen Heerschau durch den ehrwürdigen Feldmarschall Ziethen vorgeführt, ein Name, der dem Freunde ebenso empfehlenswert klingt als dem Feinde furchtbar) erweckte so glorreiche Erinnerungen, daß man den tapferen Regimentern keinen bessern Wunsch zurufen kann als eine der Vergangenheit würdige Zukunft.

Es ist ein erfreulicher Gedanke, daß diese berühmten Scharen ihren ersten Vorbildern und Gegnern, den magyarischen Reitern, nicht mehr gegenüber-, sondern zur Seite stehen werden.

Imposant, vortrefflich beritten, wahrhaft deutsche Eisenreiter, geschlossen und wie gegossene Stahlmassen bewegten sich die herrlichen beiden Kürassierregimenter – ein echtes Abbild germanischer Ritterlichkeit.

Der preußischen Artillerie ist durch ihre Tapferkeit und Instruktion in den Kriegsannalen längst ein Platz angewiesen, der ihr Lob überflüssig macht. Die reitenden Batterien zeichnen sich besonders durch Schnelligkeit und Manöverierfähigkeit aus, was um so mehr zu bewundern, als ihre Geschütze schwerfälliger lafettiert sind Dies ist in Umänderung begriffen. Der pr. Offizier. als die der meisten anderen Heere. Ob die Mannschaft auf den fahrenden Batterien, welche für den Kanonier weit beschwerlicher sind als z. B. bei den österreichischen Kavalleriebatterien, in die Länge bei scharfen Bewegungen die Placierung auf den Protzen auszuhalten imstande sein wird, wagen wir nicht zu beurteilen. Es geht und ist im Kriege gegangen.

Das Geschütz ist sehr gut bespannt und ausgerüstet, und die vortreffliche Stellung und Verwendung desselben bei den größeren Manövern beurkundete zur Genüge die Sachkenntnis und die Ausbildung der Offiziere und Chargen. Bei der Artillerie ist es damit besser bestellt als bei den anderen Waffen. – Die Kavallerie wurde am wenigsten gut geführt.

Man erlaube uns bei dieser Gelegenheit die bescheidene Frage, ob es nicht ein Hauptaugenmerk der deutschen Bundesstaaten sein sollte, die Lafettierung und Ausrüstung ihres Geschützwesens auf völlig gleichen Fuß zu setzen, somit gleiches Kaliber, gleiches Gleis, gleiche Munitionierung einzuführen? Nach einem lethargischen Schlaf von fünfundzwanzig Jahren muß man nicht zuviel auf einmal wünschen, genug, daß wir angefangen, die Augen zu öffnen, wobei Thiers' Geschwätzigkeit die besten Dienste geleistet. Der pr. Offizier. Im Falle eines Krieges dürften dadurch große Vorteile erzielt, große Nachteile vermieden – im Falle des Friedens, wenn dazu auch die Einführung gleichen Münzfußes käme, ein gar festes Einigungsband zwischen den Völkern durch den gemeinsamen Verkehr, gleiches Gewicht, Maß, Straßengeleise und Geldwert geschlungen werden.

Die Manöver oder Kriegsübungen dauerten fast ununterbrochen vom 2. bis 12. September, während welcher Zeit die Truppe in den Lagern biwakierten.

Der Gegenstand der ersteren waren auf strategische Voraussetzungen basierte Aufgaben, welche das 5. und 6. Armeekorps unter den Generalen Grolman und Brandenburg gegeneinander ausführten.

Die taktische Entwicklung derselben geschah meistens, dem vorliegenden Terrain angemessen, in Massen.

Die Taktik der preußischen Truppen ist größtenteils auf diese Fechtart berechnet, welche sich auch am besten für ein organisiertes Heer eignet und jenen Gegenden, auf welchen es zu wirken bestimmt ist, entspricht, nämlich den kultivierten, wellenförmig bewegten Ebenen Mitteleuropas. Die aufgelöste Fechtart, die Bewegung in Linien und schmalen Kolonnen, ist bei solchen Voraussetzungen minder anwendbar und schien uns auch im Hintergrunde zu stehen, während die Massen sich mit großer Leichtigkeit und Genauigkeit zu bewegen wußten. Ein sehr nachsichtiges Urteil. Die Anwendung der Massen geschah durch die Führer der Unterabteilungen oft sehr zur Unzeit und ungeschickt. Die zerstreute Fechtart nimmt in den preußischen Reglements eine wichtige Stelle ein, ist aber bis jetzt nicht richtig geübt worden. Die Führung der Korps und Divisionen war meist kriegsgemäß, die der Brigaden und Regimenter oft sehr unlogisch und ungewandt. Ich hatte eben nicht meine Freude daran. Fehler sind indes auch belehrend. Der pr. Offizier. Anderen Heeren, z. B. dem österreichischen, dürfte die Vernachlässigung anderer taktischer Bewegungen, und insbesondere der aufgelösten Fechtart, um so weniger anzuraten sein, als im Gebirgskriege, in den kupierten Gegenden jenseits der Alpen, in den Wäldern und Sümpfen des östlichen Europas deren Notwendigkeit bald anerkannt werden dürfte, abgesehen davon, daß die lediglich in Massen sich darstellende und bewegende Schlachtordnung bei der gegenwärtigen Vervollkommnung des Geschützes keinen geringen Verlust, auch bei verhältnismäßig großen Tragweiten, herbeiführen würde.

Ein wirklich imposantes Gemälde bot die Heerschau der gesamten Truppen des 5. und 6. Armeekorps, womit das Lager beendigt wurde. Die Infanterie war im ersten Treffen in Regimentsmassen, ebenso die Reiterei im zweiten und die Batterien in den Intervallen aufgestellt. Die Haltung und das Aussehen dieser auf etwa 35 000 Mann sich belaufenden Kriegermasse war vortrefflich. Der König ritt mit seinem Gefolge die Front hinab und wurde mit lautem Hurraruf und klingendem Spiel empfangen.

Als dann die Königin, umstrahlt von der Glorie der Majestät und dem Zauberschein anmutsvoller Frauenwürde, vor den Scharen herabfuhr, als der Jubelruf der Truppen ihr entgegentönte, als die Fahnen, die nie entweihten, ihr entgegenwehten, da drängte sich uns die trostreiche Überzeugung aus, daß Deutschland nie mehr die Schmach erleben werde, eine seiner edelsten Frauen, eine erlauchte Königin, verhöhnt vom übermütigen Sieger, in das Grab sinken zu sehen!

Mögen die tapferen Scharen im stolzen Selbstgefühle nach den Feldern der Katzbach blicken, wo die Heldengreise Blücher und Yorck den Manen der angebeteten Königin die erste Hekatombe schlachteten! – und von da war es nimmer weit nach Leipzig.

Was würde der Dessauer, wag würden Ziethen und Seidlitz gesagt haben, hätten sie die Sehergabe gehabt, den jetzigen Nachfolger des großen Friedrich, von österreichischen Erzherzogen umgeben, die Reihen seiner Krieger herabreiten zu sehen! Auch des alten Götz von Berlichingen sehnlichster Wunsch war es einst, daß Deutschlands Schwerter nur vereint den Erbfeinden des Reiches drohen und nicht in innerer Zwietracht den teuer erkauften Ruhm suchen sollten.

Unter den fremden Persönlichkeiten, welche sich im Gefolge des Königs befanden, bemerkte man außer den österreichischen, bayrischen und hessischen Prinzen den englischen General Sir Henry Bethune, welcher eben aus Persien, und den Obersten Tailor, welcher von der Expedition in Kabul zurückkehrte, auch den als militärischen Schriftsteller so ausgezeichneten württembergischen Generalleutnant Grafen von Bismark und den französischen Generalleutnant Grafen von Rumigny. Der König der Franzosen bewies bei der Wahl des tapferen Mannes zu dieser Sendung seinen feinen Takt. General Rumigny, eine höchst würdevolle, anziehende Persönlichkeit, hatte als Kommandant von Löwenberg im Jahre 1813 durch seine Biederkeit und sein humanes Bestreben, die über die Gegend verhängten Kriegsleiden, soviel an ihm lag, zu mildern, sich dergestalt die allgemeine Achtung und Zuneigung erworben, daß man in dem ehemaligen Feinde einen alten lieben Freund wiederzusehen erfreut war und in der ganzen Gegend sowie im Lager ihn mit der größten Zuvorkommenheit und Artigkeit behandelte.

Nachdem die Majestäten die beiden Treffen besichtigt hatten, defilierten sämtliche Truppen mit ihrem Geschütz in geschlossenen Massen Diese »geschlossenen Massen«, eine russische Erfindung, sind bei uns sehr unbeliebt. Der pr. Offizier., die Infanterie mit Bataillonsbreite, die Reiterei mit Eskadronen im Trab vorüber, womit die Heerschau beendigt war und die Truppen in ihre Kantonierungen zurückkehrten, der Hof und sein Gefolge aber sich nach Breslau begaben.

Ein interessantes Gegenstück zu diesen militärischen Szenen gewährten die Festlichkeiten in Breslau. Mit Jubel wurde der König empfangen, Triumphbögen, ein prachtvoller Einzug, eine Beleuchtung, in der die dunklen Fassaden der altertümlichen Stadt in tausendfachem Lampenglanz wie Riesentempel und Feenpaläste schimmerten, der Adel, die Behörden, der Magistrat, eine Blumenlese der schönsten Jungfrauen, sämtliche Zünfte mit fliegenden Fahnen verherrlichten die Ankunft des vielgeliebten väterlichen Herrschers.

Auf dem Blücherplatze, von Fahnen umweht und aus der allgemeinen Beleuchtung dunkel hervorragend, stand des unsterblichen Helden eherne Standsäule wie ein schirmendes Ritterbild, den tapfern Arm vor sich hingestreckt, als wolle und könne es auch vom Jenseits aus das geliebte Vaterland beschützen! Ehre den Völkern, die ihre Helden ebenso in unzerstörbarem Erz verewigen, wie sie in dankbaren Herzen ewig ihr Angedenken tragen!

Tags darauf fand ein Wettrennen und dann ein origineller farben- und sinnreicher Aufzug statt, der alle Zweige der Landwirtschaft und Nationalindustrie darstellte. Den Tag beschloß ein glänzender Festball, welchen der gesamte Adel Schlesiens den Majestäten gab und der durch Glanz und Herrlichkeit der hohen Gäste wie der ehrenwerten Geber würdig war. Es war interessant, nach dem in den letzten Tagen gesehenen Schauspiel die Proben kriegerischer Kraft und volkstümlicher Wehrhaftigkeit mit den Segnungen des Friedens und den reichen Gaben des Gewerbfleißes zu vergleichen – das eiserne Zeitalter mit dem goldenen, die Tugenden des Kriegers mit denen des Landmanns und Bürgers, das ernste rauhe Soldatenleben mit dem genußreichen Treiben des Städters, die reizenden Früchte des Friedens neben den ehernen Waffen, welche sie schützen und schirmen, zu sehen. Gestern sahen wir Preußens Kraft, heute seinen Reichtum und Wohlstand – aus dem Lager waren wir durch einen Zauberschlag in den Festsaal, aus dem Kreise bärtiger Krieger unter glänzende Damen und prunkende Ritter versetzt.

Aber dieser Glanz und Segen gedeiht nur unter dem Schutz des blanken Schildes, welchen das Heer über das Vaterland hält. Si vis pacem, para bellum.

Das zuvorkommende herzliche Benehmen sämtlicher preußischer Offiziere, von der hohen Generalität bis zu den jüngsten Leutnants, gegen die Fremden, zumal gegen die Österreicher, verdient besondere Erwähnung. Ein trotz so ausgezeichneter Eigenschaften höchst anspruchsloser, bescheidener Ton, eine allgemein vorherrschende feine Bildung mit gründlichen Kenntnissen und vielseitiger Instruktion gepaart, ein ritterlicher Sinn mit militärischem Anstand bezeichnet durchgängig den preußischen Offizier und steht im offenbaren Gegensatze zu dem ihm früher, wenn auch mit zu großer Parteilichkeit gemachten Vorwurf des Leichtsinns und prahlerischer Großsprecherei, wovon man keine Spur mehr findet.

Es ist unleugbar, daß auch das äußere Benehmen den vortrefflichen Geist beurkundet, der das Offizierkorps und die Mannschaft des preußischen Heeres belebt.

Es ist nicht hier der Ort, eine erschöpfende Analyse des preußischen Mititärsystems zu unternehmen. Es dünkt uns, als müßte erst Zeit und Anwendung den richtigen Maßstab geben, um Licht- und Schattenseiten dieses Systems gegeneinander abzuwägen. Vielleicht möchte es nicht sowohl in der materiellen Realisierung, als eben in seiner Grundlage und seinen Folgen einer weiteren Beobachtung bedürfen! Wir wollen uns daher nur einige allgemeine Betrachtungen über seinen Geist und geistigen Einfluß erlauben, die allerdings zu einer günstigen Ansicht führen.

Das wichtigste moralische Resultat dieses Systems scheint uns zu sein, daß gerade die Tugenden und guten Eigenschaften des Kriegers nach und nach der gesamten Population eingeimpft werden. Ordnungsliebe, Achtung vor dem Gesetz, Gleichheit vor demselben, Selbstgefühl ohne Frechheit, Bescheidenheit ohne Kriecherei, Gewohnheit, sich als Teil eines großen Ganzen anzusehen, strenges Pflicht- und zartes Ehrgefühl, dies sind die bessern Elemente jedes großen Organismus, die der Kriegerstand unbezweifelt vor allem voraussetzt und vorzugsweise ausbildet und die der Neophyt aus demselben in das bürgerliche Leben zurückbringt.

Dafür kleben auch dem Kriegerstande im allgemeinen gewisse, minder empfehlende Eigenschaften an, eigentümliche Früchte oder Auswüchse des abgeschlossenen exklusiven Soldatenlebens, wie ja auch der Seemann, der Mönch, der Hofmann, der Schulmann ihre unverkennbaren typischen Züge tragen. Diese Schattenseiten des soldatischen Charakters: eine gewisse Einseitigkeit, Verachtung feiner Bildung, Roheit, brutaler Stolz, Steifheit im Benehmen, Härte in Sitte und Ansicht, Geringschätzung der bürgerlichen Tugenden sind, wo sie hervortreten, nur die Folge einer abgeschlossenen Existenz, und in Preußen ist davon selbst im Heere keine Spur zu finden, weil es eben keine exklusive Existenz hat, während dagegen die Masse der Bevölkerung von diesem Heerwesen, mit dem es durch die Landwehr so innig zusammenhängt, das edlere soldatische Gepräge angenommen hat. Welch vorteilhaften Einfluß eine so allgemeine Elementarerziehung auf den Geist der Verwaltung, auf den geregelten Gang des Staatslebens, auf alle Funktionen seines Organismus haben kann und muß, läßt sich leicht entnehmen.

Die jungen Generationen, in solcher moralischer Atmosphäre ausgewachsen, sind schon militärisch erzogen, bevor sie sich den Fahnen anreihen, und haben nur mehr den Gebrauch der Waffen zu erlernen, – und Gott weiß, daß die Chargiergriffe und das Marschieren nicht der wichtigste Teil der Aufgabe des militärischen Erziehers und die Exerzierschule in unserm Stande nicht das schwerste ist, was der Soldat lernen und erlernen muß. Vieles, was in jedem tüchtigen Heere erst in succum et sanguinem übergehen muß, damit es seinem erhabenen aber schweren Beruf entspreche, wird nicht auf dem Manöverplatze oder auf der Reitschule vorgetragen und eingeübt!

Der aus diese Art in der ganzen Bevölkerung angefachte militärische Geist, der damit verbundene Sinn für Ordnung und Disziplin, energische Patriotismus, Stolz auf die vaterländische Fahne, ein allgemeines Pflicht- und Ehrgefühl scheint uns ein wenigstens ebenso günstiges Resultat der preußischen Heeresverfassung zu sein als die allgemeine Fertigkeit im Gebrauch der Waffen, wodurch allerdings der Staat mit verhältnismäßig geringern Kosten eine dreimal so starke, tüchtige Heeresmasse zu seiner Verfügung hat, als unter anderen Verhältnissen möglich wäre.

In Preußen ist nicht wie in Frankreich der Soldat ein Bürger – sondern der Bürger wird Soldat, der Waffenrock ist sein Prunk- und Ehrenrock.

Allerdings lassen sich die Schattenseiten und die drückenden Folgerungen eines solchen Systems nicht leugnen. Schwerlich dürfte irgendeinem anderen Staate zu empfehlen sein, es nachzuahmen Schwerlich, wenn es nicht mehr als Nachahmung, wenn es nicht unmittelbar Frucht einer historisch ruhmvollen Epoche ist. Ob unter anderen Verhältnissen eine solche Organisation zu wünschen wäre, ist auch eine Frage; in Preußen ist sie ihrer Geschichte wegen die einzig mögliche, eine Notwendigkeit. Der pr. Offizier., da es insbesondere auf Preußens individuelle, politische und militärische Stellung basiert ist. Selbst in Preußen wurde unserer Ansicht nach die Einführung dieser Wehrverfassung nur durch die Ereignisse in den ersten Dezennien des Jahrhunderts möglich.

Es bedurfte einer großen Not und Bluttaufe, um das ganze Volk in den Kriegerrock zu kleiden, es bedurfte der gewaltsamen Reaktion, welche sie hervorbrachte, um im ersten Augenblicke die vielen Lasten und Beschwerden, welche daraus entsprangen, nicht zu berücksichtigen. In jedem anderen Zeitpunkte wäre es schwer, vielleicht unmöglich gewesen, dieselben einem ganzen Volke, selbst in Preußen, aufzulegen. Da aber einmal der erste Guß vollendet, das Heer zum Volk, das Volk zum Heer umgewandelt war, so gewöhnten sich die folgenden Generationen daran, und die Gewohnheit macht auch das Drückendste, Beschwerlichste erträglich – wandelt es sogar zum Bedürfnis um. Dabei ist Preußen ein militärischer Staat; die Garantie seiner Existenz liegt in seinen Bajonetten, in seinem Heere! – Diese Überzeugung ist teils mit Bewußtsein, teils instinktmäßig in jedem Preußen lebendig – deshalb ist er stolz darauf, daß er Soldat wirdist – oder war. Die eigentümliche Lage von Preußen bringt es mit sich, daß alle seine Kriege nur Nationalkriege sein können.

Seine allenthalben offenen Grenzen müssen geschützt und bewacht werden, aber seine Interessen sind auf keine entferntere kriegerische Wirksamkeit Und doch muß sie in der Organisation vorgesehen werden, wenn auch ohne das Prinzip der Heeresverfassung anzugreifen. Der pr. Offizier. angewiesen. Preußen ist ein junger Staat, und die Jugend trägt und übt gerne und leicht die Waffen, deren Gewicht im späteren Alter oft nur eine lästige Zierde wird.

Übrigens muß man sich die preußischen Truppen nicht lediglich als eine Erziehungsschule von Rekruten denken. Der Staat hat Maßregeln Noch lange nicht genug. Es muß noch mehr und Umfassenderes geschehen, dies ist das dringendste Bedürfnis der Armee. Der pr. Offizier. getroffen, durch welche die Reengagierung, besonders jene der Chargen, sehr begünstigt und besonders für die Versorgung gedienter Unteroffiziere höchst vorteilhaft gesorgt wird. Infolgedessen fanden wir auch unter diesen letzteren eine große Anzahl altgedienter Männer, und zwar in demselben, wo nicht größeren numerischen Verhältnis wie in irgendeinem anderen Heere Europas.

Es ist auch nur aus diesem Umstande und der großen Anstrengung und zweckmäßigen Verwendung der Offiziere und Chargen erklärbar, wie die Abrichtung der Mannschaft, für die Abrichter eine Wiederholung der Danaidenarbeit, in solcher Ausdehnung und Vollkommenheit durchgeführt werden kann. Doch ist zu bemerken, daß Preußen allerdings zur Besetzung seiner Offiziers- und Unteroffizierschargen in seinem kleinen Adel und seinem intelligenten Volke vortreffliche Elemente zu Gebote stehen und daß es auch nichts spart, um dieselben an sich zu ziehen.

Schon ist es beinahe seit einem Jahrhundert für fremde Offiziere Sitte und für einen militärischen Touristen unumgänglich geworden, den preußischen Waffenübungen beizuwohnen. Zu des großen Friedrichs Lebzeiten suchte man dort dem großen Meister etwas von seiner Manier abzulernen, später glaubte man, sein Geist lasse sich beschwören und umschwebe noch den Potsdamer Exerzierplatz, aber ich meine, dieser

»– – Geist,
Der sich nicht auf der Wachtparade weist«

und die meisten Beobachter brachten als Arkanum der preußischen Siege nur eine genaue Messung der Zöpfe und richtige Abzählung der Knöpfe heim. Allein diese Notizen reichten nicht hin, um die Tage von Roßbach, Prag, Leuthen nachzuahmen. So dürften auch jetzt, bei der Beobachtung der preußischen, in ihrer Art vortrefflichen Heeresverfassung, vorzüglich drei besonders wichtige geistige Chargiergriffe zu berücksichtigen sein, sie heißen: Ordnung, Gesetzlichkeit, ausdauernder guter Wille, – und ein Volk, welches darin geübt ist, braucht nur zur Losung: »Liebe für das Vaterland« und zur Parole: »Treue dem König« zu wählen, um ein Heer zu schaffen, welches auf jedem Schlachtfelde den Scharen des großen Friedrich in nichts nachstehen wird, wenn sich die Gelegenheit zu einem zweiten Roßbach oder Kunnersdorf finden sollte! –


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