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Siebzehntes Kapitel

Sie kamen nun nach Konstantinopel und gingen sogleich in den Palast vor König Orschier. Als Zormerin ihren Vater sah, konnte sie vor Tränen kein einziges Wort sprechen. Orschier sah sie an, konnte sie lange nicht erkennen, endlich erkannte er sie. – Geliebte Tochter, wo kommst du her? Kaum daß ich dich wieder erkannte! Wer sah je eine Königin in diesem Zustand? Verflucht sei die Stunde, da ich Euch Lothern gegeben! – Da sprach Maller: Davon schweigt, Herr, Ihr habt sie dem frömmsten Ritter gegeben, der auf Erden lebt; und dazu ist er so wohlgeboren, als nie einer aus Euerm Geschlechte geboren ward! Ich bitte Euch, Ihr wollet der großen Treue gedenken, die er Euch bewiesen hat; Ihr wißt wohl, daß, hätte er nach Gott nicht getan, so hätten die Heiden Euch ganz und gar verderbt. Könntet Ihr seine Treue vergessen, Ihr tätet fürwahr groß Unrecht. – Und nun fing er an, und erzählte dem König Orschier alles, wie es ihnen ergangen, und wie Lother nun durch die Verräterei des Otto gefangen in einem Turm in Pavia liege; auch wie König Ludwig in Frankreich bösem Rat folge, und seinem Bruder nicht helfen wolle. – Gedenkt, edler König, sprach er, wie die Heiden Euch gefangen hatten, und wie mein Herr, Lother, Euch wieder befreite, erbarmt Euch also über meinen Herrn, und kommt ihm zu Trost und zu Hilfe. – Darauf antwortete König Orschier: Ich höre ja von Euch, daß sein leiblicher Bruder von ihm absteht, warum sollte ich ihm dann beistehen? Warum sollte ich meinem Lande einen so schweren Krieg zuziehen? Ich würde ein Gespött der Welt, wenn ich nicht gewinne, welches doch wohl sein kann. Da sei Gott vor, daß ich solches tue. Meine Tochter will ich besser versorgen, Lothern soll sie nimmermehr wiedersehen, ich will wohl einen reichern Fürsten für sie finden, als Lother ist. – König, rief Maller, nimmer werde ich wieder dein Freund! Wo ich dir je schaden kann, da will ich es sicher nicht unterlassen, sondern dir schaden, wo ich kann. Ich schwöre dir ewige Feindschaft, und kündige dir Fehde an! – Hiermit stand er auf und ging stracks hinaus.

Da ging er zu Zormerin, die saß trauernd in ihrer Kammer und vergoß viel tausend Tränen; auch sie hatte ihren Vater für Lothern gebeten, aber alles war umsonst. – Was sollen wir nun tun, lieber Maller? rief sie weinend. – Ich gehe jetzt zu meinem Vater, sprach Maller, um ihn um Hilfe für Lother zu bitten, dies ist das letzte, was ich zu tun weiß. – Tut so, lieber Maller, ich will Euch ein gutes Roß geben und einen Mantelsack voll Gold. – Gott wird es Euch vergelten, edle Frau! Nun bitte ich Euch, bleibt fest und getreu. – An mir soll es nicht fehlen; doch ich werde wohl nicht lange mehr leben, denn ich besorge sehr, Lother kommt nimmer wieder los. – Maller weinte, als er sie so traurig reden hörte, und nahm Urlaub von ihr; sie ließ ihm das beste Pferd aus dem Stall geben, und er ritt sogleich zur Stadt hinaus.

Maller war herzlich betrübt. Nimmer, sprach er, als er auf das Feld hinauskam, nein, nimmer will ich rasten, bis ich Euch, teurer Herr, erlöst habe. Er wollte jetzt zu seinen Eltern reisen, die er in vielen Jahren nicht gesehen hatte. Er ward als ein Kind von Ogier von Dänemark auf dem Wasser gefunden, als dieser hinausgegangen war, mit dem Falken Enten zu beizen; davon erhielt er den Namen Maller, der in welscher Sprache soviel bedeutet, als Enterich im Deutschen. Ogier von Dänemark gab das Kind an König Karl von Frankreich; dieser hatte erfahren, wie der König Galyen sein Kind verloren hätte; er dachte also, wie dieses dasselbe verlorne Kind sein müsse, und schickte es dem König Galyen wieder zu. Dieser erzog den Sohn bis zu dem Alter, da er dienen konnte, und schickte ihn dann dem König Karl wieder zu; dort blieb er, bis er wohl zweiundzwanzig Jahre alt war, dann ging er mit Lother nach Konstantinopel, und während dieser ganzen Zeit hatte er seine Eltern nicht wiedergesehen.

Maller kam auf seiner Reise durch eine Reichsstadt. Er war zwar wohl gewaffnet, hatte aber kein Wappen auf seinem Schild; da er also in der Reichsstadt ankam, da ritt er gleich vor eines Malers Haus und ließ sich ein Wappen malen, nämlich drei goldne Jungfrauenköpfe im blauen Felde, über den Köpfen ein Leopard, und mitten in dem Schilde einen halben Löwen. Als es fertiggemalt war, bezahlte es Maller reichlich und ritt weiter bis nach der Champagne. Hier kam er an eine große Stadt, mit einer schönen Burg, er wußte aber nicht, wem sie gehörte. Indem er sich besann, begegnete ihm ein Bote mit Briefen, diesen redete er höflich an, und fragte ihn um den Namen der Stadt und ihres Herrn. Herr, erwiderte der Bote, diese Stadt heißt die Neuenstadt und gehört dem König Galyen, dem Wiederhersteller. Über dieser Antwort ward Maller sehr froh, und fragte den Boten noch mehr: Wo willst du hingehen, lieber Freund? – Nicht weit von hier, edler Herr, dort in das Schloß soll ich zehn Werkmeister holen, daß sie morgen in der Neuenstadt Fenster machen, und alles rüsten zu dem großen Turnier, welches in der Neuenstadt soll gehalten werden. – Was für ein Turnier soll denn gehalten werden? – Herr, König Ansys' Tochter von Hispanien, die soll dem Sohn des Königs Galyen, Otger, vermählt werden. Wer den Dank bei dem Spiele verdient, der soll ein schönes Roß haben, dessen Sattel von Gold und die Satteldecke mit Perlen bestickt ist, ein köstlicherer Dank ward nie gesehen. Da wird man nun prüfen die Blume der Ritterschaft; Herolden und Spielleuten soll auch die große Gabe verehrt werden. Ein Mann mag wohl fröhlich turnieren um schöner Frauen willen, denn die Jungfrau, König Ansys' Tochter von Hispanien, ist so schön, als man nicht leicht in der Welt eine Schönheit findet.

Maller verließ den Boten und ritt weiter gegen die Stadt; er nahm sich vor, sich nicht eher seinen Eltern zu erkennen zu geben, bis er zehn der stärksten Ritter turniert hätte. Dann befahl er sich Gott, seiner heiligen Mutter und St. Julian; dieser ist ein Heiliger, den man anzurufen pflegt, daß einem Gott gute Herberge beschere.

Als er in die Stadt einritt, da sah er viel edle Herren, Ritter und Knappen, auch viel schöne Frauen. Dabei ertönten ihm allenthalben Pfeifen, Posaunen und mancherlei Saitenspiel entgegen. Ewiger Gott, sprach da Maller, wie ist eines armen Mannes Leben doch unglücklich, jetzt habe ich dies erfahren; wie muß sich einer quälen, der keinen Reichtum hat, während der Reiche sich das Leben so trefflich schmücken kann. O Gott, wie ist dies alles so nichtig! Wäre nicht Lother, mein Herr, und mein geliebtes Weib Scheidechin, die ich so gern aus dem Gefängnis befreite, so verließ ich die weltliche Ehre und alle ihre Lust und Freude, ginge einsam in einen Wald, da möchte ich Gott dienen, denn nur dann wäre ich unvergänglicher Freude gewiß. –

Er ritt weiter in die Stadt hinein und bat an vielen Orten um Herberge, aber jedermann spottete seiner und hieß ihn weitergehen. Da lachte er in seinem Herzen, denn er wußte wohl, hätte er sich zu erkennen gegeben, er würde allenthalben Herberge gefunden haben. Endlich ward er in eines reichen Kaufmanns Hause aufgenommen. Hier sah er, wie jeder, der in dem Hause herbergte, seinen Helm vor das Fenster gestellt hatte, er bat also seinen Wirt, er möchte dafür sorgen, daß auch sein Helm an ein Fenster aufgehängt würde, damit man sehen möge, daß er mit turnieren wollte, und versprach dem Wirt zehn Gulden dafür. Der Wirt war des Geldes begierig, und befahl seinem Knecht, er solle den Helm an ein Fenster aufhängen. Maller gab dem Knecht einen Gulden, dafür ihm dieser dankte, und wie im Spott hinzufügte: Ich will es Euch besorgen, wenn Ihr mir versprechen wollt, mich zum Ritter zu schlagen, wenn Ihr morgen den Dank verdient, denn ich habe schon lange begehrt, Ritter zu werden. Maller antwortete lachend: mehr als du verlangst, sollst du von mir haben. Der Knecht nahm den Helm und hing ihn spottweise höher als alle anderen Helme auf, damit er recht in die Augen fiele. Und so verspottete der Knecht ihn auf alle Weise, und bei allem, was Maller von ihm verlangte, denn er hielt ihn für einen gar armseligen Ritter, der auf Abenteuer herumzieht, um etwas zu gewinnen. Maller lachte aber über den Knecht, und wußte ihn so zu gewinnen, daß er sowohl als der Wirt ihm alles zuliebe taten, was er verlangte.

Maller ging hierauf in der Stadt umher spazieren und kam auch vor den Palast; hier begegnete er Otger, seinem Bruder, mit ihm ging sein Vater, König Ansys, und der Bastard von Cüneber, König Ansys' Sohn. Als Maller die Fürsten alle kommen sah, fragte er einen Diener, wer sie wären, und da er seinen Vater nennen hörte, da traten ihm Tränen in die Augen. Die Fürsten machten Otger auf Maller aufmerksam, weil er ihm vollkommen ähnlich sah. König Galyen, sein Vater, kam auf ihn zu, da verneigte Maller sich ehrerbietig. Sage mir, lieber Geselle, sprach der König, wo kommst du her? – Herr, antwortete Maller, das sollt Ihr morgen wohl gewahr werden, wenn man turnieren wird. Ich bin ein armer Geselle, suche Abenteuer, und bin hergekommen, den Dank zu verdienen; verdiene ich ihn aber, so soll Gott den verdammen, der ihn mir streitig machen wird. – König Galyen lachte und wandte sich wieder zu den Fürsten. Welch ein närrischer junger Mensch ist dies, sprach er, wonach ich ihn fragte, darauf antwortete er nicht, und sagte mir dafür allerlei törichte Dinge.

Darauf begegnete Maller seiner Mutter, da wallte sein Blut ihm heftiger in den Adern, er wußte nicht, sollte er sie anreden und sich ihr zu erkennen geben oder nicht; doch besann er sich auf seinen Schwur, er wolle sich nicht eher zu erkennen geben, bevor er gegen die tapfersten und berühmtesten Ritter gestochen habe.

Die Herren und Damen fingen nun einen schönen Tanz an; da nahm Maller die schönste Frau aus der Reihe, und tanzte mit ihr so schön, und sprang so leicht mit ihr, wie ein Vögelchen, so daß alle Frauen ihn liebgewannen, und auch die Ritter sprachen: welch ein schöner Jüngling ist dies, alles, was er tut, steht ihm wohl an.

 


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