Maximilian Schmidt
Der Bubenrichter von Mittenwald
Maximilian Schmidt

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XII.

Es überraschte in Schändls Haus durchaus niemand, als die Blasin die Mitteilung machte, ihr Sohn sei infolge seiner Unpäßlichkeit nicht im stande, dem Verlobungsschmause beizuwohnen. Auch die alte Nandl mußte dafür danken, da sie angeblich die Pflege des Lautenmachers übernommen hatte, dessen Stube sie abgesperrt und zu welcher man nur durch ihre Kammer gelangen konnte. Sie gab vor, Jakl hätte selbst nach Ruhe verlangt und wäre nun in einen gesunden, stärkenden Schlaf verfallen. So nahm Jakls Mutter ganz allein an dem Mahle teil, wobei sie ein über das andere Mal bedauerte, daß Jakl die Bavesen nicht mehr frisch und warm bekäme und nicht mit seinem Bräutchen und seinen künftigen Schwiegereltern »auf einen gesegneten Haushalt« mit dem guten Wein anstoßen könne. Dafür stieß man fleißig auf des Bräutigams Gesundheit an und auf eine glückliche Zukunft.

Liesls Augen wurden freilich dabei immer naß, und ihre Mutter, die von heute an ebenfalls ganz für den Lautenmacher eingenommen war, suchte der Tochter durch liebende Worte Mut zuzusprechen. Aber des Mädchens bemächtigte sich mehr und mehr eine unbezwingliche Traurigkeit.

»I kann dir's nit verdenken, Liesl,« sagte der alte Schändl, »daß 's dir nit paßt, a Verlobungsfest ohne Bräutigam z' feiern. Aber mei', es kommt gar viel vor 153 auf der Welt; ma' muaß 's halt nehma, wie 's kommt. Am nächsten Sunnta sitz ma g'wiß alle vergnügt beisamm und deine Augen wern wieder naß wern, aber nit aus Traurigkeit, sondern aus Freud.«

»Heunt über acht Tag?« fragte Liesl. »Is mir 's dengerscht, als waar dös so lang, daß i's nimmer daleb'n könnt.«

»No', dös is scho' zum Daleb'n,« versetzte die Mutter lachend, und auch die Blasin lachte mit, indem sie der Nachbarin verständnisvoll zunickte.

Die beiden Frauen blieben nach dem Mahle beisammen sitzen und beratschlagten über die Hochzeit, über die Mitgift und darüber, wie es sich in Zukunft zwischen den Nachbarhäusern gestalten solle, deren alleinige Erben die zwei Verlobten waren.

Liesl dagegen zog sich gleich ihrem Vater in den obern Stock zurück, wo ihre Zimmer aneinander stießen. Der alte Schändl fühlte das Beben im Herzen seines Kindes in seinem eigenen Herzen nachzittern. Des Mädchens innerste Seele sprach zu ihm aus ihren Augen. Blickte Liesl heiter, so war es auch er; aber wenn ihr Blick umdüstert und traurig war, so bemächtigte sich auch seiner eine tiefe Traurigkeit. Die bösen Ahnungen, welche Liesls Herz wie mit düsteren Schatten umzogen, senkten sich auch in das Herz des Vaters, und da war es denn wieder seine beste Freundin, seine Viola, die ihm für Freud und Leid hörbaren Ausdruck gab, ihn ergötzte oder tröstete, je nachdem er ihr sein Innerstes anvertraute. Ihm war es kein totes Instrument, das er im Arme hatte, ihm war es die treueste Busenfreundin und er stellte öfters darüber seine Betrachtungen an. Ihm kam die Geige wie das 154 menschliche Gemüt vor, wie der Spieler sie behandelt, so dankt sie ihm. Sie kann zart und milde sein, aber auch wild, schreiend und stürmisch. Sie kann jubeln und tönen, so fein, daß es dem Gesange der Seraphime ähnlich, sie kann aber auch traurig sein, grollen und klagen. Der tiefste Schmerz hallt aus ihr so gut wieder wie die höchste Lust. Wer nur recht versteht, was sie zum Ausdruck bringen kann, dem erst erschließt sich ihre Seele, sie spricht zu ihm und zu seinen Hörern. So wird sie dem Spielenden die beste Freundin, und erst, wenn er sie als solche kennen gelernt, tönt sie voll und rein und entzückt ihn durch ihre Töne. Die Geige will angefaßt sein wie das Gemüt; wer sie linkisch und rauh anfaßt, wird nur rauhe und schlechte Töne hervorbringen; sie will auch gestimmt sein zu reinem Akkorde. Wie das Gemüt nur dann, wenn es harmonisch und rein gestimmt, den Menschen froh und lebensfreudig macht, so erklingt auch die Geige nur dann schön, wenn ihre Saiten zusammenklingen und passen. Wie die Saite reißt, wenn sie überspannt wird, so vermag auch das menschliche Gemüt nur einen gewissen Grad von Anstrengung zu ertragen. Je mehr die Geige gespielt wird, desto besser wird ihr Ton, gleichwie der Mensch durch körperliche und geistige Arbeit gestärkt und veredelt wird.

War es die trübe, regnerische Witterung oder die Ereignisse des Tages, die schlimmen Nachrichten über die heranrückende Seuche, es wollte ihm heute nichts Heiteres gelingen; fortwährend drängte es ihn zum Spielen des Beethovenschen Trauermarsches, bis er endlich dieses wundervolle Tonwerk ganz und mit aller Weihe durchführte.

Liesl hatte leise die Thüre ihrer Kammer geöffnet 155 und lauschte mit gefalteten Händen und mit Thränen in den Augen dem Spiele des Vaters.

Nachdem er geendet, legte sie die Hand auf die Schulter des kleinen Männleins und sagte:

»Vata, du spielst so lebendi und wahr, daß ma förmli 'n Sarg siehgt, dem die Trauermusi vorangeht.«

»Was für an' Sarg?« fragte der Alte zerstreut.

»'n Jakl sein' Sarg hon i g'sehgn im Geist,« erwiderte Liesl, »wie 'n d' Bubenbruderschaft zum Grab g'leit't.«

»Liesl!« rief jetzt der Vater verweisend und aufs höchste erschrocken; »wie kannst so was ausdenken! Freili, i bin selm dran schuld, warum spiel i solch traurigs Zeug! No', wart, i wer ge iatz ummi schaug'n zum Jakl und nachfrag'n, wie's eam geht. I will di scho' wieder lachat machen; ans Leb'n, nit ans Sterb'n sollst denken. Glei bin i wieder dahoam.«

Er setzte seine Hauskappe auf und eilte ins Nachbarhaus.

Nandl gab ihm die beste Auskunft über Jakl, der so ausgezeichnet gesund schliefe, daß sie ihn unmöglich wecken könne. Dagegen wolle sie ihm die dreihundert Gulden, welche ihr Jakl für Schändl eingehändigt, als Abschlag an seiner Forderung übergeben. Der Geigenmacher konnte sich gar nicht genug wundern, wie es Jakl möglich geworden, schon in den wenigen Tagen einen solchen Verdienst erzielt zu haben. Er wies aber das Geld zurück mit den Worten: »Was dös Geld anlangt, so wern wir bald quitt sein mitanand. Er soll si nur recht erhol'n. Heunt in acht Tag is d' Verlobung, und in sechs Wochen – dös sagst eam extra – is der Hochzettag von mir ang'setzt. Da soll's 156 fidel wern, Nandl, da tanz'n ma aa no' mitanand 'n Polsterltanz – nit a so?«

»Meiz, Nachbar, i hon's Tanzen verlernt,« gab die Alte ausweichend zur Antwort.

»Aber 's Singa hast no' nit verlernt, gel?« lachte Schändl; »und 's Liadl dichten, wie's d' es so schö' kinna hast. Erst vor etli Tag hab'n ma dei' Liad von anno Fünfe g'sunga auf der Wiesmad draus.«

»Ge, du tribulierst mi! Wer denket no' an dös Liad?«

»Oana, auf den's d' nit rat'st: der Zunderer Michl. Und schö' hat er's g'sunga, völli d' Aug'n san eam überganga vor lauter Begeisterung.«

»Is's mögli? Der alte – Mensch?«

»In no', dös därf di nit verdriaßen; du hast es ja seinerzeit dicht't für die ganz Welt und für 'n Michl hast koa' Ausnahm g'macht. Is's nit a so? Grüaß ma 'n Jakl schö', wenn er aufwacht, von mir und der Liesl. Dös Deandl wird ma ganz trauri. O mei', Nandl, Zeit is's, daß 's amal zamkemma, unsere Kinda.«

»O, waar 's scho' ferden (voriges Jahr) der Fall gwen!« seufzte Nandl.

»I hon's nit verzögert,« beteuerte Schändl; »'n Jakl sei' Muatta hat si halt nit geb'n woll'n, und mei' Alte hat aa gern »na« g'sagt; aber heunt san ma alle unter oan Huat. Und so b'hüat di, alte, treue Seel, und schau auf unsern Jakl, daß eam nix abgeht.«

Nachdem Schändl das Haus verlassen, setzte sich die Alte in einen Lehnstuhl und dachte darüber nach, was ihr der Nachbar von ihrem Volkslied gesagt und wie der Zundermichl dasselbe mit Begeisterung gesungen habe. Dies berührte sie ganz eigentümlich.

157 »Er hat dengerscht no' a Fäserl a Herz,« sagte sie sich mit Befriedigung. »I werd eam dös vergelten, so bald si a Glegnat find't.«

Dann schloß sie die Augen und wand die spärlichen Blüten ihres Lebens sorgsam zu einem lieblichen Kranze der Erinnerung.

Schändl aber heiterte durch seine gute Nachricht über Jakls Befinden die arme Liesl wieder auf, und bald war sie nicht mehr wie vor einer Stunde voll düsterer Ahnungen, sondern sah sich mit der Brautkrone geschmückt, glücklich, selig. Und der Vater fand dieser glücklichen Stimmung entsprechende Weisen auch auf seinem treuen Instrumente.

Den nachmittägigen Gottesdienst besuchten Vater und Tochter, diese in der kleidsamen Mittenwalder Tracht mit grünem Bandhütl, zusammen; und da der Regen inzwischen aufgehört, kehrten sie nicht sofort wieder heim, sondern machten einen Spaziergang auf der prächtig gehaltenen Straße gegen Scharnitz zu.

Da kam aus dem zunächst dem Zollamte gelegenen Wirtshause der Zundermichl, wie es schien, noch in ziemlich nüchternem Zustande. Er grüßte ehrerbietig den Geigenmacher und seine Tochter und letztere rief ihn heran, um ihm ein Trinkgeld zu geben, denn sie wußte wohl, wie er heute beim Bubengericht zu Gunsten Jakls ausgesagt, trotzdem er vom Ankläger als Zeuge herbeigebracht wurde.

»O, bitt schö',« sagte er, »dös hon i nit verdeant. Heunt hon i nit Heu g'stampft; aber auf Abschlag für künftige Arbet nimm i's. Vergelt's Gott!«

158 »Wo steuerst denn no' hin heunt?« fragte ihn der Geigenmacher.

»Am liabsten bleibet i dahoami,« meinte Michl, »denn mir is nit gar extri heunt. Aber unseroana hat halt seine eigna Gaang.« Und leise fügte er bei, dabei nach dem Zollamt schielend: »In d' Leutasch muaß i no' ummi. Braucht's aber neamd z' hör'n.«

»Ah so!« entgegnete Schändl. »Der Zunderhandl führt di g'wiß nit ummi, und der Mittenwalder Schnaps, moan i, waar grad so guat, wie der vom Bruckenwirt drent. No' ja, mi geht's nix an. B'hüat di der Himmi.«

»Aa so viel – aa so viel!« gab der Alte zurück. »Gelt's Gott! I werd' scho' trinken auf Enka Wohl und der Jungfer 's ihra, g'wiß is's wahr. B'hüat Gott!«

Und er stieg gegen die Schießstätte zu.

Am Zollamtsschlagbaum stand der Einnehmer mit einem Grenzaufseher, welche dem Schlemmer nachsahen, und Liesl glaubte genau zu vernehmen, wie der letztere zum erstern sagte:

»Mit dem red'n ma' heunt nacht aa no' a Wörtl am Franzosensteig.« Dann sprachen beide leise mit einander.

Liesl knüpfte daran seltsame Vermutungen, über die sie auch mit dem Vater sprach. Aber dieser meinte, da der Zunderer nachts meistens betrunken von seinen Gängen heimkehre, möchte wohl die Aeußerung des Grenzwächters, der bei seinen nächtlichen Patrouillen sicher oft mit dem alten Lumpen zusammentreffe, darauf Bezug haben. Liesl dagegen glaubte aus den Mienen des Grenzwächters und seinem Geflüster mit dem Einnehmer entnehmen zu müssen, 159 daß man den Zunderer auf verbotener Thal ertappen wolle, und dies konnte nur eine Pascherei sein.

»Geh'n ma dem Alten nach und warna ma 'n,« meinte Liesl gutherzig; »s 'kost't uns nix und leicht bringt's den arma Mo aus ara G'fahr.«

»Ja, dös thuan ma'!« pflichtete der Vater seiner Tochter bei; »dös is nit mehr als christli', wenn ma' 'n von a schlechten That abhalten, weil er sunst dawischt wird.«

Sie gingen also dem Zunderer nach und holten ihn auch bald auf dem steil ansteigenden Bergweg ein, den er sich auffallend mühselig hinanschleppte.

»Michl,« sagte der Geigenmacher, »du därfst mir scho' vertraun, du kennst mi. Also hör mi an: wenn du heunt auf der Leutasch über'n Franzosensteig ebbas ummapaschen 160 wollt'st, so laß 's lieba gehn. Es muaß beim Zollamt verraten sei'; d' Aufseher passen dir auf.«

»Wahrhafti?« fragte der Zunderer erschrocken. »Dös waar zwida. Oes habt's nit unrecht, es is was dran. Meinoad, es is was dran.«

»No', so laß 's bleib'n,« versetzte Schändl. »G'warnt bist; sei g'scheit.«

»Höllseiten!« sagte der Alte leise;»wenn's nur grad der ander aa wüßt, den i nachts droben am Alpelberg erwarten und an' extrig'n Steig weisen muaß. Es handelt si da um mehr als tausend Gulden Seidenwar – Höllseiten!«

»So wirst wissen, wie's d' eam's beibringst,« meinte der Geigenmacher.

»Dös woaß i nit,« entgegnete Michl. »Mir is woltern unguat heunt, mei' Magen is nit in Richtigkeit, nit amal d' Sulz hat ma g'schmeckt im Wirtshäusl unt, und der Schnaps kimmt ma vor, als hätt' er mir d' Freundschaft aufg'sagt. Wenn's nit oana waar, für den i mei' Leb'n lasset, machet i a so heunt koan Schritt mehr; 's is ma a so in die Füaß, als müaßt i alle Bot umsinka. Aber da fallt mir was ein! Schickt's Oes ebban ummi in d' Leutaschmühl zum –«

»Na', na', sei staad!« unterbrach ihn rasch der Geigenmacher; »wir woll'n nix wissen von deine G'heimnis. Du bist g'warnt, der ander geht uns nix an.«

»Dös is's eben, der geht Enk mehr an, als mi,« versetzte Michl. »I soll's freili nit verraten, aber i fürcht, i kann's nimmer damachen in d' Leutasch ummi, und er muaß g'warnt wern. Was saget d' Nandl dazua, wenn i 'n Jakl warna kunnt und thaat's nit.«

161 »Nandl? Jakl?« fragten Schändl und seine Tochter verwundert.

»No' ja, der Blasi Jakl is der ander,« erklärte Michl einfach.

»Dös is a schamlose Lug!« rief Liesl empört.

»Schänd's mi nur, es is dengerscht a so,« behauptete der Zunderer.

»Du hast an' Rausch,« meinte der Geigenmacher.

»Dös Mal nit, g'wiß nit!« versicherte der Alte.

»Der Jakl thuat Nummer oans so was nit,« fuhr der Geigenmacher fort, »und Nummer zwoa is er krank und liegt dahoam im Bett.«

»Da seid's g'schlenkt (getäuscht)!« antwortete der Zunderer schmunzelnd. »Nummer oans hat der Jakl die ganz Wocha über mit mir pascht und Nummer zwoa liegt der Jakl nit dahoam, dös kann i enk beschwörn.«

»Du abscheulicher Verleumder!« rief Liesl erzürnt.

»Abscheuli bin i scho', aber verleumden und verraten thua i neamd; i sag's grad enk, weil i woaß, daß's ös 'n Jakl nix gschehgn laßt's, denn i hon 'n Jakl gern. Um mi waar's nit schad. Was liegt mir dran, ob's mi dawischen oder nit. Nehma könna's ma nix, weil i nix hab', und wenn's mi einsperr'n, nacha müassen's ma z' essen geb'n. Aber 'n Jakl is viel z' nehma: d' Reputation und 's Vermögen. Den därf ma nit sitzen lassen. I brauch enk nit dazua. I schick halt ebban andern ummi in d' Leutasch. Aber nacha woaß 's halt wieder oana mehr, und 's waar halt scho' guat, wenn's nit weiter bekannt weret.«

»Ge, Vata, geh' ma hoam!« bat Liesl. »D' Nandl 162 muaß uns zum Jakl einilassen, und nacha wern wa's ja hör'n, ob uns der Michl zum Narr'n g'halten hat.«

»Ja, dös thuat's,« versetzte der alte Schlemmer. »Und nacha schimpft's recht über den alten Lumpen. Aber vorher wart's es ab, wie si die Sach g'stalt't. Kimm i nimmer weiter, so bleib i drob'n am Höllkapellein lieg'n, bis's mir Botschaft thuat's, daß der Jakl dahoam is, was i selm um meisten wünschet. Aber er is nit dahoam. I hon 'n selm um Mittag g'sehg'n, wie r er si furtg'schlichen hat, auf Ehr und Seligkeit! B'hüat Gott! Nix für unguat!«

Und er stolperte mühselig weiter. Der Geigenmacher und seine Tochter aber schlugen doch eiliger, als sie es sonst gethan hätten, den Weg nach Hause ein.

»So is's,« sagte Schändl unmutig, »söchane Lumpen soll ma laufen lassen. Wir hab'n 'n g'warnt aus Barmherzigkeit und er macht si dafür mit uns an' Spaß.«

Auch Liesl äußerte sich in der schärfsten Weise über den alten Verleumder. Aber zu Hause angekommen, war doch ihr erster Gang ins Blasi-Haus zu Nandl, um sich nach Jakl zu erkundigen.

Nandl erzählte die alte Geschichte, that, als ob sie sich freue über Jakls gesunden Schlaf und seine sicher baldige Genesung.

Liesl aber trat rasch zur Thüre, die in Jakls Kammer führte, und öffnete dieselbe.

»Deandl, was machst?« schrie Nandl erschrocken.

Aber Liesl hatte sich bereits überzeugt, daß Stube und Bett leer waren. Wie gebannt blieb sie auf der Schwelle stehen.

163 »Nandl,« sprach sie mit bebendem Lippen, »du hast mi ang'log'n. Wo is der Jakl?«

»No', so in Gottsnam, i kann's nit ändern, und luign mag i nimmer. Drent in der Leutasch is er.«

»Also doch!« rief Liesl. »I woaß aa, was er drent thuat – paschen will er heunt nacht.«

Nandl, die bei den ersten Worten heftig erschrak, beruhigte sich wieder etwas.

»Ja, so is's, so hat er's vorg'habt,« bekannte sie.

»Es is verraten worn. Mei' liawa Himmi, wie eam nur so was eing'fall'n is?«

»Dös is eam eing'fall'n, weil er mit aller G'walt sei' Schuld dein' Vatan zahl'n will; dös laßt eam koa' Ruah mehr Tag und Nacht.«

»O, mei' liawa Bua, wie kommst auf so was!« rief Liesl händeringend. »Aber da is koa' Zeit mehr zu verlier'n, er muaß g'warnt wern, geht's, wie 's will. Er därf nit in Schand und Straf kemma weg'n meina.«

»Is dös alles, was d' woaßt?« forschte Nandl.

»Is's nit gnua?« gab Liesl zurück. »Jeder Augenblick kann 'n in G'fahr bringa. B'hüat di Gott, Nandl; i werd sorg'n, daß eam nix passiert.«

»Wie willst dös macha?« fragte Nandl besorgt.

»Mei' Lieb wird mir scho' 's rechte finden lassen,« versetzte das Mädchen. »In der Not bewährt si 's Herz, und mei' Herz g'hört 'n Jakl.«

Damit eilte sie aus der Stube.

Nandl aber machte ihr das Zeichen des Kreuzes nach und sagte:

»Gott stärk dei' Herz, du brav's, arm's Deandl.« 164


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