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Kaum hatte er sich nachmittags an seinen Arbeitstisch gesetzt und den eben daliegenden anatomischen Atlas aufgeschlagen, als es klopfte und die Setzersgattin, die sich erbötig gemacht hatte, 133 sein Junggesellenheim zu betreuen, bei ihm eintrat und unter vielen Entschuldigungen die Bitte vorbrachte, ob der Herr Doktor nicht vielleicht die Gnade haben und ihr aus der Garderobe des leider verstorbenen gnädigen Fräuleins ein oder das andere Kleidungsstück schenken wollte. Gräsler runzelte die Stirn. Diese Person, dachte er, hätte eine solche, fast unverschämte Forderung nicht gewagt, wenn sie nicht wüßte, daß ich hier in meiner Wohnung Damenbesuche empfange. Er erwiderte ausweichend, daß er im Sinne der Verstorbenen deren Hinterlassenschaft vor allem Wohltätigkeitsanstalten zuzuwenden gedenke, doch habe er überhaupt noch nicht Zeit zur Nachschau gefunden und könne daher vorläufig keinesfalls etwas versprechen. Es zeigte sich, daß die Frau für alle Fälle den Bodenschlüssel mitgebracht hatte; sie überreichte ihn dem Doktor mit einem zudringlichen Lächeln, dankte so überschwenglich, als wäre ihre Bitte schon erfüllt worden, und entfernte sich. Da Gräsler nun einmal den Schlüssel in der Hand hatte, und er im Grunde froh war, für die nächsten leeren Stunden eine Art 134 Zeitvertreib gefunden zu haben, beschloß er, dem Bodenraum, den er seit Kinderzeiten nicht gesehen, einen Besuch abzustatten. Er stieg die Holztreppe hinauf, öffnete und betrat ein enges Gelaß, das durch das schräge Dachfenster so spärliches Licht erhielt, daß Gräsler sich nur allmählich zurechtfinden konnte. Überflüssiger und vergessener Hausrat stand in den dämmerigen Winkeln, die Mitte aber war von Kisten und Koffern erfüllt. Der erste, den Gräsler aufschloß, schien nichts zu enthalten als alte Vorhänge und Hauswäsche, und Gräsler, der ja doch nicht daran dachte, hier selber auszupacken und Ordnung zu machen, ließ den Deckel wieder fallen. Eine längliche sargartige Kiste, die er nun öffnete, ließ einen merkwürdigeren Inhalt vermuten. Gräsler sah allerlei beschriebene Papiere vor sich liegen, zum Teil in Aktenformat, Briefe in Umschlägen, größere und kleinere verschnürte Päckchen, und las auf einem dieser letzteren: Aus dem Nachlaß des Vaters. Es war Doktor Gräsler neu, daß seine Schwester dergleichen so sorgfältig aufbewahrt hatte. Er nahm ein zweites Paket zur Hand, das dreimal 135 versiegelt war, und auf dem mit dicken Lettern stand: Ungelesen zu verbrennen. Doktor Gräsler schüttelte wehmütig den Kopf. Bei Gelegenheit, dachte er, meine arme Friederike, soll dein Wunsch erfüllt werden. Er legte das Päckchen, das wohl Tagebücher und unschuldige Liebesbriefe aus der Mädchenzeit enthalten mochte, wieder an seinen Ort, und öffnete den dritten Koffer, in dem Tücher, Schals, Bänder und vergilbte Spitzen verwahrt waren. Mancherlei hob er empor, ließ es durch die Hände gleiten, glaubte wohl auch ein oder das andere Stück von Mutters oder gar Großmutters Zeiten her zu erkennen. Manches hatte die Schwester selbst, insbesondere in früheren Tagen getragen, und den schönen indischen Schal mit den gestickten grünen Blättern und Blumen, den ihm vor vielen Jahren ein reicher Patient bei der Abreise für die Schwester geschenkt hatte, erinnerte er sich, noch vor gar nicht langer Zeit auf ihren Schultern gesehen zu haben. Dieser Schal, ebenso wie manches andere taugte gewiß weder für die Druckersgattin, noch für eine Wohltätigkeitsanstalt – 136 aber um so besser für eine hübsche junge Dame, die so freundlich sein wollte, einem einsamen alten Junggesellen ein paar arme Heimatsstunden zu erheitern und zu versüßen. Er verschloß den Koffer mit besonderer Sorgfalt, den Schal aber legte er wohlgeglättet über den Arm, und ein vergnügtes Lächeln auf den Lippen, verließ er den allmählich in Dunkel versinkenden Raum.
Er hatte nicht lange zu warten, bis Katharina, ein wenig vor der festgesetzten Stunde, erschien, geradeswegs aus dem Geschäft, ohne sich erst schön gemacht zu haben, wie sie, sich scherzhaft entschuldigend, bemerkte. Doktor Gräsler freute sich, daß sie da war, küßte ihr die Hand und überreichte ihr mit einer humoristischen Verbeugung den Schal, der auf dem Tisch für sie bereitgelegt war. »Was soll denn das sein?« fragte sie wie erstaunt. »Etwas zum Schönmachen,« erwiderte er, »wenn man's auch nicht gerade notwendig hat.« »Aber was fällt Ihnen denn nur ein,« sagte sie, nahm den Schal in die Hände, ließ ihn zwischen den Fingern spielen, nahm ihn um, drapierte sich damit, betrachtete sich vor dem 137 Spiegel immer noch wortlos, bis sie endlich mit aufrichtigem Entzücken vor Gräser hintrat, zu ihm aufblickend, ihn mit beiden Händen beim Kopf nahm und seine Lippen an die ihren zog. »Ich danke Ihnen tausendmal,« sagte sie dann. – »Das ist mir nicht genug.« – »Also millionenmal.« – Er schüttelte den Kopf. Sie lächelte. »Ich danke dir,« sagte sie nun und reichte ihm die Lippen zum Kuß. Er nahm sie in die Arme und erzählte ihr gleich, daß er das hübsche Stück heute nachmittag auf dem Boden für sie herausgesucht, und daß sich wohl noch mancherlei in den Kisten und Koffern finden möchte, was ihr zum mindesten ebensogut zu Gesicht stünde wie dies. Sie schüttelte den Kopf, als wollte sie sich nie wieder ein so kostbares Geschenk gefallen lassen. Er fragte sie, wie der gestrige Abend ihr angeschlagen, ob es heute im Geschäft viel zu tun gegeben; und nachdem sie ihm alles, was er wissen wollte, vorgeplaudert, stattete er ihr, wie einer lieben, alten Freundin, einen Bericht über den heutigen Tag ab: daß er das Spital geschwänzt und statt dessen lieber im Stadtgarten 138 herumbummelnd, sich der fernen Zeit erinnert habe, da er dort als Kind noch zwischen den alten grasüberhangenen Wällen gespielt hatte. Dann kam er auf allerlei anderes aus seiner Vergangenheit zu reden, insbesondere halb zufällig, halb absichtlich auf die Zeit seiner schiffsärztlichen Tätigkeit; und wenn Katharina ihn durch kindlich neugierige Fragen nach Aussehen, Trachten und Sitten fremder Völker, nach Korallenriffen und Seestürmen unterbrach, so war ihm, als hätte er Dinge, die er kürzlich erst in höheren Sphären unter Beifall vorgetragen, für ein naiveres, aber um so dankbareres Publikum zu bearbeiten, und er nahm unwillkürlich Ton und Redeweise eines Märchenonkels an, der in dämmeriger Stube aufhorchende Kinder durch Erzählung merkwürdiger Abenteuer zu rühren und zu ergötzen sucht. Eben hatte Katharina, die, ihre Hände in den seinen, neben ihm auf dem Diwan saß, sich erhoben, um das Abendessen vorzubereiten, als draußen die Klingel tönte. Gräsler fuhr leicht zusammen. Was hatte das zu bedeuten? Seine Gedanken jagten. Ein Telegramm? Aus dem 139 Forsthaus? Sabine? War ihr Vater krank? Oder die Mutter? Oder war es etwas mit dem Sanatorium? Eine dringende Anfrage von seiten des Besitzers? Hatte ein anderer Käufer sich gemeldet? Oder war es am Ende Sabine selbst? Was wäre dann zu tun? Nun keinesfalls würde sie ihn länger für einen Philister halten. Doch junge Mädchen mit reiner Seele klingeln nicht zu so später Stunde an der Türe von Junggesellen. Gleich klingelte es, noch schriller, zum zweiten Male. Er sah Katharinens Blick auf sich gerichtet, fragend und unbefangen. Allzu unbefangen, wie ihm plötzlich schien. Es konnte wohl auch mit ihr zusammenhängen. Der Vater? Der Schwager, der angebliche Schwager? Eine abgekartete Sache? Ein Erpressungsversuch? Ah! Es geschah ihm recht. Wie konnte man sich in sowas einlassen. Alter Narr, der er war. Aber, – es sollte ihnen nicht gelingen. Er würde sich nicht einschüchtern lassen. Er hatte andere Gefahren bestanden. Teufel noch einmal. Eine Kugel war hart an ihm vorbeigeflogen auf einer Südseeinsel. Ein hübscher blonder 140 Seeoffizier war tot neben ihm hingesunken. »Willst du nicht nachsehen?« fragte Katharina und schien sich über seinen sonderbaren Blick zu wundern.
»Gewiß,« erwiderte er. – »Wer kann's denn sein – so spät?« hörte er sie noch fragen, die Heuchlerin, als er schon an der Türe war. Er schloß hinter sich zu und sah vorerst durch das Guckfenster ins Stiegenhaus. Da stand irgendeine Frauensperson barhaupt mit einem Licht in der Hand. »Wer ist da?« fragte er. – »Bitte sehr, ist der Herr Doktor zu Hause?« – »Was wünschen Sie? Wer sind Sie?« – »Bitte sehr, ich bin das Dienstmädchen von der Frau Sommer.« –»Ich kenne keine Frau Sommer.« – »Die Partei aus dem ersten Stock. Dem Kinde ist so schlecht geworden. Kann ich den Herrn Doktor nicht sprechen –?«
Gräsler öffnete aufatmend. Er wußte, daß eine Witwe Sommer mit ihrem kleinen siebenjährigen Töchterchen hier im Hause wohnte. Es war jedenfalls die hübsche Frau in Trauer, der er gestern noch auf der Treppe begegnet war, nach der er sich sogar umgedreht hatte – ohne sich 141 dabei irgend etwas Besonderes zu denken. »Ich bin Doktor Gräsler, was wünschen Sie?« – »Wenn der Herr Doktor so gut wären, die Kleine hat einen ganz heißen Kopf, und schreit in einem fort.« – »Hier in der Stadt übe ich keine Praxis aus, ich bin hier nur auf der Durchreise. Ich möchte Sie bitten, doch lieber einen anderen Arzt zu holen.« – »Ja, bis man einen bekommt in der Nacht.« – »Es ist noch nicht so spät.«
Ein Lichtschein von einer plötzlich geöffneten Tür fiel in den Flur des unteren Stockwerks; eine Flüsterstimme tönte herauf: »Anna.« – »Das ist die Frau Sommer selbst,« sagte rasch das Dienstmädchen. Sie eilte zum Geländer. »Gnädige Frau.« – »Wo bleiben Sie denn so lang? Ist der Doktor nicht zu Hause?« Auch Gräsler trat zum Geländer hin und blickte hinab. Die Frau unten auf dem Stiegengang, deren Züge im Halbdunkel verschwammen, hob die Arme wie zu einem Retter empor. »Gott sei Dank! Nicht wahr, Herr Doktor, Sie kommen gleich? Das Kind . . . ich weiß nicht, was mit ihm ist.«
142 »Ich – ich komme, selbstverständlich. Nur eine Minute bitte sich zu gedulden. Ich will auch gleich das Thermometer mitbringen; eine Minute, gnädige Frau –«
»Danke,« flüsterte es herauf, während Doktor Gräsler die Tür hinter sich schloß. Er trat rasch in das Zimmer, wo Katharina erwartungsvoll stehend, an den Tisch gelehnt, ihm entgegenblickte. Er war von tiefer Zärtlichkeit für sie erfüllt, um so mehr, als er sie früher in einem so schnöden Verdacht gehabt hatte. Sie erschien ihm rührend, engelhaft geradezu. Er trat auf sie zu und strich ihr über das Haar. »Wir haben kein Glück,« sagte er, »ich vielmehr. Denk dir, da werde ich soeben zu einem kranken Kind gerufen hier im Hause, ich kann natürlich meine Hilfeleistung nicht verweigern. So bleibt mir leider nichts anderes übrig, als dich zu einem Wagen zu bringen.« –
Sie ergriff seine Hand, die noch immer auf ihrem Kopf ruhte. »Du schickst mich fort?« – »Nicht gern, das kannst du mir glauben. Oder – oder würdest du am Ende auf mich warten wollen?« 143 – Sie streichelte seine Hand. »Wenn's nicht gar zu lange dauert?« –»Jedenfalls will ich mich beeilen. Du bist sehr, sehr lieb.« Er küßte sie auf die Stirn, holte rasch aus seinem Arbeitszimmer die schwarze Instrumententasche, die stets zur Benützung bereit lag, ermahnte Katharina, sich's indes schmecken zu lassen, sah sich von der Tür aus nochmals nach ihr um, die ihm freundlich zunickte, dann eilte er die Treppe hinunter in der beglückenden Voraussicht, nach seiner Wiederkehr aus dem düstern Ernst seines Berufs von einem holdseligen jungen Ding liebevoll empfangen zu werden.
Frau Sommer saß am Bett ihres Kindes, das sich fieberisch hin und her wälzte, als Doktor Gräsler eintrat. Er nahm, nach ein paar einleitenden Fragen und Bemerkungen, an der kleinen Kranken eine sorgfältige Untersuchung vor, nach deren Abschluß er sich genötigt sah, die Vermutung auszusprechen, daß ein Ausschlag zum Ausbruch kommen dürfte. Die Mutter gebärdete sich wie verzweifelt. Ein Kind hätte sie schon vor drei Jahren verloren, ihr Gatte war vor einem 144 halben Jahr auf einer Geschäftsreise in der Fremde gestorben; ja, sie hatte nicht einmal sein Grab gesehen. Was sollte nur aus ihr werden, wenn ihr nun das letzte geraubt würde, was ihr geblieben war. Doktor Gräsler erklärte, daß vorläufig kein Anlaß zu Befürchtungen vorläge, daß es vielleicht mit einer einfachen Halsentzündung sein Bewenden haben, daß aber ein so wohlgenährtes, kräftiges Kind auch einer ernsteren Krankheit genügenden Widerstand entgegensetzen könnte. So wußte er noch allerlei Beschwichtigendes vorzubringen und merkte mit Befriedigung, daß seine vernünftigen Worte ihre Wirkung auf die Mutter nicht verfehlten. Er verordnete das Nötige; das Dienstmädchen wurde in die nahe Apotheke geschickt: indes verweilte Gräsler am Krankenbette, von Minute zu Minute den Puls des Kindes fühlend, und öfters dessen heiße trockene Stirn berührend, wo seine Hand zuweilen der der besorgten Mutter begegnete. Nach längerem Schweigen begann diese von neuem ängstliche Fragen zu flüstern, der Arzt faßte väterlich ihre Hände, sprach ihr gütig zu, 145 mußte daran denken, daß Sabine nun wohl mit ihm zufrieden wäre, und merkte zugleich im grünlich matten Schein der verhängten Deckenlampe, daß das leicht fließende Hauskleid der jungen Witfrau sehr anmutige Formen barg. Als das Mädchen wiederkam, erhob er sich und wiederholte, was er schon beim Eintreten beiläufig erwähnt hatte, daß er die weitere Behandlung des Kindes zu übernehmen leider nicht in der Lage sei, da er schon in den nächsten Tagen abreisen müsse. Die Mutter beschwor ihn, mindestens so lange der Arzt des Kindes zu bleiben, als er noch in der Stadt verweile. Sie habe zu böse Erfahrungen mit den Ärzten hier am Ort gemacht, zu ihm aber habe sie sofort das rückhaltloseste Vertrauen gefaßt; und wenn irgendeiner, das fühle sie, sei er imstande, ihr das geliebte Kind zu retten. So blieb ihm denn nichts anderes übrig, als vorläufig für den nächsten Morgen seinen Besuch in Aussicht zu stellen, und, nachdem er noch eine Weile still beobachtend am Krankenlager des Kindes gestanden hatte, das jetzt ruhiger atmete, drückte er der Mutter herzlich die Hand und 146 empfahl sich, gefolgt von ihren dankbar heißen Blicken.
Rasch eilte er ins zweite Stockwerk, schloß seine Wohnung auf und trat ins Speisezimmer, das er leer fand. Sie hat rasch die Geduld verloren, dachte er bei sich. Das war zu erwarten. Vielleicht ist es gut so, da das Kind unten doch wohl eine ansteckende Krankheit bekommen wird. Das ist ihr wohl auch durch den Kopf gegangen. Freilich, Sabine wäre in einem solchen Fall nicht geflohen. Immerhin hat sie sich's vorher noch schmecken lassen. Er betrachtete den Tisch mit den Resten des Mahls, und seine Lippen zuckten verächtlich. Es wäre keine üble Idee, sagte er sich dann, sich nochmals in den ersten Stock zu bemühen und der hübschen Witwe Gesellschaft zu leisten. Er empfand, daß er bei ihr, in dieser Stunde noch, am Bette des fiebernden Kindes erreichen könnte, was er nur wollte, und war von der Verworfenheit dieses Einfalls nicht unangenehm durchschauert. »Aber ich geh' ja doch nicht hinab,« sagte er dann vor sich hin, »ich bin und bleibe ein Philister, was mir Sabine diesmal 147 vielleicht sogar verzeihen würde.« Die Tür ins Arbeitszimmer stand offen. Er trat hinein und machte Licht. Natürlich war Katharina auch hier nicht. Er drehte wieder ab; dann merkte er, wie durch den Türspalt aus dem Schlafzimmer ein Lichtschein drang. Eine leise Hoffnung in ihm regte sich. Er zögerte; denn jedenfalls tat es wohl, sich eine Weile an dieser Hoffnung zu erwärmen. Nun hörte er von drinnen ein Rascheln und Knittern. Er öffnete die Tür. Da lag Katharina oder saß vielmehr aufrecht in seinem Bett und sah von einem dicken Buche auf, das sie auf der Decke in beiden Händen hielt. »Du bist doch nicht böse,« sagte sie einfach. Ihre braunen, leicht gelockten Haare rannen aufgelöst über ihre blassen Schultern. Wie schön sie war! Gräsler stand noch immer in der Tür, ohne sich zu regen. Er lächelte; denn das Buch, das auf der Decke ruhte, war der anatomische Atlas. »Was hast du dir denn da ausgesucht?« fragte er, mit einiger Befangenheit näher tretend. »Es ist auf deinem Schreibtisch gelegen. Hätt' ich nicht sollen? Verzeih! Aber sonst wär' ich 148 vielleicht eingeschlafen, und da bin ich nicht wach zu kriegen.« Ihre Augen lächelten, ganz ohne Spott, – hingebungsvoll beinahe. Gräsler setzte sich zu ihr aufs Bett, zog sie an sich, küßte sie auf den Hals, und das schwere Buch klappte zu.