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Carl Fürst zu Schwarzenberg,

geb. den 15. April 1771, gestorben den 15. Oktober 1820

 

Carl Philipp, Fürst zu Schwarzenberg, geboren am 15. April 1771, ist wegen der bedeutenden Rolle in den Ereignissen der neueren Zeit und wegen der eigentümlichen Größe seines Charakters eine der denkwürdigsten Erscheinungen seines Jahrhunderts. –

Von der Wiege an zum Krieger bestimmt, erhielt er eine seinem künftigen Stande angemessene Erziehung – Abhärtung des Körpers und wissenschaftliche Bildung füllten die Jahre seiner Jugend aus, und der Beifall von Männern wie Loudon und Lacy, wirkte belebend auf seine Entwicklung. –

Es ist bemerkenswert, daß der Held, der Europa aus den Ketten des Westens befreite, schon bei dem letzten Akt des blutigen Schauspieles mitwirkte, welches von Osten her durch Jahrhunderte die christliche Welt mit Schrecken erfüllte.

Der letzte große Kampf gegen die sinkende Macht der Türken brach aus, und der siebzehnjährige Fürst zog als Leutnant im Regimente Wolfenbüttel nach Slavonien. Mehrere Züge von Entschlossenheit verrieten den künftigen Helden.

Der Feldmarschall Lacy wünschte Gefangene zu machen. Der Fürst schloß sich der ausgesendeten Abteilung an, und kaum erblickte man die ersten türkischen Streifer, so sprengte er mit Poniatowsky als der vorderste auf sie los, und es gelang dem jungen Krieger, mit eigener Hand einen der damals so gefürchteten Spahis zu entwaffnen und seinen Gefangenen dem Feldmarschalle zuzuführen, welcher die entschlossene Handlung des kaum dem Knabenalter entwachsenen Jünglings ehrenvoll belobte. Bald darauf befand er sich abermals in Gesellschaft des Fürsten Poniatowsky in der Umgebung des Lagers auf der Jagd. Plötzlich wurden sie von einigen Albanesen, die sich unvermerkt herangeschlichen hatten, überfallen. Schwarzenberg und Poniatowsky schoß jeder seinen Mann nieder, die herbeieilenden Jäger hieben wacker ein, und so schlugen sie die Türken in die Flucht und machten sogar zwei zu Gefangenen.

Der Kreis seiner wenn auch an Jahren ihm etwas überlegenen Freunde bestand aus den ausgezeichnetesten Individualitäten der damaligen Jugend. Poniatowsky, Dietrichstein, der jüngere Fürst Ligne waren seine beständigen Gefährten, und in ihrem Umgange entwickelten sich seine geistigen und physischen Eigenschaften. Später konnte sich der Fürst nie an die Schlacht von Leipzig erinnern, ohne zugleich mit Wehmut des Freundes zu gedenken, der dort seine ritterliche Laufbahn endete, und Poniatowskys Tod verbitterte ihm stets die Erinnerung an diesen Tag. –

Wegen seines tapferen Benehmens bei dem Sturme auf Sabacz, wo er mit eigener Hand das Pfahlwerk umstürzen half, wurde er zum Hauptmanne mit Kompagnie und Wahl des Regiments ernannt. –

Selbst von dem anwesenden Kaiser Josef blieb sein aufstrebender Genius nicht unbemerkt, und gegenseitig machte die Persönlichkeit des Kaisers großen Eindruck auf das Gemüt des jungen Mannes, der stets ein warmer Verehrer des menschenfreundlichen Cäsars blieb.

Von Loudons Feldherrntalent angezogen, verlangte er 1789 die Anstellung in dessen Hauptquartier und erhielt von ihm eine öffentliche Anerkennung seines Mutes, seines Beobachtungsgeistes und seiner unermüdeten Tätigkeit. Ein schweres Fieber zwang ihn vor Belgrads Erstürmung in Böhmen Erholung zu suchen.

Hier erwartete ihn jedoch ein schmerzlicher Schlag, der Tod seines geliebten Vaters –, und als er sich, noch tief erschüttert, nach Braunau begab, wo man das Heer gegen Preußen zusammenzog, erhielt sein Herz durch den Tod seines Lehrers eine zweite empfindliche Wunde.

1790 wurde er zum Major befördert und fungierte bei der Kaiserkrönung Leopolds II. zu Frankfurt als erster Wachtmeister der Arcieren-Leibgarde. Die Zeit, welche er während seines Aufenthaltes in Wien erübrigen konnte, widmete er größtenteils seiner wissenschaftlichen Ausbildung.

Er las, wie die meisten großen Männer, gerne die Schriftsteller des klassischen Altertums, vernachlässigte aber nicht, auch in diesem Punkte mit den Alten gleichgesinnt, über der geistigen Bildung die Entwickelung der körperlichen Kraft und Geschicklichkeit. Er war ein trefflicher Schütze, kühner Reiter und vorzüglicher Fechter. –

Nach der Erklärung zu Pillnitz im August 1791, bei Eröffnung jenes Krieges, der durch ein Vierteljahrhundert Europa verheerte, wurde der zwanzigjährige Major dem durch seine ausgezeichnete Tapferkeit berühmten Wallonenregimente Latour-Dragoner (jetzt Windischgrätz-Dragoner) zugeteilt.

Wegen seiner Jugend empfing man ihn anfangs kalt, bald aber erwarb ihm sowohl sein einnehmendes Betragen im Regiment die Liebe, als sein glänzender Mut vor dem Feinde die Achtung der ganzen tapferen Reiterschar.

Er überfiel die Außenwerke der Festung Philippeville mit glänzendem Erfolge, wohnte den Schlachten von Jemappes und Nerwinden bei und lieferte ein schönes Gefecht bei Estreuf. Zum Oberstleutnant befördert befehligte er das damals in Galizien geworbene Ulanen-Freikorps, zu gleicher Zeit, als Blücher die leichten Truppen der preußischen Vorhut führte.

So berührten sich diese beiden Gestirne am Anfange ihrer Bahnen, zur Vorbedeutung ihres großartigen Begegnens am Ausgange derselben. Um diese Zeit machte der Fürst bei einer Rekognoszierung einen Sturz mit dem Pferde, der von vielen für die Ursache seiner späteren körperlichen Übel angesehen wurde.

Im Jahre 1794 ernannte ihn der Kaiser zum Obersten des Kürassier-Regimentes Wallis, welches sich damals in Wien befand; allein der Fürst wollte lieber auf Beförderung verzichten, als den Kriegsschauplatz, und damit die Gelegenheit zu rühmlichen Taten verlassen.

Der Kaiser stellte daher den dreiundzwanzigjährigen Jüngling an die Spitze des Regimentes Zeschwitz, und er hatte bald Gelegenheit, dem huldreichen Monarchen seinen Dank durch eine glänzende Tat zu beweisen.

Am 26. April wurde die Stellung der Verbündeten bei Cateau an der Sambre von neunzigtausend Mann angegriffen und ihr linker Flügel durch das achtundzwanzigtausend Mann starke Korps des Generals Chapui umgangen. Die Entwicklung dieser Kolonne hätte die bedenklichsten Folgen gehabt. Da stürzte Schwarzenberg an der Spitze seiner Kürassiere, unterstützt durch zwölf Schwadronen englischer Reiterei, auf den Feind, warf sein kaum aufgestelltes erstes Treffen auf die nachfolgenden Abteilungen zurück, verfolgte und vernichtete sie und entschied somit durch diesen in der Kriegsgeschichte oft angeführten kühnen Reiterangriff die Schlacht. Dreitausend Feinde deckten den Schlachtplatz, der gefangene General mit seinem Gefolge, zweiunddreißig Kanonen, neunundzwanzig Munitionskarren waren die Trophäen, der Fall von Landrecy die Folge dieses, eines Seidlitz oder Ziethen würdigen Angriffes.

Noch auf dem Schlachtfeld empfing der junge Held aus der Hand des Kaisers das Theresienkreuz. Zu gleicher Zeit wurde ihm dasselbe von dem Ordenskapitel wegen einer im vorigen Jahr als Ulanen-Oberstleutnant vollbrachten Tat zuerkannt.

Während der drei Wintermonate des Jahres 1795, welche er, ausruhend von dem Kriegsgetümmel, im Schoße seiner Familie verlebte, hatte er Gelegenheit, seine künftige Gemahlin kennen zu lernen und legte so den Grund zu seinem häuslichen Glücke. Im Frühlinge stand er schon wieder im Felde, und der Schlachtbericht erteilt ihm das Lob, sehr viel zum glücklichen Erfolge der Schlacht von Amberg beigetragen zu haben. Noch vor dem Schlusse des Feldzugs wurde er zum Generalmajor befördert.

Nach dem Frieden von Campo Formio bis zu dem Kriege vom Jahre 1799 war es ihm wieder vergönnt, unter den Seinigen zu leben; jedoch, als ob es ihm bestimmt gewesen wäre, den kriegerischen Ruhm in jedem ruhigen Augenblicke mit häuslichem Schmerze zu entgelten, so hatte er in dieser Zeit (25. Dezember 1797) den Tod seiner heißgeliebten Mutter zu beweinen. –

In die leer gewordene Stelle seines Herzens trat nachmals (27. Jänner 1799) seine treffliche Gemahlin, die verwitwete Fürstin Esterhazy, geborne Gräfin Hohenfeld.

Der neu ausgebrochene Krieg entriß ihn bald dem Genusse des eben begründeten Glückes. Er zog neuerdings in den Kampf; die ersten Gefangenen wurden durch seine Truppen eingebracht.

Doch seine Anstrengungen, so rühmlich sie für ihn waren, blieben ohne Erfolg für das Schicksal des Krieges, und seine Erhebung zum Feldmarschalleutnant (September 1800) vermochte nicht, ihn über die ungünstige Wendung des Kampfes zu trösten. An der Spitze des rechten Flügels hatte er in der Schlacht von Hohenlinden die wenigen Vorteile in diesem verderblichen Kampfe errungen, als er durch die Auflösung des übrigen Heeres in eine so mißliche Lage geriet, daß ihn der Feind mit dem Beisatze zur Ergebung auffordern ließ: er habe für seine Ehre genug getan und solle das Unmögliche nicht versuchen.

Allein er versuchte und vollbrachte das Unmögliche. Ohne eine Kanone zu verlieren, zog er sich aus der verzweifelten Lage.

Am 18. Oktober übernahm Erzherzog Carl den Oberbefehl über das zerstreute, fliehende, entmutigte Heer und teilte die schwierigste Aufgabe, den Befehl der Nachhut, dem Fürsten zu. Er erfüllte diesen Auftrag mit jenem Mute und jener Besonnenheit, die ihn bei jedem gefährlichen Augenblicke auszeichneten. Vom siegestrunkenen Feind hart gedrängt, sammelte er die zersprengten Abteilungen der Nachhut, verwandelte die wilde Flucht in einen geregelten Rückzug und verschaffte dem Hauptheere die möglichste Erholung, bis der Abschluß des Waffenstillstandes seinen Anstrengungen ein Ziel setzte. Zur Anerkennung dieser ausgezeichneten Dienste erbat sich der Erzherzog dessen Ernennung zum Inhaber des zum zweiten Ulanenregiment verwandelten ehemaligen, vom Fürsten als Oberstleutnant befehligten Freikorps, welches schon früher eine unwandelbar treue Anhänglichkeit an die Person des Fürsten bewiesen hatte.

Das Unglück Deutschlands ging dem Fürsten tief zu Herzen, und er wünschte dem Vaterlande vor allem Ruhe zur Erholung von so schweren Wunden.

Der Friede von Lunéville beschwor die wilden Kriegsflammen für einige Jahre, welche auch er ruhig im Kreise der Seinigen verlebte. Nur eine friedliche Sendung nach Petersburg bei Gelegenheit der Thronbesteigung Alexanders I. unterbrach diese heitere Ruhe. Während sein gutes Schwert in der Scheide lag, wußte er mit Glück und Geschick auf dem klippenreichen Meere der Diplomatie zu steuern. Es gelang ihm, das gute Einverständnis der beiden Reiche wiederherzustellen, sich die bedeutendsten Männer zu Freunden zu machen und bei jedermann den angenehmsten Eindruck zu hinterlassen, welches nicht ohne vorteilhafte Beziehung auf seine zweite, schwierigere Gesandtschaft und die Zukunft überhaupt blieb.

Der Fürst sollte das Majorat antreten, welches 1703 von seinem Urahn für die zweite Linie des Hauses in Steiermark gegründet wurde; allein er erhielt von seinem älteren Bruder für die ihm zugedachten Besitzungen in der Steiermark die schöne Herrschaft Worlik an der Moldau. Er freute sich innig, den Sommer 1802 auf dieser Besitzung zu genießen, und schon war der Tag der Abreise bestimmt, als die Nachricht kam: der Brand habe das ganze Schloß zerstört. Der Fürst, den widriges Geschick nie beirrte, ging dennoch auf sein Landgut und lebte hier an der Hand seiner hochgebildeten Gemahlin stille, glückliche Tage. Er besaß die Gabe, sich mit Innigkeit an dem unscheinbaren Aufstreben einer Pflanze oder eines Bäumchens zu freuen und das Leben der Pflanzenwelt mit jener Liebe zu beachten, mit der man sonst nur auf beseelte Wesen blickt. Wer wäre darauf verfallen, den Heldenjüngling von Cateau, den entschlossenen und besonnenen Retter am Unglückstage von Hohenlinden, wer den Feldherrn, dem einst drei Vierteile von Europa ihre Kräfte anvertrauen sollten, in eben jenem Manne zu suchen, der nun stundenlang mit Emsigkeit und Sorgfalt unter seinen Bäumen und Bäumchen lebte.

In dieser Zeit beschäftigte sich der Fürst viel mit dem Studium der besten Werke über Staatsrecht, Kriegskunst und Kriegsgeschichte, beflissen, sich auch in der Theorie die Kenntnisse zu erwerben, deren gründliche Erlernung ihm die blutige Praxis erschwert hatte. Jedenfalls waren diese Jahre bis zum Ausbruche des Krieges 1805 die heitersten seines Lebens.

Die Ernennung zum Vizepräsidenten des Hofkriegsrates und Geheimen Rate rief ihn 1805 wieder in das Geschäftsleben zurück. Der Fürst übernahm einen Teil des Heeres, welches unter Mack gegen die Franzosen zog, und am 11. Oktober lieferte er jenes Gefecht bei Jungingen, welches den einzigen Glanzpunkt bildet, der aus der Reihe von Unglückstagen dieses Feldzugs hervorleuchtet. Weder der freundschaftliche Rat des Fürsten noch die Vorstellungen der übrigen Generale konnten den unglücklichen Mack bewegen, das verhängnisvolle Ulm beizeiten zu verlassen.

Als es klar wurde, daß dem ganzen Heere nur die Gefangenschaft bevorstehe, erklärte Erzherzog Ferdinand den Entschluß, sich mit der Reiterei durchzuschlagen. Verfolgt von dem tapferen Murat an der Spitze von sechstausend Pferden, führte Schwarzenberg, den Weg mitten durch die Feinde suchend, die kleine Schar von Kämpfern (eintausendachthundert Reiter), die sich durch seine Führung und den Gedanken, die Person eines Erzherzogs von Österreich zu schirmen, begeistert fühlten. Wo es galt, bahnte sich der Fürst mit dem Säbel den Weg; unter täglichen Gefechten zogen sie, mit Ermüdung, Mangel und Wetter kämpfend, unaufhaltsam weiter; wo Gewalt unmöglich war, rettete er durch Klugheit, und zum Erstaunen der Feinde gelang es ihm, den Prinzen mit seinen braven Begleitern der Gefangenschaft zu entreißen. Sie waren in acht Tagen über fünfzig Meilen geritten, und die Feinde schätzten ihre Zahl auf sechs- bis achttausend.

In düsterer Stimmung über die Vergangenheit, erfüllt von drohenden Bildern der Zukunft, fand er nur in der Erinnerung an sein häusliches Glück einigen Trost. »Nur für euch, meine Kinder!« rief er damals aus, »nur für euch habe ich Lust zu leben.« Er wurde an die Seite des Kaisers berufen, der ihm für die geleisteten Dienste die wärmste Dankbarkeit bezeigte. Gegen des Fürsten Rat wurde die Schlacht von Austerlitz geschlagen, unglücklich, wie er vorherzusagen den Mut hatte. Nach der Schlacht sprach er in Begleitung seines Kaisers zum ersten Male Napoleon, der ihn mit Achtung behandelte und kaum ahnen mochte, seinen künftigen Überwinder vor sich zu sehen.

In dieser Zeit der Verwirrung wurde der Fürst ein Anhaltspunkt für die Wünsche der bedrückten österreichischen Länder, er wagte sein Leben daran, in einem elenden Nachen über die mit Eis hochgehende Donau zu setzen, um in das Hauptquartier des Erzherzogs Carl zu gelangen. Allein es war noch nicht an der Zeit, sein Vaterland von der tiefen Schmach zu befreien.

Vom Erzherzoge Ferdinand und seinen Kampfgenossen von Jungingen aufgefordert, schritt der Fürst, den Ordensstatuten gemäß, um das Kommandeurkreuz des Theresienordens ein, und die versammelten Mitglieder des Kapitels riefen auf die bloße Nennung seines Namens einhellig ihre Zustimmung aus. –

In Mißmut über den traurigen Gang der Ereignisse und um seine Gesundheit besorgt, schlug er die Präsidentenstelle des Hofkriegsrates aus und lebte den Sommer 1806 auf seinen Gütern in Böhmen.

Als nach dem Frieden von Tilsit das ungebeugte ritterliche Österreich abermals das Schwert umgürtete, widmete sich der Fürst mit aller Hingebung den neuen Einrichtungen, insbesondere der Landwehrbildung; denn er hatte Napoleons Kraft und Feldherrntalent richtig gewürdigt und konnte daher bessere Erfolge nur von verbesserten Einrichtungen erwarten. Allein er sollte die neuen Kämpfe seines Vaterlandes nur aus der Ferne beobachten; denn er ging nach dem Wunsche Kaiser Alexanders als Botschafter nach St. Petersburg und hatte hier die wichtige Aufgabe, während des Kampfes mit der französischen Übermacht Österreich vor einem Angriffe Rußlands zu sichern. Die besten Wünsche des Vaterlandes begleiteten ihn, und der Kaiser sandte ihm die Abzeichen des Goldenen Vlieses nach.

Obwohl Rußland bereits Verpflichtungen eingegangen hatte, die seiner Sendung ungünstig waren, so wußte er sich doch allgemeine Zuneigung zu erwerben und bewirkte wenigstens, daß Rußland nicht gleichzeitig mit Napoleon gegen Österreich in die Schranken trat. Es hätte vielleicht nur eines Sieges bedurft, um das russische Kabinett vorteilhaft zu stimmen. Allein nach der unglücklichen Schlacht von Regensburg mußte der Fürst die Hauptstadt verlassen und kam auf Umwegen eben zurecht, um noch an dem denkwürdigen Tage von Wagram und an der Schlacht von Znaim tätigen Anteil zu nehmen.

Der Abschließung des Friedens folgte des Fürsten Ernennung zum General der Kavallerie und bald darauf der Antritt eines Postens, der vielleicht der glänzendste, aber auch einer der schwierigsten seiner Zeit war. Er wurde zum Botschafter an dem Hofe des Kaisers Napoleon ernannt und vertrat sein gebeugtes, aber nicht erniedrigtes Österreich mit nie verleugneter Würde. Studium der Hilfsquellen Frankreichs und Anordnung von Festen, die Napoleons Prunksucht erforderte, nahmen den Fürsten vollauf in Anspruch. Die Vermählung Marie Louisens brachte ihm Zeichen der Huld von beiden Höfen.

Am 1. Juli 1810 gab er der Tochter seines Kaisers jenes verhängnisvolle Fest, bei dem das gräßliche Unglück geschah, welches sein Haus mit Verzweiflung, Paris mit Schrecken und ganz Europa mit Mitleiden erfüllte.

Ein prachtvoller, eigens erbauter Gartensaal empfing Tausende ausgezeichneter Gäste, als plötzlich die zarten Stoffe der zierlichen Bekleidung desselben Feuer fingen und in wenigen Minuten der ganze Saal in hellen Flammen stand. Am anderen Morgen fand man einen halbverkohlten Leichnam, nur an dem Diamantenschmucke und dem Trauringe als die Gattin seines Bruders erkennbar. Das furchtbare Ereignis, so männlich er es auch ertrug, hinterließ in seiner Seele einen zerstörenden Eindruck; es verlor sein Schlaf von dieser Stunde an die erquickende Wirkung; sein Inneres wurde mit einem düsteren Schleier umzogen, den nur große Ereignisse auf Augenblicke zu lüften vermochten. Napoleon selbst bewunderte die Haltung des Fürsten und behandelte ihn von dieser Zeit mit ausgezeichneter Zuvorkommenheit.

In dem Feldzuge Napoleons gegen Rußland mußte der Fürst den Befehl über das österreichische Hilfskorps übernehmen. Er wußte die vertragsmäßige Verbindlichkeit mit der Ehre der österreichischen Waffen glücklich zu vereinbaren. Am 12. August schlug er bei Podubnie den General Tormassow und wußte durch kluge Bewegungen mit dreißigtausend Mann die fast dreimal so starke Donauarmee Tschitschakows in Schach zu halten, dem er noch zuletzt bedeutenden Verlust zufügte. Nach der Katastrophe an der Beresina war er auf Napoleons ausdrücklichen Befehl bei Nrczwicz umgekehrt, um die verfolgenden Generale Sacken und Langeron abzuhalten. Er führte seine Truppen in bester Ordnung, nachdem er Poniatowskys und General Regniers Rückzug gesichert hatte, nach Galizien zurück.

Für den Fürsten war der Feldzug 1812 insofern von großer Bedeutung, als er darin vollends zum Feldherrn von 1813 und sein Korps zum Kern des Heeres von Leipzig reifte.

Die Achtung und Freundlichkeit, mit welcher ihn Napoleon wieder als Botschafter empfing, das Lob welches er ihm spendete, andererseits die Beförderung zum Feldmarschall, die auch auf dessen Anregung erfolgte, beweisen hinreichend des Fürsten ausgezeichnetes Benehmen in diesem außerordentlichen Kriege. Die zarte Behandlung des von Napoleon zurückgesetzten und dem Fürsten untergeordneten Generals Regnier, wie seine Menschlichkeit in der Kriegführung überhaupt, erheben den Fürsten unter die edelsten Feldherren aller Zeiten. – Oder gibt es etwas Rühmlicheres als seine Äußerung aus späterer Zeit: ›Der Feldherr müsse sich Rechenschaft geben für jedes aufgeopferte Leben. Durch jedes würden zarte Bande zerrissen, für jedes Tränen geweint‹?

Mit edler Festigkeit widerstand er sowohl den Zumutungen der Franzosen, welche die vertragsmäßigen Pflichten überschritten, als den Lockungen, welche andererseits an ihn ergingen, um ihn zu bewegen, durch entscheidende Maßregeln den Abfall von den nicht geliebten, nunmehr im Unglücke befindlichen aufgedrungenen Bundesgenossen auszusprechen und dadurch seinen Hof zum Bruch mit Frankreich zu zwingen. Beides war mit seinen Grundsätzen von Rittertreue und Fahneneid, von Kriegerpflicht und Gehorsam unverträglich.

Am 17. April 1813 kam der Fürst zum letztenmal in friedlicher Sendung nach Paris. Seine Bemühungen zur Beilegung des verheerenden Kampfes waren fruchtlos. Man sah, daß Napoleon, der großgewordene Sohn des Krieges, nur durch Krieg gebeugt werden könne, und Europa beschloß, die letzten Söhne hinauszuschicken als Retter und Rächer seiner Freiheit. Ihre oberste Führung und hiermit die Zukunft Europas legte man in die Hände des Fürsten. Die Wahl war gut getroffen, denn wo hätte man neben solchen Feldherrngaben jenen einnehmenden, vermittelnden Charakter, jene Anspruchslosigkeit, jene beständige Selbstverleugnung, kurz alle die Eigenschaften gefunden, die zur Verschmelzung der vielfachen, verschiedenartigen, ja sogar widerstrebenden Elemente – zur Vereinigung dieser bunten Kriegermassen, aus denen das Heer der Verbündeten bestand – notwendig waren.

Napoleons Kriegsheer, nur um ein Dritteil schwächer als das seiner Gegner, hatte die Zauberkraft des Namens für sich, welchen die Strahlenkrone zahlloser Siege umglänzte; schwer und gewichtig lag dieses in der Wagschale, und die Begeisterung, das Selbstvertrauen der kampflustigen Scharen, die Vortrefflichkeit der in seiner Schule gebildeten Unterfeldherren, endlich die Einheit des Willens, welcher diese Werkzeuge in Bewegung setzte, hätten dieselbe leicht zugunsten Napoleons sinken machen können.

Dagegen zählten die Verbündeten eine Menge Generale, die alle durch gegenseitige Rücksichten gebunden waren; vier verschiedenartige Heere, die oft gegen-, selten miteinander gefochten; Massen ungeregelter Reiterei, welche den Bedarf, aber nicht die Kraft vermehrten. Diese Umstände, besonders aber die aus solchen Verhältnissen notwendig hervorgehende mindere Schnelligkeit der Operationen und die Unmöglichkeit, diesen den der Energie des Gegners gleichkommenden Nachdruck mitzuteilen, erlaubten dem Fürsten nur mit der größten Vorsicht an seine große Aufgabe zu gehen.

Er würdigte vollkommen des großen Gegners gewaltigen Geist, er erkannte seine geniale Kraft, und nur das Vertrauen auf Gott und die gute Sache ermutigte ihn, das große Werk zu beginnen. Kein zweites Heer hatte Europa mehr in den Kampf zu schicken, hätte der Schlachtengott dieses vernichtet.

Er sagte deshalb zu einem seiner Freunde: »Wir werden vier gegen einen sein, rechne ich zwei weg, eben weil wir so viele sind, so bleiben immer noch zwei gegen einen.«

Nur eiserne Strenge in der Festhaltung des angenommenen Kriegsplanes und das innigste Zusammengreifen konnten zum Siege führen. Durch Aufopferung seiner selbst und die schwierigsten Kämpfe mußte der Fürst diese Bedingungen des Sieges erringen; seinem Feldherrngeiste war es oft leichter, den Plan mit dem Schwerte zu vollenden, als ihn mühsam erst im Rate durchzusetzen. An der Spitze eines unzähligen Heeres, wie es noch keine Zeit beisammen gesehen, einen Gegner im Angesichte, dessen Überwindung unsterblichen Ruhm versprach – machte sich der Fürst das Gelübde, allem Ruhm zu entsagen, wenn er den Sieg erringen würde.

Manche harte Prüfung zwang ihm die merkwürdige Äußerung ab: »Wenn ich die Fäden des ganzen Gewebes, wie sie jetzt liegen in meiner Hand, hinübertragen könnte in eine fremde, ich täte es und ginge.« Endlich überzeugte sich jedermann, daß er nur den Sieg und nicht den Ruhm des Sieges begehre, und so kam es, daß vor ihm aller Ehrgeiz schwieg, alle Eifersucht verstummte und jeder einzelne nur das Gelingen der Sache wünschte.

Der Plan, dem man zu folgen beschloß, bestand im wesentlichen darin: Napoleon durch Bedrohung seiner Verbindungslinien zum Rückzuge auf die Elbe zu zwingen und den Schlägen, die er gegen die einzelnen Heere führen möchte, auszuweichen, bis es zeitgemäß wäre, alle Scharen zu vereinen und mit aller Macht gegen alle Macht zu schlagen.

Das Heer der Verbündeten wurde in drei Teile aufgelöst und in Böhmen, Schlesien und Sachsen aufgestellt. Jenes, gegen welches sich Napoleon wenden würde, sollte zurückweichen und die beiden anderen indessen dem Feinde in Rücken und Flanke fallen. –

Napoleon wandte sich zuerst gegen Blücher, und der Fürst rückte demnach auf Dresden los. Doch der Angriff mißglückte wegen Mangel an nachdrücklichem Zusammenwirken, und Napoleons schnelle Rückkunft verwandelte das Mißlingen dieser Unternehmung in einen mit großem Verluste verbundenen Rückzug. Trotz übler Nachrichten und schlechten Wetters führte der Fürst die Truppen im Angesichte des Feindes durch die Gebirge zurück. Mittlerweile war Vandamme über Nollendorf in Böhmen eingebrochen, und nur des Fürsten Gewaltmärsche und Ostermanns Heldenmut bewirkten, daß der Feind noch zur Zeit bei Kulm erreicht und geschlagen wurde. Dieser Sieg wirkte günstig auf die öffentliche Meinung und gab auch dem Heere die verlorene Zuversicht wieder.

Durch die bei Kulm, Großbeeren, Dennewitz und insbesondere an der Katzbach dem Feinde zugefügten namhaften Verluste wurde er nicht allein um ein Bedeutendes geschwächt, sondern diese errungenen Vorteile hatten einen besonderen Wert durch die moralische Wirkung, welche sie zugunsten der Verbündeten und zum Nachteile der Franzosen hervorbrachten. Ungeachtet seiner wunderbaren Beweglichkeit konnte Napoleon keine der vereinigten Armeen zu einer Hauptschlacht bewegen, bis endlich seine Massen durch so viele blutige Treffen und erschöpfende Märsche dergestalt verringert waren, daß es der Fürst zeitgemäß hielt, einen großen Schlag zu führen. Napoleon wurde auf beiden Flügeln umgangen, aus seiner Stellung von Dresden verdrängt und in die Ebene von Leipzig gedrückt. Am l5. Oktober entwickelten sich die beiden Heere zu der bevorstehenden Riesenschlacht.

Napoleon warf sich mit aller Kraft auf das Zentrum und den linken Flügel des Heeres bei Wachau und Gröbern. Schon war es nach langem Kampfe den Franzosen gelungen, durch ein furchtbares Kanonenfeuer das erste Treffen zu erschüttern, und unter dem Schutze der Geschütze rückten ihre Heeressäulen auf die Höhen von Wachau und erstürmten den Auenhainer Hof mit dem Bajonett. Da zog der Fürst selbst den Degen, sammelte einige Reiterei und warf den ungestüm heranrückenden Feind zurück! Schnell den Augenblick benutzend, befahl er das Vorrücken und den Angriff der sieben kaiserlichen Kürassierregimenter unter Nostitz.

Dieser Tag und dieser Augenblick entschied Napoleons Niederlage.

Am 17. kam die Nachricht, daß die Nordarmee aufmarschiere, dreißigtausend frische österreichische Truppen unter Colloredo heranziehen, Blücher siegreich über Möckern vorrücke und im Begriffe stehe, seine Vereinigung mit der großen Armee zu bewerkstelligen. Solcher vereinten Macht konnte der Feind nicht widerstehen. Am 18. um 3 Uhr war die große Völkerschlacht entschieden. Vom Monarchenhügel überschaute Schwarzenberg ruhig und mit Zuversicht sein großes Werk und gab schon Befehle für den folgenden Tag. An diesem kämpften die Franzosen nicht mehr um den Sieg, sondern nur um Erhaltung. Die verbündeten Monarchen zogen in Leipzig ein und schmückten des Fürsten Brust mit den Ehrenzeichen, die sie von der eigenen herabnahmen. Er aber, durch das Gelingen des großen Werkes belohnt und seines Gelübdes eingedenk, wollte nur durch treue Vollziehung der erhaltenen Befehle zum Siege beigetragen haben.

Besonnen und mit vereinter Kraft folgte der Fürst den Fliehenden über das Schlachtfeld von Hanau und die alte Kaiserstadt Frankfurt bis an die Ufer des Rheines, welche die Heere nach dem Gefechte von Hochheim mit lautem Jubel begrüßten. Der Fürst war aus guten Gründen dafür, den Krieg noch im Winter auf französischen Boden zu übertragen; aber erst nach vielen Mühen gelang es ihm, seinem Plane Beifall zu verschaffen.

Auf drei Seiten zugleich vordringend, unbekümmert um die Neutralität der Schweiz, die ohnedies nur ein Spiel war, ließ er die Festungen hinter sich liegen und war am 19. Jänner 1814 ohne Schwertstreich bis an die Marne gezogen. Napoleon hatte indessen wieder eine Armee von hundertzwanzigtausend Mann beisammen und stand beinahe mit gleicher Stärke dem Fürsten gegenüber.

Demungeachtet drang der Fürst auf eine allgemeine Vorrückung und setzte sie im Rate der Monarchen durch; einstweilen war aber die schlesische Armee schon vorgeschritten und von Napoleon in der Flanke und auf ihren Verbindungslinien bedroht, Blücher auf dem Schlosse in Brienne überfallen und in gefährliche Lage versetzt.

Schwarzenberg sandte Hilfe, ordnete die Truppen, verwandelte die bedrohte Stellung in eine drohende und bereitete die Schlacht vor. Blücher erfocht nun den ersten Sieg auf Frankreichs Boden. Nur mit Vorsicht und sich gegenseitig die Hand bietend, konnte man die allgemeine Vorrückung fortsetzen. Schwarzenberg, für die Sicherheit des Großen Hauptquartiers verantwortlich, von der Sorge der Subsistenz dieser ungeheueren Massen gehindert, konnte es nur langsam. Desto schneller führte der Feuereifer ihrer Führer die Preußen durch die Champagne. Da warf sich der Kaiser auf sie und schlug sie mit großem Verluste bei Chalons zurück. Dann wandte er sich gegen den Fürsten, meinend, nun durch einen kühnen Schlag seine Feinde vereinzelt zu vernichten, wie es ihm schon in seinen ersten Feldzügen in Italien gelungen war. Aber die Klugheit des Fürsten täuschte seine Erwartungen, und der wohlberechnete Rückzug über die Seine vereitelte Napoleons Hoffnungen; dennoch entstand im Lager der Verbündeten Mißtrauen und Entmutigung.

Napoleon wurde ein Waffenstillstand angeboten und der weitere Rückzug bis Langres beschlossen. Allein in wenigen Tagen hatten die Truppen im Gefechte wieder ihren ganzen Mut gefunden, und der Fürst, der im Sturme auf Bar-sur-Aube verwundet wurde, bezog wieder die Stellung an der Seine. Nach vielen fruchtlosen Versuchen beschloß endlich Napoleon, sich auf die Verbindungslinien der Verbündeten zu werfen und sie dadurch zum Rückzuge auf den Rhein zu zwingen. Hier aber zeigte sich des Fürsten echter Feldherrnblick und entwickelte sich seine ganze Kraft. Nachdrücklich bestand er gerade jetzt auf der schleunigen Vorrückung nach Paris und widersetzte sich jeder rückgängigen Bewegung. Es gelang ihm, indem er sich für den Erfolg persönlich verantwortlich erklärte, die Monarchen zu dieser kühnen Bewegung zu stimmen, welche man gerade jetzt, als der wahre Augenblick dazu gekommen war, aufgeben zu wollen schien, während man früher, als sie gefahrbringend und unsicher sein mußte, laut danach schrie und jede weise Zögerung für Mutlosigkeit ausgab.

Die Schlacht vom 26. März entschied die Niederlage Frankreichs. Damit war das große Werk vollendet, für welches die Vorsehung den Feldmarschall eigens herangezogen zu haben scheint. Am 5. Mai legte er das Kommando nieder, und alle Monarchen und Völker beeiferten sich, ihm die Zeichen ihrer Dankbarkeit zu überreichen. Das Großkreuz des Theresienordens, die Verleihung der Herrschaft Blumenthal im Banate, die Bewilligung, das österreichische Wappen in das Herzschild des seinigen aufzunehmen, die Ernennung zum Präsidenten des Hofkriegsrats bestätigten das Dankgefühl seines eigenen Kaisers. Alle Krieger, die an diesem ewig denkwürdigen Feldzuge teilgenommen hatten, sollten Kreuze, aus den eroberten Feldstücken gegossen, an der Brust, der Fürst noch ein besonderes von Gold am Halse tragen.

Auf eigene, rührende Weise sprach sich Kaiser Alexander aus. Er ließ den Fürsten zu dem ersten Jahresfeste der Völkerschlacht in Böhmen aufsuchen und sagte ihm nach verrichtetem Gebete im Angesichte der ganzen Bevölkerung Wiens unvergeßliche Worte des Dankes. Ein Jahr darauf beehrte er ihn mit einem Besuche in Böhmen, welcher der Familie und den Bewohnern jener Gegend in ewigem Andenken bleibt.

Napoleon verließ Elba. So schnell, wie noch nie zuvor, standen die Österreicher am Rhein. Der Sieg von Waterloo ersparte jeden weiteren Kampf und erfüllte den Fürsten mit aufrichtiger Freude; denn schon war er der blutigen Arbeit müde, nach stiller Ruhe sehnte sich seine Seele, und bald nach der Heerschau von Dijon kehrte er zurück in das häusliche Stilleben. Nach einigen glücklich verlebten Wochen rief ihn eine Dienstreise nach Italien, und der Jubel der Bevölkerung begleitete ihn von der Donau bis zum Adriatischen Meere.

In Mailand traf ihn die Nachricht vom Tode seiner höchst geliebten Schwester, Karoline Fürstin von Lobkowitz, und schlug seinem Herzen eine tiefe Wunde, durch welche alle düsteren Lebensbilder in ihm wieder erwachten. Von diesem Augenblicke verlor sich die Heiterkeit seines Geistes und ein Jahr darauf auch die Gesundheit seines Körpers. Er wurde am 13. Jänner 1817 plötzlich an der rechten Seite vom Schlage gerührt, und man fürchtete für sein Leben. Die Lähmung verlor sich zwar nach und nach, und er konnte mit Blücher zu Karlsbad den vierten Jahrestag der Schlacht von Waterloo festlich begehen. Aber die Heiterkeit des Geistes kehrte nie mehr ganz zurück. Der Tod seines Freundes des Fürsten Moriz von Liechtenstein und seines Waffenbruders Blücher machten einen tiefen Eindruck auf sein ohnehin schon herabgestimmtes Gemüt. Im Frühling 1820 verlangte er nach Leipzig, bei dessen Anblick sein Geist und Körper wieder zu erstarken schien.

Am 1. Oktober erfolgte ein bedenklicher Rückfall in die Hauptkrankheit, und der Fürst äußerte ein dringendes Heimweh nach Böhmen und die lebhafteste Besorgnis, in Leipzig und nicht in seinem geliebten Vaterlande zu sterben. Allein am 15. Oktober, um 10 Uhr abends, eben als die Hörner der sächsischen Schützen, welche er in Rußland befehligt hatte und für welche er, wie überhaupt für die ganze damals seiner Führung anvertraute sächsische Heeresabteilung, eine besondere Achtung und Vorliebe empfand, zur Retraite ertönten, als ob sie dem scheidenden Feldherrn einen Abschiedsgruß zurufen wollten, schlossen sich seine Augen, und die Klage um ihn erscholl durch ganz Deutschland. Die eben zu Troppau versammelten Monarchen nahmen die Trauerbotschaft mit tiefer Rührung auf. Kaiser Alexander rief aus: »Europa hat einen Helden, ich einen Freund verloren, den ich beklagen werde, so lange ich lebe.« Kaiser Franz ließ das ganze Heer trauern und befahl, dem Andenken des hohen Feldherrn auf öffentliche Kosten ein würdiges Denkmal zu setzen. Sein tapferer Degen sollte im Zeughause zu Wien aufbewahrt werden, wo er an der Klinge des Türkendrängers Adolf einen würdigen Genossen fand.

Der Fürst war und bleibt eine eigentümliche Erscheinung in der Geschichte, von der Vorsehung gerade dazu gestempelt, wozu sie ihn ausersehen hatte. Nie haben sich in einem Menschen Schillers treffliche Worte:

»– wo das Strenge mit dem Zarten,
Wo Starkes sich und Mildes paarten,
Da gibt es einen guten Klang«

so anschaulich dargestellt. Er war durchaus edel, mild und sanft, und doch hatten wenige Menschen so die Gabe, durch würdevolle Haltung jedem, der mit ihm in Berührung kam, die Stellung anzuweisen, welche er ihm sich gegenüber zudachte. Kindlich einfach – erfaßte er die kleinen Freuden und Bedrängnisse des Lebens mit rührender Gemütlichkeit, so wie die großen Ereignisse mit klarem Blicke und besonnener Kraft, und man hätte in dem freundlichen Manne, der in stiller Ruhe seine Bäume zustutzte oder seine Pferde besichtigte, schwerlich den Helden wiedererkannt, der in würdevoller Hoheit neben Kaisern und Königen dem Imperator gegenüberstand. Er vereinigte den Anstand und die feine Haltung des Hofmannes mit der Einfachheit des Kriegers, und der Fürstensohn besaß alle Tugenden des Soldaten, während in ihm der Zögling des Lagers im gesellschaftlichen Umgange das Gepräge der zartesten, liebevollsten Humanität annahm. Er schätzte Wissenschaft und Kunst hoch und ließ ihnen während der rauhen Kriegsstürme stets Schutz angedeihen, beschäftigte sich auch selbst so viel damit, als seine schweren Pflichten es ihm erlaubten. Ein Liebhaber aller gymnastischen Künste, hatte er es in denselben zu einer großen Vollkommenheit gebracht. Die Jagd liebte er leidenschaftlich, beinahe zum Übermaß.

Er war mittlerer Größe, stark und untersetzt gebaut Der Fürst war von der Natur mit ungewöhnlicher, durch vielfache Übung noch vermehrter Körperstärke begabt. Er machte in dieser Beziehung oft einen richtigen, seine Persönlichkeit besonders bezeichnenden Vergleich zwischen Muskelkraft und Seelenstärke, indem er sagte, daß, gleichwie es mehr Kraft erfordert, ein schweres Gewicht eine gewisse Strecke weit fortzutragen als dasselbe vom Flecke zu heben, ebenso auch in geistiger Rücksicht die wahre Kraft sich weit mehr im Ausdauern und Dulden als im Augenblicke des Handelns und Wirkens zeige., in späteren Jahren gleich seinem Freunde Poniatowsky, dem Liebling der Frauen, etwas zu wohlbeleibt, demungeachtet in Haltung und Bewegung voll Anstand und Grazie. Der Kopf war von besonderem Ausdruck, insbesondere lag in seinem feurigen schwarzen Auge und in dem milden, schön geformten Munde eine eigentümliche Beweglichkeit und die Gabe, seine innere Stimmung widerzuspiegeln. Sein Blick konnte sanft und ermutigend strahlen, und doch funkelte er Blitze kühner Entschlossenheit, als der Ulanenführer die feindlichen Vorwachen überfiel, der Kürassieroberst die Reihen der begeisterten Soldaten der Republik durchbrach und im entscheidenden Augenblicke bei Leipzig der Feldherr selbst den kampferprobten Säbel aus der Scheide zog. In der Jugend heiter und fröhlich, nahm sein Charakter infolge der von ihm erlebten späteren Ereignisse eine melancholische, in sich gekehrte Stimmung an, welches auch viel von dem durch die Verhältnisse zerrütteten Zustand seiner Vermögensumstände herrührte. Mit inniger Liebe hing er an seiner trefflichen, ausgezeichneten Gattin, mit zärtlicher Sorgfalt an seinen Kindern.

Der ganze innere Sinn dieses Mannes spricht sich in folgenden wenigen, an seinen ältesten Sohn gerichteten, beinahe unter dem Kanonendonner und dem Hurrarufen der heranrückenden Kosaken geschriebenen Zeilen aus:

 

Slonine, am 24. Juli 1812.

Ich habe eben einige Minuten Zeit, um Dir auf Deinen Brief vom 30. Mai zu antworten. In Deinem Vorhaben, mein guter Fritz, welches zwar nicht ausführbar ist, liegen doch einige Beweggründe, die ich mit Vergnügen bemerkte. Der Gedanke, das Kriegshandwerk etwas genauer kennen zu lernen, bevor Du eine völlig aktive Rolle darin spielen wirst, ist recht vernünftig, Du dachtest auf diese Art Deinen Beruf zu prüfen, um nicht etwa einen Stand zu wählen, den Du nur der Außenseite nach kanntest. Wenn Du nur um ein Jahr älter wärest, Deine Gesundheit daher mehr Festigkeit erreicht hätte, der Schauplatz nicht in so gar entfernten Ländern wäre, wo Rückkehr zur mütterlichen Pflege bei einer Dir etwa zustoßenden Krankheit fast unmöglich wäre, wenn durch die Hin- und Herreise nicht allein schon so viele Zeit Deinen Studien benommen würde, so könnte ich mich dazu entschlossen haben, Deinen Wunsch auf einen Monat zu erfüllen. Indessen, mein Sohn, fahre fort, Deine kostbaren Jugendjahre zu Deiner Bildung zu verwenden, übe Dich in den Tugenden, die den Menschen im allgemeinen adeln, denn als Soldat bedarfst Du ihrer vorzüglich, wenn Du nicht den Vorwurf auf Dir willst haften lassen, daß Deine Geburt den Mangel an Verdienst zu bemänteln scheint. Die höhere Klasse, die der Zufall dem Menschen am Tage seiner Geburt anweiset, ist eine schwere Schuld, die er von dem ersten Momente an, wo er zu seinem vollkommenen Selbstbewußtsein gelangt, abzuzahlen bedacht sein muß. Lieber Fritz, lerne gehorchen, das heißt: sprich zwar stets freimütig, schweig aber, wenn Deine Rede nicht nur allein nicht nützen, sondern schaden kann; Gehorsam ist der Zement des Staatsverbandes, ohne den das Gebäude bei der geringsten Erschütterung zerfällt; lerne dulden; sei redlich und treu bis in den Tod, heiter und standhaft im Unglücke, bescheiden im Glück, beschütze Deine guten Brüder, sei nur glücklich in ihrem Glücke, ehre die Gesetze und befolge sie genau, sei standhaft in Erfüllung Deiner Pflichten, nur dann kannst Du ruhig schlafen, sei wohltätig, ohne zu verschwenden, scheue stets das Laster und nie den Tod.

 

Auch folgende unmittelbar vor und nach der Leipziger Schlacht an seine geliebte Gattin geschriebenen Briefe lassen einen tiefen Blick in das Herz und Gemüt dieses seltenen Mannes werfen. Sie bedürfen keines Kommentars und mögen auch als historische Dokumente Wert haben.

 

Altenburg, am 14. Oktober 1813.

Ich bin zwar heute ganz erschöpft, denn mehrere schlaflose Nächte und dazu die große Anstrengung aller Geisteskräfte haben mich überwältiget, ich sage Dir nur noch ein Wörtchen der Liebe.

 

Pegau, am 15. Oktober 1813.

Ich wollte Dir gestern noch schreiben, es trieb mich hin zu Dir, aber ich vermochte es nicht; einige Stunden Schlaf haben mich wieder ganz gestärkt; ich bedarf es, denn morgen bricht ein wichtiger Tag an, die Ebenen von Leipzig werden abermals eine fürchterliche Schlacht erleben. Ich habe mit Blücher verabredet, er soll morgen von Merseburg und Halle gegen Leipzig rücken, neben ihm Giulaý, der bei Lützen heute versammelt ist. –

Merveldt greift auf der Straße von Zwenkau gegen Kunewitz an und wird durch das österreichische Corps de reserve unterstützt.

Die Korps von Wittgenstein, Kleist und Klenau bilden das Corps de bataille zwischen der Pleiße und der Partha und zwischen dem ihnen gegenüberstehenden Feind; die russischen Grenadiere, Kürassiere, die Garden zu Pferd und zu Fuß, auch das Korps von Colloredo bestimme ich zu Reserven. Bennigsen soll mit vierzigtausend Mann bei Grimma eintreffen, nachdem er ebensoviel zur Blockade von Dresden zurückließ. Der Kronprinz wird mitwirken oder nicht, das steht im weiten Felde.

Wenn der Herr uns seinen Arm leihen wollte; – nur ihm gebührt die Züchtigung; gerne will ich auf alles Verzicht leisten, das weiß mein Gott! – aber ein Unglück in diesem Momente wäre schrecklich. –

Die Schlacht muß mehrere Tage dauern, denn die Lage ist einzig und die Entscheidung von unendlichen Folgen. –

Wenn ich bei meinem Fenster hinaussehe und die zahllosen Wachfeuer zähle, die sich vor mir ausbreiten, – wenn ich bedenke, daß mir gegenüber der größte Feldherr unserer Zeit, einer der größten aller Zeiten, ein wahrer Schlachtenkaiser, steht, dann, meine liebe Nanni, ist es mir freilich, als wären meine Schultern zu schwach und müßten unterliegen unter der Riesenaufgabe, welche auf ihnen lastet. Blicke ich aber empor zu den Sternen, so denke ich, daß der, welcher sie leitet, auch meine Bahn vorgezeichnet hat. Ist es sein Wille, daß die gerechte Sache siege, und dafür halte ich die unsrige, so wird seine Weisheit mich erleuchten und meine Kraft stärken. Ist es der Wille der Vorsehung, daß sie unterliege, so ist mein persönliches Mißgeschick das geringste der traurigen Folgen. Überlebe ich es, so werde ich in Deinen Augen, meine Nanni, deshalb nicht kleiner und wertloser erscheinen. – Im Falle des Gelingens wie in jenem des Mißlingens habe ich im voraus meine Eigenliebe bekämpft, und nicht das Urteil der Welt wird mich lohnen oder strafen.

Geht alles gut, so will ich mich einst bei Euch an meinem Bewußtsein erfreuen und an den Kindern, und wir wollen dann wieder unsere Bäume pflanzen und pflegen. Eben erhalte ich Deinen Brief vom 9ten, wenige Stunden, bevor der Donner der Kanonen das Feierliche des Tages verkünden wird. Eben unterbricht mich ein Adjutant des wackern Blüchers, der mir verkündet, er habe sich verabredetermaßen in Bewegung gesetzt und würde zur bestimmten Stunde erscheinen. –

Nun trenne ich mich von Dir, um ein paar Stunden zu ruhen; mir ist so wohl, mit Dir ein paar Minuten gelebt zu haben. –

Nun denn, meine Nanni, an Dich will ich denken, emporblicken gegen den Himmel, um seinen mächtigen Schutz zu erbitten, und dort wird mein Gebet das Deinige finden.

Wie liebt Dich Dein
Carl.

 

Röthe, am 20. Oktober 1813.

Zu Deinen Füßen, meine Nanni, lege ich die heiligen Lorbeeren, die mir der Allmächtige gewährte. Gott hat unsere Waffen gesegnet, die Niederlage des Feindes ist beispiellos, nie sah ich ein schaudervolleres Schlachtfeld! – Colloredo, Louis Liechtenstein, Bianchi, Hardegg, Nostiz haben wie Helden gefochten; unser Verlust ist sehr groß, aber man kann sagen, der Feind hat alles verloren. – Er ward gestern verfolgt durch die Spitzen aller Armeen, er suchte sich mit einigen Trümmern von Armeekorps in Leipzig zu halten; es wurde aber von allen Seiten eingedrungen, der König von Sachsen, die Generale Regnier, Bertrand, Lauriston und viele andere Generale, über zweihundert Kanonen, mehr als achthundert Pulverkarren, Bagagen, eine ungeheure Menge von Gefangenen fielen in die Hände der Verbündeten. – Ich kam gestern abends von Leipzig zurück, um die weiteren Anstalten zu treffen; wir werden nichts versäumen, um von diesem Siege den ferneren Nutzen zu ziehen.

Der Kaiser, mein Herr, hat mir das Großkreuz [des Theresienordens] verliehen, der russische das große des Georgsordens und der König von Preußen den Schwarzen Adler. Das sag ich Dir als Neuigkeit; denn Du weißt, meine Nanni, daß mich die Sache lohnt, mehr als alle Souveräns der Erde zu tun imstande sind. – Nun scheint mir doch ein glücklicher Stern zu leuchten, und so, meine Teuere, wird mir nach getaner Arbeit das Glück werden, nach dem ich mich so sehne, die wohlverdiente Ruhe in Euerer Mitte in unserem lieben Worlik zu genießen.

Nanni, ich habe redlich und treu gehandelt, viel geduldet, und der Himmel hat mich gesegnet.

Sende mir ein kleines Angedenken, was es immer sei, zum Andenken der glücklichen Ereignisse in den Ebenen von Leipzig.

Dein, Dein, Dein
Carl.

Auf dem sogenannten Monarchenhügel, unweit von Leipzig, errichtete dem Fürsten die Pietät seiner Angehörigen ein Denkmal, welches aus einem mächtigen Granitblock besteht und die einfache Inschrift trägt:

 

Dem
Fürsten Carl von Schwarzenberg,
dem Führer der am 18. Oktober 1813 auf den Ebenen
Leipzigs für Europas Freiheit kämpfenden Scharen
setzten diesen Denkstein
seine Gattin Marianne und seine Söhne
Friedrich, Carl, Edmund.

 


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