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... Es ist an den Juden (allerdings) zu loben, daß sie Morgends sehr früh, noch vor der Sonnen Aufgang aufstehen und zu dem Gebett eylen, lassen sich keine Faulheit oder Süßigkeit des Schlafes, keine Kälte noch Ungemach daran hindern, sonderlich wo gantze grosse Synagogen sind, wo aber an kleinen Orten ausser Synagogen Juden wohnen, die können ihrer Faulheit und Schlaff schon eine Entschuldigung finden. Das Morgen-Gebett muß geschehen mit der auffgehenden Sonne, die Rabbinen aber geben der Sonnen zu ihrem Auffgang Zeit biß zur dritten Stunde, welches bey uns ist biß Morgends neun Uhr; wann dann das Gebett nur vor 9 Uhr verrichtet ist, hats keine Noth. Es wecken aber die Weiber ihre Männer und Söhne zum Gebett auff, dazu ist noch überdiß, wo ansehnliche Gemeinen sind wie hier zu Franckfurt, ein besonderer Mann gesetzt, den man den Schul-Klöpper nennet, welcher von ihnen שליח צבור der Diener der Gemeine (Als שליח צבור wird im allgemeinen der Vorbeter bezeichnet.) genennet wird, und weil er keine Handelschafft treibet, von der Gebühr der Stättigkeit, so andere Juden bezahlen, mit den Seinigen befreyet ist. Der schlägt Morgends und Abends, wann die Zeit herannahend ist, zur Synagog zu gehen, mit einem höltzernen Klöppel (fast wie eine Setze, so die Bender brauchen) an alle Thüren der Juden-Häuser 3 oder 4 mahl; den Schabbes klopfft er mit der Faust, weil er alsdann mit einem Hammer nicht klopffen darff, und damit er sich mit dem vielen Klopffen den Schabbes nicht wehe thue, bindet er ein Tuch um die Hand. Wo ihnen der Schlaff angenehm, ermunteren sie sich mit solchen Gedancken: wie, wann jetzo ein Christ käme, der mir schuldig, und brächte Geld, oder wolte ein köstlich Pfand mir versetzen, an dem ich etwas gewinnen könte, oder, so ich von einem grossen Herrn beruffen würde, von dem ich Gaben und Geschenck erwartete, oder in seine Familie solte aufgenommen werden, würde ich gewißlich eilends auffstehen; ey, wie viel mehr, da mir Gott der Grosse Herr rufft, der mir Leben, Nahrung und alles Gutes gibt, soll ich ihn zu ehren und zu loben eifferig und munter seyn ... Vor allen aber leuchtet der Eyffer einiger Juden herfür, welche vor anderen sonderlich wollen fromm seyn, dann da sonsten die gantze Gemeine Morgends gegen 6 Uhr in die Synagog gehet, so sind einige, die sich in eine Gesellschafft zusammen thun,die gehen alle Morgen um 4 Uhr allhier in die kleine Synagog, beten erst einige Gebetter, darnach studiren sie unter Anführung eines Gelährten im Talmud. Es ist auch andern, die in keine solche Gesellschafft nicht gehören, eben nicht verbotten, alsdenn auch für sich dahin zu gehen, andere gehen um 4 Uhr in die Synagog und beten einige Psalmen Davids, und alle diese, welche so früh zur Schul gehen, heist man שומרי בקר Schomre Bouker, welche die Morgenstund beobachten, Früh-Auffsteher. Und das thun sie so emsig, daß sie es nie unterlassen, ob sie gleich gar spath schlaffen gegangen. Einer aus solcher Gesellschafft versicherte mich, daß er alle Nacht niemahts vor 1 Uhr schlaffen und doch alle Morgen um 4 Uhr wieder aus dem Bette gehe; im 8 Uhr esse er, von 9 biß 12 lerne er mit andern bey dem Rabbiner, darnach im 12 Uhr bete und lese er noch zu Hauß biß 1 Uhr, dann gehe er schlaffen. Was fromme Juden, die sind gleich Morgends betrübt wegen Zerstöhrung Jerusalems und des Tempels; daß sie aber so früh beten, geschicht, weil bey anbrechendem Tag die Himmels-Thore, die bey Nacht (wie etwan die Thore einer Stadt) verschlossen gewesen, wieder eröffnet werden; wie dann im Himmel überlaut ausgeruffen wird, solche Thore zu eröffnen, das hören die Hahnen, und krehen deßwegen, daß sie die Menschen zum Gebett auffwecken, da dann auch der bösen Geister Krafft geschwächet wird. Wann nun der Jud sich angezogen, den Leib durch den Stuhlgang gereiniget, auch sich gewaschen, eilet er nach der Schul zu, da insonderheit ein viereckigter Brust- und Bettlappen ארבע כנפות Arba Canphos mit den herabhangenden Zizis oder gedreheten Fäden, den er anhatt unter dem Rock, gar heilig gehalten, auch die תפלין oder Gebett-Riemen, einer um die lincke Hand biß nach dem Hertzen zu, der andere um das Haupt, da fornen an der Stirne ein lederner Knopff, in welchem ein Pergament mit einigen Sprüchen der Schrifft beschrieben ist, grosse Krafft zum Gebett haben sollen; auff dem Kopff hat er den טלית Talles, ein viereckigt Tuch, Wöllen oder Seyden und von köstlichem Zeug, daran auch Faden abhängen.
Kommt der Jud in den Vorhoff der Schule, so soll gleich fornen ein in die Erde festgemachtes Eisen seyn, daran er die Schuh abbutze, damit er nicht an der Fussohle Unreinigkeit mit in die Synagoge bringe, welches Eisen biß anjetzo unsere Juden allhier noch nicht gemacht haben. Er findet auch allhier im Vorhoff zur rechten Seiten neben dem Brunnen einen viereckigten Kasten, wo Wasser aus zwey Röhren oder Hanen lauffet, da er seine Hände wäschet. In Holland da man sich der Reinigkeit etwas mehr befleissiget, war vormahls an der alten Portugisischen Schul im Unter-Gebäu ein Handfaß mit einem Hand-Tuche, da die Juden, ehe sie zum Gottesdienste gehen, ihre Hände zu waschen pflegen. Die Thüren der Schul sind gegen Morgen, in der Schul mitten ist ein von etlichen Treppen erhabener viereckigter und umfaster Orth, בימה Bimah, oder heutzutag gebräuchlicher אלמימור Almemor genandt, worauf Montag und Donnerstag das Gesetz gelesen, dann auch Freytag Abends, vor angehenden Sabbath, das Boi Kallah zur Bewillkommung des Sabbaths abgesungen wird. In der Wand gegen Morgen ist ein Schranck, mit Thüren verwahret, worinn die Gesetz-Bücher, Torah genandt, auff Pergament geschrieben, zusammen gerollt und in kostbahre seidene Tücher gewickelt, verwahret werben, welcher, weil er an statt der Bundes-Lade seyn soll, ארון Oren genandt wird, vor welchem köstliche seidene und mit Gold gestickte Fürhänge, auch der grosse und andere Leuchter stehen, und der Chassan oder Vorsänger gewöhnlich dem Volck die Gebetter vorsinget, da jeder seinen Sitz, auch die mehreste ihre Pulten vor sich haben, welche Plätz sehr kostbahr verkaufft werben. Einige fromme Juden halten sich besondere Synagog-Kleider, um desto reiner zu erscheinen.
Ledige Weibs-Personen dörffen nicht in die Synagog kommen. Die Weiber sind von den Männern gantz abgesondert, neben und oben, allhier bey uns in drey Schulen übereinander, in welchen kein Zierrath, sondern nur blose Sitz und einige Pulten und gar geringe kleine Leuchtergen, jedes zu einem eintzigen Licht zu finden. Sie können von Männern nicht gesehen werden, auch selbst gar wenig die Männer sehen, außer daß sie des Jahrs zweymahl solche Fenster dörffen eröffnen und in die Männer-Schul sehen; dessen die Juden, auf Befragen die Antwort geben, daß es geschehe, um durch das Ansehen der Weiber in der Andacht nicht gestöhret zu werden. Die Juden leyden nicht, daß eine Jüdische Weibs-Person (dann anderen so ihre Schul zu besehen kommen, verwehren sie es nicht) in die Synagog gehe, dahero, wann ein Kind zur Beschneidung gebracht wird, tragen es die Jüdinnen nur biß an die Thür der Synagoge, oder allhier durch die unterste Weiber-Schul biß an die Thür, welche aus selbiger in die grosse Männerschul gehet, daselbst bleiben sie stehen, da es dann der Sandik oder Gevatter ihnen abnimmt, und nach vollbrachter Handlung, ihnen wieder an der Thür zustellet, nach Hauß zu tragen. Und da alles, was männlich ist, auch so gar die kleine Knäblein, so bald sie nur gehen, freyen Zutritt in die Schul haben, so dörffen hingegen keine ledige Weibes-Bilder, sondern nur Weiber und Wittiben in die Weiber-Schul kommen ... Eine bey den Juden neu geheyrathete junge Frau wird den ersten Sabath nach ihrer Verehligung mit grossen Freuden von andern Weibern zur Schul begleitet und introduciret. Doch bemercken wir hierbey als etwas curieuses, daß zu Aleppo in Syrien, in der schönen Synagog, Männer und Weiber durch einander sitzen, wie Petrus della Valle als ein Selbst-Zeuge gesehen, daß ›beydes Manns und Weibs-Volck gleichwie in unsern Kirchen, in sehr grosser Anzahl unter einander vermischt; welches ich in andern Synagogen, beydes in Italien oder anderswo, sonst nie gesehen, als in welchen das Weibs-Volck von dem Manns-Volck durch ein Gegitter unterschieden ist. Sie waren jedoch in solcher Ordnung durch einander vermischt, daß ein jedes Hauß-Wesen allein beysammen stunde etc.‹
Wann sie nun mit grosser Eyl, als wie auff der Jagd, ihre Begierde zu bezeugen, zur Schul eilen, zumahlen da sie glauben, daß das fleissige Synagog-Gehen das Leben verlange, müssen sie hingegen mit gar langsamen Schritten aus der selbigen wieder nach Hauß gehen, daß es nicht das Ansehen habe, als wären sie froh, daß der Gottesdienst aus, und sie nur wieder nach Hauß kämen. Niemand isset, niemand trinket (ausser Krancken) oder handelt einig Geschäfte vor verrichtetem Gebett. Sie sollen mit Furcht und Schrecken, als wie in eines grossen Königs Palast gehen in die Schul, daselbst stehend ihr Gebett verrichten, nicht umher sehen, noch mit andern reden, auch nicht weltliche Gedancken haben; halten auch ein wenig zum Anfang mit beten innen, um zu bedencken, für wen sie tretten, wie dann deßwegen allerorten über dem Oren oder Schranck, worin die Thora oder Gesetz-Bücher sind, mit Hebräischen Buchstaben die bedenckliche Erinnerung stehet דע לפני מי אתה עומד Betrachte, für wem du stehest! Im Hinein- und sonderlich Hinaußgehen aus der Schulen, rühren sie den Posten der Thür an der Schul an, küssen dann die Hand ein zwey oder dreymal unb sprechen heimlich ד׳ ישמרנו Der Herr bewahre mich.
Die Gebärden und Umstände in der Juden Gebett sind zwar ihrer Meynung nach andächtig, in anderer Menschen Augen aber fast lächerlich und seltzam. Erstlich im lernen, lesen, singen und beten wacklen alle Juden unb bewegen nach Möglichkeit alle Glieder des Leibes, damit sie mit allen Gliedern ihres Leibes Gott loben mögen... Darnach singen sie mehr, nach der Tabell, so vom ersten Anfang des Accents Sacka Heist, als daß sie solten lesen, den Text der Schrifft, wie dann in Lesung oder Betung des Spruchs שמע ישראל Höre Israel, sie das letzte Wort אחד wohl eine halbe, ja gantze Stunde mit Singen können ziehen; wenden sich auch wol bey dem letzten Buchstaben ד, der in der Zahl 4 anzeiget, mit dem Haupt nach den vier Theilen der Welt. Wann sie nun kommen auff das קדוש Heilig, Heilig, Heilig, fänget die gantze Gemein laut an solches zu schreyen, wenden die Augen gen Himmel, um grössere Andacht zu erwecken, bewegen den gantzen Leib, gleichsam als erzitternde für Gottes grosser Heiligkeit, hüpfen dann dreymahl in die Höhe, als die es denen H. Engeln wollen nachthun, oder sich in die Höhe gen Himmel schwingen ... Der Chassan oder Vorsänger leget auch wol die beyde Daumen hinter die Ohren und die Finger an die Backen, damit er desto hefftiger schreyen und ruffen möge. Gleich wie auch der Perser-Mullah oder Priester bey ihren Leichen thun, wann sie das Allah, Gott, offt mit vollem Halß ausschreyen, dann stecken sie ihre beyde Daumen in beyde Ohren und halten die übrige Finger auf beyde Backen. Aller Gottesdienst, so wol lesen, singen, beten, Eyd schweren, in der Synagoge und zu Hauß, muss mit bedecktem Haupte geschehen, weil sie die Bedeckung des Hauptes für eine Demuth halten für Gott, weil auch der Hohepriester, wenn er in das Allerheiligste eingegangen, sein Haupt nach Gottes Befehl bedeckt gehabt.
Wann auff die hohen Fest-Tage, als Ostern, Pfingsten oder Lauberhütten-Fest die, so sich für Cohanim oder Priester außgeben und auff die Treppen für den Gesetz-Kasten sich stellen, umb den Segen der Gemeine zu geben, so verschließen die Juden, nachdem sie vorhero die Knaben hinauß gejagt, [Hier verwechselt Schudt wohl ברכת כהנים mit הזכרת נשמות, dem Gedächtnisgebet für die Toten, bei welchem alle, deren Eltern noch am Leben sind, hinausgeschickt werden.] gemeiniglich die Thüren, verhüllen ihre Häupter, und würde keiner das Hertz nehmen, dem Priester, der den Segen spricht, auff die Hände zu sehen, weil sie glauben, die Majestät Gottes ruhe auff der Priester Händen, und wer sie sehe, würde so fort blind.
Ich muß bekennen, daß viele Gebeter der Juden, was die Worte betrifft, überauß kräfftig, gut und nachdrücklich seyn, dann sie brauchen darzu die kernhaffteste herrlichste Sprüche der H.Schrifft, sonderlich der Psalmen Davids, welche dann, in der ohnedem zierlichen unb nachdrücklichen Hebräischen Sprach noch fürtrefflicher klingen. Wie hoch die Juden die Psalmen Davids halten, siehet man darauß, daß einstens in Cypern ein jüdischer Kauffmann öffentlich außgeruffen, er habe köstliche Gewürtze zu Kauff, wodurch das Leben verlängert werden könne; da nun die Leute häuffig solche zu kauffen herbey kommen, habe er das Psalter-Büchlein Davids auß des Sack gezogen und ihnen die Worte vorgelesen: Wer ist, der gut Leben begehret? Und gern gute Tage hätte? Behüte deine Zunge für Bösen, und deine Lippen, daß sie nicht falsch reden ... Die Juden verstehen guten Theils selber nicht, was ihre Hebräische Gebeter heissen ... Ich habe zu Zeiten Juden-Weiber, wann sie Hebräische Gebeter in ihrer Schul auß dem Buch her sagten gefragt, ob sie auch, was sie da lesen, verstünden, aber gar wenige, die es verstunden angetroffen, daß sie also recht wie die Nonnen den Lateinischen Psalter, ihre Hebräische Gebeter daher beten. Einstens gab mir eine zur Antwort: ob ichs schon nicht verstehe, so verstehts doch Gott; eine andere sagte mir: eine Artzney, so mir der Artzt gibt, hilfst mir doch, ob ich schon das Recept und was darauff stehet nicht verstehe.