Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

10. Siegesfest.

Eustachius beschloß, das siegreiche Heer durch solche Gegenden nach Italien zurückzuführen, die durch den Krieg nicht gelitten hatten. Er schickte einen Trupp Reiter voraus, in den Städten und größeren Ortschaften die Annäherung des Heeres anzumelden, bequeme Plätze zum Lager aufzusuchen und Anstalten zu guter Verpflegung der Soldaten zu treffen. Die Reiterschar kam auf diesem Zuge zu einer ansehnlichen, wohlgebauten Stadt, in der sich die römischen Kaiser auf ihren Zügen ins Morgenland manchmal einige Tage aufzuhalten pflegten und sie deshalb mit einem sehr schönen Palaste geziert hatten. Die Stadt war von einer starkbefestigten Burg beschützt, anstatt der Ringmauern aber mit prächtigen Gärten umgeben. Das schöne, grüne Tal, in dem sie lag, war reich an hohen, schattenreichen Bäumen, die bei der glühenden Mittagshitze die angenehmste Kühlung gewährten. Reichliche Quellen kristallhellen Wassers dienten dazu, auch zur heißesten Jahreszeit Bäume und Gewächse grün und blühend zu erhalten.

Die Einwohner der Stadt, unter denen sich mehrere reiche Kaufleute befanden, waren wegen des Krieges sehr in Sorgen. Seit langer Zeit hatten sie keine sicheren Nachrichten von dem römischen Heere vernommen. Es ging bloß die Sage, daß es trotz aller Verstärkungen, die ihm zugeschickt worden, nicht vorzudringen vermöge, nur noch zwischen Felsen und Morästen Schutz suche und sich gegen die unermeßliche Anzahl der Feinde wohl nicht mehr lange werde halten können. Ja, vor einigen Tagen war ein Kaufmann, der große Lieferungen zum Kriegsheer übernommen hatte, äußerst bestürzt zurückgekommen und hatte versichert, das römische Heer habe zwar einen Angriff auf die Feinde gemacht, sei aber von der Übermacht dieser Barbaren mehrere Meilen weit zurückgeschlagen worden. Von diesem Rückzuge sei er selbst Augenzeuge gewesen. Er habe sich aber eilends davongemacht und würde früher angekommen sein, wenn auf dieser schnellen Flucht seine Lasttiere von der zu großen Anstrengung nicht erlegen wären.

Die Bürger waren über diese traurigen Kriegsnachrichten sehr bestürzt – und als sie nun abends in der Ferne große Staubwolken aufsteigen sahen, aus denen Waffen hervorblitzten, so schrie groß und klein mit Entsetzen: »Der Feind! Der Feind!« Es war ihnen nicht anders, als sähen sie ihre schöne Stadt schon plündern, als schlage die Flamme der brennenden Häuser schon zum Himmel empor. Allein als die gefürchteten Krieger nunmehr in der Stadt ankamen – als die Bürger in ihnen ihre Freunde und Beschützer erkannten, – als die Soldaten versicherten, jener Rückzug sei nur eine wohlgelungene Kriegslist gewesen – als sie dem Volke freudig und freundlich zuriefen: »Wir sind nicht nur Siegesboten, sondern zugleich Boten des Friedens!« – da verwandelten sich Angst und Schrecken in unbeschreibliche Freude. Alles jauchzte und jubelte. Die Bürger wetteiferten, die wertgeschätzten Gäste aufs beste zu bewirten. Der Magistrat schickte augenblicklich Abgeordnete an den Feldherrn, ihm zu dem erhaltenen Siege Glück zu wünschen und ihn einzuladen, er wolle mit seinem tapferen Heere in ihrer Stadt und deren schönen Umgebung nicht nur einen, sondern mehrere Tage von den Beschwerden des Krieges rasten. Alles, was sie hätten und vermöchten, stehe ihren Rettern zu Gebot.

Am andern Tage, als die Sonne bereits hoch am Himmel stand, näherte sich das Heer der Stadt. Auf den frischgemähten Wiesen umher wurde ein Lager geschlagen, und bald erblickte man unabsehbare Reihen von weißen Zelten; der Feldherr aber, von einem ansehnlichen Gefolge, von vielen Hauptleuten und seinen zahlreichen Leibwachen begleitet, ritt in die Stadt. Die Bürger hatten alles aufgeboten, ihn würdig zu empfangen. Die Straßen waren mit frischem Laube bestreut, und die Marmorsäulen des kaiserlichen Palastes, der ihm zur Wohnung bestimmt war, mit grünen Lorbeerzweigen und dazwischen mit bunten Blumenkränzen umwunden. Jünglinge, mit Ölzweigen in der Hand, und Jungfrauen, mit Blumen bekränzt, sangen Siegeslieder, und nach jeder Strophe erscholl der jauchzende Zuruf der Volksmenge und der Jubel der Trompeten. Der Vorgesetzte der Stadt, der Präfekt, ein alter, ehrwürdiger Mann, überreichte dem Feldherrn einen Lorbeerkranz. Eustachius nahm den Kranz, der bloß aus zwei reichbelaubten Lorbeerzweigen zusammengefügt war, zerteilte ihn und gab jedem der zwei Hauptleute, die neben ihm ritten, einen Zweig. »So,« sprach er, »teile ich diesen Kranz mit euch. Ihr habt ihn nicht weniger verdient als ich. Ich wünschte,« fügte er noch bei, indem er sich zu den übrigen Hauptleuten wandte, »so mit dem ganzen Kriegsheere, das den Sieg mit mir teilte, auch diesen Lorbeerkranz teilen zu können.«

Unter den zahlreichen Einwohnern der Stadt befand sich nun auch – die für tot ausgegebene Gemahlin des gepriesenen Feldherrn, die vortreffliche Theopista.

Allein der allgemeine Jubel machte sie, so sehr sie sich des Sieges und noch mehr des Friedens freute, dennoch sehr traurig. Sie diente in einem der reichsten Häuser als Sklavin, wohin sie von einem Sklavenhändler verkauft worden. In ihrer Abgeschiedenheit wußte sie nicht das geringste davon, daß ihr Gemahl, den sie vor fünfzehn, ja bereits sechzehn Jahren unter sehr betrübten Umständen verlassen mußte, wieder zur Würde des obersten Feldherrn gegen die Parther erhoben sei. Als sie am Morgen dieses feierlichen Tages in dem Garten, der vorzüglich ihrer Pflege vertraut war, ganze Körbe mit Blumen füllte und zur Verherrlichung des Festes den wartenden Sklaven überlieferte, war es ihr einziger Gedanke: »Ach solche Feste wurden einst meinem Gemahl, dem trefflichen Plazidus, meinem geliebten Eustachius, gegeben, wenn er siegreich aus dem Felde zurückkehrte!« Wie hätte sie denken können, dieses Siegesfest gelte ihm, diese Blumen pflücke sie für ihn!

Da es nun mit einem Male hieß: »Er kommt!« da alles Volk eilte, lief und sprang, ihn und seine tapfern Streitgenossen zu sehen, mußte sie unausgesetzt in der Küche arbeiten, wo für diejenigen Hauptleute, die heute in dem Hause speisen sollten, ein großes Gastmahl bereitet wurde. Sie vernahm das frohe Jauchzen der Volksmenge und den jubelnden Schall der Trompeten mit stillen Seufzern, und manche heimliche Träne floß über ihre Wangen. »Ach,« dachte sie, »mir kehrt mein Gemahl nicht mehr zurück! Ich sehe sein Angesicht hier auf Erden wohl nicht mehr! Ihm werden keine Siegesfeste mehr gefeiert. Jene glücklichen Zeiten sind für mich auf immer vorbei. Doch hoffe ich, ihn im Himmel wiederzusehen – und wenn es hier ausgekämpft und ausgelitten ist, werden wir dort schönere Siegesfeste feiern.«


 << zurück weiter >>