O die Huld
Des Himmels groß erzogen!
Geduld! Geduld!
Wo bist du hingeflogen?
Hat Gott dich nicht geschmückt
Mit Glanz der Welt geschickt?
Die Menschheit schrie
Hinauf vom Staub der Erde.
Gott hörte sie;
Mitleidig sprach er: Werde!
Geduld! Geduld! Du stiegst
Aus einer Wolk' und schwiegst.
Die Hoffnung war
Zugleich mit dir erschienen:
Du Zwillingspaar,
Sprach Gott mit Vatermienen,
Fleuch nun mit milderm Strahl
Hinab ins Gräberthal.
Du sahst die Welt
Geschaffen zum Vergnügen,
Nun öd, verstellt,
In Nächten vor dir liegen
Und eine Thräne floß
Herab in deinen Schooß.
Als Adam stand
Auf dem verfluchten Boden,
Und Eva fand
Im Blut den ersten Todten,
Da kamst du ungesehn,
Den Armen beizustehn!
Wenn Noah schwimmt
Auf ausgelaßnen Meeren,
Hört Gott ergrimmt
Die Welt um ihn zerstören;
Geduld! so girrst ihm du
Aus einem Täublein zu!
Wenn Abram, voll
Des väterlichsten Schmerzens,
Nun opfern soll
Den Liebling seines Herzens,
So minderst du die Qual,
Und Hoffnung führt den Stahl –
Dir, Jacob, sind
Lastjahre leicht, wie Tage;
Das Himmelskind,
Geduld, versüßt die Plage;
Sie lächelt dir, und schaut
Aus Rahel deiner Braut.
Ein Joseph war
Getrost in Grab und Kerker;
Denn unsichtbar
Macht die Geduld ihn stärker.
Sie stellt ihn nach dem Hohn
Nah an des Königs Thron.
Wer? Hiob! wer
Half dir die Schrecken tragen,
Als um dich her
Die Wetter Gottes lagen?
Wer war's als die Geduld,
Gesandt von Gottes Huld?
Wenn Juda fühlt
Die heiße Last der Zügel, Geduld!
Geduld! so kühlt
Das arme Volk dein Flügel.
Nun harrt der Müde gern
Auf Hülfe von dem Herrn.
Geduld! Warst du
Nicht in der lichten Wolke
Und sandtest Ruh'
Herab dem müden Volke,
Ermannte Moses sich
In Wüsten nicht durch dich?
Du hörtest sie,
Die Gotterwählten Seelen,
Sie konnten nie
Auf dunkeln Pfaden fehlen.
Du selbsten machtest Bahn
Bis hin nach Kanaan.
Wenn David muß
Dem Spieße Sauls entfliehen,
Mit wundem Fuß
Durch Wüstenelen ziehen,
So zeigt Geduld ihm schon
Den künft' gen Herrscherthron.
Manasse heult,
Ihn drücken schwere Bande;
Jedoch es eilt
Zu ihm die Gottgesandte;
Und nun empfindet er
Der Fesseln Last nicht mehr.
In Babylon
Was musste Juda leiden?
Der Harfe Ton
Hing stumm an dürren Weiden.
Geduld! Du kamst; nun klang
Dem Volk dein Lobgesang.
Er, den der Zorn
Des Richters für uns schreckte,
Als ihm der Dorn
Die heiligen Schläfe deckte,
Das Opfer unsrer Schuld,
War er nicht ganz Geduld?
Ihr Märtyrer!
Wer tröstet euch in Fesseln?
Wer stärkt euch, wer,
In ölgefüllten Kesseln?
Wer gab euch hohen Trost
Am Kreuz und auf dem Rost?
Der Engel wies
Euch mit dem goldnen Stabe
Das Paradies
Mit jeder Gottesgabe,
Ihr saht's – und nicht vor Schmerz,
Vor Wonn' brach euch das Herz.
Wenn Armuth muß
Auf faulem Stroh verderben,
Wie Lazarus,
Beleckt von Hunden sterben;
Geduld! so trägst sie du
Im Schooß der Füll' und Ruh'.
Wenn Feindeswuth
Uns packt mit Tiegerklauen,
Daß heiß wie Blut
Die Thränen uns bethauen;
So spricht Geduld: Sey still,
Bis Gott dich retten will!
Und muß der Christ
Mit Furcht und Zweifel ringen,
Sieht er den Zwist
Die Höllenfackel schwingen,
So kommt Geduld und zeigt
Ihm jene Welt. Er schweigt.
Wenn Hagel fällt
Wie Glas aus schwarzen Wettern
Das Aehrenfeld
Des Landmanns zu zerschmettern,
So denkt der Ackersmann
Geduld! Gott hat's gethan!
Und muß der Fleiß
Den schweren Hammer heben,
Und seinen Schweiß
Oft faulen Krämern geben;
Geduld! kühlst du dann nicht
Sein träufelndes Gesicht?
Wenn schrecklich stumm
Uns Kerkernächte wirren,
Um uns herum
Die Eisenfesseln klirren;
So gräbt Geduld in Stein
Die Jammernächte ein.
Bedeckt dich hier
Der Flügel gift'ger Seuchen,
Hörst du aus dir
Die faule Lunge keuchen:
Die Hand nur auf den Mund,
Geduld macht dich gesund.
Siehst du den Tod
Mit hohlem Schädel winken,
Und wirst bedroht
Durch seiner Sense Blinken:
Geduld, Geduld spricht dir
Den letzten Seufzer für.
Du Himmelslicht
Leucht auch in meine Seele;
Verlaß mich nicht
In meiner Kerkerhöhle;
Du Strahl von Gottes Huld!
O himmlische Geduld! |