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Ueber die, seit einigen Jahren, methodisch betriebene Verhunzung der Deutschen Sprache

Eine fixe Idee hat sich aller deutschen Schriftsteller und Schreiber jeder Art, vielleicht mit wenigen, mir nicht bekannten Ausnahmen, bemächtigt: sie wollen die deutsche Sprache zusammenziehn, sie abkürzen, sie kompakter, konciser machen. Zu diesem Ende ist ihr oberster Grundsatz, überall das kürzere Wort dem gehörigen oder passenden vorzuziehen. Er wird bald auf Kosten der Grammatik, bald auf Kosten des Sinnes, dann also lexikalisch, endlich und wenigstens auf Kosten des Wohlklangs durchgesetzt, und zwar so, daß sie sich Gewalttätigkeiten jeder Art gegen die Sprache erlauben: sie muß biegen oder brechen.

I. Die Erste ist das Ausmerzen aller doppelten Vokale und tonverlängernden h, und das sehr ergiebige Wegknappen der Präfixa und Affixa der Worte, und überhaupt aller Silben, deren Werth und Bedeutung der Schreiber unter seiner 2 Zoll dicken Hirnschaale weder versteht, noch fühlt. Z. B. er schreibt » erstreben« statt anstreben, macht aus Beiden Ein Wort, und die Sprache um Eines ärmer; während der Unterschied beider Begriffe kolossal ist: man strebt an, was man haben möchte: man erstrebt, was man erlangt: »Spitzfindigkeiten« sagt er »ist Alles Eins! ich zähle die Buchstaben und damit gut: hier wird im participio passivo ein Buchstabe lukrirt: also!«

II. Die Zweite (der Dignität und Wirksamkeit nach) ist die Verbannung des Plusquamperfekti und Perfekti aus der Sprache, an deren Stelle überall das Imperfekt funktioniren muß: mag Sinn oder Unsinn dabei herauskommen! es ist kürzer.

III. Die Dritte ist die Konstruktion regelwidriger, geschrobner, verdrehter, holpriger, geschmackloser und halb sinnloser Perioden, die man 3 Mal lesen muß, um zu errathen, was damit gesagt seyn soll; wonach man dann zugleich inne wird, daß der Zweck des ganzen Gallimathias war, ein oder das andre Wörtchen, welches der Sinn und die Sprache erforderten, zu eliminiren und so zu lukriren; – bei welcher Entdeckung man aber riskirt, daß Einem die Phantasie plötzlich den dummen Triumph auf dem dummen Gesicht des Schreibers, (ob dieses Gelingens) vorhält: ein provokanter Anblick.

Wir wollen diese Kunstmittel jetzt einzeln in Betrachtung nehmen. Ich habe mich aller Kraftausdrücke zur würdigen Qualifikation unsrer Sprachverbesserer enthalten; besonders die Zoologie nicht in Kontribution gesetzt: bitte daher den beistimmenden Leser diese Lücke auszufüllen.

§ 1. Vorbemerkungen. Orthographie

So soll die orthographische Nacht
Doch endlich auch ihren Tag erfahren:
Der Freund, der so viel Worte macht,
Er will es an den Buchstaben sparen.

Goethe: Dem Buchstabensparer.
(Nachlaß Vol. XVI. S. 90.)

Der Sprachverhunzer, gegen die ich hier zu kämpfen habe, ist freilich eine Legion: denn es sind alle die, welche, unter Vermittelung der Buchhändler, dem Publiko, Jahr aus Jahr ein, Zeit und Geld rauben: also sämmtliche allmessentliche Bücherfabrikanten und jene zahllosen Schreiber der täglich, wöchentlich, monatlich und vierteljährlich auftretenden chronischen Nebel, Menschen, welche mit ihrem Pfunde wuchern, d. h. den äußerst geringen Vorrath ihrer Kenntnisse und sehr engen Kreis ihrer Gedanken, 30–40 Jahre hindurch, dem Publiko unter andrer Zurichtung täglich auftischen. Findet irgend ein redlicher Schriftsteller, der bloß weil er etwas mitzutheilen hatte, schrieb, sich mitgetroffen; so kommt es daher, daß er von jener Menge des Schreibgesindels sich hat imponiren und übertölpeln lassen und nun eben auch im Lohnsudlerjargon schreibt. –

In den Times ist über die Zulässigkeit des Wortes Telegramm durch 6 Blätter, in ausführlichen Darlegungen pro et contra disputirt worden. In Deutschland macht man kürzern Proceß: falls einem Narren irgend eine neue orthographische Ungeheuerlichkeit einfällt, die einen Buchstaben erspart, so schreibt er sie sofort hin, und hundert andren Narren gilt sie als klassische Autorität: sie schreiben sie nach. Vor keinem Unsinn bebt der Deutsche zurück, wenn es gilt, einen Buchstaben zu ersparen. –

Buchstabenersparniß ist Alles, was diese Tröpfe im Kopfe haben: diesem hohen Zweck sollen Logik, Grammatik, Wohlklang, Deutlichkeit und Bestimmtheit des Ausdrucks und Schönheit des Stiles geopfert werden. Dabei ist die Allgemeinheit dieser Bestrebungen wahrhaft niederschlagend, indem sie einen seltenen Unverstand beweisen, der sich über die ganze schreibende Welt in Deutschland erstreckt, vielleicht mit drei bis vier Ausnahmen, welche ich herzlich um Verzeihung bitte, daß ich sie nicht kenne. –

Die gerügte Sprachschändung, zu der keine andre Nation ein Analogon aufzuweisen hat, scheint in den meisten Fällen von den politischen Zeitungen, diesem niedrigsten Zweige der Litteratur auszugehn, und von da in die litterarischen Journale und zuletzt in die Bücher zu kommen. Widerstand findet sie, so weit ich habe sehn können, nirgends, sondern Jeder, in schamfischem Nachahmungstrieb und urtheilsloser Bewunderung des Absurden, beeifert sich, ein Mitarbeiter derselben zu seyn. Kaum bin ich über eine neue grammatische und orthographische Eselei erschrocken, so sehe ich auch schon andere Schreiber sie eifrig adoptiren und nachschreiben: denn jeder dieser Esel ist dem andern eine Autorität. –

Die politischen Zeitungen sind besonders thätig in der Sprachdilapidation; diese letzte Klasse aller Druckschreiber, welche für den Tag, auf den Tag, in den Tag hinein schreibt. Ich habe sie schon, in dieser Hinsicht, der polizeilichen Aufsicht empfohlen. –

Der Verbesserung der Deutschen Sprache scheinen vor Allen die Zeitungsschreiber beflissen; mit welcher Befähigung erhellt daraus, daß ich in einer solchen, sonst sehr reputirlichen Zeitung, und zwar mehrmals, gefunden habe »der Synod, des Synods« – weil es ja doch synodus heißt. – Wird man dabei nicht unwillkürlich an wirkliche, im aktiven Dienst stehende Stiefelwichser erinnert? Dies also sind die Leute, welche die deutsche Sprache in die Kur genommen haben. –

Jeder Lumpenhund ist Herr über die Sprache, z. B. jeder der Schreibstube oder dem Ladentisch entlaufene und in den Dienst eines Zeitungsschreibers übergegangene Bursche. Am tollsten treiben es die Zeitungen, zumal die süddeutschen, so daß man bisweilen zu glauben anfängt, sie persiflierten und parodirten die grassirende Sprachverbesserung. Allein sie meynen's ehrlich. –

Mit welchem Fug und Recht maaßen sich die Zeitungsschreiber und Journalisten einer litterarisch heruntergekommenen Periode an, die Sprache zu reformiren? Sie thun es aber nach dem Maaßstabe ihrer Unwissenheit, Urteilslosigkeit und Gemeinheit. Aber Gelehrte und Professoren, die ihre Verbesserungen annehmen, stellen sich damit ein Diplom der Unwissenheit und Gemeinheit aus. –

Wenigstens soll man den schändlichen Jargon, in welchem meistens die deutschen Zeitungen geschrieben sind, öffentlich stigmatisiren als » Zeitungsdeutsch«, mit Verwarnung der Jugend, daß sie nicht Grammatik und Orthographie aus diesen Publikationen erlerne, vielmehr daraus ersehe, wie man nicht schreiben soll.

Die Sprache ist der einzige entschiedene Vorzug, den die Deutschen vor andern Nationen haben. Denn sie ist viel höherer Art, als die übrigen Europäischen Sprachen, welche, mit ihr verglichen, bloße patois sind. Sie ist (wie ihre Schwestern, die Schwedische und Dänische) eine Tochter der Gothischen Sprache, die unmittelbar vom Sanskritt stammt. Daher ihre der Griechischen und Lateinischen nahe kommende Grammatik. Die deutsche Sprache ist, unter den jetzigen Europäischen, die einzige, welche durch den künstlicheren und organischen Bau ihres grammatischen Theils und die daran hängende Möglichkeit einer freiern Konstruktion der Perioden, den beiden antiken klassischen Sprachen beinahe gleichsteht. Und eine solche Sprache sollten wir der Willkür und Laune und dem stupiden Unverstande höchst unwissender Sudler, Zeitungsschreiber, Buchhändlerlöhnlinge und geldbedürftiger Bücherfabrikanten jeder Art Preis geben? Ubi est judicium? Seid ihr von Sinnen? Dem besagten saubern Pack schreibt, ja sprecht ihr nach! –

Die ganze gegenwärtige Schriftstellergeneration, welche nicht ein einziges bleibendes Werk hinterlassen wird, soll nicht das Andenken ihres ephemeren und ruhmlosen Daseyns dadurch perpetuiren, daß sie die kostbare deutsche Sprache, diesen wahren Nationalschatz, nach ihrem verstand-, geschmack- und ohrlosen Kaprice verhunzt und sie so zugerichtet, und mit den Spuren ihrer Tatzen versehen, den kommenden, vielleicht edleren Geschlechtern überliefert. –

Der Zeitungsschreiber und der gemeine Brod-Skribent soll schlechterdings keine andere Sprache schreiben, als die von den klassischen Schriftstellern seiner Nation befolgte.–

Die ganze allgemeine und höchst schändliche deutsche Sprachverhunzung zeugt von bornirtestem Unverstand: ihre Haupthandhaber sind die Löhnlinge der Buchhändler und die Zeitungsschreiber: ihren letzten Grund aber hat sie in der mehr und mehr einreißenden Unkenntniß der alten Sprachen. Durch diese nämlich lernt man es mit dem Werth und der Geltung jedes Wortes scharf und genau nehmen; zumal leistet dies das Lateinschreiben. Unsere Sprachverbesserer sind gewiß, (mit höchst wenigen Ausnahmen) unfähig, ohne Hülfsmittel einen fehlerfreien lateinischen Brief zu schreiben. [Variante:] Dies (die Sprachverhunzung) sind die ersten Früchte der Vernachlässigung der alten Sprachen: es werden noch mehrere und ärgere folgen. Ich wette, daß von unsern geistreichen Sprachverbesserern kaum Einer unter Zehn im Stande ist, ohne Beihülfe, einen korrekten lateinischen Brief zu schreiben. Wenn ein neues Geschlecht heranwächst, welches sich das infame Kauderwelsch der unfähigen Jetztzeit zur Norm nimmt, so ist es um die deutsche Sprache geschehn. Aus der selben Quelle kommt die Infamie, daß Griechische, ja Lateinische Autoren mit deutschen Erklärungen herausgegeben werden: was auch vorgeschützt werden mag, der wahre Grund ist, daß der Herausgeber nicht Latein schreiben kann, und die Schüler nicht fertig und leicht Latein lesen können, sondern wie Schusterjungen es in der Muttersprache haben wollen. Auf Schulen sollte sogar der Besitz solcher Editionen verboten seyn. Das Jahr 1848 mit seinem saubern Treiben hat einen Saamen von Unwissenheit unter den Gelehrten ausgestreut, nachdem die Hegelei den Boden dazu gepflügt hatte, und jetzt steht die Saat in Blüthe. Man merkt es an allen Ecken und Enden: das Cigarrenrauchen, politisiren und Eisenbahnfahren ist an die Stelle ernster Studien getreten und die gelbgerauchten, langbärtigen Brillengesichter mit leeren Köpfen wagen es über die Zopfzeit zu spotten, in der die größten Geister gewirkt haben und gründliche Kenntniß der alten Sprachen allgemein war.

Der hohe Werth des Studiums der alten Sprachen beruht zum Theil darauf, daß wir lernen vor Grammatik und Lexikon Respekt haben: wäre es mit Ersterem bei den meisten unserer Sprachverbesserer nicht so elend bestellt; so würden sie nicht so freche Eingriffe in die Regeln und Wörter der Deutschen Sprache thun. –

Ohne eine Ahndung davon, daß das Treffende, Bezeichnende, Genaue des Ausdrucks es ist, worauf es ankommt, sind sie bloß bemüht, Silben und Buchstaben abzuzählen, bereit, sich in allen Fällen mit dem à peu près zu contentiren und dem Leser Einiges zu errathen übrig zu lassen, wenn es nur ein Paar Buchstaben weniger giebt. Dahin geht all ihr Denken und Trachten, und jeder Sudler legt, ohne Umstände, seine Tatzen an, die deutsche Sprache zu verbessern. –

Was würde aus der Lateinischen, was aus der Griechischen Sprache geworden seyn, wenn Griechen und Römer sich einer solchen niederträchtigen Buchstabenzählerei ergeben hätten?

So gar ist jeder englische, französische, italiänische, spanische Schriftsteller bemüht, elegant, jedenfalls aber korrekt zu schreiben: bloß der deutsche nicht; sogar scheint er bemüht, möglichst nachlässig, gemein und unverständlich seine Sache hinzuschmieren. Sein einziger leitender stilistischer Grundsatz dabei ist die niederträchtige Buchstabenzählerei. Dies gilt von fast allen: die Ausnahmen sind selten.

Schon deshalb, andrer Gründe zu geschweigen, lese ich lieber in jeder anderen Sprache, als Deutsch: ja, ich fühle eine wahre Erleichterung, wenn ich so ein deutsches Buch nothgedrungen abgethan habe, mich wieder zu den anderen, neuen, wie alten Sprachen wenden zu können: denn bei diesen habe ich doch eine regelrecht fixirte Sprache mit durchweg festgestellter und treulich beobachteter Grammatik und Orthographie vor mir und bin ganz dem Gedanken hingegeben; während im Deutschen ich jeden Augenblick gestört werde durch die Naseweisheit des Schreibers, der seine grammatischen und orthographischen Grillen und knolligen Einfälle durchsetzen will; wobei die sich frech spreizende Narrheit mich anwidert. Es ist wahrlich eine rechte Pein, eine schöne, alte, klassische Schriften besitzende Sprache von Ignoranten und Eseln mißhandeln zu sehn.

Die deutsche Sprache wird jetzt von dem Federvieh (wie kürzlich ein Litterat seine Kollegen nannte) methodisch zu Grunde gerichtet.

Und nirgends (in Deutschland) ist ein wenig Besinnung, ein wenig Urtheil, ein wenig Geschmack, dem Unwesen entgegenzutreten; sondern alle die Skribler, einmüthig und Eines Sinnes, stürmen auf die Sprache los, sie zu verhunzen. Keiner, der eine Spur von Selbstständigkeit zeigte, indem er sich dem Unwesen widersetzte: sondern sobald irgend ein Buchhändlerlöhnling einen neuen Sprachschnitzer in die Welt gesetzt hat, wird dieser zum allgemeinen und stehenden Sprachgebrauch.

Ein impotentes Zeitalter, welches nicht Einen Schriftsteller aufzuweisen hat, dessen Werke sich irgend eine Dauer über dasselbe hinaus versprechen könnten, will die Sprache der klassischen Zeit reformiren, und zwar dadurch, daß es das Imperfekt alle andern Präterita vertreten läßt und alle den Sinn modulirende Präfixe und Affixe wegschneidet; bei welchem Verfahren die Sprache zuletzt auf ihre Wurzelworte zurückgeführt würde. –

Schreibt ihr Plattheiten und Unsinn in die Welt, so viel es euch beliebt: das schadet nicht: denn es wird mit euch zu Grabe getragen; ja, schon vorher. Aber die Sprache laßt ungehudelt und unbesudelt: denn die bleibt. [Variante:] Unkritische Nachäfferei fremder Schnitzer ist ein Gipfel der Gemeinheit.

Schreibt schlechtes und unnützes Zeug so viel Ihr wollt: es wird mit euch zu Grabe getragen und schadet weiter nicht: aber die Sprache laßt unangetastet: sie ist das Eigenthum der Nation und das Werkzeug, dessen künftige wirklich denkende Geister sich zu bedienen haben: daher ihr es ihnen nicht verderben sollt.

Der schmutzigste Buchstabengeiz beherrscht sie. Ihr leitender Grundsatz ist: »nicht das richtige Wort; sondern das kürzere, wenn es nur so a peu près die Sache bezeichnet: dem Leser bleibt überlassen, unsere Meinung zu errathen.« Z. B. »dem Bramanenthum erborgt« – (Köppen, Buddh.) statt entweder: »abgeborgt«, oder von dem Bramanenthum erborgt. – »Na, Sie wissen ja wohl, was ich meyne«, denkt so ein Skribler. Ihnen liegt nichts im Sinn und am Herzen, als nur irgendwie ein Paar Buchstaben wegzuknapsen: darüber mag Grammatik, Sinn, Verstand, Logik, Geschmack, Euphonie und Alles zum Teufel gehn, – wenn sie nur ein Paar Buchstaben eskrokiren: – und diese Monomanie ist so allgemein, daß sobald irgend ein Winkel-Sudler eine neue noble Oekonomie dieser Art zu Tage gebracht hat, Alle sich beeifern, sie ihm nachzuschreiben; – Jeder ist dem Andern ein Cicero; – wobei freilich das Niederschlagendeste der Anblick des totalen Mangels an aller Opposition ist. Keiner, der eine Neuerung prüfte und seinem eigenen Urtheile folgte. Sondern, ohne Verstand, Geschmack und Selbstvertrauen nehmen sie jeden neuen Schnitzer, den irgend ein Sudler ihnen oktroyirt, als Sprachverbesserung zum Muster, und jeden lumpigsten Lump zum Vorbilde, sobald er eine neue Beutelschneiderei an der deutschen Orthographie begangen hat. In allen Dingen und Verhältnissen ist das charakteristische Kennzeichen der gemeinen Natur, ja das Stämpel der Gemeinheit, daß man sich leiten läßt von Andrer Beispiel und aus Nachahmung handelt: der große Haufe wird in allem seinen Thun und Lassen fast ausschließlich durch dies Motiv bestimmt. Hingegen jeder auch nur ein klein wenig überlegene Geist macht sich zunächst dadurch kenntlich, daß er selbst urtheilt, kritisirt und nach eigner Ueberlegung verfährt. Davon ist aber, hinsichtlich der Sprache, der Rechtschreibung und des Stils, in der Deutschen Gelehrtenrepublik keine Spur, sondern jeder bewundert den neuen Schnitzer des Andern und adoptirt ihn: so wird denn ohne allen, auch nur passiven Widerstand, die Sprache gemißhandelt und zerfleischt. –

Die verdammte [Variante:] schauderhafte Einhelligkeit in der Aufnahme jedes neuen Sprachschnitzers entspringt aus dem Triebe der Nachahmung, welcher dem großen Haufen, also auch unsern Sprachverbesserern, Leitstern alles ihres Thuns und Treibens und leider auch Schreibens ist: was irgend Einer geschrieben hat, und sei es ein grober Schnitzer, schreiben sie auf seine Autorität nach: so verbreitet sich die Pest der Sprachverhunzung. Zum Verzweifeln ist, daß nicht Einer eine Spur von eigenem Urtheil zeigt, durch Verwerfung und Verhöhnung eines auftauchenden Schnitzers. Nein, Jeder adoptirt ihn so freudig, wie die Grasmücke den jungen Kukuk, und diese Sprachverbesserer sind einander Gegenstände der Bewunderung und Nachahmung.

Kaum hat ein Ignorant »aus Anlaß« und ein andrer »beruht in« geschrieben: so starrt alsbald beides uns aus allen Büchern und Journalen triumphirend entgegen: denn es hat eine Autorität für sich: Schnitzerus dixit! Wenn sie einen Schnitzer 3 Mal gedruckt gesehn haben, ist er ihnen klassisches Deutsch.

Keiner, und sollte er auch nur 4 Zeilen als Zeitungsannonce in die Welt schreiben, der nicht bemüht wäre, zur Dilapidation der Sprache sein Schärflein, durch Abknappen der seiner Unwissenheit unnütz dünkenden Silben, beizutragen.–

Es ist unmöglich, gut zu schreiben, wenn man immerfort darauf bedacht ist, Partikeln und Silben zu unterschlagen; wie man mit einer Fessel am Bein nicht tanzen kann. –

Unseren Sprachverbesserern fehlt es an Kenntnissen, an Verstand, an Geschmack und Schönheitssinn. Warum hat Winkelmann vor mehr als 100 Jahren, als seine Zeitgenossen noch ein steifes ungeschicktes Perückendeutsch schrieben, so unbegreiflich schön und graziös geschrieben? Weil er in hohem Grade Geschmack und Schönheitssinn besaß; – Eigenschaften, von denen in unsern Sprachverbesserern keine Spur zu finden ist. –

Die deutsche Sprache ist jetzt völlig vogelfrei für jeden Skribler, der im Dienst eines Buchhändlers, oder Zeitungsschreibers, das Papier beklext: wenn Dies so fortgeht; so wird, über 100 Jahre, die deutsche Sprache, die Sprache, in der unsere Klassiker geschrieben haben, eine todte seyn, und statt ihrer in Deutschland ein wortarmer und grammatisch ungelenker Jargon, das Werk obiger Reformatoren, geredet werden. [Variante:] Fahrt so fort, und da werdet ihr sehn, was nach 20 Jahren aus der Deutschen Sprache, unter den Händen der Buchstabenzähler geworden ist: ein bettelarmer, ungelenker Jargon. – Auf solchem Wege sind ja alle die alten, herrlichen Ursprachen zu Grunde gegangen: Pack, Pack, Pack, Halbvieh ist gekommen, ihnen den seinen thierischen Mäulern angemessenen Jargon zu substituiren. So wird es auch hier gehn. –

Empörend ist es, die Deutsche Sprache zerfetzt, zerzaust und zerfleischt zu sehen, und oben drauf den triumphirenden Unverstand, der selbstgefällig sein Werk belächelt; – während man bedenken sollte, daß die Sprache ein von den Vorfahren überkommenes und den Nachkommen zu hinterlassendes Erbstück ist, welches man daher in Ehren halten und nicht muthwillig antasten soll. –

Wer ist denn dieses Zeitalter, daß es an der Sprache meistern und ändern dürfte? – was hat es hervorgebracht, solche Anmaaßung zu begründen? Große Philosophen, – wie Hegel; und große Dichter, wie Herrn Uhland, dessen schlechte Balladen zur Schande des deutschen Geschmacks 30 Auflagen erlebt haben und 100 Leser haben gegen Einen, der Bürgers unsterbliche Balladen wirklich kennt. Danach messe man mir die Nation und das Jahrhundert, danach.

Die Maaße und die Masse sind in der Aussprache, wie in der Bedeutung verschieden: warum sollen sie es nicht, wie bisher, auch in der Orthographie seyn? – Um einen Buchstaben zu lukriren. –

Schreibt ihr Spaß, so müßt ihr es aussprechen, wie naß, Baß, daß, laß', Faß, Haß, Gaß. –

»Kabinete« und »Briten« mit Einem t zu schreiben ist wie wenn man Rolle mit Einem l schreiben wollte. –

Fragmente zur Deutschen Litteratur – enthält in der Abtheilung I, p. 92 eine Anmerkung gegen die Sprachverderber, welche das h, »diesen musikalischen Buchstaben«, weglassen und demnach bald Lon, Son u. s. w. schreiben müssen. –

Das eifrige Streben Vokale wegzulassen! Die Deutsche Sprache ist schon arm genug an Vokalen: man soll die noch vorhandenen nicht ausrotten. –

Es ist von großer Wichtigkeit, daß die richtige Aussprache in der Orthographie niedergelegt und dadurch fixirt werde. Schon jetzt sprechen manche Leute »Spaß« aus: mit der Zeit werden sie »Märrchen« sprechen; Dank unsern Buchstabenknickern. Zu glauben, daß die Aussprache sich durch Tradition erhalten werde, ist ganz eitel: man hält sich an die Orthographie. –

Dr. Sederholm, Pfarrer aus Moskau, welcher Schwedisch kann, sagt, daß » seelig« nicht von Seele kommt; sondern vom schwedischen Wort Sal, welches bedeutet Fülle, Herrlichkeit, Glücksäligkeit (doch nicht im theologischen Sinn), und welches im Deutschen bloß in seinen Derivativis Trübsal, Schicksal etc. übrig ist: – also ist statt seelig sälig zu schreiben. – [Dänemark statt Dännemark]: man soll nicht der schmutzigen Buchstabenzählerei Koncessionen machen auf Kosten der Richtigkeit. –

Dieses gedehnte Dännemark ist so unerträglich, daß ich allenfalls zugestehn will Dänmark zu schreiben (wobei 2 Buchstaben lukrirt werden), jedoch unter der Bedingung, daß sie nicht verrathen, daß ich mit Leuten, wie sie sind, ein Kompromiß eingegangen bin. (Auf Dänisch heißt es Dannemark, so habe es gesehen auf einem Dänischen Packet Waaren, gedruckt.) –

Italia wird, um sich dem deutschen Idiom zu assimiliren zu Italien: hieraus darf man aber nicht wieder das Adjektiv bilden und schreiben Italienisch, wie sie Alle tuti unisono jetzt thun; sondern das Adjektiv wird aus Italia gemacht: also italiänisch: so spricht auch Jeder, der nur ein wenig Bildung hat, aus: nicht Italiehnisch, – wie ein Dreckfeger. –

» Etwa« ist gar kein Wort, sondern die süddeutsche Aussprache von etwan, aliquando, welche das n am Ende wegläßt, wie auch eben so bei Verben im Infinitiv: daraus aber machen sie nachher gar das widerwärtig diphthongische Adjektiv etwaige! –

Der » Schmied« ist gar kein deutsches Wort, sondern das Machwerk der Naseweisheit, welche scharfsinnig entdeckt hat, daß es ja schmieden und die Schmiede heißt. (Dies ist wie wenn man θησισ statt θεσισ schreiben wollte, weil es von τιδημιkommt.) Auf Deutsch hat zu allen Zeiten das Wort gelautet und ist geschrieben worden » Schmidt«: dies bezeugen auch die zahllosen Eigennamen Schmidt. Hingegen hat es im Plural die Schmiede. [Variante:] Es heißt auf Deutsch »schmieden« und »die Schmiede«, aber der » Schmidt«. Dies bezeugen die zahllosen Eigennamen, die ganz gewiß vom Handwerk stammen. Alle diese schrieben sich Schmidt: noch ist mir kein Schmied vorgekommen, wohl aber Schmieder.

Aus der selben Naseweisheit ist » der Bauer, des Bauers«, weil sie sich einbilden, er sei Landbauer und komme von bauen – es ist das Englische boor: daher der B[auer] des Bauern
plur.: die Bauern.

Nichts ist widerwärtiger als naseweise Schnitzer. – Nichts mit großem N: cur? –

Die Manie »Nichts« mit großem N zu schreiben: Dies ist nur in dem Ausnahmsfall recht, wo es substantive steht, also le néant besagt. –

Schon lange war, auf Anlaß der so beliebten »Hilfe« und »Giltig«, – ein schwarzer Verdacht in mir aufgestiegen, nämlich daß sie nicht bloß die Buchstaben zählten, sondern sie mässen: er ward zur Gewißheit, als ich » Hilsenfrüchte« fand, und erst jetzt konnte ich mit Shakespeares Prinz Heinrich sagen:

now I have touched the lowest cord etc. (sic fere).

Man soll bedenken, daß eine Jugend heranwächst, welche die Zeitungen aller Art und überhaupt das Neueste liest und sonst nichts, folglich denkt, das wäre Deutsch und es gäbe kein anderes Deutsch, als diesen infamen Litteraten- und Buchmacher-Gesellen-Jargon, demnach »Gescheidt« und » Giltig« und »Hilfe« und überhaupt alle oben aufgezählten Sprachschnitzer ihr Leben-lang schreibt. – Es wäre gewissenlos dazu zu schweigen.

§ 2. Präfixa und Affixa

Durchgängig wird statt » beistimmen« gesetzt » zustimmen«, obgleich beides nicht genau identisch ist; aber um einen Buchstaben zu ersparen: Dies ist eine Kleinigkeit, aber es charakterisirt den Geist dieses schmutzigen Treibens. Dem entsprechend werden, um 3 Buchstaben zu lukriren, von allen den vielen Verben, welche durch die verschiedenen Präfixa die Nüancirung des Grundbegriffs durchführen und dadurch diejenige Modulation der Sprache hervorbringen, welche sie befähigt, jeden Gedanken treffend, genau, fein und prägnant auszudrücken, – weggeschnitten und überall statt ihrer bloß das Wurzel-Verbum gesetzt; und hierdurch emsig an der Verarmung und Lähmung der Sprache gearbeitet.

Es liegt am Tage, daß bei diesen Sprachverbesserungen die äußerste Dummheit präsidirt, und die äußerste Gemeinheit, mittelst blinder Nachahmung des lieben Nächsten ihr Folge leistet und also die Exekutive übernommen hat. –

Die Präfixa und Affixa sind die Modulation der Sprache, und diese wollt ihr, unfähige Skribler, ausmerzen, weil ihr den Sinn derselben weder versteht, noch fühlt. –

Die Sprache um ein Wort ärmer machen (durch Abschneiden der praefixa) heißt die Nation um einen Begriff ärmer machen. – Alle schöne Schreibart besteht in der treffenden Genauigkeit des Ausdrucks zur Bezeichnung des Gedankens: sie wird unmöglich, wenn man die verschiedenen Modulationen jedes Begriffs durch praefixa und affixa aufhebt.–

Wie die Rattenfänger machen sie Jagd auf die Präfixa aller Verben und Substantiven, um sie ohne Umstände wegzuschneiden; weil sie deren Bedeutung und Werth nicht kennen, nicht verstehn, nicht fühlen. Die durch Abschneiden der Präfixa zu Wege gebrachten Identifizirung verschiedener Worte führt zur Verwirrung der Begriffe. Noch dazu thun sie Dies mit sichtbarer Selbstgefälligkeit; wodurch sie uns das peinliche Schauspiel des über das Verwüstungswerk seiner Willkür exultirenden Unverstandes geben. –

Wenn ein Wort ohne Präfixum eine Bedeutung hat, mit dem praefixo aber eine andere; so brauchen sie jenes auch in der Bedeutung des letzteren, machen also die Sprache um ein Wort ärmer: und da dies an hunderten von Worten geschieht, wird die Verarmung bedeutend. Z. B. »Besserung« statt Verbesserung, Ausbesserung u. s. w., oder »Kürzen« statt Verkürzen, Abkürzen u. s. w. »Er stürzte den Thurm« statt stürzte ihn um (Deutsches Museum) ist wie ruit statt deruit. –

Die deutsche Sprache ist der Dummheit in die Hände geliefert. Fälschung statt Verfälschung, – während Ersteres bisher ausschließlich von Wertpapieren gebraucht ist, also Species eines Genus. Ebenso » Vergleich« statt Vergleichung; während Ersteres in der Regel nur für pactio, compositio gebraucht worden. Durch diese Manier, von 2 Worten nur Eins übrig zu lassen, welches, weil es eine Silbe weniger hat, jetzt den Dienst beider versehen soll, wird die Sprache immer ärmer gemacht, und zugleich zweideutig, – gerade so wie die Thiergeschlechter, die Skala abwärts genommen, dadurch immer unvollkommener werden, daß ein Theil die Funktionen allein übernimmt, welche höher hinauf von zweien versehn werden (worüber Milne Edwards). Daß Ein Wort zwei verschiedene Bedeutungen hat, ist ein Uebelstand, dem man stets entgegenarbeiten soll: sie befördern ihn!

Allemal: »Bezug« statt Beziehung – Bettbezug » Bezüge« statt Beziehungen. Kopfkissen, Sophas und Stühle haben Bezüge: Menschen und Dinge haben Beziehungen. So ist's Deutsch. Aber elende Silbenknickerei steckt dahinter und sonst nichts. –
Schreibt ihr, statt Beziehung, »Bezug«; so müßt ihr auch statt Anziehung, »Anzug« schreiben.
, und gar » Sachverhalt« statt Verhältniß; man denkt an Urinverhaltung. » Sachverhalt« wird der Unbefangene für eine Abkürzung von Sach verhaltung, nehmen, wie in Urinverhalt: macht ihr aus Verhältniß Verhalt; so müßt ihr auch aus Behältniß Behalt machen. » Geschick« statt Geschicklichkeit, wodurch seltsame Mißverständnisse entstehn, z. B. »das Geschick des Kajus« – wo man denkt, sein Schicksal sei gemeint. Der Leser soll den wahren Sinn errathen, wozu er die Phrase 3 Mal lesen muß: aber was schadet Das? 2 Silben sind ja lukrirt! –

Der dumme Muthwille, den jeder Strohkopf jetzt an den Silben übt, deren Bedeutung er weder versteht, noch fühlt, ist grenzenlos und droht die Sprache abzuschwächen und zu verarmen. Fernere Beispiele davon: »er suchte ihn in seinem Irrthum zu stärken« statt bestärken!! (Götting. Anzeigen). Man sucht Einen im Unglück, in der Krankheit zu stärken: aber in seiner Meinung, seinem Irrthum u. s. w. muß man ihn bestärken. Jedoch ein Wort den Dienst zweier versehen zu lassen, wodurch die Sprache verarmt, – das ist der Humor der Sache! –

Statt Anregen schreiben sie »Beregen«, welches gar kein Wort ist, aber den Zweck hat, im Particip das Argument und damit zwei Buchstaben zu ersparen! Ueberhaupt wird getrachtet, alle die Verben, welche im Particip das so schöne, die Verwandtschaft mit dem Griechischen beurkundende deutsche Augment haben, zu vermeiden und endlich auszumerzen. Ich schlage vor, statt Lumpenhunde Lumphunde (und Dummesel) zu schreiben: – es war mir nur eben so eingefallen. –

» Beregen« statt »Anregen« (wegen einer Silbe ein partic. pass.)

Sie meynen, ein Präfix sei so gut wie das andere; weil sie weder fühlen, noch versteh«, warum unsre Vorfahren »begiessen, betrügen, begehn, bethören, beschenken« u. s. w., aber »anfangen, anreden, anbeten, anziehn, anmuthen« u. s. w. gesagt haben. Die Herren haben noch zu lernen, daß die Präfixa einen Sinn und Bedeutung haben, nicht willkürlich hingesetzt sind, also nicht willkürlich vertauscht werden können. –

Nachdem irgend ein Narr, um das Augment im Particip zu ersparen, statt angestrebt, » erstrebt« geschrieben hatte, stürzten eilig 100 Narren herbei, das Selbe zu thun und überall stets Erstreben statt Anstreben zu setzen; so groß auch der Unterschied ist zwischen dem bloßen Anstreben ( appetere) einer Sache und dem wirklichen Erstreben ( adipisci) derselben, und sonach durch jene Identifikation dieser zwei Verba die Sprache um ein nöthiges Wort ärmer wird. »Thut nichts, Thut nichts! Dafür werden ja im Particip 2 Buchstaben lukrirt!« Kostbarer Gewinn! Sollte man solche Dummheit für möglich halten, wenn man sie nicht sähe? –

Was mich bei allen diesen Verbesserungen verdrießt, ist zunächst das Verderben der Sprache; sodann aber auch die entsetzliche und so allgemeine Dummheit, die dabei zu Tage kommt; so daß ich in der Bitterkeit meines Herzens mir sage, daß das Phlegma die Wurzel der Dummheit ist und leider seine Heimath in Deutschland hat. Man horche hin, wie die Engländer, Franzosen, Italiäner von den Deutschen in intellektueller Hinsicht urtheilen: bei der heutigen, gemeinsam betriebenen Sprachverbesserung kommt zu Tage, daß sie Recht haben. –

Sie dünken sich fein und witzig, indem sie überall statt Zuhörer » Hörer« schreiben: aber es ist zweierlei: jeder, der, wenn auch wider Willen, etwas hört, ist ein Hörer; aber nur wer mit Absicht hört, ein Zuhörer. Das fühlt so ein Pachyderma nicht, und dergestalt werden alle Modifikationen der Begriffe, alle Nüancen, Modulationen derselben, aus der deutschen Sprache ausgemerzt; bloß aus niederträchtiger, schmutziger Buchstabenzählerei. –

Sie setzen statt Anzahl – » Zahl«: allein Zahl bedeutet jenes abstrakte Wesen, welches der Stoff der Arithmetik ist und wodurch man zählt; Anzahl hingegen ist das Gezählte, das was gezählt wird, die empirische Zahl, die Dinge, ihrer Zahl nach. » Zahl« statt Anzahl: jenes aber ist die abstrakte, reine, unbenannte Zahl; letzteres die konkrete, angewandte, abgezählte individueller Dinge.Statt hinzufügen schreiben sie »beifügen«, welches nicht das Selbe ist: ersteres gilt von homogenen, letzteres von heterogenen Dingen. Ich füge meinem Briefe ein Päckchen bei und ein Postskriptum hinzu. Variante: »Ich füge bei« statt hinzu: zwei verschiedene Dinge. Ich füge eine Probe der Waare bei; ich füge noch Folgendes hinzu: so muß man schreiben. »Ich füge an« statt hinzu, – ein Kabinetsstück von Buchstabenzählerei. Aber auch hier soll in der Sprache ein Wort den Dienst zweier versehen, um gelegentlich zwei Buchstaben zu ersparen. Die Genauigkeit einer Sprache geht 100 Mal ihrer Kürze vor: sie besteht darin, daß jede Nüance eines Begriffs durch ein ebenso nüancirtes Wort ausgedrückt wird: nur unter dieser Bedingung kann man in einer Sprache sich ganz deutlich, bezeichnend, treffend, fein, kräftig und so ausdrücken, daß der Leser gleich versteht was man sagen will und es nicht erst aus dem Zusammenhang zu errathen hat. Dieser schmutzige Buchstabengeiz, der Stil, Grammatik, Logik, Sinn und Verstand mit Füßen tritt, um hin und wieder einige Buchstaben zu erknausern, kann nicht tief genug verachtet werden: er proklamirt laut, daß die von ihm Besessenen ohne Kenntniß, ohne Verstand und ohne Geschmack sind. Daß ihrer eine Legion ist, bessert ihre Sache nicht: das Allgemeine ist dem Gemeinen verwandt. –

Einer (Wilhelmi) in den Heidelberger Jahrbüchern schreibt: »Ich trat in den Tempel, wo ich die Bildsäulen des Odin, Thor und Frey traf«; – wonach man denken sollte, er habe auf diese geschossen: aber es steht aus elender Buchstabenknickerei statt vorfand: wenn noch stände »antraf«, so gienge es allenfalls, wiewohl auch dies nicht richtig wäre, da es nur von zufällig anwesenden Personen gesagt werden darf, nicht aber von einem Gott in seinem Tempel. – Wollt ihr eine ganze Seite sprachlich verhunzen, damit sie eine Zeile weniger habe? Ist Das Menschenverstand? – oder ist's Eselsdummheit? –

»Bessern« statt Verbessern – zweierlei: Ein Sünder, ein Kranker, bessert sich, »bessere Dich«. Eine Erfindung, ein Instrument, ein Buch, ein Gehalt wird verbessert. Variante: »Besserung« statt Verbesserung. Auf Deutsch redet man von der Besserung eines Kranken, von der Verbesserung einer Maschine, von der Ausbesserung eines Kleides, Schiffes u. s. w.»Aendern« statt Verändern. Der Unterschied ist analog, wenn auch nicht so deutlich. Sein Kleid ändern ist ein anderes anziehn; sein Kleid verändern ist Sache des Schneiders. Aendern betrifft überall das Ganze der Sache; Verändern einen Theil. Eine Zeitung berichtet eine bevorstehende »Aenderung der Uniform«: dies besagt auf Deutsch, daß statt der bisherigen eine ganz andre eingeführt werden soll; – während bloß eine Veränderung in der Uniform gemeint ist. »Fälschen« statt Verfälschen. Gefälscht wird Das, dem man ein ganz Anderes substituirt, wie Dokumente, Wechsel, Banknoten; verfälscht wird Das, dem etwas Unächtes beigemischt wird: Wein, Text, Urtheil, Glaubenslehre u. s. w. Ich verfälsche die Urkunde, wenn ich eine Stelle radire und etwas Anderes hinschreibe: ich fälsche sie, wenn ich sie ganz fabrizire. –

»Ueben« statt Ausüben und auch statt Einüben. – Der Schüler übt die Kunst oder sich in derselben: der Meister übt sie aus: Der Virtuose übt ein Stück, der Schauspieler eine Rolle ein.

Aber ohne alles Verständniß des Werthes der Silben, sind sie ganz allein auf Zählen und Auswerfen der Buchstaben bedacht. Wenn die unfähigen und urtheilslosen Köpfe, aus denen die große Mehrheit des Menschengeschlechts, folglich auch der Gelehrten, besteht, tagtäglich schlechte Bücher in die Welt setzen; so ist davon kein ernstlicher Nachtheil zu befürchten: ein Thor ist wer sie liest, und ihr Einfluß geht nie weit. Ein Anderes aber ist es, wenn solche Köpfe sich an die Sprache machen und diese, nach irgend einer Flause, umformen und verbessern wollen. Da wird die Sache bedenklich: denn sie können ihre Tatzen so tief in die Sprache eindrücken, daß die Spur bleibend wird; weil sie den grossen Troß von ihres Gleichen hinter sich haben, welche, wie das gemeine Volk, in allen Dingen stets nur durch Beispiel und Nachahmung geleitet werden und jetzt sich beeilen, der Narrheit nachzueifern. –

Statt Ausfertigen»Fertigen«; wie es schon längst statt Verfertigen dienen muß: für Abfertigen wird es den Dienst wohl auch übernehmen, wie auch für Anfertigen, – und so wird jeden Tag die Sprache um ein Wort ärmer.

Scheuchen statt Verscheuchen.

Statt beständig – »ständig«! – folglich auch statt anständig, inständig, verständig, ausständig, abständig, nachständig u. s. w., überhaupt statt BestandStand. Variante: »Ständig« statt beständig! Dann müßt ihr Stand statt Bestand schreiben und stehn statt bestehn, und Alles durcheinanderwerfen, um nur eine Silbe zu sparen. –
Statt beständig»ständig«, welches klingt wie ständig, d. i. den Ständen des Reichs gehörig. Dann müssen sie auch statt unbeständig unständig, und statt Unbestand Unstand schreiben, ferner statt inständig, ausständig, zuständig, geständig, rückständig immer nur »ständig«. Aber so weit zu denken sind unsere Sprachverbesserer nicht fähig: ihre Sache ist Buchstaben zählen.
Bloß daraus, daß der Verstand den Herren so fremd ist, erklärt es sich, daß sie ihn nicht auch in Stand abgekürzt haben. Vor allen Dingen aber rathe ich ihnen, ihr eigenes Epitheton zu verkürzen und statt dummdum zu schreiben. –

»In Dresden findet sich kein Sardinischer Gesandter« statt befindet: – was sich »nicht findet« ist abhanden gekommen. – Ja, »Brauche« (mihi opus est) statt »Gebrauche« (utor).

Ebenfalls: statt »er wollte ihm dazu verhelfen«: bloß »helfen«. Zwei sehr verschiedene Begriffe. –

Nochmals über Lösen und Auflösen (vergl. W. a. W. u. V. II. Wissenschaftslehre) Ein andrer mir anstößiger Ausdruck der Chemiker ist Ammoniak statt Ammonium. Ammoniak steht für ammoniacum, ist also das Derivatum, das Adjektiv, wie in Sal ammoniacum. Die Basis des Salmiaks, bestehend aus Azot und Hydrogen, muß also Ammonium heißen.: es sind 2 verschiedene Begriffe, welche deshalb im Deutschen die Sprache mit 2 verschiedenen Namen bezeichnet: man soll nicht, aus Silbenknickerei, diese verschiedenen Bezeichnungen aufheben, wodurch die Sprache verarmt. –

»Lösen« statt Auflösen: was würde man sagen, wenn ein Franzose soudre statt dissoudre schriebe?

Hingabe statt Hingebung, Wenn durch Hinzufügung einer Silbe, oder sonstige Verlängerung eines Worts, der Ausdruck des mitzuteilenden Gedankens an Klarheit und Bestimmtheit auch nur ein Weniges gewinnt; so ist es die größte Thorheit und Verkehrtheit jene Silbe ersparen zu wollen; z. B. Hingabe statt Hingebung zu schreiben. - »Hingabe« statt »Hingebung«: Gabe und Gebung ist zweierlei! Der Akt und die Sache. sogar Dahingabe! Behörden schreiben »letzte Willensordnung« statt Willensverordnung. Etwas ordnen, oder etwas verordnen sind doch höchst verschiedene Dinge! Thut nichts, wenn wir nur eine Silbe ersparen, da mag Sinn, Verstand, Logik, Grammatik und Alles zum Teufel gehn. –

»Rechnung legen« statt ablegen (Postztg.): also fortan statt auflegen, unterlegen, vorlegen, darlegen, einlegen, überlegen, verlegen, auslegen u. s. w. nur immer simpliciter »legen«! »Willigung« statt Einwilligung »Willigen« statt Bewilligen, Einwilligen.: also ich bin gewilligt etc. Eine Sache »weigern« statt verweigern (Recension) also das activum transitivum statt des reciprocum.–

»Eine Stelle in der Weltgeschichte nehmen« statt einnehmen (W. Menzel). – »Zeichnen« statt unterzeichnen mag als Börsenjargon hingehn; außerdem aber gebraucht (wie bereits geschieht), ist es nichts, als ein erzgemeiner Judenjungen-Schnitzer!

» Durchstich der Landenge«, statt Durchstechung. – » Tiefer greifend« statt eingreifend. –

»Einwände« statt Einwendungen.

»Abbruch der Unterhandlungen« statt Abbrechung. Man sagt »der Abbruch eines Hauses«.

» Schwinden« ( tabescere) statt Verschwinden ( evanescere.) – » Schluß« statt Beschluß. – » Reglos« statt regungslos. –

» Zugestehn« statt Eingestehn: so verschieden wie Eingeständniß und Zugeständniß. – Ich erwähne es nur, um zu zeigen, wie weit die Niederträchtigkeit der Buchstabenzählerei geht.

»Die Häuser streichen« – statt anstreichen. –

In einer ministeriellen Depesche, wie sie die Zeitung giebt, steht »verhalten« statt vorenthalten! Allerdings ist Hoffnung da, daß es ein Druckfehler sei: aber die Hoffnung ist schwach. – »War nicht zu erbringen« statt aufzubringen. –

» Verhalten« statt Vorenthalten schon 3 Mal gefunden! auch bei Rosenkranz. – Urinverhaltungen giebt es: Wahrheiten werden vorenthalten. –

» Zweiung« statt Entzweiung! (P.Z.) Da kann er auch, statt Entsetzen, Setzen; statt Entführen, Führen; statt Entstehen, Stehen schreiben. »Ent« bedeutet das Auseinandergehen. –

Heut zu Tage ist in Deutschland kein Schriftsteller (wie doch in allen andern Ländern) bemüht, vor Allem korrekt zu schreiben; vielmehr sucht jeder, durch die absurdesten, auf Buchstabenknickerei hinauslaufenden Sprachverhunzungen seinen ganzen Unverstand an den Tag zu legen: und die Uebrigen bezeugen Beifall durch Annahme seiner Verhunzungen. Jeder Sudler vermeint, Herr und Meister über die Sprache zu seyn und nach Gutdünken mit ihr umspringen zu können, Worte gebrauchen zu dürfen in einem Sinn, den sie nie gehabt, Silben wegschneiden, neue Worte zusammensetzen oder gar sie erfinden, und Präpositionen ohne Auswahl, wie sich's eben trifft, anwenden zu dürfen; z. B. »beruht in« statt »beruht auf.« Ein angesehener Theologe (ist Haase, Leben Fichte's). spricht uns von einem entsetzten Professor, meint aber damit nicht perterritus, sondern »abgesetzt«: und bloß um einen Buchstaben zu ersparen, schreibt er diesen Unsinn. Man sieht daran, wie weit die Monomanie geht. –

Die gänzliche Verderbung der deutschen Sprache durch solches knauseriges Abknappen von Silben und Buchstaben ist dem Verfahren eines Fabrikherrn zu vergleichen, der, durch Einführung einiger kleiner, knickeriger Ersparnisse, seine ganze Fabrik ruinirt; – gehört also unter die Rubrik pennywise and poundfoolish. –

»Das Volk mahnen« statt ermahnen! (Hase, S. Franciscus.) Schuldner werden gemahnt. –

»Hindern« statt verhindern. Ich hindere was ich erschwere, verhindere was ich unmöglich mache. –

»Wandeln« statt Verwandeln (Graul, Kural v. 452). – »Löschen« statt erlöschen, sc. die Lampe ( Do, v. 601). – Fahr! statt Gefahr! (Graul, Kural v. 674!!) ibid. p. 15 Pflichten lösen statt erfüllen!

»Dem Christentum erborgt« (Köppen, Bd. 2) statt abgeborgt. Wer mir etwas erborgt, borgt es für mich von einem Andern: – also falsches Wort, falscher Sinn, um zwei Buchstaben zu knausern. –

»Siedelei« statt Einsiedelei (Köppen), also gerade das Bezeichnende und Unterscheidende weggeschnitten.

Von Silbenknickern und Buchstabenzählern fast in jeder Zeile mißhandelt befindet die Sprache sich unter den unwürdigsten Tatzen: mögen Ganesa, Athene und Hermes sie erretten! – » Bereiten« statt Vorbereiten. Man bereitet eine Speise, ein Lager; eine Ueberraschung, ein Ueberfall u. s. w. wird vorbereitet. –

»Patriotische Hingabe« statt Hingebung: – warum denn gleich darauf »Aushebung der Rekruten«, und nicht Aushub? und, statt Erhebung des Gemüths, Erhub? und überhaupt statt Hebung (z. B. der Industrie) bloß Hub? –

» Vorwiegend« statt überwiegend: also auch Vorgewicht? Dummer, sinnloser Schnitzer, um einen Buchstaben zu ersparen. » Ueber« bezieht sich auf die perpendikulare, vor auf die horizontale Linie: aber wer möchte unsern Sprachverbesserern mit solchen Subtilitäten kommen? sie sind gewohnt aus dem groben Holz zu schneiden: sie zählen die Buchstaben und damit gut. –

» Theidigen« statt Vertheidigenl und » Theidigung« statt Verteidigung! in einer Zeitung gefunden.

Das Königl. Sächsische Ministerium des öffentlichen Unterrichts, in einer »Bekanntmachung das Lehrerinnen-Seminar betreffend«, vom 1. Juni 1859, sagt » Führung« statt Aufführung. Danach kann man auch statt Ausführung, Verführung, Durchführung, Ueberführung, Anführung, Entführung, Abführung, Einführung u. s. w. immer nur Führung sagen: der Leser wird ja wohl rathen was wir meynen. – Auch Heidelberger Jahrbücher, Oktober 1859, » Führung« statt Aufführung. –

»Der Verfasser hat noch einen Theil zurückhalten müssen« statt zurückbehalten, – schreibt ein Recensent im Repertorium. Zwei sehr verschiedene Begriffe! aber sie sollen konfundirt und die Sprache um ein Wort ärmer werden. Und von solchen Eseln wird man recensirt in so einem anonymen Eselstall. –

»Dies zeugt« ( generat) statt bezeugt ( testatur)! – Testat statt Attestat. Sie schleichen um die Sprache und suchen nach irgend einer Silbe, die noch abzuknappen wäre.

Es ist als ob sie daran verzweifelten, mittelst ihrer Schriften eine Spur ihres Daseyns zu hinterlassen, und daß sie daher eine solche der Sprache eindrücken wollen, durch Verhunzung derselben. Daran arbeiten sie einmüthig. – Das Schlimmste bei der Sache ist, daß allgemach eine junge Generation heranwächst, welche, da sie stets nur das Neueste liest, schon kein anderes Deutsch mehr kennt, als diesen verrenkten Jargon des impotenten, nämlich durch Hegel kastrirten, Zeitalters im langen Bart, welches, weil es nichts Besseres zu thun weiß, sich ein Gewerbe daraus macht, die Deutsche Sprache zu demoliren.

Habe gefunden »das Unänderliche« statt Unabänderliche, – eine Sprachverbesserung, welche gewiß von allen Schafsköpfen mit Bewunderung aufgenommen und mit edlem Eifer nachgeahmt werden wird; – wodurch dann die Sprache um 2 Worte ärmer wird, d. h. um das Unterscheidungsmittel zweier ganz disparater Begriffe: »unabänderlich« und »unveränderlich«.

Ferner: » unrechtes Gut« statt ungerechtes: – man sagt: die unrechte Thür, der unrechte Hut, der unrechte Weg; aber ungerecht ist etwas ganz anderes. Aber was kümmert uns Sinn und Verstand, wenn wir zwei Buchstaben ersparen können! –

»Beifügen« statt hinzufügen und »Zustimmen« statt Beistimmen, obgleich es nicht genau das Selbe ist: aber ein Buchstabe wird erspart, und – victoria! Die deutsche Sprache ist wieder um ein Wort ärmer geworden! ruft triumphirend die lausige Bettelökonomie dieser Buchstabenzähler. – Und dann das stolze Selbstbewußten zu seyn, mit welchem Herr Schmierax nach jeder neuen Wortverstümmelung um sich sieht, und den Eifer, mit welchem die gesammte schreibende Welt herbeistürzt, dieselbe aufzunehmen und anzuwenden.

Diese verfluchte Unanimität drückt dem ganzen Treiben den Stämpel der Gemeinheit auf.

Mir ist, als sähe ich unsere sämmtlichen Schriftsteller, jeden mit einer Scheere in der Hand herlaufen hinter der Deutschen Sprache, um ihr irgendwo eine Silbe, wenigstens einen Buchstaben abzuknappen.

§ 3. Weggelassene und durch keinen Artikel ersetzte Flexionen der Nomina propria

In keiner Sprache wird man im Zweifel darüber gelassen, ob man den Nominativ oder den Dativ vor sich habe, als ganz allein im Deutschen: nein, nicht im Deutschen, sondern im elenden »Jetztzeit«-Jargon der Litteraten: im Deutschen wird vielmehr, bei Eigennamen, der casus obliquus überhaupt durch ein angehängtes n bezeichnet. –

In dem allbekannten Volkslieds »Was ist des Deutschen Vaterland« heißt es:

»So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt.«

Auf Deutsch besagt dies, daß Gott im Himmel sitzt und Lieder singt. Wir sollen's rathen! Eine Sprache soll den Gedanken ausdrücken; nicht uns überlassen ihn zu rathen. Der Casus muß, muß, muß, in allen Fällen, sei es durch Flexion oder Artikel, ausgedrückt werden, nicht aber dem Leser zu errathen bleiben, sonst seid ihr Huronen und Karaiben. Da man den Eigennamen meistens keinen Artikel vorsetzt; so wurde bei diesen, zur Zeit als es noch gute Schriftsteller in Deutschland gab, der Casus obliquus durch s und n ausgedrückt: Göthe, Göthes, Göthen. Das wollen aber unsre Theetischlitteraten und Buchhändlerhausknechte durchaus nicht, es gefällt ihnen nicht, Gründe wissen sie keine dagegen, aber sie mögen's nicht, – geben also lieber dem Leser zu rathen, was gemeint und wer welcher sei. – Wirklich weiß man oft wirklich nicht, welcher von beiden Leuten im Nominativ, welcher im Accusativ steht, d. h. welcher der Leidende und welcher der Handelnde ist. –

Wenn der Casus gar nicht ausgedrückt wird, so ist die Deutsche die unvollkommenste aller Sprachen. –

Sie dekliniren, aus Buchstabenknickerei: der Prinz, des Prinz u. s. w. – Dann müssen sie auch: der Fall, der Riese, ebenso dekliniren. –

Ich weiß wohl, daß ihr meine Worte in den Wind schlagen und sagen könnt stat pro ratione voluntas: aber dennoch könnt Ihr leicht ein Mal auf Einen treffen, der ohne Umschweife euch sagte, was Ihr seid.

§ 4. Pronomina

Das Pronomen » welcher, welche, welches« ist, seiner ungebürlichen Länge wegen, bei unsern meisten Schreibern ganz verfehmt und wird ein und allemal durch der, die und das vertreten, in welcher Weise ich sagen müßte: »Die, die die, die die Buchstaben zählen, für klägliche Tröpfe halten, möchten vielleicht nicht so ganz Unrecht haben.« –

Statt »Dieses, Jenes, Solches, Dasselbe« – setzen sie » das« – welches dem Vortrag eine recht bierhausmäßige Natürlichkeit verleiht: noch gemeiner aber ist das Motiv dazu, – die niederträchtige Buchstabenzählerei. – Die abscheuliche Manie 2 ja 3 Worte zu ersparen! [Varianten:] Zu den beliebtesten und sogleich mit eifrigster allgemeiner Nachahmung aufgenommenen Buchstabenökonomien neuester Zeit gehört auch, daß man statt »dieses« oder »es« oder »welches«, oder »jenes« allemal » Das« setzt, welches dem Stil eine recht gemüthliche Bierkneipennatürlichkeit ertheilt. Sogar wo gar kein Pronomen nöthig ist, flicken sie dieses Das, ein, so sehr gefällt es ihnen. Und zwar begehn diesen ganz plötzlich eingerissenen Mißbrauch des Das Alle, Einer wie der Andre, vom Akademikus bis zum letzten Zeitungsskribler herab. Diese vermaledeite Uniformität ist, als sicheres Zeichen der Urteilslosigkeit, zum Verzweifeln. Alle sind voll von Das; [daher es denn eben so allgemein wie gemein ist: jede Seite ist mit Das gespickt von oben bis unten. Man denke sich den Effekt, wenn im Englischen that auf solche Weise mißbraucht und an die Stelle aller verwandten Pronomina gesetzt würde. –
Sie haben arithmetisch richtig abgezählt, daß Der, Die, Das weniger Buchstaben haben, als Welcher, Welche, Welches; Dieser, Diese, Dieses; Solcher, Solche, Solches etc. Jetzt muß daher Alles mit Der, Die, Das bestritten werden, welches oft das Verständniß der Phrasen schwierig macht. Und dies Alles bloß um einen oder 2 Buchstaben zu ersparen! man sollte eine solche Erbärmlichkeit gar nicht für möglich halten. Ich habe in einer Gel. Zeitschr. gefunden, statt » als welcher« – als der, – welches der Leser für den Komparativ halten muß und ganz irre wird. Besonders beliebt ist der substantive Gebrauch des Das, dermaaßen, daß alle Seiten damit gespickt sind, welches dem Stil eine gewisse bierhausartige Familiarität und Gemüthlichkeit giebt, so lebendig, daß man den Schreiber sprechen zu hören vermeint und Einem zu Muthe wird, als befände man sich in schlechter Gesellschaft.]
Die Sudler sollten ihre Dummheit an etwas Anderm auslassen, als an der Deutschen Sprache.

Alles kurz, nur kurz! – Sie haben nämlich grosse Eile! Denn ihr eignes Leben ist ein abgekürztes: sie, ja schon ihre Eltern besitzen es nämlich nur zur Lehn von den Kuhpocken, als welche alle die Schwächlinge der Kinderwelt retten, die in früheren Zeiten auf dem Probierstein der wahren Pocken erlagen und Raum ließen für die Starken, welche leben und zeugen sollten. Jenes so ein kurzes Leben bloß zur Lehn habende und daher in Allem so äußerst pressirte Geschlecht ist eben jenes langbärtige Gezwerge, welches Einem überall zwischen die Beine läuft. Aus ihm sind ohne Zweifel auch die Verbesserer der Sprache durch Buchstabenzählerei und Wortbeknapperei hervorgegangen: die Verwandtschaft ist ja augenfällig – curtail'd in their fair proportion (Rich. 3) ist Beides. –

Statt Solcher, Solche, Solches, – immer nur » solch«, z. B. »solch aufrichtiger Mann«. Obendrein merkt man, daß sie sich dabei liebenswürdig dünken. –

» Dasselbe« wurde, wie hier, zusammengezogen, geschrieben, wann es das Pronomen es vertritt. Dann behielt man die Zusammenziehung auch in allen andern Fällen bei, ohne Fug und Recht. Daraus entstand Konfusion: man verrannte sich immer mehr in »Dieselbe, Derselbe, Dasselbe«, bis man zuletzt nicht aus noch ein wußte: wonach denn dies höchste nöthige Adjektiv »der – die–das (Pronomen der – die – das) selbe« vom Leibe der Sprache amputirt wurde. Es kommt demnach seit einigen Jahren gar nicht mehr vor, sondern wird vertreten durch das Gleiche. Wenn das Gleiche so viel bedeutet wie das Selbe; so behält Leibnitzens Identitas indiscernibilium Recht. Die Geschichte von der gleichen Kugel, die 2 Soldaten traf und »Der gleiche gensd'arme trat herein« (eine Kriminalgeschichte: Zeitung).

Wenn Dies so fortgeht und diese Sprachverhunzer, statt Schimpf und Schande, Beifall und Nachahme einernten; so wird, nach einer Reihe von Jahren, die Deutsche Sprache zu einem gemeinen, armen und schwer verständlichen Jargon herabgesunken seyn. –

»In der Versammlung erschien ein Müller, Schulmeister und Accessist.« (Menzel, Litteraturblatt.) – Dies besagt auf Deutsch, daß der Mann alle drei Gewerbe versah: – er meint drei Menschen und hat das ein zwei Mal ersparen wollen. –

Ein Anderer schreibt »er verirrte« statt »er verirrte sich.« Wenn ein Franzose il égara statt il s'égara schreiben wollte! Da würde er sehn, daß er mit Franzosen zu thun hat und nicht mit Deutschen. –

Eben so: »Karbon oxydirt im Sauerstoff« statt oxydirt sich. –

» Einander« ist den Buchstabenzählern zu lang: da setzen sie » sich ähnlich, sich entsprechend« u. s. w.; ohne Sinn und Verstand. Aber: zum Teufel Sinn und Verstand, wenn wir nur Buchstaben lukriren, ist ihre Losung. [Variante:] »Ei was! Sinn oder Unsinn, was thut Das? – wenn wir nur einen Buchstaben ersparen! Darauf kommt es an.

§ 5. Adjektiva und Adverbia

Sie trachten den Unterschied zwischen Adjektiv und Adverbium auszulöschen: »sicher« statt sicherlich; – »ernst« statt ernstlich. Nun wohl, wenn die Leute, welche Adjektiv und Adverb gesondert aufgestellt haben, Narren waren; dann seid ihr Weise. Sonst aber umgekehrt. –

»Sicher« statt sicherlich; »sichtbar« statt sichtbarlich, wie wenn man similis statt similiter, – credibilis statt credibiliter schreiben wollte. – Einzig statt allein, und sicher statt gewiß gehören zusammen.

Einfach ist Adjektiv, nicht Adverb. – Was würde man sagen, wenn Einer schriebe simplex statt simpliciter, – simple statt simplement, simple statt simply – semplice statt semplicemente! – Aber gegen die deutsche Sprache ist Alles erlaubt! Sie ist in den Händen der Schreiber aus Industrie, der Schreiber des lieben Brodes wegen, der Litteraten und schlecht bezahlten Professoren. Wehe ihr! –

Einer schreibt: »eine Sache ernst thun«, statt ernstlich: er setzt also statt des Adverbii das Adjektiv und umgekehrt setzt Graul (Kural v. 684) das Adverbium statt des Adjektivs: »günstig Aeußeres, gründlich Wissen«.: dies aber hängt stets dem Subjekt an, hier der Person, jenes hingegen der Handlung: also wird dadurch der ganze Gedanke verschoben. Thut nichts! 3 Buchstaben sind erspart: und dafür treten wir Grammatik, Logik, Sinn und Verstand mit Füßen. Man sollte denken, die Buchstaben wären Diamanten, wenn man sieht, wie damit geknausert wird. Ich wollte, der Verstand wäre in Deutschland so wohlfeil, wie die Buchstaben. In Wahrheit aber zeigt sich in dieser

 

Mag der Leser nun rathen, was wir wohl gemeint haben: seh' er zu wie er dahinter kommt! wir sagen, wie Petrarka, interdermi chi pùo, che m'intend'io

Sprachreformation ein so kolossaler Unverstand, daß man fragen möchte, ob nicht eine Geisteskrankheit dahinter stecke, – und zwar eine ansteckende.

§ 6. Zusammenziehung von Substantiv und Adjektiv in Ein Wort

Ohne Umstände zieht jeder Skribler Substantiv und Adjektiv zu Einem Wort zusammen, und sieht dabei triumphirend auf seinen verblüfften Leser. Statt »dunkles Zimmer« Dunkelzimmer; statt »die ganze Länge« die Gesammtlänge, – und so in hundert Fällen, Nicht die euch überflüssig scheinenden Silben, die überflüssigen Worte sollt ihr weglassen. aus Adjektiv und Substantiv Ein Wort gemacht! wozu, wozu? – aus der schmutzigsten Raumersparniß Eines Buchstabens und des Interstitiums zwischen zwei Worten. Und bei solchen niederträchtigen Schlichen ist noch dazu eine gewisse Selbstgefälligkeit unverkennbar: triumphirend bringt Jeder, als Probe seines Witzes, eine neue Sprachverhunzung zu Markte. Olympische Götter! giebt es einen peinlicheren Anblick, als den des exultirenden, zufriedenen Unverstandes? Uebertrifft er nicht sogar den der kokettirenden Häßlichkeit? –

Die Deutsche Sprache sehn wir jetzt der Dummheit, Unwissenheit, Urteilslosigkeit geradezu in die Hände geliefert, um mit ihr zu schalten, nach Laune und Vergnügen.

Statt »hohe Schule« schreiben sie Hochschule, offenbar aus bloßer Vorliebe für das Sinnlose.

Dahin gehört auch Göthemonument, »Das Göthemonument« statt Göthe's Monument; welches nicht nur richtiger sondern sogar kürzer ist. Schillermonument, statt Göthe's Monument. Und gar Schillerhaus klingt wie Schilderhaus. Wie abgeschmackt würde es in England erscheinen, wenn Einer sagen wollte the Shakespearemonument.

Stein-Monument Stein-Monument – das ist ja Jedes, mit Ausnahme der hölzernen Büste Bürgers in Ulrichs Garten. Bronze!, Schiller-Monument, Schiller-Haus wie Schilderhaus: sagte ein Engländer Shakespearemonument oder Shakespearehouse, wie albern würde er erscheinen! O daß man doch könnte Englischen Verstand, wie Englische Waaren, importirenl Aber der Zollverein würde hohen Zoll darauf setzen.

O um eine Crusca für Deutschland! – Mozart-Geige, Schillerhaus! unberechtigte Zusammenziehung! – Siehe oben: – das erste Wort muß den Zweck des zweiten bezeichnen: Spazierstock, Obstgarten, Reitpeitsche, Vogelflinte, Arzneiglas, Uhrkette, Schilderhaus, Wachtposten, Postkutsche, Schreibtisch. Man sagt Wilddieb, aber nicht Wildschwein. –

In den Heidelberger Jahrbüchern, Dezember 1859, steht Wildesel; da wird doch, als zur Familie gehörig, auch Dummesel anwendbar seyn. – Eben daselbst gebraucht Einer Uebung statt Gebrauch! bloß weil tel est notre plaisir: so ungeniert darf jeder Skribler mit der Deutschen Sprache umgehn. Ein Physiker (Birnbaum) schreibt statt periodischer Regen "Periodenregen"! – Die deutsche Litteratur ist überschwemmt von einem Periodenregen. –

Zieht ihr 2, 3 und mehr Worte in Eines zusammen; so könnt ihr mit dem selben Recht alle Interstitia weglassen, wie auf den ältesten Griechischen und Römischen Lapidarinschriften.

§ 7. Präpositionen

Es ist dahin gekommen, daß von unsern Skriblern die Präpositionen ganz promiscue und ohne Auswahl gebraucht werden: der Sudler nimmt die erste die beste, welche ihm einfällt: » aus Anlaß« statt auf, – » aus Dank« statt zum Variante: Die Präpositionen gebrauchen sie ganz nach Gutdünken und ergreifen vorkommenden Falls die erste die beste: nächst für ist aus ihr Favorit; » aus Anlaß«; – » aus Dank dafür«"; statt zum; – »er fiel um aus Schreck« statt vor. So hat zwar nie ein Deutscher geschrieben: Ueber poetische Freiheiten ist oft geklagt worden; aber sie sind sehr gering, gegen die prosaischen Freiheiten, die heut zu Tage jeder Sudler sich nimmt. aber was thut Das? Herrn Schmierax fällt es ein, so zu schreiben, und er nimmt keinen Anstand: die andern Schreiber, statt ihn zu züchtigen, thun es ihm nach: denn Herr Schmierax ist ihr Cicero, die für ihren Sprachgebrauch entscheidende Auktorität: der Quartanerschnitzer » aus Anlaß« ist allgemein befolgt! » Aus Anlaß« schreibt sogar ein berühmter Philologe (Creuzer, in den Münchener Gelehrten Nachrichten, Juli 1857, auch in den Göttinger Anzeigen). Man sagt: » aus Gründen, aus Ursachen«, aber » auf Anlaß« (auf meine Veranlassung): weil eine Begebenheit aus ihrer Ursach, aus ihrem Grunde entspringt; aber nicht aus dem Anlaß: auf diesen erfolgt sie bloß, in der Zeit. Aber unsere Lohnschreiber haben von den Feinheiten der deutschen Sprache keine Ahndung und wollen sie verbessern. so will es die deutsche Sprache: statt dieser aber kauderwelsch reden, – auf Auktorität der Zeitungsschreiber und Tintenklexer, – ist eines berühmten Philologen sehr unwürdig. Dem analog »beruht in« statt beruht auf. »Der Kern der Beweisführung ruht darin« statt beruht darauf. –

Dieser jetzt schon sehr häufige Schnitzer: » beruht in« statt auf, – hat wirklich bloß die Ersparniß eines Buchstabens zum Grunde. – Haben 50 animalia scribacia einen Schnitzer einander nachgeschrieben, so ist er autorisirt und man beruft sich darauf. –

Auf richtige Syntax, zumal richtigen Gebrauch der Präpositionen, wird kein Bedacht genommen; sondern jeder Sudler nimmt, welche Präposition ihm eben einfällt, oder gefällt, nach der Regel stat pro ratione voluntas, und ihm folgt darin bald ein andrer Sudler, dem er als Autorität gilt. –

– Die Verbindung Babylons dem Assyrischen Reich« – (Spiegel, in Münchener Anzeigen) statt mit dem; weil man scilicet sagt dem Reich verbunden! –

Das Niederträchtigste bei der Sache ist das Tutti unisono, mit welchem jeder neu erfundene Sprachschnitzer sogleich angestimmt wird: denn es verräth die Abwesenheit jeder Prätension auf Selbstständigkeit und eigenes Urtheil, wie auch daß unsre Schreiber die ächten deutschen Schriftsteller, welche sämmtlich aus dem vorigen Jahrhundert sind, und überhaupt irgend ältere Bücher, gar nicht lesen, sondern bloß die in letzter Nacht ausgeheckten Monstra ihrer Jetztzeit-Schreiberei, gegenseitig unter einander. Hat nämlich Einer von ihnen einen neuen, recht hirnlosen Sprachschnitzer in die Welt geworfen, z. B. aus Anlaß geschrieben; so springen alsbald Hunderte hinzu, ihn als ihr Adoptiv-Kind aufzunehmen und ihn triumphirend der Welt überall vorzuzeigen, als eine neue Errungenschaft, einen Fortschritt des Jahrhunderts. So ist denn jeder Sudler dem Andern ein Cicero, eine sprachliche Autorität, und was Einer gedruckt gelesen hat, schreibt er nach. –

Alle schreiben: »Die Frage von einer Sache«: man fragt aber nicht von, sondern nach etwas. –

Ein sehr verdienter Orientalist schreibt, um zu sagen: Dies Wort ist aus der Sprache verschwunden – »dies Wort ist der Sprache entschwunden«, wählt also eine geschrobene, halb poetische und ganz unpassende Redeweise, bloß – um die Präposition aus zu ersparen! Dies ist charakteristisch für den Geist, mit welchem die Sache getrieben wird. –

» Namens« statt » im Namen« z.B. »Namens meiner«, »Namens des Gerichts«. Auf Deutsch hingegen bedeutet Namens nicht im, sondern mit Namen, z. B. ein Kaufmann Namens Meier. Aber wenn es gilt, einen Buchstaben zu lukriren, sind sie zu jeder Sprachverhunzung bereit. –

Es ha[ndel]t sich hier nicht um ein delictum veniale, sondern um eine vom bornirtesten Unverstande mit Plan und Vorbedacht an der Sprache begangene, schändliche Gewaltthätigkeit.

In jeder Sprache gebraucht ein Schriftsteller die Präpositionen mit Besinnung über ihren Sinn und Werth: nur der deutsche Schreiber nimmt ohne andre Auswahl, als die seines Kaprice, die erste, die beste, welche ihm eben in die Feder kommt.

Die glänzende Periode der Deutschen Litteratur hat im Anfang dieses Jahrhunderts ihr Ende erreicht: damit aber auch die Sprache derselben nicht bleibe, sind jetzt Zeitungsschreiber, Buchhändlerlöhnlinge und schlechte Schriftsteller überhaupt eifrig beflissen, sie zu zerfetzen und zu zerstückeln, beseelt von einem rechten Enthusiasmus niederträchtiger Buchstabenzählerei.

§ 8. Konjunktionen und Partikeln

Eine wirkliche Manie [Variante:] Ich wollte, ich könnte sagen, es wäre Manie: denn Manie ist oft heilbar: ich fürchte aber, es ist eine unheilbare Krankheit, und ihr Name ist Dummheit. ist es, die sich aller unsrer heutigen Schreiber bemächtigt hat: ihr ganzes Dichten und Trachten geht dahin, Silben abzuknappen, und da finden sie überall welche, die ihnen in ihrer Unwissenheit und Bornirtheit entbehrlich scheinen: und über diese Silbenersparniß verderben sie ganze Perioden; so daß man nicht daraus klug wird und sie wiederholt liest, um herauszurathen was der Skribler sagen will. Es ist also im höchsten Grad das pennywise & poundfoolish der Engländer. Es ist eine wirkliche allgemeine Verschwörung gegen die Sprache. Alles fällt über sie her: der Eine reißt hier, der Andre dort, ein Stück ah, eine Silbe, wenn er kann; wo nicht, einen Buchstaben; wenigstens ein Interpunktionszeichen, – und triumphirt über die Beute. Und keine Opposition läßt sich blicken: Himmel hilf! wir sind in Deutschland! Es ist wie eine Seuche, die Alle ergriffen hat. – Man sehe, an den täglich sich darbietenden Beispielen, welche elende Kniffe so ein Skribler sich erlaubt, – um »wenn« und »so« zu ersparen Um nur Wenn und so zu ersparen, winden sie sich wie die Würmer, höchst lächerlich! und wie unverständlich er dadurch seine Phrase macht, zur Quaal seines Lesers. –

»Wenn« und »so« sind geächtet, im Interesse der Buchstabenzählerei: statt »wenn er es gewußt hätte; so würde er nicht gekommen seyn«, – schreiben sie mit einem Gallicismus: »hätte er es gewußt, er wäre nicht gekommen«. Allein die logischen Partikeln »wenn« und »so« sind der ganz eigentliche Ausdruck des hypothetischen Urtheils, also einer Verstandesform, und dieser unmittelbar angepaßt. Wenn eine Sprache solche Formen besitzt, so ist es grosse Thorheit, sie wegzuwerfen, um ein Paar Silben zu ersparen und die Sprache auf den Niveau des nachbarlichen Jargons herabzuschrauben. –

Ein besonderer Wortknappereikniff ist die Weglassung der Konjunktion und, wo das Verständniß des Sinnes diese heischt: er kommt, in Folge seiner vorzüglichen Dummheit, täglich mehr in Aufnahme. Diese Konjunktionen und und oder werden weggelassen und dadurch der Sinn einer ganzen Periode verdunkelt. –

Die Partikel daß ist ganz aus der Sprache herausgewiesen und darf nicht vorkommen: Statt: er sagte, daß Dies oder Jenes geschehn sei, sagen sie (der Himmel weiß weswegen) allemal wie; als ob nicht daß und wie etwas geschieht sehr verschiedene Dinge wären. Sodann, in anderen Fällen, wird daß durch eine Versetzung der Worte eliminirt: z. B. statt: es schien, daß der Feind heranrücke – »es schien, der Feind rücke heran«; wohlzumerken Dies geschieht nicht etwan hin und wieder, sondern durchgängig und überall, oft auf die gezwungenste und die ganze Periode unverständlich machende Weise, – bloß weil es die Silbe daß erspart. – Dazu nun die so erzgemeine Uniformität aller Schreiber und der Unverstand, welcher dabei zu Tage kommt! –

»Die Behauptung als ob« statt daß. –

Auch den Unterschied zwischen als und wie verstehn sie nicht, sondern brauchen Beides promiscue. Als darf nur beim eigentlichen Comparativ stehn: »er ist größer als ich, und so groß wie du.«

§ 9. Unworte

» Vervortheilung seiner Gläubiger« statt Uebervortheilung. (Postzeit. 15. Juli 1858) – also schafft der Sudler ein Unwort, um einen Buchstaben zu lukriren: so weit geht der Wahnsinn! Die deutsche Sprache ist in Gefahr: ich thue was ich kann, sie zu retten; bin mir aber dabei bewußt, daß ich allein stehe, einer Armee von 10,000 Narren gegenüber. – But what for that?

Ein Darmstädter Landgericht beraumt einen Termin an wegen Klage über »Eheverspruch«! Januar 1859.

Gerichtshöfe citiren die Leute in »Selbstperson«, – ein Unwort welches nichts besagt; statt »eigener«, d. h. nicht fremder Person. Welche Gerichtshöfe irgend eines Landes in Europa würden wohl ihre Würde so weit vergessen, daß sie mit armsäligen, sprachverhunzenden Litteraten in Ein Horn stießen? –

»Selbstverständlich« ist sinnlos: es müßte wenigstens heißen »von selbst verständlich«: hiebei wäre aber (für die Buchstabenknicker) kein Profit. »Selbstredend«, im selben Sinne gebraucht, besagt etwas ganz Anderes, nämlich, daß man selbst redet, nicht durch einen Anderen.

»Zuverlässig« wird ersetzt durch verläßlich, – um einen Buchstaben zu erknickern! –

Der Orientalist Graul schreibt (Kural p. 195): »um damit das Reis, das beifallen möchte«, statt: um damit das Reis korn, welches vorbeifallen möchte. –

»Indeß« statt indessen, aus lumpiger Buchstabenknickerei: es steht für unter dessen, während dessen: deß ist gar kein Wort. –

Stets »deß« statt dessen setzt Graul (Kural).

Derselbe, sonst verdienstvolle, aber durch viele abgeschmackte Worte eigener Fabrik sich auszeichnende Orientalist hat eine solche Vokalscheu, daß er das e am Ende eines Wortes stets wegläßt und durch einen Apostroph ersetzt, wenn das folgende Wort mit einem Vokal anfängt. Demnach müßte man z. B. schreiben: »Mein' arm' alt' Amm' aß ein' Auster.«

Derselbe schreibt auch (Kural v. 314) »damit bewenden lassen« statt dabei: wenn es nur nicht die Andern sehn! Gleich würden sie es nachschreiben, da es so recht der Sprache ins Angesicht geschlagen ist. –

»Es entfällt« statt es fällt dahin! –

Beanspruchen Das plumpabgeschmackte » beanspruchen« ist in allgemeine Aufnahme gekommen, bloß weil es eine Silbe weniger hat, als in Anspruch nehmen. – Daß ein so dummes Wort, wie beanspruchen, in allgemeinen Gebrauch kommen konnte, charakterisirt den Geist unserer Sprachverbesserer und ihrer Nachtreter. ein so allgemein beliebtes, wie plumpes und unverantwortlich dummes Wort; – » Vorerst«, sinnlos und von widerlichem Anklang, statt Für's Erste; – und Einmal statt Erstlich, also semel statt primum – demgemäß beide in allgemeinem Gebrauch. –

»Die Kasse hat vereinnahmt« statt eingenommen: würdiger Pendant zu dem abgeschmackten und daher allgemein beliebten beanspruchen. –

Seither. »Beglichen« statt ausgeglichen! ein Unwort! Hab' ich einen Schnitzer Ein Mal gefunden, erblicke ich ihn sogleich überall; weil jeder Skribler dem andern ein Vorbild ist, statt daß er ihm ein Abscheu seyn sollte. –

» Seither« ein Unwort: aber Herr Skriblerus hat es octroyirt, und Herr Schmieracius hat es kontrasignirt, und die gesammte Gelehrtenwelt respektirt den Befehl. » Zeither (das Richtige) ist ganz verbannt: überall » Seither«. » Seither« – ich weiß nicht, welches animal scribrax zuerst diesen Schnitzer gemacht hat: aber Beifall und Nachfolge hat er gefunden, wie unter den Latinisten ein Ausdruck des Cicero. »Zeither« ist ganz dadurch aus der Sprache verdrängt und findet sich höchstens bei irgend einem alten, hinter den Fortschritten der Zeit zurückgebliebenen Gelehrten.

Längsschnitt – Unwort, statt Längenschnitt; ebenso Längsrichtung.

Der Zoologe Bronn lukrirt eine Silbe dadurch, daß er »Echse« statt Eidechse schreibt. Ist nun jenes ein fossil aufgefundenes Wort, oder generatio spontanea? –

»Best« statt bestens! – Statt Uebermacht »Obmacht«!–

» Erfund« statt Erfindung! (Heidelb. Jahrbüch. Bähr.) – Litteratendeutsch! –

» Unterkunft finden« statt Unterkommen: da werden wir wohl bald statt Auskommen »Auskunft« erleben und dieses letztere sehr brauchbare deutsche Wort dadurch aus der Welt gesetzt sehen. –

»Gedenkfeier« statt Gedächtnißfeier: man feiert das Gedächtniß, d. i. die Erinnerung an Einen, nicht das »Gedenk«. –

»Vor« statt Bevor; – welches Phrasen giebt, aus denen nicht klug zu werden ist. »Er that es, vor er mir es gesagt.« Ueberall sitzt Unverstand und Geschmacklosigkeit am Ruder, um die Sprache zuzurichten. –

Statt »mithin« sohin. Und solche dumme Verbesserung erlauben sich die niedrigsten Lohnschreiber der Journale, der Pöbel der Litteratur.

»Venediger« statt Venetianer. Zeitung.

Statt beständig– »stetig«.. –

»Seitens«, »Betreffs«, »Behufs« oder gar »Hinsichts« sind Wortverrenkungen, entsprungen aus nichtswürdiger Buchstabenzählerei; – auf Deutsch heißt es: von Seiten, – im Betreff, – zum Behuf, – hinsichtlich. Dahin gehört auch »Weitaus« statt bei Weitem. [Variante:] Statt »von Seiten« – Seitens, ein Unwort (statt abseiten) und statt »im Namen« – Namens geradezu falsch; da dieses auf Deutsch mit Namen besagt. Vor Allem sollten Behörden sich davor hüten, da es Aequivokationen veranlassen kann. Und Alles bloß der schmutzigen, niederträchtigen Buchstabenknickerei zu Liebe.

Schreibt ihr, statt anderweitig, – »anderweit«, so müßt ihr auch, statt zeitig, – »zeit« schreiben. –

Das Studium brevitatis geht so weit, daß sie dem Teufel den Schwanz abschneiden und statt Mephistopheles schreiben »Mephisto«. –

»Dies ist ein Sophismus«. Postzeitung v. 19. Mai 1857. Jetzt wird doch Niemand es als Hyperbel nehmen, wenn ich sage, daß unter den Reformatoren der Deutschen Sprache Stiefelputzer sind.

§ 10. Falsch gebrauchte Worte

In der Postzeitung vom 16. Juni 1857 heißt es: »Die Königin war durch die Zeitschrift N. N. auf die Mängel einer Kirche und einer Schule in zwei Gemeinden hingewiesen«, – hiebei wird nun Jeder denken, die besagten Anstalten wären fehlerhaft gewesen; – aber aus dem Sinn geht hervor, daß Ermangelung gemeint ist. Daß deutsche Zeitungen elendes, fehlerhaftes Deutsch schreiben, ist alltäglich und keiner Erwähnung werth: aber wir haben hieran ein rechtes Muster-Beispiel und Prototyp der Folgen der Silbenknickerei und Buchstabenzählerei, und darum führe ich es an: denn nicht nur ist etwas Anderes gesagt, als gemeint war; sondern indem jetzt, dieser Sprachökonomie gemäß, zwei disparate Begriffe durch das selbe Wort bezeichnet werden, wird die Sprache der Verarmung entgegengeführt: von zwei Worten, welche sie zur Bezeichnung zweier Begriffe hatte, wird ihr nur Eines, natürlich das kürzere, gelassen, welches jetzt für beide dienen soll, wobei denn der Leser jedes Mal rathen mag, was gemeint sei. Und so verfahren unsre nichtswürdigen Sprachverbesserer in 100 Fällen. –

Ihr Treiben besteht größten Theils darin, daß sie von zwei verwandten Worten das längere ausstoßen und es überall durch das kürzere vertreten lassen, wenn gleich dieses nicht eigentlich das Selbe, sondern nur etwas Aehnliches besagt; – wodurch die Sprache verarmt und die Möglichkeit, einen Gedanken genau und dadurch treffend, scharf und prägnant auszudrücken, uns in vielen Fällen benommen wird. –

Statt Scharfsinn schreiben sie »Schärfe«; als ob nicht die Schärfe und der Scharfsinn eines Urtheils gar weit verschiedene Dinge wären. Aber sie sind nur bedacht, das selbe Wort, bloß weil es kürzer, als die ihm verwandten ist, der Bezeichnung zweier, dreier und mehrerer Begriffe dienen zu lassen; wodurch sie die Sprache theils matt und stumpf, theils durchweg zweideutig machen. Welches Epitheton gebührt ihnen? –

Statt »achtungswerth« schreiben sie, aus niederträchtiger Buchstabenknickerei, »achtbar«, welches viel weniger besagt, indem es sich verhält, wie sichtbar zu sehenswerth, und überdies ein Spießbürger-Ausdruck ist. – Sie aber sagen: »wir werfen jedes Wort zur Sprache hinaus, welches durch ein anderes, um 2 Buchstaben kürzeres, wenn dieses auch schon eine andere Bedeutung hat, doch so ungefähr, wenn auch schief und schielend, mit vertreten werden kann«: wenn auch dadurch die Sprache immer ärmer und unbestimmter wird; so wird sie dafür auch immer kürzer, am Ende so kurz, daß man gar nicht mehr weiß, was gesagt seyn soll, sondern die Wahl behält zwischen allerlei Bedeutungen. –

»Bedauerlich«, statt bedauernswerth, ist falsch: ersteres besagt »was man bedauern kann«, wenn man Lust hat; dieses was verdient bedauert zu werden.

»Billig«, statt wohlfeil, ist so falsch und gemein, wie es allgemeinist.

»Die billigste Litteraturzeitung ist ... die etc.« hebt ein Journalartikel an. Danach sollte man glauben, daß die Recensionen mit grosser Billigkeit abgefaßt waren. Er meint aber die wohlfeilste. –

»Koburg wird billiger regiert als Gotha« (Postztg.); man meint, das heiße mit Nachsicht, o Nein! es ist gemeint wohlfeiler. »Billig« ist ein moralisches Prädikat, kein merkantilisches. Postztg. vom 9. Nov. 1858, Schreiben aus Berlin: »Alle demokratischen Zeitungen begeifern die gefallenen Minister; – es ist so billig jetzt zu schimpfen.« – Er will sagen: jam parvi constat conviciari; sagt aber: jam aequum est conviciari. Billig, ausgehend von Krämern: »billige Behandlung der Kunden«, und dann wurde die Waare billig: endlich billige Ochsen auf dem Viehmarkt. Billig ist ein durchaus moralisches Prädikat, darf daher bloß von Menschen gebraucht werden. –

Alle setzen stets »nothwendig« ( necessarium, necesse est) statt nöthig ( opportet, opus est); nothwendig bezieht sich (als Wirkung) auf die causa efficiens; nöthig auf die causa finalis. –

»Maaßnahme« statt Maaßregel. Maaßnahmen – sind was der Schneider vornimmt, wenn er mir Hosen anmißt; Maaßregel ist der leitende Grundsatz, nach dem verfahren werden soll. –

»Die Wärme bildung des Körpers«, falsch und sinnlos, statt Wärmeerzeugung (Centralblatt). Ibidem: »von Physiologie habe ich nichts gefunden außer das Wort« grober Schnitzer statt: ausgenommen.

Statt Begriff, Ansicht, Meinung u. dgl. durchgängig das affektirte, gespreizte und ekstatische »Anschauung«. –

In der Postzeitung, Decemb. 22., 1859 heißt es: »ob er, Hr. P. die Aechtheit der Anlage zu verabreden vermöge«: also »verabreden« statt in Abrede stellen! mithin inter se convinere, statt negare! also völligen Unsinn schreiben, um zwei Silben zu lukriren! –

Statt zeitweilig schreibt Einer zeitig, welches aber reif bedeutet. –

»Ein unweit anziehenderes Gemählde« (Gött. Gel. Anzeigen, Septbr. 1858) statt ungleich: unweit bedeutet nahe. Aber dies ist die heutige Sitte: jeder Skribler schreibt das Wort hin, welches ihm gerade durch den Kopf fährt, – mag es die hier nöthige Bedeutung haben, oder nicht. Der Leser mag rathen, was gesagt seyn soll. –

»Beiläufig« ( i. e. obiter, en passant) statt ungefähr ( circiter, à peu près). – »Umfänglich« statt umfangsreich: ist das Gegentheil, indem es besagt »was sich umfangen läßt«. –

»Sorglich« statt sorgfältig, von Sorgfalt: jenes von Sorge, wie auch besorglich, Besorgniß. – Aber nur Silben ausmerzen, unbekümmert darum, daß dadurch die Sprache um viele Worte verarmt, dies ist der Geist unsrer Sprachverbesserer. –

Statt niedrig schreiben sie »nieder«, aus niederträchtiger Lumpacivagabundenbuchstabensparsamkeit: – aber nieder führt den Begriff der Bewegung mit sich: der Stein fallt nieder, das Thal liegt niedrig. –

»Er sitzt nieder«, statt »setzt sich nieder«, um eine Silbe zu ergaunern, ist gerade so ein Schnitzer, wie wenn man Lateinisch sedēre statt siděreschriebe. Aber auch statt niedrig sind sie dreist genug nieder und statt übrigüber zu setzen. Dazu machen sie gar noch den Superlativ: der niederste! (Heidelberger Jahrbücher.) Nieder ist Adverbium, niedrig aber Adjektiv. –

Sie schreiben »über« statt übrig; »überbleiben« (Graul).

Einer schreibt (Zeller) »Abschätzig« statt geringschätzig; und bedenkt nicht, daß abschätzen taxiren bedeutet: die niederträchtige Buchstabenzählerei macht sie blind gegen Alles. Ueberhaupt bedenkt sich Keiner bei der Sprachverbesserung; sondern Jeder schreibt hin was ihm eben durch den Kopf fährt, sobald er nur an den Fingern die Buchstaben abgezählt hat. – So oft man (wie jetzt täglich geschieht) Ein Wort die Stelle zweier vertreten läßt, die bis dahin 2 verschiedene Begriffe bezeichneten, verarmt die Sprache. –

Ich kann dies »allein« statt selbst. –

Statt »in der Kürze« ( ut brevi dicam) »kürzlich« ( nuper). Gött. gel. Anz. Sie schlagen die Sprache in Trümmern, wenn es gilt eine Silbe zu lukriren. –

»Einig« ( concors) statt einzig ( unicus) und statt einfach ( simplex). –

Statt daselbst setzt Einer bloß »da«, und zwar so, daß der Leser zuerst quum statt ibi verstehen muß.

Statt »Stelle« »Platz« – greift um sich. – Statt »verdorben« »verderbt«! Bloß aus Buchstabenzählerei. Schreibt doch auch gesterbt statt gestorben! –

»Ich fühle mich bewogen, diese Weise der Beurtheilung nur auf das Freudigste anzuerkennen«. (Marggraf, litt. Blätter, August [1858]).

bloß = pure, only
nur ist tantummodo. – Sprachverderbniß ist allemal ein sicheres Zeichen der Degeneration der Litteratur eines Volkes. Möchte doch der Unverstand sich irgend einen andern Tummelplatz suchen, als die deutsche Sprache! Denn nirgends ist das von ihm gesäete Unkraut so schwer, ja fast unmöglich auszurotten, wie hier, wo es nachmals sich an das Spalier der Gewohnheit klammert. Die impotenten Langbärte dieser erbärmlichen Nützlichkeitszeit drohen die deutsche Sprache auf immer zu verderben.

Sie schreiben ständig statt beständig: dann müssen sie auch Stand statt Bestand schreiben.

Statt »gegenwärtig, einstweilen, jetzt, zu jetziger Zeit« schreiben sie, höchst lächerlicher Weise, stets augenblicklich, und zwar thun sie es Alle, Einer dem Andern nach. Und dies ist die Schande. Denn wenn irgend ein Einzelner dergleichen grammatikalische und orthographische Idiotismen oder Solöcismen auf eigene Hand begienge; so wäre es eben seine Grille und er behielte doch die Würde der Originalität. Aber die bereitwillige, eifrige, allgemeine Nachahmung jedes hirnlosen Schnitzers ist das Herabwürdigende des Treibens. Diese allgemeine Einstimmung, dieses Chorusmachen bei jedem neu erfundenen Schnitzer ist eben das Verächtlichste. Denn die blinde Nachahmerei ist überall das ächte Stämpel der Gemeinheit: der grosse Haufe, der Plebs, wird fast in allem seinen Thun ausschließlich durch Beispiel geleitet und wird durch Nachahmung, wie das Automat durch Räder bewegt. – Eine besonders lächerliche Folge jenes Mißbrauchs des Wortes augenblicklich ist, daß wenn sie nun ein Mal im Ernst augenblicklich meynen; dann sagen sie »im Nu«: ein Wort aus der Kinderstube. Eine sehr ästhetische buchstabenersparende Verbesserung desselben ist »augenblicks«, welches ich, statt »jetzt«, wirklich gefunden habe: da es klingt wie Blix (Blitz), wird es figurativ und dadurch äußerst schön und nachahmungswürdig.

§ 11. Proskribirte Worte

Index verborum prohibitorum. Worte, die im Verschiß sind und Keiner anrühren darf: gewiß; – zugleich; wennso –; welcher, welche, welches; – daß ([dafür] »wie«); – allein (»einzig«); – im Stande seyn (»in der Lage«); – bei Weitem (»weitaus«); – ferner (»weiter«); – beinahe (»nahezu«, (Postztg.) sogar »nahebei« statt beinahe, Leipz. Repert., also das richtige beinahe auf den Kopf gestellt, ohne Profit, bloß um nicht Deutsch, sondern Litteratenjargon zu reden.) Ausgenommen (»außer«) – auch wo es Unsinn schafft. Ungefähr (»etwa« oder »beiläufig«: Beides falsch). Bezeichnen (»kennzeichnen«). Alle Perfekta und Plusquamperfekta: Wir setzen überall das Imperfekt: Sinn oder Unsinn – ! Gleichviel! wir zählen die Silben. –

Statt » ausgenommen Die, welche u. s. w.« schreiben sie (so unglaublich es scheint) » außer Die, welche«, – machen also einen sachgroben Schnitzen, um 2 Silben zu ersparen. [Variante:] Statt »ausgenommen« stets »außer«, z. B. » außer es wäre der Wille des Kaisers«; welches oft Unsinn liefert, indem man foris oder extra versteht, wo excepto gemeint ist. Dem analog schreiben sie statt seitdem bloß »seit«; z. B. »seit die Buchdruckerei erfunden ist« – ein Schnitzer. Wollte ein Engländer, ein Franzos, ein Italiäner etwas diesem Analoges probiren, – so würde er Spießruthen zu laufen haben. Aber bei den Deutschen geht es herunter.

Man nehme dazu, daß unter allen jetzigen deutschen Schriftstellern kein einziger ist, dessen Schriften sich eine Dauer auch nur von 50 Jahren versprechen können: und diese Menschen sind es, die ihre Tatzen in die Sprache drücken zum unauslöschlichen Andenken! –

Zu den proskribirten Worten gehören »gewiß« und »zugleich«; was sie gesündigt haben, weiß ich nicht. Schönes Beispiel: »Die Armeereduktion wird als sicher betrachtet«: – Dies besagt auf Deutsch, daß sie ohne Gefahr sei; – der Schreiber meint »gewiß«. –

Was das Wort Zugleich ( δμου, simul) unsern Skriblern gethan hat, weiß ich nicht: es ist aber verfehmt und wird, ohne Ausnahme, durch Gleichzeitig vertreten.

Ich nenne sie ohne Umstände Skribler, obwohl ich sehr wohl weiß, daß ihrer wenigstens 10000 sind: das intimidirt mich keinen Augenblick: der Pöbel war stets zahlreich, muß aber nichts destoweniger als solcher behandelt werden.

So springt denn Jeder mit der Sprache um, wie es ihm beliebt und zur Reform derselben hält kein Tropf sich für zu gering. – Und wenn ich gegen 10000 Skribler ganz allein stehe (wie es den Anschein hat); so will ich die Hundsfötterei, die mit der deutschen Sprache getrieben wird, nicht ungezüchtigt lassen.

§ 12. Substituirung des Imperfekts für jedes Präteritum

Die Substituirung des Imperfekts für jedes Präteritum verdient als eine Infamie gebrandmarkt zu werden. Es ist geradezu infam, eine Sprache dadurch zu verstümmeln, daß man ihr das Perfekt und Plusquamperfekt raubt; und Dies bloß um ein Paar Buchstaben zu lukriren! Erbärmliche, lumpige Knicker und unvernünftiges Vieh! –

»Nur ein Präteritum: das Imperfekt! und nur eine Präposition: für! An ihnen haben wir zwei Surrogate aller übrigen.« Dies ist die Losung unserer scharfsinnigen Sprachverbesserer. –

Das Imperfekt heißt so, weil es die Handlung bezeichnet, die noch im Fortschreiten, noch nicht vollendet ist: also soll man es nicht von vollendeten und abgethanen Handlungen gebrauchen. –

Daß der Gebrauch des Imperfektums statt Perfektums und Plusquamperfektums der Logik vor den Kopf stößt, beruht darauf, daß er das Vollendete und Abgethane als ein Unvollendetes und jetzt Geschehendes ausspricht; wodurch denn, im fernern Kontext, Widersprüche, ja Unsinn entsteht. –

Ist erwartet, statt wird: ersteres wäre bloß nachdem er angekommen richtig. –

Die Wortbeschneidungswuth ist allgemein: das weiß ich: aber ihr sollt wissen, daß das Allgemeine dem Gemeinen gerade so nahe verwandt ist, wie beide Worte es einander sind: daher man vor der Allgemeinheit keinen Respekt haben soll, – vielmehr das Gegentheil.

»Wenn wir nur ein Paar Buchstaben lukriren, – da mögen Grammatik, Logik und Menschenverstand zum Teufel fahren!« –

Die Vollkommenheit einer Sprache besteht darin, daß in ihr jeder Gedanke genau und deutlich, mit allen seinen Nuancen und Modifikationen, sowohl auf grammatischem, als lexikalischem Wege, ausgedrückt werden kann. Diese Vollkommenheit der deutschen Sprache zu rauben ist die Legion unserer hirn- und geschmacklosen Verballhorner derselben bemüht, mittelst Elimination ganzer temporum (Perfekt, Plusquamperfekt, 2tes Futurum), Wegschneidung der Präfixa, Suffixa, Affixa, Substituirung des kürzeren Worts für das richtige, sinnlose Zusammenkleisterung zweier Worte, und was dergleichen Streiche mehr sind, welche zwar wenig Verstand, aber viel Dummdreistigkeit erfordern. Läßt man sie walten, so wird die deutsche Sprache ein ärmlicher Jargon, wie die übrigen Europäischen Sprachen schon sind, – und der Verlust ist unersetzlich. –

Die Aufgabe jedes Schreibenden ist, daß der Gedanke, den er mitzutheilen hat, in den Worten wirklich und objektiv ausgedrückt sei; nicht aber, daß man ihn allenfalls daraus errathen könne: das Werkzeug dazu ist die Sprache in ihrer ganzen grammatikalischen und lexikalischen Vollkommenheit: diese aber eben suchen unsre Buchstabenzähler zu unterminiren, – und dünken sich klug dabei!

Und wenn sie nun auch mittelst aller Schliche, Pfiffe und Kniffe im Gebrauch falscher tempora, Auslassen zweckdienlicher Worte, Abknappen der Silben und Ausmerzen der Buchstaben, aller Grammatik und Logik zum Trotz, dem Leser zur Erschwerung des Verständnisses, dem guten Geschmack zum Hohn, – es wirklich dahin bringen, daß auf der Seite eine ganze Zeile erspart wird; – ist denn dieser Profit jene schweren Opfer werth? – Vielleicht ist in unsrer Gelehrten-Republik noch so viel Menschenverstand vorhanden, um hierüber richtig zu urtheilen.

§ 13. Auxiliarverba

Der seines geistigen Werthes sich bewußte Schriftsteller wird mit aisance schreiben und, in Hinsicht auf Partikeln, Silben und Buchstaben, sogar eine gewisse Liberalität zeigen, also keineswegs das Auxiliarverbum unterschlagen, oder »selbstverständlich« schreiben, sondern »es versteht sich von selbst«: denn er weiß, daß der geistige Gehalt jeder seiner Periode jedenfalls hinreicht, sie auch in extenso auszufüllen; Er wird Das, was er zu sagen hat, werth halten ganz und vollständig ausgesprochen zu werden; also nicht darauf bedacht seyn, hier ein Wort, dort eine Silbe, dort einen Buchstaben zu unterschlagen. Wie wenig Gehalt und Gewicht muß man doch seinen Gedanken beimessen, um zu meynen, sie könnten nicht das volle Quantum der ihnen entsprechenden Worte und Silben ausfüllen und tragen. –
Ein Gedanke muß des Raumes werth seyn, den sein Ausdruck einnimmt, ohne daß dieser verkürzt und dadurch verstümmelt zu werden braucht.
aber auf den deutlichen und vollendeten Ausdruck desselben wird er desto mehr bedacht seyn. – Hingegen der Skribler schreibt, mit dumpfen Bewußtseyn, seine aus schwankenden, unentschiedenen Ausdrücken und eingeschachtelten Perioden zusammengesetzte Phrase hin, und merzt nachher alle ihm entbehrlich scheinenden Auxiliarverba, Partikeln, Silben und Buchstaben aus, im Wahn ihr dadurch Koncision und Energie und specifisches Gewicht zu ertheilen. Eine eingerissene Verhunzung der Sprache ist ein chronisches Uebel, welches nachher sehr schwer zu kuriren ist; wird es aber nicht kurirt, so findet der später kommende, wirklich denkende Schriftsteller das Material zum Ausdruck seiner Gedanken verdorben vor. –

Was, in aller Welt, haben die Auxiliar-Verba (bin, ist, war, sind, haben, hatten) verbrochen, daß sie ausgelassen und übersprungen werden? – Der Leser muß sie, nothwendigerweise, aus eigenen Mitteln hinzufügen, und da Dies einige Ueberlegung erfordert, nimmt es 10 Mal mehr Zeit weg, als das bloße Lesen derselben. Also bloß auf die kostbare Quadratlinie Papier ist es bei dieser Oekonomie abgesehn. –

»Er ist gestanden, auch gelegen«: ein grober, hauptsächlich in süddeutscher Schreiberei grassirender Schnitzer. –

»Er ist gestanden! auch »gelegen«! sehr häufig: auch finde ich: »in seinem Plan gelegen gewesen war«, statt: » hatte«. (Nürnberger Korrespondent.) Solche grobe Schnitzer würde man in keiner andern Europäischen Sprache durchgehen lassen.

§ 14. Kakophonien

Gegen Kakophonien sind sie so unempfindlich, wie Ambosse, stopfen daher gern so viele Konsonanten, wie nur irgend möglich, auf einander, und am liebsten solche, die sich zusammen kaum aussprechen lassen: z. B. statt Beleuchtungsdienst – »Beleuchtdienst«. – Wenn sie nur wüßten, wie die deutsche Sprache klingt, in den Ohren Dessen, der sie nicht versteht und deshalb den Klang allein hört! – Ich weiß es. –

Ohr zerreissende und maulverzerrende Härten: »Felsgurt, Felsring, Felswand, Felsgrund« und statt Langeweile »Langweil«. –

Man sollte so einen Buchstabenknicker daguerrotypiren, während er Langweil ausbellt, um zu sehn, wie die gehäuften Konsonanten sein thierisches Maul verzerren. –

Gemsjagd, Felswand, freudlos: die weggelassene Silbe bezeichnete den Genitiv: zudem fühlen die Herrn Dickohr & Comp. nicht, daß das weggelassene n als liquida die Stelle einnehmen kann, welche der gewöhnliche Konsonant kakophonisch macht. –

Die Kniffe und Schliche, zu welchen unsre Druckschreiber greifen, um eine einzige Silbe zu ersparen, sind oft belustigend z. B. statt »es scheint, daß er vergessen hatte« schreibt so Einer: »er hatte, scheint's vergessen«, ohne daß die Kakophonie scheint's sein dickes Ohr verletzte.

Die Wurzel des Nebels ist, daß unsre Sprachverbesserer nicht eigentlich und ordentlich das Latein inne haben, denn bloß durch Lateinschreiben lernt man Respekt vor der Sprache haben, den Werth und Sinn der Worte erwägen (mit dem Latein läßt sich nicht so umspringen). Latein lernen heißt die menschliche Sprache überhaupt kennen lernen. –

»Menschthum« statt Menschenthum ist wie Gemsjagd, Felswand u. s. w. Sie eliminiren die liquida; was man nicht sollte: denn die liquidae können zu andern Konsonanten gesetzt werden, ohne eine Kakophonie zu verursachen: daher sagten unsere Vorfahren »Sunderzoll«; während unsere Hartohren sonder Schonung Sundzoll sagen. –

»Raubhorden« statt Räuberhorden: Ritter. »Friedbruch« statt Friedensbruch, so falsch wie kakophonisch. – Item »Friedensstand« statt zustand; »Farbfläche«. –

Zu dem schon Gesagten über Gemsjagd (man müßte dann auch sagen »Haasjagd«)., Felswand u. s. w. habe gefunden Folgendes: Deutschorden statt deutscher Orden (Gött. gel. Anzeigen). – Ueberdies aber ist die Anhäufung der Konsonanten zu vermeiden, oder wenigstens durch die Liquidae zu versetzen, in euphonischer Absicht. Dies haben unsre Vorfahren, als welche Ohren hatten, durchgängig beobachtet: z. B. sie schrieben nicht, wie erst seit ungefähr 20 Jahren geschieht, Sundzoll, nach Analogie von Elbzoll, Rheinzoll, sondern Sunderzoll, ebenfalls Felsenwand, Gemsenjagd. Ihre Nachkommen scheinen keine andre, als gewisse allegorische Ohren zu haben; [Variante:] Sie haben keine Ohren, sie haben keine Ohren, unsre Silben- und Buchstabenknicker! – es wären denn allegorische. so gefühllos sind sie gegen jede Kakophonie und können nicht Konsonanten genug zusammenhäufen, um sie mit Verzerrung ihrer thierischen Mäuler auszusprechen. Den Klang einer Sprache hört eigentlich nicht wer sie versteht: denn seine Aufmerksamkeit geht augenblicklich und nothwendig vom Zeichen zum Bezeichneten über, dem Sinn. Daher weiß nur wer, wie einst ich, das Deutsche nicht verstanden hat, wie häßlich diese Sprache klingt, die daher zum Singen die untauglichste ist: er wird demnach sich wohl hüten, ihre Kakophonien, durch Ausmerzen der Vokale oder der Liquidarum, zu vermehren. Welche Opfer haben doch die Italiänische und die Spanische Sprache der Euphonie gebracht!

§ 15. Gallicismen

Seitdem die Gesetzgebung den Buchhandel gegen Nachdruck geschützt hat, ist Schriftstellerei geworden was sie nie seyn sollte, ein Gewerbe, – ja, man möchte sagen ein Handwerk, welches allein dadurch florirt, daß das Publikum nur das Neue, wo möglich das heute Gedruckte lesen will, in dem dummen Wahn, daß es das Resultat alles Bisherigen sei, in Folge wovon es, statt der Schriften denkender Geister, oder wahrer Gelehrten, das Gesudel unwissender und gemeiner Buchhändlerlöhnlinge liest. Und diese Menschen sind es, welche jetzt die Sprache reformiren.

Da ihre einzige Sprachkenntniß ein wenig Französisch ist, zum Zweck der Zeitung, so erfüllen sie die Sprache mit Gallicismen, die sie dann immerfort im Maule haben: dergleichen sind »Tragweite«, i. e. la. portée »Rechnung tragen«, tenir compte; »gegenüber«, vis à vis de, statt: in Hinsicht auf. Die schmählichsten Gallicismen sind aber die grammatikalischen. –

Zu den Gallicismen gehören:

Von, als Ablativ statt des Genitivs. – Ist das Französische de. Dito statt aus: Z. B. von Berlin.

»Von« ist für sie die Übersetzung des Französischen de und kann daher überall im Deutschen stehn, wo dieses im Französischen. Nun aber muß in diesem bettelhaften romanischen Jargon das de so wohl den Ablativ, als den Genitiv versehn; weil nicht, wie im Italiänischen, jener durch da, dieser durch di ausgedrückt wird: das Französische ist aber im Stillen doch ihr beau ideal: daher wird nun im Deutschen der Genitiv durch von ausgedrückt, obgleich von im Deutschen unwiderruflich den Ablativ bezeichnet, wie da im Italiänischen; der Genitiv aber durch »des, der, des«, und die Flektion zu bezeichnen ist, wie durch di im Italiänischen: außerdem man schnitzerhaft schreibt, und zwar wie ein französischer Bedienter, der Deutsch gelernt hat. Sodann haben sie (und zwar ganz allgemein, vielleicht ohne Ausnahme) den dummen Aberglauben, daß man nicht 2 Genitive hinter einander setzen dürfe; sobald daher schon einer dasteht, fahren sie mit einem falschen Ablativ hinein, oft allem Menschenverstand zum Trotz. 20 Genitive kann man hinter einander setzen, und geschieht's in allen Sprachen: ôïõ ôïõ ôïõ .

Für, pour, pour, pour, alle Präpositionen vertretend. Par[erga] II bei 438.

»Dieser Mann, er ist«, – statt »der Mann ist«.

»Wenn er Dies thäte, er wäre verloren« statt: so wäre er verloren.

Widerliche Gallicismen: »in der Straße«. Straße ist via strata, also das Pflaster: daher auf der Straße. Aber dies wissen die Unschuldigen nicht, da sie kein Latein verstehn; wohl aber daß es heißt: dans la rue, – welche Kenntniß sie auch zeigen möchten. – Schändlicher Gallicismus: »er hatte Furcht«. Desgleichen das zum Ekel täglich wiederholte »Rechnungtragen«: tenir compte; statt berücksichtigen, in Anschlag, bringen u. s. w. [Variante:] »Rechnung tragen« (drei Mal auf jeder Seite, statt in Betracht nehmen, in Anschlag bringen, berücksichtigen u. dgl.) ist nicht bloß ein Gallicismus, sondern eine plumpe an sich und unmittelbar sinnlose Uebersetzung des tenir compte. Ebenso allbeliebt: »Die Tragweite« la portée; ist Gallicismus und dazu ein Kanonierausdruck, den man nur in besondern Fällen gebrauchen sollte, statt ihn bei jeder Gelegenheit aufzutischen. – Imgleichen »Früchte« statt Obst: es ist ein Vorzug, den die deutsche Sprache vor allen andern hat, daß sie die roh zu genießenden Früchte mit einem besondern Ausdruck bezeichnet und dadurch den Begriff derselben aussondert, wodurch die Rede sogleich bezeichnender und bestimmter wird: aber unsre Skribler duseln am liebsten im Nebel des Allgemeinen. Hingegen hat es mit dem Aufnehmen fremder Ausdrücke keine Noth: sie werden assimilirt. Aber gerade gegen diese wenden sich die Puristen.

– Sie schreiben statt Appellation »Berufung«: falsch! müßte heißen »Anrufung«: wollt ihr deutsche Michel seyn, so versteht wenigstens Deutsch. [Variante:] Statt Appellation schreiben sie Berufung Wer deutschmicheln will, sollte wenigstens Deutsch verstehn: es müßte heißen Anrufung. Berufung ist die eines Beamten zu einer Stelle. Aber Postzeitung 28. Octbr. 1858 sagt: »Die Berufung Proudhons an den Kaiserl. Gerichtshof wird zur Verhandlung kommen« – da muß man denken, er wäre als Beisitzer des Gerichtshofs berufen: – er ist der Delinquent und hat appellirt! –

Andrer Gallicismus: »Diese Leute, sie sind. – Die Sammlung besteht in« statt aus ( en). – »Italiänisch wissen« statt können. – Ich habe gefunden: »sie hatten Furcht«. Was würde man in Frankreich sagen, wenn Einer schriebe: ils se peuroient.

§ 16. Stil und Perioden

Ich habe hier bloß die Sprachfehler berücksichtigt und rede nicht von den bloßen Stilfehlern, welche die allgemeine Monomanie der Sprachabkürzung herbeiführt: da werden, wenn es gilt, 2 Worte zu ersparen, die verschränktesten, verrenktesten, peinlichsten und unverständlichsten Perioden zusammengesetzt, über deren Sinn nachmals der Leser brüten mag. [Variante:] Ich habe hier bloß die eigentlichen Sprachfehler und Wortverhunzungen gerügt. Außer diesen aber begegnet man überall einer Menge Stilfehler der ungeschicktesten Art, indem durch Auslassung notwendiger Worte, oder Wahl eines kürzeren, statt des rechten, ein überaus holperiges und schwer verständliches Geschreibe zusammen kommt, – augenscheinlich bloß im Dienst jener Monomanie, die Alles, Logik, Grammatik, Anstand, Grazie, Wohlklang mit Füßen tritt, um eine Silbe weniger zu setzen. Dies ist der beabsichtigte Triumph! O, ich soll mich aller zoologischen Gleichnisse enthalten!

Nur denke man nicht, daß dieses Sündenregister komplet sei: behüte der Himmel! da müßte es 3 Mal so lang seyn.

Denn mit der größten Leichtfertigkeit und Zügellosigkeit springt jeder Sudler mit der Sprache um, nach seinem Kaprice, und was gegen keine andere Sprache in Europa erlaubt wäre, ist es gegen die deutsche. –

Der Erfolg dieses Treibens ist, daß es, in deutscher Schreiberei, mit der Schwerverständlichkeit und Stumpfheit der Perioden immer ärger wird: oft weiß man gar nicht was der Schreiber sagen will; – bis man entdeckt, daß der Lump, um ein Paar Silben zu ersparen, Worte ausgelassen und seine Phrase gänzlich verrenkt und verhunzt hat.

So ein deutscher Schreiber nobler »Jetztzeit« denkt, vorkommenden Falls, gar nicht, wie doch sein Englischer, Französischer oder Italiänischer Kamarad, hinsichtlich ihrer Sprache, unfehlbar thun, darüber nach, ob was er jetzt eben hinsetzen will auch richtiges Deutsch, ja ob es überhaupt Deutsch sei: bewahre! solche Sorgen kennt man nicht mehr; ejusmodi nugas philosophus non curat, sondern jeder tintenklexende Lohnbube ist Herr und Meister über die Sprache, modelt und macht sie nach seiner Grille und seinem Halbthier-Belieben. Oder, regt sich etwan eine Skrupel, so erinnert [er] sich, daß ein andrer Sudler seines Gleichen ja so geschrieben hat: der ist ihm Cicero und Sallust. (Denn an der schleunigen und allgemeinen Nachahmung, die jeder Schnitzer findet, sieht man, daß sie sich gegenseitig bewundern.) Ich weiß nicht, welcher Ignorant zuerst aus Anlaß geschrieben hat, – sondern nur, daß dieser grobe Schnitzer alsbald enthusiastischen Beifall und Nachahmung fand etc. (Jetzt schreiben Einige »in Anlaß«!) So schreibt er z. B. »gedanklich« ein von ihm extemporirtes Wort, dessen Sinn er uns zu rathen giebt u. a. B. m. –

Man fühlt sich versucht, gelegentlich ein Paar Buchstaben, oder Silben, mehr zu setzen, als nöthig wäre; – um nämlich seine Verachtung der niederträchtigen Buchstabenzählerei an den Tag zu legen, in Folge deren alle Schönheit, alle Grazie und behagliche Leichtigkeit aus dem Deutschen Vortrage gewichen ist, indem der Schreiber auf nichts Anderes als die Ersparnis einer Silbe oder eines Buchstabens bedacht ist. Dann aber auch weil diese Skribler die Alten, diese ewigen Vorbilder des schönen und graziösen Stils nicht lesen und nicht lesen können. An der unglaublichen Schnelligkeit, mit welcher jeder neu ersonnene Sprachschnitzer in Umlauf kommt und, ehe man noch vom ersten Schreck über ihn sich erholt hat, uns schon aller Orten entgegenstarrt, sieht man was unsre Skribler lesen, nämlich nichts Anderes, als das so eben frisch Gedruckte: das ist ihre einzige Lektüre. Darum denken sie und schreiben sie Einer genau so, wie der Andere. –

Zum Erstaunen ist die Schnelligkeit, mit welcher die Sprachschnitzer sich einbürgern; kein selbstständiges Urtheil, Kenntniß, gesunder Sinn, Geschmack, die ihnen entgegenträten: nirgends. Kaum durch irgend einen Querkopf in die Welt gesetzt, wuchern sie überall, von allgemeinem Beifall begleitet. Kaum habe ich mich über einen Schnitzer entsetzt; so starrt er mir bereits aus jedem Buch, das ich aufmache, entgegen. Diese allgemeine, begeisterte Aufnahme und Nachahmung des Falschen und Abgeschmackten ist wirklich ein entsetzliches Symptom. Von den Schreibern dieses Zeitalters wird nichts auf die Nachwelt kommen, als bloß ihr Sprachverderb; – weil dieser sich forterbt, wie die Syphilis: es sei denn, daß es noch ein Häuflein denkender und verständiger Gelehrter gebe, der Sache bei Zeiten Einhalt zu thun. Wenn dies so seinen Fortgang hat, so wird man Ao. 1900 die deutschen Klassiker nicht mehr recht verstehn, indem man keine andere Sprache mehr kennen wird, als den Lumpen-Jargon nobler »Jetztzeit«, – deren Grundcharakterzug Impotenz ist. Weil sie nichts Anderes können, wollen sie die Sprache verhunzen. –

Statt »dieses, jenes, welches« allemal das: dies giebt dem Stil eine gewisse gemüthliche Bierstubennaivetät, die ihnen zusagt. – Man soll stets, soweit der Gegenstand [es zuläßt] in einem edlen Tone schreiben; wissend daß man zum Publiko redet und nicht zu seinen eigenen Gevattern. –

Eine allgemein beliebte Ungezogenheit – Beispiele erläutern bekanntlich eine Sache am besten – ist zu schreiben, wie ich jetzt geschrieben habe, also Eines dem Leser zu sagen anfangen und dann, sich selber in die Rede fallend, etwas Anderes dazwischen sagen. Man findet sie überall 3 Mal auf jeder Seite. Sie glauben vielleicht, ihrem Stil dadurch Lebendigkeit zu ertheilen. Dazu gehört mehr. – Beim Sprechen ist Dergleichen verzeihlich: aber wer schreibt, und zwar für das Publikum, soll zum Voraus seine Gedanken geordnet haben und sie in gehöriger Folge vortragen. Zudem giebt Jenes die widerliche Illusion einer Mittheilung, von einem Menschen, mit dem man nicht reden möchte. – Statt eurer Gedankenstriche – – macht lieber ehrliche Parenthesen, wenn ihr nicht im Stande seid, eure Gedanken geordnet vorzutragen. [Variante:] Es ist so schlecht und impertinent, wie heut zu Tage allgemein, – Beispiele werden jegliche Sache stets am besten erläutern – so zu schreiben, wie ich soeben geschrieben habe. Diese sogenannten Gedankenstriche, sonst nur Lückenbüßer für Gedanken, sind hier verschämte und daher auf dem Bauch liegende Parenthesen. Wer zum Publiko spricht soll vorher überlegt haben, was er sagen will und seine Gedanken geordnet haben u. s. w.

Eine Periode mitten durchzubrechen, um in die Lücke etwas nicht zu ihr Gehöriges einzuschieben, ist eine offenbare Ungezogenheit gegen den Leser, welche jedoch unsere sämmtlichen Schreiber sich alle Augenblick erlauben, weil sie ihrer Nachlässigkeit, Faulheit und Unbeholfenheit bequem ist: sie dünken sich dabei leicht, tändelnd, in angenehmer Nachlässigkeit. –

Was kann absurder seyn, als den guten Stil, den gehörigen Ausdruck, die Deutlichkeit, oder gar den Sinn einer Phrase Preis zu geben oder zu verkümmern, um ein Paar Silben zu ersparen. Nicht ein Mal den Wohlklang der Phrase soll man dafür hingeben. –

Nicht durch Weglassung von Buchstaben und Silben, sondern von unnöthigen Bei- und Zwischensätzen soll man nach Kürze streben.

 

Nachdem man, durch alle diese Streiche und Verwegenheiten, [§§. 1 – 16] sich gewöhnt hat, mit der Sprache umzuspringen, wie es beliebt und gefällt, wie mit einem herrenlosen Hunde; so gelangt man dahin, Sprachverbesserungen, die nicht den Zweck der Abkürzung und Buchstabenersparniß haben, aus blossem Muthwillen vorzunehmen: weil man nämlich an neuen Gedanken total bankrott ist, will man neue Worte zu Markte bringen, bloß um dadurch seine Originalität an den Tag zu legen. Manche von ihnen eingeführte neue Worte geben nicht ein Mal eine Buchstabenersparniß; sondern haben sich bloß eingefunden, weil unsere Schriftsteller doch gern etwas Eigenes haben möchten, und da sie mit eigenen Gedanken nicht dienen können, bringen sie eigene Worte. –
Man soll so wenig wie möglich neue Worte einführen; hingegen neue Gedanken so viel wie möglich: sie aber halten es umgekehrt.

Leistungen dieser Art sind z. B. folgende:

Durchgängig liest man Ansprache statt Anrede: aber Ansprechen ist etwas Anderes als bloß Anreden: es trägt nämlich den Begriff des Bittens in sich, ganz wie appellare: Anreden ist bloß alloqui. Hiebei ist keine Buchstabenersparniß; sondern bloß weil sie nicht gewöhnliche Worte gebrauchen wollen: ein grober Irrthum! Ungewöhnliche Gedanken in gewöhnlichen Worten, Das ist die Sache; nicht umgekehrt. –

»Unbill« statt Unbild ist gerade wie im 1sten Decennio dieses Jahrhunderts ein Schriftsteller (Prof. Schütz?) »ungeschlachtet« statt ungeschlacht schrieb, worüber damals Goethe herzlich gelacht hat. –

»Würde er kommen« statt »käme er« ist Deutsch, wie »wenn er kommen thun sollte«. Die Postzeitung vom

17. August 1857 schreibt: »Würde früher bekannt geworden seyn, daß« u. s. w. statt: »wäre früher bekannt geworden, daß«, und obendrein wird dieser Schnitzer auf Kosten der sonst so leidenschaftlich geliebten Silbenknickerei gemacht. »Wenn er dies thun würde«, statt thäte. (Götting. Gel. Anzeigen!) Sie thun es also aus reiner uneigennütziger Liebe zum Falschen, Verkehrten, Schleppenden und Abgeschmackten. Mit würde darf eine Periode nur dann anheben, wenn sie entweder eine Frage ist, oder das Verbum passive steht: daher kann man sagen: »würde er getödtet«, aber nicht: »würde er sterben«, sondern »stürbe er«. [Variante:] Durchgängig schreiben sie: » Würde er zu mir kommen, ich würde ihm sagen«, – statt »Käme er zu mir; so würde ich ihm sagen«, – Hiebei handeln sie ihrer Buchstabenknickerei gerade entgegen: aber sie wissen's nicht anders: so gänzlich ist ihnen alle Grammatik abhanden gekommen. Mit würde darf ein Satz nur anfangen, wenn das Verbum im passivo steht (»würde ich verurtheilt«) oder er eine Frage ist: (»würden Sie Dies thun?«) Aber Keiner bedenkt sich bei so etwas; sondern sein Universalargument ist: »hat doch Gevatter Hinze so geschrieben; also ist's Recht, daß ich, Kunze, auch so schreibe.« Handeln aus Beispiel, aus Nachahmungstrieb, – Stämpel der Gemeinheit! – Auffallend ist ein aus seiner Etymologie leicht verständliches Wort: »auffällig« besagt nichts und ist wie wenn man statt frappant frappeux sagen wollte; aber in Folge seiner besondern Albernheit hat es Gunst gefunden und auffallend gänzlich verdrängt. (jedoch »augenfällig«).

Die Wurzel des Uebels ist, daß die meisten Schriftsteller Litteraten, d. h. Schriftsteller von Profession sind, welche ihr tägliches Brod durch ihr tägliches Schreiben verdienen. Da muß nun der sehr kleine Vorrath ihrer Kenntnisse und der noch kleinere ihrer Gedanken immerfort herhalten, wieder aufgewärmt, anders zugerichtet, und mit scheinbarer Neuheit aufgetischt werden. Im Gefühl der Monotonie der Sache und des gänzlichen Mangels an neuen Gedanken suchen sie den Schein der Neuheit durch alle möglichen Mittel hervorzubringen und greifen so nach neu gemachten oder umgeformten alten Wörtern. Beispiele folgen. Aus dieser Klasse sind unsere meisten Sprachverbesserer: wir wollen sie daher mit der Hochachtung behandeln, die sie verdienen. Und von diesen Armen am Geiste soll die Sprache zugerichtet werden? – Und daß in Deutschland nicht eine Anzahl Gelehrter vorhanden ist, die sich der Sprache annehmen und Widerstand leisten, ist höchst deplorabel.

»Er hatte mißrathen« statt abgerathen! (Heidelberger Jahrbücher). –

Habe gefunden ein neues Substantiv »Gröbungen« für Grobheiten, und »handliche Uebersicht« (Centralblatt); ein neues Verbum »heeren«: scheint bedeuten zu sollen »ein Land mit einer Armee besetzt halten«; » Aufbesserung der Gehalte«, »Verliederung einer Provinz« – qu'est-ce? – »heiklich«, – »behäbig«? Sobald nämlich ein Ausdruck nur albern genug ist, darf er Beifall und Adoption hoffen. Jeder geringste Skribler und Sudler hält sich berufen, die Sprache zu verbessern und zu bereichern, nimmt daher keinen Anstand, ein Wort hinzuschreiben, das ihm eben durch den Kopf fährt und nie auf der Welt gehört worden. »Uebermögen« statt überwinden, schreibt Graul, Kural p. 8 u. 69; wie unverschämt!

»Von einer Sache die Sprache (Rede) seyn! (Postzeit.). – Es giebt keine muthwillige Verhunzung der Sprache, die sich heute nicht der niedrigste Schmierax ohne Umstände erlaubte; – weil er weiß, daß keine Prügel darauf gesetzt sind. Das litterarische Gesindel will originell seyn und kennt keinen andern Weg, als Worte in unerhörtem Sinn zu gebrauchen, oder sie zu verhunzen, oder neue einzuführen.–

Worte, die keine sind: »Bislang«. »Bislang« statt bisher, sinnlos. – »Beweise

erbringen« statt aufbringen. (Heidelberger Jahrbücher.) – »Nahezu«, statt beinahe, ist kein Wort, auch keine erlaubte Zusammensetzung: man sagt »nahe bei dem Baum«, nicht zu dem Baum. – Behäbig? – In »Bälde«, – » verwilligen« statt bewilligen; verwilligen ist gar kein Wort, hat auch keine Buchstabenersparniß, aber Herrn Schmierax gefällt es so, er dünkt sich originell dabei. Dann muß er auch versuchen statt besuchen, vernehmen statt benehmen sagen. –

Statt fortwährend – »forthin«. (Postzeit.) Statt anregen ibid. sehr oft »beregen«, welches gar kein Wort ist, auch nicht ein Mal Buchstaben erspart: das Präfix an bezeichnet aber überall den vorwärts treibenden stimulus, wie in antreiben, anspornen, anfeuern, anstiften, anfangen u. s. w. Dies nicht fühlend, nicht verstehend, setzt nun so ein schmierender Lump, ohne Grund oder Vortheil, ein ganz undeutsches Wort beregen, bloß aus dummen Muthwillen, um seine Autokratie über die Sprache zu beweisen, darzuthun, daß mit ihr jeder nichtswürdige Skribler umspringen kann, wie es ihm beliebt. Ich überlasse dem Leser zu entscheiden, was so ein Verfahren verdient.

»Diese Affaire kann man nunmehr als völlig bereinigt betrachten.« (Postzeit. 1858, Juni.) Was beschmutzt heißt weiß ich, etc.

 

Die angeführten Beispiele sind alle aus Büchern, Journalen und Zeitungen entnommen: auch wird an ihrer Authenticität wohl niemand zweifeln, da es gewiß keine άπαξ λεγομενα sind, vielmehr auch dem Leser fast alle schon vorgekommen seyn müssen. [Variante:] Alle angeführte Worte und Schreibarten sind keineswegs άπαξ λεγομενα; sondern der Leser wird sie schon oft genug, in Büchern, Journalen und Zeitungen gefunden haben.

Die Beispiele sind aus Büchern, Journalen und Zeitungen alle wirklich gefunden, wiewohl nicht citirt: man wird sie finden in jedem Buch, das man aufmacht: Alle beeifern sich: die Elenden glauben, das sei Fortschritt: es ist Fortschritt, wie der vom antiken Geschmack zum Roccoco.

Finale

Ich bin weitläuftig gewesen und habe geschulmeistert, wozu ich wahrlich mich nicht hergegeben haben würde, wenn nicht die deutsche Sprache bedroht wäre: an nichts in Deutschland nehme ich größern Antheil, als an ihr: sie ist der einzige entschiedene Vorzug der Deutschen vor andern Nationen, und ist, wie ihre Schwestern, die Schwedische und Dänische, ein Dialekt der Gothischen Sprache, welche, wie die Griechische und Lateinische, unmittelbar aus dem Sanskrit stammt. Eine solche Sprache auf das Muthwilligste und Hirnloseste mißhandeln und dilapidiren zu sehen von unwissenden Sudlern, Lohnschreibern, Buchhändlersöldlingen, Zeitungsberichtern und dem ganzen Gelichter des Federviehs, ist mehr, als ich schweigend ertragen konnte und durfte. Will die Nation nicht auf meine Stimme hören, sondern der Auktorität und Praxis der eben Angeführten folgen; so ist sie ihrer Sprache nicht würdig gewesen. [Variante:] Wenn aber den Deutschen die Auktorität die Sudler, weil ihre Zahl Legio ist, mehr gilt, als meine; so mögen sie ihrer Einsicht gemäß verfahren und diese dadurch an den Tag legen.

Schluß

Dies Sündenregister ist keineswegs vollständig: der geneigte Leser wird vielleicht noch ein Mal so viel hinzufügen können. Uebrigens ist, daß einige Tausend schlechter Skribler so schreiben, ohne alles Gewicht: das Falsche bleibt falsch, das Schlechte bleibt schlecht, und das Allgemeine ist dem Gemeinen verwandt. Hingegen läßt, in jeder Wissenschaft, jeder Irrthum, selbst wenn er Jahrhunderte gegolten hat, sich wieder vernichten: aber eine verdorbene Sprache ist nicht wieder herzustellen.

Ich fordere alle denkenden Schriftsteller auf, dieses ganze unverständige Treiben ausdrücklich und absichtlich zu verschmähen, also stets das bezeichnende und treffende Wort zu wählen, unbekümmert, ob nicht etwan ein anderes, von ungefähr ähnlicher Bedeutung und mit zwei Buchstaben weniger, vorhanden sei; sodann der Grammatik überall, besonders in Betreff der Tempora, Kasus und Präpositionen, ohne Knickerei, ihr volles Recht widerfahren zu lassen; überhaupt niemals Silben und Buchstaben zu zählen, sondern dies dem unwissenden Litteratenpack zu überlassen; – auf daß wir, neben dem eselöhrigen Jetztzeit-Jargon der Buchstabenzähler noch eine Deutsche Sprache behalten. Denn mit der Korruption einer Sprache ist es eine gefährliche Sache: ist sie einmal eingerissen und in Schrift und Volk gedrungen, so ist die Sprache nicht wieder herzustellen; so wenig wie ein durch Verwundung gelähmtes und geheiltes Glied. –

Das Tutti der Sprachverderber ist unberechenbar groß: allerdings könnt ihr meine Worte in den Wind schlagen, und die schöne Deutsche Sprache methodisch zu verderben fortfahren.

Dixi et animam salvavi.


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