Christian Friedrich Daniel Schubart
Gedichte
Christian Friedrich Daniel Schubart

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zeichen der Zeit

»Des Himmels Gestalt wißt ihr zu beurtheilen:
Aber die Zeichen der Zeit prüfet ihr nicht.«
                                    Christus.

                    Hebt eure Hände, ihr Erdebewohner,
Hebt sie zum hohen gewaltigen Throner
Eure gefalteten Hände empor!
Weinet dem Schwinger des Donners
Eure Empfindungen vor.

Zornig erblickt Er die sündige Erde.
Engel des Todes mit ernster Gebehrde
Hat Er vom Throne heruntergesandt,
Strafende Schwerter und Ruthen
Trägt ihre mächtige Hand.

Blutgeschrey brüllet am Osten und Norden!
Zahllose Streiter, gedungen zum Morden,
Heben die nervigen Arme voll Wuth.
Blut färbt die Scholle der Erde,
Röthet die Welle der Fluth.

Grausamkeit wandelt mit Blicken des Tigers
Schnaubend nach Leichen, zur Seite des Kriegers;
Tröpfelnde Köpfe verbleichen am Speer.
Wieherer hauen wie Flammen
Unter dem tobenden Heer.

Abet, der wilden Verzweiflung Geselle,
Aufruhr, der schwärzeste Dämon der Hölle,
Schwingt dort die Fackel in Schwefel getaucht.
Ha, wie sein Mordstahl vom Blute
Großer Gemordeten raucht!

Grimmig empört sich das Gallische Eden,
Bürger ergreifen die Waffen und tödten. –
Hört, wie des Aufruhrs Trommete erschallt!
Unter den Fäusten der Wüther
Beugt sich die Königsgewalt.

Freiheit! so donnert's von Gauen zu Gauen.
Und die Gewaltthat mit eisernen Klauen
Malmet gethürmte Palläste zu Sand.
Mächtige FrevIer verröcheln
Unter der Rächenden Hand.

Freiheit! herunter vom Himmel gekommen,
Hohe Gespielin der Weisen und Frommen!
Edleren bringst du nur Segen und Ruh';
Aber ein Schwert in den Händen
Rasender Völker bist du.

Fort aus dem Drange des wilden Getümmels!
Seht ihr's? da bersten die Schläuche des Himmels;
Ströme verwüsten die Felder in Zorn.
Dorten am Gipfel der Weide
Faulet ernährendes Korn.

Gott, bist du müde die Völker zu dulden?
Sind sie zu Bergen gethürmet die Schulden?
Rüstest die strafenden Donner du schon?
Tönet des Weltgerichts Glocke
Bald mit gewaltigem Ton?

Rufe die Engel des Todes zurücke!
Lächle uns wieder mit segnendem Blicke;
Vater, sieh weinende Kinder vor dir.
Sprich zu den tobenden Völkern:
»Völker seyd stille vor mir!«

 


 


 << zurück weiter >>