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(14. Januarii a. 1711) ...
Durch was Veranlassung dieser Brandt entstanden, sind viele und unterschiedliche, insgesamt aber ungewisse Meynungen. Einige Juden gaben thöricht vor, es wäre das Feuer vom Himmel gefallen, wie der Jud, so das Brandlied gemacht, schreibet: ›Hat Gott der Herr ein Esch min Haschamajim (Feuer vom Himmel) in den Rav sein Hauß angezunden‹; warum habens nicht die Raben gethan, wie etwan R. David Ganß im Zemach David schreibet vom Jahre 1191, daß viele grosse Feuersbrünste gewesen, deren Ursacher doch niemand wissen können, es hätten aber viel wahrhafftige Leute gesehen Raben fliegen in der Lufft, die hätten in ihren Mäulern klüende Kohlen gehabt ... In der Frankfurter Oster-Meß-Relation von anno 1711 wird aus der Juden Vorgeben erzehlet, es sey der Brand entstanden durch Negligentz eines bey dem Rabbiner (Naphtali Cohen) gewesenen Juden-Schneiders, der oben in einer Kammer Kleider ausgebessert, und ein Unschlit-Liecht ohne Leuchter, mit betrippeltem Unschlit auf einem Tische festgemacht und vor sich stehen gehabt; seye aber von der Kammer herunter in deß Rabbiners Stube gegangen, nicht wieder an das also liederlich verwahrte Liecht gebenckend, da indessen das Liecht umgefallen unb einen solchen Brand verursachet, der, weil die Juden ihre Gassen-Thore über eine Stunde fest zugehalten unb Niemand hinein lassen wollen, so weit überhand genommen. Er selbst der Rabbiner muß die Christen für gar einfältige Leute angefehen haben, indem er sich vermeinet, mit einem läppischen Gedicht heraus zu schwätzen, vorgebend in seiner Aussage, seine Magd hätte ihm angezeigt, sie spühre Brandt im Hauß, worüber er heftig erschrocken, indem jedesmahl auf den Mitwochen sein harter Fasttag seye, da er nichts warmes esse, also kein Feuer in seinem Hauß gehabt hätte. Da er nun zusehen wollen, wo Feuer seyn müsse, wäre ihm auf der Stieg ein Mann, einem Juden ähnlich begegnet, mit einer Axt auf der Schulter, mit welcher er eine Thür eines Zimmers in seinem Hause, in welches wohl Jahr und Tage kein Mensch gekommen, auffgeschlagen, aus welcher dann das Feuer so hefftig heraußgedrungen, daß es ihm seine Haar gesenget, und er sich mit denen Seinigen kümmerlich salviren können. Ist eben so wenig wahrscheinlich, als sonsten andere vielfältige unter Christen und Juden passirte Erzehlungen, daß man habe sehen Feuer vom Himmel auf sein Hauß fallen, man habe kurtz zuvor eine feurige Ruthe über der Gassen stehen gesehen, es habe ein fremder Jud 14 Tage vorhero prognosticiret, daß die Gasse auff den Grund werde abbrennen ... Das gewisseste ist, daß durch Verwahrlosung des Feuers und Ohnachtsamkeit, wie es schier allemahl bey solchen Feuersbrunsten beschaffen, dieser Brandt entstanden.
So viel ist unstrittig und offenbahr, daß das Feuer in des Rabbiners Hauß, so rechter Hand etwas oberhalb gegen der Synagog über gestanden, angangen, der also in 24 Stunden, wie nachmahls einige Juden geschertzet, die gantze Gaß gelehrt (oder vielmehr leer und ausgelehrt) gemacht ... Von unsers Gaßverbrenners R. Naphtali Ursprung und Lebens-Art kan ich dem geneigten Leser folgende curieuse Nachricht mittheilen: R. Naphtali Cohen war bürtig aus Ostre in der Ukraine nahe an der Wallachey, wurde von den Tartaren einstens gefangen, bey den er sich einige Jahre kümmerlich erhalten, und da er deß Viehes hüten müssen, von der Schafe (die er gemelcket) Milche sich genehret. Nachmahls ist er seinem Herrn entlauffen, da er in 3 Tagen ohne Essen davon gestrichen. Bey den Tartarn hat er reiten und accurat Pfeil schiessen erlernet, dahero er nachmahls, als Rabbiner zu Posen stets einige Pferdt auf der Streue gehalten und offters ausgeritten, und mit seinem Bogen mit Pfeil schiessen sich erlustiret. Als aber einstens ein Jud, so ein gewaltiger בעל שמות Baal Schemos und Cabbalist war, durch die Ukraine reiste und viele Proben seiner kabbalistischen Künsten, mit Hervorbringung wunderseltzamer Dinge zeigte, gefiel solches dem R. Naphtali so wol, daß er ihn bey sich hielte und von ihm unterrichten ließ ...
Es ist auch bekandt und unleugbahr, daß die Juden auf Brod oder andere Dinge Characteres machen, solche ins Feuer werffen und selbiges damit löschen wollen, auch offt würcklich damit gelöschet. Und werden sie gewißlich auch allhier an solchen aberglaubischen Mitteln es gar nicht haben ermangeln lassen ... Wie sie dann den Brandt in deß Rabbiners Hauß eine Zeitlang vertuschet und selbst zu löschen bemühet gewesen, auch der Rabbiner selbst anfanglich keine Juden in sein Hauß lassen wollen. Sogar auch nachmahls, da man von dem Pfarr-Thurn schon mit dem Feuerhorn geblasen und mit der Feuer- und Sturm-Glocke gestürmet, auch schon einige Häuser in vollem Brandt stunden, die drey Thore ihrer mit Mauren allerseits umbgebenen und wohlverwahrten Gasse geschlossen gehalten, auch die von der Obrigkeit wegen geschickte Personen nicht einlassen wollen; ja als das Thor geöffnet, sind durch die dahin postierte Soldaten mit Stockschlägen einige zu Hülff lauffende Bürger abgetrieben worden, die dannenhero erbittert, sich vernehmen lassen, so mögte dann das Teuffels-Nest wegbrennen, wann sie Niemand zum löschen wolten einlassen; darbey aber der gantzen Stadt grosse Gefahr durch den anwachsenden Brandt zu besorgen gewesen. Unter dessen hat das Feuer durch diese Saumseeligkeit der Juden so überhand genommen, daß nicht mehr zu steuren gewesen.
Der Juden Absicht aber, daß sie die Gasse nicht eröffnen, noch die zulauffende Christen einlassen wollen, ja gar am Juden-Brücklein mit Steinen herauß geworffen haben, ist ohne Zweifel die Furcht einer Plünderung gewesen, wie ihnen vom unnützen Gesindlein in Stürmung der Juden-Gassen anno 1614 wiederfahren, dessen sie dann sich zu besorgen wohl genugsame Ursach gehabt, auch bey dergleichen Occasionen sich wohl eher zugetragen... Inzwischen nun, da die Juden Niemand in ihre Gasse wollten einlassen, haben sie ihre beste Mobilien, sonderlich Gold, Silber, Geld und dergleichen in ihre wohlgemauerte Keller unter der Erden salviret, mehr aus Vorsicht gegen eine beförchtende Plünderung, als Furcht des Brandes, dessen so weite Ausbreitung weder sie selbst noch sonst Jemand sich besorgete. Allein die erschreckliche Straff- und Zorn-Hand des Allmächtigen war so augenscheinlich, daß sich der Wind gehlings drehete, nach der Bornheimer Pforten zu, und selbige Häuser entzündete, und nachdem solche in Flamme gesetzet, sich so fort als ein Diener der seines Herrn Befelch ausrichtet, wieder hinauff nach dem Wollgraben zu gedrehet und das Feuer weiter fortgetrieben; wie dann die Juden selbst Gottes Hand und Zorn-Gericht erkennen.
Es war ein erschrecklich Spectacul, und als ein klein in Brandt stehendes Troja oder Rom anzusehen, so viele hundert Häuser in solcher grossen Flamme, in solchem Geprassel und Knarren, ohne mögliche Hülffe, im Rauch und Feuer schauen aufzugehen. Das Feuer und Flamme war so groß und erschrecklich, daß nicht nur die gantze Stadt und umliegende Gegend davon erleuchtet und hell gemacht, sondern auch auf 20 Meil Weges verspühret worden. Wie man dann auf dem hochgelegenen Schloß Wartenburg im Eisenachischen gar genau an der Röthe des Himmels wahrgenommen, daß an einem Ort ein grosses Feuer seyn müsse, wie mich ein vornehmer glaubhaffter Freund, der eben selbige Zeit dorten gewesen, versichert hat. Es war erbärmlich nachmahls die noch rauchende Brandstätte und Steinhauffen zu betrachten, imgleichen nach geschehener Wegraumung des Unraths, die nicht zu zehlende viele Keller, wie Approschen und Lauffgraben zu sehen, wie sie dann vorn und hinten, einige auch wohl zwey Keller über einander hatten, darbey die sonst so eng geschienene Gaß eine recht verwunderliche Breite und Raum jetzo hatte. Wir wollen aber nun etwas genauer beschauen, wie so wohl die in der Feuersnoth selbst steckende Juden, als auch die ihnen zu Hülff kommende Christen, sich bey solchem Brandt verhalten haben. Daß die Juden anfangs das Feuer zu vertuschen und selbst zu löschen getrachtet, auch nachmahls aus Furcht einer von liederlich gesinnten Leuten bey solcher Confusion zu besorgender Plünderung anfänglich niemand einlassen, ist von uns erwehnet worden. Da nun aber das Feuer gar überhand nahm, suchten die meiste ihre beste Sachen in die Keller und Gewölber zu salvieren, einige würfen Gold und Silber in ihre Brunnen, andere trugens und führtens aus der Gasse unter die Christen. Die heilige Gesetz-Bücher oder Thora wurden aus dem ארון oder Schrank der Synagoge kümmerlich zum Theil errettet, der בּכור Bechór oder Ochs vom Kirchhoffe wurde weg in ein entfernten Christen-Stall geführt, da ihn unter Wegs die Hund zausten, dessen er noch die Mahl in den Ohren hat. Allerorten hörte man nichts als ruffen, schreyen, klagen, heulen und winseln, sonderlich von Weibern und Kindern, viele heuleten und raufften sich auff der Strassen die Haar auß, viele liefen auff ihren Kirchhoff bey die Gräber ihrer verstorbenen Eltern und Freunde, fielen zur Erden nieder und klagten. Viele haben für Schrecken ihre beste Freunde unter den Christen, die ihnen zu Hülff kommen, nicht gekandt und wohl mit harten Worten von der Thür weggewiesen, hingegen ihre beste Sachen unbekannten eingehändiget; andere konten für Schrecken gantz erstarret, nichts als seuftzen, und müste wohl ein mehr als steinhartes Hertz gewesen seyn, dem der Jammer, sonderlich der in Kälte und Frost umher laufenden unb heulenden armen Kinder, nicht ein betrübtes Mitleiben erwecket; andere sahe man steinalte Leuthe oder Krancke, auch wohl Kindbetterinnen und kleine Kinder mit der Wiegen, unter kläglichem Heulen und Seuftzen fort schleppen, und wüsten doch nicht wohin oder zu wem.
Von der Christen Seiten müssen die Juden selbst rühmen die überauß grosse Hülffe und Gegenwehr, zufoderst unserer hochgeehrten Herrn unb Oberen; dann auch der gantzen Löbl. Bürgerschafft ohnermübeten Fleiß unb Eyffer. Die Bürger haben ihnen ihre Güter hetffen tragen unb erretten; auch einige, so Pferdt und Wagen gehabt, selbige so fort ihren bekandten Juden, mit denen sie Handel treiben zugeschickt; man hat ihre Güter in die Häuser der Christen in sichere Verwahrung genommen. Die Obrigkeit hat so fort darauff öffentlich unter dem Trommelschlag zu zweyen mahlen ausruffen lassen unb befehlen, daß Niemand von der Juden geflüchteten Güther etwas solte entwenden, sondern solche oder wo er etwas bavon auff der Gasse gefunden, treulich wieder herbey liefern, wie dann zu der Juden selbst höchster Verwunderung, vieles, auch gefundene Kostbahrkeiten, wieder herbey getragen, auch einigen boßhafften Leuten durch Obrigkeitl. Befehl aus den Häusern geholet und denen Baumeistern zugestellet worden. Viele, sonderlich arme und von Lebens-Mitteln entblöste Juden, haben sich (nach dem Brande) auff die nah herumgelegene Oerter, Flecken und Dörffer fremder Hochgräfl. Herrschafften, als in Hanauische, Rödelheimische und Offenbachische, auch andere noch weiter zu wohnen begeben, sonderlich musten alle Juden, so keine Stättigkeit hatten, hinauß. Deren doch aber ja nicht, wie damahls in denen holländischen Gazetten von hier auß berichtet worden, 24 800 gewesen, so aus der Stadt gezogen, da doch wohl nicht mehr als der halbe Theil solcher Zahl, nemlich etwan 12 000 Juden in allem, oder 15 000 in dieser Stadt gewesen.
Ich kann nicht anders als hoch rühmen, daß ich nicht einen eintzigen Juden unter so vielen gesehen, der harte Reden wider Gott geführet oder gemurret hätte, sie haben es in stiller Geduldt angenommen, ihre grosse Sünde, die solchen Jammer verschuldet, bekennet, sonderlich ihr Pracht und Hoffart, und daß sie den Armen nicht besser fortgeholffen hatten; sonderlich da sie sahen, wie die daran stossende Christen-Häuser ohnbeschädigt blieben und nur eine alte Scheuer im Bier-Hauß zum Langen Gang darauff gangen. Ja auch gar wenige haben harte Worte wider den R. Naphtali, der doch ihres so grossen und allgemeinen Jammers Ursach gewesen, ausgestossen, dadurch gewißlich manche Christen, die in so schweren Unglücks-Fällen gleich murren, beschämet worden. Unter dem Verlust ihrer Güther haben sie sonderlich beklagt die grosse Anzahl theils rarer und kostbahrer Hebraeischen Bücher, so verbrandt sind, deren Verlust sie auff mehr als 100 tausend Reichs-Thaler schätzen, und ist ihnen darinnen ergangen, wie denen Juden vor einigen Jahren in dem grossen Brand der Juden-Stadt zu Prag, da alle Ebraeische Bücher samt der so genanbten Juden-Stadt im Rauche auffgeflogen, und wären mehr solcher Bücher verdorben, als sonst in gantz Europa, Pohlen ausgenommen, anzutreffen. Unter solchen sind allhier in der Synagog gewesen 36 auf Pergament geschriebene Thora oder Gesetz-Bücher, wie der Rabbi Schmul in seinem Bußgebett sagt במקום שהיו טמונים ספרי תורות ששה ושלושים׃ שרף האש הגדול ›Gesetz-Bücher hat das grosse Feuer verbrennet 36 an dem Ort, da sie verwahret wurden‹ ... Von Menschen ist bedencklich, daß in so grosser Menge, bey solchem gehlingen Brand in der grossen Confusion nicht mehr als 4 Menschen umkommen, wie in dem Gebett des R. Schmul angezeigt wird, wan er spricht: ›׃אשר הסרנו ימין י״י היתה נטויה עלינו׃ יצאנו לחיים בפדיון ארבע Die Rechte des HErrn ist über uns ausgereckt gewesen / wir sind ausgangen zum Leben / ohne daß wir Vier vermisset haben.‹
Die Juden haben beschlossen, den Tag des Brandes hinführo alle Jahr mit Buß und Gebett zuzubringen, dahero ihr jetziger Rabbi Schmuel anno 1713 ein besonders Gebett in Reimen aufgesetzet, als dieser Tag כ״ד טבת, welches war unser 22. Tag Januarii, auff ein Sonntag fiel, solte anno 1713 gefeyert werden ... Doch haben sie diese jährliche תענית oder Fasten in ihrem Calender noch nicht gesetzet. Es fiel dieser Bußtag, so allemahl ihr 24. des Monaths Tebes ist, anno 1714 auf den 11. Januar, so ein Donnerstag war.
Nach dem die Brandstätte abgeräumet, ist von der Obrigkeit so bald die Löbl. Veranstaltung gemacht worden, wie und nach was Ordnung die Juden wieder bauen solten, damit die Gasse hinführo nicht so enge, sondern einige Schuh weiter würde. Dann da sie vorhero an vielen Orten nur 12 und, wo sie am breitesten, 15 biß 16 Schuh breit gewesen, so muß sie jetzo durchgehends 20 Schuh breit gemacht werden. Dabey durch einen wohlerfahrnen Ingenieur die Breite der Gassen und alles ordentlich abgezeichnet, und ihnen im Bauen Maaß und Ziel gesetzet, auch dabey denen benöthigten Handwercks-Leuthen erlaubt worden, mehrere Gesellen und Knechte, als sonsten nach Ordnung jedes Handwercks erlaubt ist, anzunehmen, um ihnen desto mehrern Vorschub und Beförderung in ihrem Bauen zu verschaffen; wiewohl sie im ersten Jahr, nemlich anno 1711 durch die hiesiges Orts vollzogene Kayserl. Wahl und die auff selbige erforderte nöthige Erbauung unterschiedlichen Zurüstung, in ihrem Bauwesen ziemliche Hindernuß verspühren müssen, welchen Aufschub sie genugsam ersetzet, durch desto eilfertigers Bauen im 1712. und 13. Jahr, so daß in Sommer deß 1713. Jahrs wohl beynahe die halbe Juden-Gaß wieder erbauet und bewohnet worden. Worbei ich bemercket, daß das erste von denen neu erbauten Juden-Häusern, so anno 1712 im Herbst bewohnet worden, dasjenige ist, so gantz unten auff der lincken Hand nach dem Wollgraben zu, dessen Schild ist zum Pfauen. Die Juden haben denen Mäurern und andern Handwercks-Gesellen, weil sie den Sonnabend feyern müssen, über ihren gewöhnlichen Taglohn jedem einen Batzen (deren 15 einen Gulden machen) täglich ausgezahlt, so sie den Schabbes-Batzen genennet. Die Zimmerleute aber, weil die auch den Sonnabend ausser der Gaß zimmern können, und zu feyern nicht genöthigt gewesen, haben solchen Batzen nicht bekommen; hingegen bey Auffschlagung eines Baues in der Gasse, hat jeder täglich zwey solcher Schabbes-Batzen gehabt.
Sonderlich sind die Juden sehr beschäfftiget gewesen, für allen Dingen ihre Synagog wieder zu erbauen, darzu sie den 11. März an. 1711 den Grundstein geleget, nemlich nur an der Ecke der Synagog, die in die Strasse der Juden-Gasse gehet, ist ein Stück neu Fundament gelegt, im Uebrigen ist die ganze Synagog auff das alte Fundament wieder gebauet worden.
Es war eine Lust und Kurtzweil anzusehen, wie alles was männlich, jung und alt, mit grossem Ernst und Eyfer daran arbeiten helffen, und denen Mäurer-Gesellen, daß sie nur etwas helffen dürften, Geld spendiret. Einer langte denen Mäurern die Instrumente, ein ander reichte Kalck oder Steine, ein anderer trug oder fuhr Steine und Materialien zu, oder halffe am Platz raumen. Mit Herrn Mäurermeister Dan. Kayser haben sie einen besondern Contract auf 5000 Fl. getroffen und ihm für jede Woche, als der Bau vor der bedungenen Zeit würde fertig seyn, 10 Thaler Recompens versprochen, mit der Bedingung, daß die Juden alle Steinmetzen-Arbeit bezahlen, auff ihre Kosten den Kummer weg führten, und was von Steinen noch brauchbahr, zur Mauer der neuen Synagog verbraucht werden solten. Es ist aber dieser Contract hernach in einigen Dingen geändert, und dem Werckmeister für das sämtliche Mauerwerk deß gantzen Schulgebäudes 10.000 fl. bezahlet worden; was dann von Steinen und alten Mauerwerck der Synagog nicht mehr zu gebrauchen war, ist als etwas heiliges auff ihren Kirchhoff geführet und daselbst vergraben worden. Den 27. May a. 1711 fiengen die Zimmerleuth an, das Holtzwerck an der Synagog auffzuschlagen, und ist die Schul im Monath Tisri, da ihr Neujahr und Jom-Kippur oder grosser Versöhntag, gegen Ende unseres Septembris, schon zur Noth brauchbahr gewesen, und als auff einen Sabbach der erste Jüdische Gottesdienst in der neuen Synagog gehalten wurde, ward eine Vermahnung an die versammlete Judenschafft gethan und ein besonders Gebeth zur Einweyhung gelesen, den Donnerstag aber vorhero hatte die Gemeine gefastet. Der Werckmeister versicherte mich, daß die neue Schul keinen Fußbreit grösser oder länger als vorhero worden, man habe aber etwas gegen der Weiber-Schul hinein gerückt, dahero der Irrthum entstanden, ob wäre die neuerbaute Schul länger als die vorige gewesen. An einem Stein, welcher oben an der Baumeister-Stuben neben der Synagog eingemauert gewesen, stunde die Jahr-Zahl רכ״ד d. i. 224 nebst des Juden Namen Löw Marx, so nach unserer Jahr-Rechnung austrägt a. 1464, daß also diese Synagog im zweyten Jahr, nachdem ihnen diese besondere Gasse a. 1462 angewiesen, erbauet worden, wie es scheinet, auff Unkosten Löw Marx, und hätte also gestanden 247 Jahr biß zu ihrer Einäscherung. Die jetzige Schul ist durch Kosten der gantzen hiesigen gemeinen Judenschafft erbauet.
Als nach dem grossen Brandt der Juden-Gasse in kurtzer Zeit unterschiedliche Feuersbrünste entstanden, und man, wiewohl ohne Grund, denen unter den Christen wohnenden Juden und ihrer sorglosen Nachlässigkeit oder muthwilligen Boßheit dergleichen Unglücke wolte beylegen, auch einige rauhe und böse Leuthe sich ohngescheut vernehmen liessen, so bald noch ein Brandt entstünde, wolten sie alle Juden der Stadt todt schlagen, dadurch dann die Juden allhier, entweder ohne alle ihre Schuld, oder um etwan eines eintzigens unter ihnen versehen, sämtlich in grosse Gefahr gerathen können, als haben sie bey der Röm. Kayserl. Majestät Schutz gesucht, und durch dero allerhöchste Verordnung Mittwochs den 18. Mertz bei öffentlichem Trommelschlag folgendes Kayserl. Decret durch eines Hoch-Edel unb Hochweis. Raths Verfügung publiciret worden:
Wir Bürgermeister und Rath / dieser deß Heil. Reichs Stadt Franckfurth am Mayn / fügen hiermit einer Löbl. Bürgerschaft und allen Einwohnern allhie zu wissen: Demnach die Röm. Kayserl. Majest. unser allergnädigster Kayser und Herr / wegen der allhiesigen Judenschafft / hiernachstehendes allerhöchst geehrtestes Rescript an Uns ergehen lassen / von Worten zu Worten also lautend: Joseph von Gottes Gnaden erwehlter Röm. Kayser / zu allen Zeiten Mehrer des Reichs etc. Ehrsame liebe Getreue / Uns ist in Unterthänigkeit glaubwürdig vor- und -angebracht worden / welcher Gestalten die gesamte bei Euch seßhaffte Judenschafft durch eine unversehene plötzliche Feuersbrunst / welche die gantze Juden-Gaß / ohnerachtet aller von Euch rühmlich gemachten Anstalten und angewandter möglichster Gegenwehr / völlig verzehret und in die Asche gelegt / nicht allein in grossen einen weit aussehenden Schaden gestürtzt / sondern auch sie Juden noch ein grösser Unglück zu befahren hätten / indem sich einige böse und liederliche Einwohner Eurer Stadt / freventlicherweise / sollen haben vernehmen lassen / daß / wann in denen Häusern / worinn die Juden sich anjetzo / aus höchst tringender Roth / und so lang biß dero Häuser und Wohnungen wieder aufferbauet / unter denen Bürgern und Christen einlogiren müssen / ein Feuer entstehen und auffgehen solte / sie alsdann die Juden todt schlagen und in das Feuer werffen wolten / unb was sonsten noch vor mehr ungebührliche Reden vorgefallen seyn mögten / also daß hierdurch die gesamte Judenschafft nicht in geringen Furchten unb Aengsten stehe / es mögten endlich wegen eines unglücklichen / ohne ihre Schuld / leichtlich entstehen könnenden Zufalls und Feuers / der Poefel unb loses Gesindel diese Betrohungen ad effectum bringen / dannenhero auch verschiedene Familien sich anderstwohin zu retiriren unb zu salviren gesinnet seyn sollen; Wie wir nun dieses alles höchst mißfällig vernommen / also zweiffelen wir zwar nicht / ihr werdet Euer Obrigkeitliches Ambt von selbsten thun / und damit die Juden in Eurer Stadt bey denen Christen sicher und ungekränckt in ihren besonderen Wohnungen gelassen werden / alle gute Praecautiones vorzukehren wissen; Haben jedoch / aus Reichs-Vätterlicher Vorsorg / sowohl / als auff die von Unserer Kays. Hoff-Cammer Uns darüber gethane allerunterthänigste Vorstellung / wegen Unsers darunter versirenden Interesse, und damit dergleichen muthwilligen und boßhafften höchst-sträfflichen Unternehmungen / und darauß zu befahren stehenden grossen Unheil und Vernachtheiligung nicht nur vieler privat Credits-Partheyen / sondern auch des gemeinen Wesens mit desto grösserem Eyfer vorgebogen werden möge / nicht umhin seyn wollen / Euch als ordentliche Obrigkeit gnädigst zu erinnern und zu vermahnen / daß ihr denen bei Euch wohnenden und seßhafften Juden / sonderlich welche bey Euch Stättigkeit haben / nicht allein alle Obrigkeitliche Rechtliche Hülffe und guten Willen angedeyen und widerfahren / dieselbe gegen allen unrechtmässigen Gewalt schützet und beschirmet / und gegen die von uns und Unseren glorwürdigsten Vorfahren ihnen Juden gnädigst ertheilte Kayserliche Gnaden / Privilegien und Stättigkeiten / nicht beschwehren lasset / sondern auch alle und jede Einwohner / Bürger und Beysassen Eurer Stadt ernstlichen und öffentlich warnet und abmahnet / sich nicht allein aller Tätlichkeiten und Mißhandlungen / sondern auch aller bedrohlichen Reden gegen die Juden bey Vermeidung Unserer Ungnad und schwehrer Bestraffung / gäntzlichen zu enthalten / auch so einige Freveler oberwehnter gottloser und desperater Reden / oder Tätlichkeiten überführet werden solten / selbige mit aller Schärffe und nachdrucklicher Ahndung ansehet / mithin zeitlich verhindert und vorkommet / damit der bey Euch wohnenden Judenschafft / welche zugleich in unserem und deß Heil. Römischen Reichs allgemeinen Schutz stehet / zu dem bereits zugeflossenen grossen Unglück / nicht noch ein grösseres Unheil / dem Publico zu grossem Schaden und Nachtheil / zuwachsen und zugefügt werde / versehen Uns auch anbey gnädigst / daß ihr als Obrigkeit zu Wiederaufferbauung der Juden-Gaß alle bestmöglichste Anstalten und Beförderungen thun / die Judenschafft daran nicht hindern / noch solches jemand andern gestatten / sondern vielmehr daran seyn werdet / das selbige ehestens wiederum in ihre vorige Wohnungen einziehen könne / und also der Burgerschafft / bey welcher sie wohnen / und aus Gutthätigkeit freywillig und mitleidentlich aufgenommen worden nicht allzulang beschwehrlich sein bedörffen. An allem diesem geschieht Unser gnädigster Will und Meynung: Und Wir verbleiben Euch mit Kays. Gnaden gewogen. Geben in Unser Stadt Wien den achtzehnten Februarii anno siebenzehen hundert und eilff/ Unserer Reichen / des Römischen im zwey und zwantzigsten / deß Hungarischen im vier und zwantzigsten / und deß Böheimischen im sechsten.
JOSEPH mppr.
Vt. Friedrich Carl Graff von Schönborn
mppr
Ad Mandatum Sac. Caes. Majestatis proprium
E. F. W. Glandorff.
Als haben wir hiermit in Krafft dieses alle und jede allhiesige Einwohner / Bürger und Beysaßen / und sämtliche Unterthanen / Jhro Kays. Majest. allergnädigsten Verordnung zu allerunterthänigster Folge / ernstlich und öffentlich warnen und abmahnen / ihnen auch Obrigkeitlich anbefehlen wollen / sich all desjenigen / so darinnen verbotten wird / bey Vermeidung derer dabey enthaltenen schweren Straffen gäntzlich zu enthalten. Dahingegen werden auch hiemit zugleich die Juden samt und sonders mit Nachdruck angewiesen / sich gegen die Christen dergestalten zu bezeigen und aufzuführen / damit diese gegen sie sich zu beschweren und zu beklagen keine befugte Ursache erlangen mögen.
Conclusum in Senatu
Dienstags den 17. Martii 1711.