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Es war uns vorerst nur darum zu tun, die Duplizität, welche wir im Licht voraussetzen mußten, erfahrungsmäßig zu erforschen. Die Entdeckung, daß eine ätherische Materie im Licht mit dem Oxygene sich verbindet, ist ein Leitfaden, der uns aus dem Labyrinth der verwickeltsten Phänomene sicher herausführen wird.
Wir konnten vorerst nur die Phänomene, welche das Licht an der Oberfläche der Körper zeigt, in Betrachtung ziehen. Jetzt erst fragt sich, welche Wirkungen das Licht auf die Körper selbst ausübe.
Vorerst muß hier die verschiedene Beschaffenheit der Körper in Betrachtung gezogen werden.
1. Wir haben erwiesen, daß alle durchsichtigen Körper die negative Materie des Lichts zurückstoßen, und daß sie ebendeswegen, weil sie dem Licht das Oxygene nicht entziehen können, durchsichtig sind. Eben diese durchsichtigen Körper nun können vom Licht beinahe gar nicht, oder nur äußerst langsam erwärmt werden.
Wenn das Licht an sich warm wäre, d.h. wenn es durch Mitteilung erwärmte, wie war es doch möglich, daß es auf Körper, die von ihm nach allen Richtungen durchdrungen werden, nicht erwärmend wirkte?
Durch eine Glasplatte kann man sich vor der Wirkung eines starken Wärme- oder Feuerstroms sichern. Es ist sehr auffallend, daß das Thermometer auf den höchsten Bergen vom Lichte so wenig affiziert wird, wo doch nach Herrn v. Saussures Versicherung die scheinbare Hitze der Sonnenstrahlen den Reisenden oft beinahe unerträglich ist. Die Ursache muß darin liegen, daß unser Körper eine Fähigkeit hat, die dem Glas abgeht, diese, durch Wärme erregbar zu sein. Der Grund der Erwärmung liegt also nicht im Licht allein, und schon hier offenbart sich das Dasein eines negativen Prinzips, mit welchem allein das positive Prinzip des Lichts Wärme bildet.
Man hat alle möglichen Ursachen aufgesucht, aus welchen die heftige Kälte auf hohen Bergen sich erklären ließe. Man hat angemerkt, daß die Luft in einer solchen Höhe außerordentlich verdünnt ist. Allein aus demselben Grunde werden auch die Sonnenstrahlen in der Atmosphäre solcher Höhen weniger Widerstand finden, und sollten also, wenn sie für sich allein die Wärme bilden könnten, auch desto energischer diese hervorbringen. »in der Atmosphäre solcher Höhen weniger zerstreut, und sollten daher energischer wirken.« Erste Auflage.
Ich räume gerne ein, daß die mildere Temperatur tiefer liegender Gegenden zum Teil daraus erklärbar ist, daß sie mit der ganzen Masse des Erdkörpers in näherer Verbindung sind, während hohe Berge nur vermittelst ihres Fußes mit der Erde zusammenhängen, übrigens aber frei in der Luft schweben. (S. Delamethries Theorie der Erde, 1. Tl. Deutsche Übers. S. 130). Man bemerkt wirklich, daß die Kälte um so beträchtlicher ist, je freier gleichsam der Berg schwebt. Quito liegt 1457 Toisen über der Meeresfläche, und doch ist die Temperatur daselbst sehr gemäßigt, weil dieser Berg auf einer großen Masse von Bergen ruht; ein frei stehender Pic (wie der von Teneriffa) würde in derselben Höhe die größte Zeit des Jahrs wenigstens mit Schnee bedeckt sein. – Allein ein Berg, so frei er auch immer in der Luft schweben mag, ist doch immer selbst eine so beträchtliche Masse, daß er, besonders da er die Sonnenstrahlen aus der ersten Hand hat, Wärme genug zurückhalten und verbreiten könnte, wenn nicht in ihm selbst ein Grund läge, der dieses unmöglich machte.
Dieser Grund ist ohne Zweifel folgender. Da auf den höchsten Bergen ursprünglich reiche Quellen und überhaupt eine Menge Wasser vorhanden war, so mußte der erste Winter schon sie mit einer ansehnlichen Eismasse ringsum bepanzern, da hingegen in tiefer liegenden Regionen nur einzelne Gegenden von Eis überzogen wurden. Das Eis aber ist der stärkste Schirm gegen die Wärme, da es als ein durchsichtiger Körper das Licht unverändert durchläßt, und als ein Spiegel es unverändert zurückwirft. Der Berg also, der einmal ringsum mit Eis bedeckt war, konnte selbst keine Wärme annehmen, und von der Erde, von der er sich so weit entfernte, nur wenig Wärme erhalten. Man sieht, daß diese Ursache fortwirkend sein mußte, da die beständige Kälte jener Gegenden alles Wasser, das sie durch Schnee und Regen erhielten, und selbst dasjenige, was einige Stunden Sonnenschein geschmolzen hatten, in neues Eis verwandelte, – daß so zuletzt jene Eismassen sich selbst vermehrten und erhielten, indem sie den Kern des Bergs als eine unüberwindliche Brustwehr gegen allen Einfluß des Lichts verteidigten.
Diese Hypothese wird sehr bestätigt durch einen Versuch, den Herr v. Saussure im 4. Teil seiner Alpenreisen § 932 erzählt. Er ließ einen hölzernen Kasten verfertigen, der innerlich mit doppelten Wänden von schwarzem Kork ausgeschlagen war; diesen Kasten verschloß er mit drei sehr durchsichtigen Eisscheiben, durch welche das Sonnenlicht in den Kasten dringen konnte. Er trug diese Maschine 1403 Toisen hoch über die Meeresfläche auf den Gipfel des Cramont, und sah hier, daß in dem Kasten die Wärme so sehr anwuchs, daß das Thermometer am Boden bis auf 70 Grad stieg, obgleich die äußere Temperatur nur 4 Grade betrug.
Ein anderer Beweis von der Verschiedenheit der Wirkung des Lichts auf durchsichtige und dunkle Körper ist das bekannte Experiment, da man ein Stückchen Holz in ganz durchsichtiges Wasser legt, und einen Brennspiegel so stellt, daß der Brennpunkt unter die Oberfläche des Wassers auf das Holz fällt. Das Wasser wird nicht im geringsten erhitzt, dagegen wird das Holz von innen heraus verkohlt, weil die äußern Teile durch das Wasser gleichsam geschützt sind.
2. Auf Körper, welche nicht bis zur Verglasung oxydiert sind, wirkt das Licht desoxydierend. So entzieht es den metallischen Kalken allmählich ihr Oxygene und macht sie dadurch wieder brennbar. Auf solche Körper wirkt das Licht nicht erwärmend, weil sie unfähig sind ihm seine negative Materie zu entziehen. Hier zeigt sich noch deutlicher, daß »einen Körper erwärmen« und »seine negative Materie verlieren« beim Licht eins und dasselbe ist. Wir werden diesen Satz bald weiter verfolgen.
Das Licht hat ausschließlich die Fähigkeit, oxydierte Körper wiederherzustellen. Die Wärme bewirkt dasselbe, aber nicht ohne Beitritt eines dritten Stoffes, der das Oxygene aufnimmt; die Wärmematerie selbst hat für das Oxygene keine Kapazität; es ist die Materie, die dem Licht angehört. Das Licht nimmt es auf, für sich selbst, und zersetzt es ohne Mitwirkung eines Dritten.
Man setze oxygenierte Salzsäure dem Lichte aus, so wird sie ihr überflüssiges – O verlieren; das Licht bildet mit demselben Lebensluft, es wird gemeine Salzsäure zurückbleiben. Man setze dieselbe in einer mit schwarzem Papier bedeckten Bouteille der Wärme aus, so wird sie in Gasgestalt versetzt (ihr Zustand verändert), nicht aber dekomponiert werden.
Alle mit – O tingierten oder durchdrungenen Körper sind entweder weiß, oder sie werfen den minder brechbaren, z.B. roten Strahl zurück, wie der Quecksilberkalk. (Man erinnere sich, in welch' genauem Zusammenhang die Stärke der Brechung des Lichts in durchsichtigen oder halbdurchsichtigen Körpern mit der Inflammabilität steht).
Die Körper, durch Berührung des Lichts desoxydiert, nehmen wieder dunklere Farben an. So wird der weiße Silberkalk, dem Licht ausgesetzt, schwärzlich usw.
3. Auf alle undurchsichtigen, dunkelfarbigen und verbrennlichen Körper wirkt das Licht erwärmend. Die Erfahrungen, welche diesen Satz bestätigen, sind zu allgemein bekannt, als daß sie angeführt zu werden brauchten.
Daß Körper dunkle Farben zeigen, und daß sie durch das Licht stärker erwärmt werden, hängt von einer gemeinschaftlichen Ursache ab, davon, daß sie in diesem Zustand gegen die negative Materie des Lichts große Anziehung beweisen.
Daß diese Ursache die wahre sei, erhellet unter anderem daraus, daß eben diese Körper auch im Brennpunkt leichter sich entzünden, als Körper von hellerer Farbe, davon nichts zu sagen, daß wohl alle Farbe einer schwachen Phosphoreszenz der Körper zuzuschreiben ist, die durch die stete Einwirkung des Lichts auf ihre Oberfläche erregt wird.
Wir haben jetzt den Grundsatz gefunden: daß das Licht die Körper in dem Grade erwärmt, als diese fähig sind, ihm seine negative Materie zu entziehen.
Nun ist aber jede Wirkung in der Natur Wechselwirkung. Also kann das Licht seine negative Materie nicht verlieren, ohne zugleich mit einem andern Prinzip in Verbindung zu treten. Dieses Prinzip, wenn es auch in der Anschauung nicht darstellbar ist, muß doch notwendig vorausgesetzt, also postuliert werden.
Da alle verbrennlichen Körper eine solche Wirkung auf das Licht äußern, so muß es ein diesen Körpern gemeinschaftliches Prinzip sein.
Dieses Prinzip aber darf nicht (wie die Verteidiger des Phlogiston getan haben) als Bestandteil in den Körpern vorausgesetzt werden, denn es existiert ganz und gar nicht an sich, es existiert nur im Gegensatz gegen das Oxygene des Lichts, und drückt überhaupt nichts aus als einen Wechselbegriff. Es existiert als solches gar nicht, als im Augenblick des Konflikts, den das Licht in jedem phlogistischen Körper erregt, indem es ihn erwärmt.
Im Gegensatz gegen dieses Prinzip kann das Oxygene (das in bezug auf die positive Materie des Lichts negativ war) einen positiven Charakter annehmen. Das Phlogiston ist insofern nichts mehr und nichts weniger, als das Negative des Oxygenes, woraus denn erhellt, daß es absolut und an sich nicht unterscheidbar ist. »absolut und an sich gedacht, nichts ist«. Erste Auflage.
Nachdem wir uns so bestimmt haben, werden wir auch künftig uns dieses Begriffs bedienen, ohne zu fürchten, daß man uns deswegen den Verteidigern des Phlogistons (als eines besondern, in den Körpern vorhandenen Grundstoffs, welcher Begriff freilich ganz leer ist) beizählen werde.
Hier hätten wir nun den ersten Anfang des allgemeinen Dualismus der Natur. Wir haben zwei Materien, die sich allgemein und durchgängig entgegengesetzt sind. Damit aber zwischen beiden reelle Entgegensetzung möglich sei, müssen sie Dinge einer Art sein.
Dies sind sie nun, insofern beide (Oxygene und Phlogiston) die negativen Materien desselben positiven Prinzips sind, das sich im Licht und in der Wärme offenbart.
Wir erkennen zum voraus in diesem Prinzip das erste Prinzip der ganzen Natur, dem kein Körper unzugänglich ist. Körper, die das Licht nicht zu verändern fähig sind, durchdringt es als Licht; Körper, die seine Natur verändern, durchdringt es als Wärme. So sind alle Körper der steten Einwirkung des Äthers ausgesetzt; ja dieses Prinzip scheint alle Körper ursprünglich, durchsichtige als Licht, undurchsichtige als Wärme, zu durchdringen.
Ein Körper kann nicht erwärmt heißen dadurch, daß Wärmematerie in seinen Poren sich verteilt; auch kann der Körper nicht erwärmt heißen, insofern er von Wärmematerie durchdrungen wird, sondern nur insofern er Wärmematerie zurückstößt.
Nun findet aber Zurückstoßung nur zwischen positiven Kräften statt, die in entgegengesetzter Richtung wirken. Es muß also in jedem Körper, der erwärmt heißt, weil er Wärmematerie zurückstößt, ein Prinzip liegen, das dem positiven Prinzip der Wärme ursprünglich verwandt ist.
Hier stoßen wir also abermals auf die Idee einer ursprünglichen Homogeneität aller Materie, ohne welche wir auch gar nicht erklären können, wie Materie auf Materie wirkt.
Wenn es eine Urmaterie gibt, die (damit eine dynamische Gemeinschaft aller Substanzen in der Welt sei) alle Körper, entweder als Licht oder als Wärme, durchdringt, so müssen auch alle Körper, die nicht vom Licht durchdrungen (undurchsichtig) sind, von Wärmematerie ursprünglich durchdrungen sein, die zu ihrem Wesen so notwendig gehört, als das Licht zum Wesen durchsichtiger Körper.
Die Quantität des positiven Wärmeprinzips, von dem jeder phlogistische Körper ursprünglich durchdrungen ist, bestimmt den Grad seiner absoluten Wärme. Ob man durch diesen Ausdruck bisher denselben Begriff bezeichnet hat, oder nicht, kümmert mich nicht; genug, wenn der Begriff selbst war, und der Ausdruck dem Begriff adäquat ist.
Von der absoluten Wärme eines phlogistischen Körpers (als welche sein Wesen ausmacht) unterscheide ich genau die Quantität freier Wärme, die er dem allgemein zirkulierenden Wärmefluidum verdankt, das durch den steten Einfluß des Lichts auf undurchsichtige Körper und andere Ursachen (vorzüglich Kapazitätsveränderungen) immer neu erzeugt wird. Diese freiverbreitete Wärmematerie, da sie äußerst elastisch ist, erhält sich selbst in einem steten Gleichgewicht. Dieses Gleichgewicht wird nur gestört durch die eigentümliche Beschaffenheit der Körper, wovon der eine die Wärmematerie in größerer Quantität als der andere fesselt, so daß verschiedene Körper bei gleichen Massen deswegen nicht auch gleiche Quantitäten dieser Wärmematerie enthalten. Die Quantität freier Wärmematerie, welche jeder Körper als eine eigentümliche Atmosphäre um sich sammelt, bestimmt seine spezifische Wärme.
Da die Körper nach ihrer verschiedenen Beschaffenheit von dem freiverbreiteten Wärmefluidum verschiedene Quantitäten sich zueignen, so wird in jedem System von Körpern nur dadurch ein neues Gleichgewicht der Wärme entstehen, daß verschiedene Körper durch verschiedene Quantitäten Wärmematerie doch alle gleich erwärmt werden: dieses Gleichgewicht heiße ich das Gleichgewicht der Temperatur. Den Grad nun, in welchem jeder Körper erwärmt ist, oder die Temperatur des Körpers, abstrahiert von der Quantität Wärmematerie, welche nötig war ihm diese Temperatur zu erteilen, heiße ich seine thermometrische Wärme.
Hieraus ergibt sich nun der wichtigste Satz der Wärmelehre, durch welche die neuere Physik in diese dunkle Gegend so viel Licht gebracht hat, nämlich, daß durch die thermometrische Wärme eines Körpers die Quantität seiner spezifischen Wärme ganz und gar unbestimmt bleibt, daß also verschiedene Körper bei gleicher thermometrischer Wärme dennoch ganz verschiedene Quantitäten spezifischer Wärme enthalten können, oder daß das Gleichgewicht der Temperatur in einem System von Körpern kein absolutes, sondern nur ein relatives Gleichgewicht ist. Es fragt sich nun, in welchem Verhältnis die spezifische Wärme eines Körpers zur absoluten stehe.
Ich muß mich vorerst über den Begriff der absoluten Wärme der Körper näher erklären, um so mehr, da dieser Begriff bisher gar nicht oder nur äußerst dunkel vorhanden war. Diese Erklärung wird nach Begriffen einer dynamischen Philosophie geschehen, die allein imstande ist die Hauptbegriffe der Wärmelehre zu konstruieren.
Das Positive in der Welt ist absolut-Eines. Aber das Positive kann nicht anders als unter Schranken erscheinen. Wie die Natur den ursprünglich ausbreitenden Kräften Schranken gesetzt habe, läßt sich nicht weiter erklären, weil die Möglichkeit einer Natur selbst von dieser ursprünglichen Beschränkung des Positiven abhängt. Denn setzen wir, daß die Materie ins Unendliche sich ausbreiten könnte, so würde für unsere Anschauung nichts als ein unendlicher Porus – ein unendlich-leerer Raum, d.h. Nichts, übrig bleiben.
Alle einzelnen Dinge haben das Positive gemein; nur aus den verschiedenen Bestimmungen und Beschränkungen des Positiven entwickelt sich eine Mannigfaltigkeit verschiedener Dinge. Nun muß es aber für unsere Erfahrung in jedem System ein Extrem geben, oder wenigstens können wir uns ein idealisches Extrem denken; alle einzelnen Materien können gedacht werden als diesem Extrem in verschiedenem Grade sich annähernd. Laßt uns diese Annäherung Reduktion heißen, so werden alle Materien nur in verschiedenem Grade reduziert, d.h. sie werden voneinander nicht durch dunkle oder absolute Qualitäten, sondern durch Gradverhältnisse unterschieden sein.
So verliert sich zuletzt alle Heterogeneität der Materie in der Idee einer ursprünglichen Homogeneität aller positiven Prinzipien in der Welt. Selbst jener ursprünglichste Gegensatz, der den Dualismus der Natur zu unterhalten scheint, verschwindet in dieser Idee. Man kann die Haupterscheinungen der Natur ohne einen solchen Konflikt entgegengesetzter Prinzipien nicht konstruieren. Aber dieser Konflikt ist nur da im Moment der Erscheinung selbst. Jede Kraft der Natur weckt die ihr entgegengesetzte. Diese existiert nicht an sich, sondern nur in diesem Streit, und nur dieser Streit ist es, der ihr eine momentane abgesonderte Existenz gibt. Sobald dieser Streit aufhört, verschwindet sie, indem sie in die Sphäre der allgemeinen Identität zurücktritt. »in die Sphäre homogener Kräfte zurücktritt«. Erste Auflage.
So kann die Theorie des Verbrennens nicht vollständig konstruiert werden, ohne dem positiven Prinzip (der Lebensluft) ein negatives Prinzip (im Körper) entgegenzusetzen. Beide aber sind nur wechselseitig in bezug aufeinander, positiv und negativ, d.h. sie treten in dieses Verhältnis (der reellen Entgegensetzung) erst im Moment des phlogistischen Prozesses. Abstrahiert von diesem Prozesse unterscheiden sie sich voneinander nur durch Gradverhältnisse. So kann man z.B. dem Oxygene der neueren Chemie an sich keine absolute Qualität zuschreiben, obgleich es in der Erscheinung eine Qualität zeigt, die keine andere Materie zeigt. Um dies deutlicher vorzustellen, lasset uns ein idealisches Extrem der Verbrennlichkeit denken. Verbrennlichkeit aber ist ein Begriff, der überhaupt ein bloßes Verhältnis bezeichnet. Ein Körper verbrennt, wenn er diejenige Materie anzieht, die mit dem Elemente des Lichts allgemein, also auch in unserer Atmosphäre verbunden ist. Stünde nun über dieser Materie eine andere, dem Äther näher verwandte, so würde sie selbst in die Klasse der brennbaren Stoffe herabsinken. Es ist also natürlich, daß diejenige Materie, die selbst auf dem höchsten Grade der Brennbarkeit (in einem gegebenen System von Materie) steht, nicht mehr brennbar, sondern diejenige Materie sei, mit der alle anderen verbrennen.
So müssen wir uns nun auch denken, daß eine und dieselbe Materie bei einem bestimmten Grad der Qualität Licht, bei einem andern Wärmematerie bilde. Wenn wir noch überdies eine ursprüngliche Einheit aller positiven Prinzipien in der Welt denken, so werden alle einzelnen Materien vermöge dessen, was an ihnen positiv ist, dem Licht oder der Wärmematerie verwandt sein. Auf diese Art können wir uns also das positive Prinzip phlogistischer Körper als Wärmematerie vorstellen, so daß alle brennbaren Stoffe nichts anders wären als eine in verschiedenem Grad verdichtete und in verschiedenem Grad auflösbare Wärmematerie. Sonach müßte jedem brennbaren Körper ein besonderer Grad absoluter Wärme zugeschrieben werden.
Dieses absolute Wärmeprinzip des Körpers nun kann durch äußern Einfluß, des Lichts z.B., in verschiedenem Grade erregt werden. Je höher der Grad dieses absoluten Wärmeprinzips in einem Körper ursprünglich ist, desto erregbarer ist es, und desto stärker stößt es fremde Wärmematerie zurück.
Dieses Gesetz macht es nun möglich, dem Begriff von Wärmekapazität (einem bis jetzt gehaltlosen Begriff) reelle Bedeutung zu verschaffen.
Wenn die Temperatur in einem System verschiedener Körper gleich ist, unerachtet die Mengen ihrer spezifischen Wärmematerie ungleich sind, so kann der Grund des Gleichgewichts der Temperatur nur darin liegen, daß das absolute Wärmeprinzip des einen Körpers ursprünglich energischer ist, und durch geringere Quantitäten mitgeteilter Wärme in gleiche Bewegung gesetzt wird, als das absolute Wärmeprinzip des andern.
Wir werden also zwei Gesetze aufstellen, nach welchen die absolute und spezifische Wärme der Körper wechselseitig sich bestimmen, nämlich wie daß die spezifischen Wärmen verschiedener Körper sich umgekehrt verhalten wie ihre absoluten, und umgekehrt, daß die absoluten Wärmen sich umgekehrt verhalten die spezifischen.
Diese beiden Gesetze lassen uns schon zum voraus einen Blick auf den Zusammenhang der ganzen Natur werfen. Wir sehen hier eine außerordentlich elastische Materie, die zwischen allen Körpern verteilt ist und ein gemeinschaftliches Medium bildet, durch welches die Veränderung, die in einem Körper vorgeht, dem andern in einer beträchtlichen Entfernung fühlbar wird. Vermöge dieser unsichtbaren Materie stehen alle phlogistischen Körper in dynamischer Gemeinschaft. Diese Materie ist so durchdringend, daß das Innere keines Körpers ihr verschlossen ist. Sie stellt ein Medium vor, das selbst durch die festesten Körper stetig und ununterbrochen hindurchgeht. Diese Materie wird nur durch sich selbst im Gleichgewicht erhalten. Wenn also verschiedene Körper untereinander ein Gleichgewicht der Wärme unterhalten, so kann dies nicht erklärt werden, ohne in diesen Körpern selbst ein positives Prinzip anzunehmen, das mit der allgemein verbreiteten Wärmematerie in stetigem und dynamischem Zusammenhang steht.
Wenn die spezifische Wärme eines Körpers sich umgekehrt verhält wie seine absolute, so sieht man schon hieraus, daß die spezifische Wärme nicht bloß mechanisch (mittelst seiner leeren Zwischenräume), sondern dynamisch vermöge seiner Qualitäten mit dem Körper zusammenhängt.
Der Körper, in dem das ursprüngliche Wärmeprinzip erregbarer ist, stößt die fremde Wärme stärker zurück, als ein anderer, in dem jenes Prinzip weniger rege gemacht wird. Der letztere Körper, sagt man, hat größere Kapazität für die Wärme als der erstere. Dieser Ausdruck ist: nicht passend, weil er den Körper als absolut-passiv dabei vorstellt. Absolute Passivität aber ist ein Begriff, der gar keiner Konstruktion fähig ist. Rezeptivität, Kapazität usw. an sich sind sinnlose Begriffe, und haben nur insofern Bedeutung, als man sich darunter nicht eine absolute Negation, sondern nur ein Minus von Aktivität denkt. Aber auch der Körper, der die größte Wärmekapazität hat, stößt fremde Wärmematerie zurück, nur daß er es mit geringerer Kraft tut, als der Körper von geringerer Kapazität, der nicht etwa, wie man gewöhnlich sich vorstellt, der fremden Wärme verschlossen ist, sondern der mit eigentümlicher Kraft sie zurückstößt, oder der auf ihn zuströmenden Wärmematerie die erregte Elastizität seines eigentümlichen Wärmeprinzips entgegensetzt.
Wir verstellen also unter Wärmekapazität eines Körpers nur das Minus von Zurückstoßungskraft, das er gegen fremde Wärmematerie äußert. Nachdem wir das Wort so bestimmt haben, werden wir es ohne Furcht mißverstanden zu werden fernerhin brauchen.
Wir gehen nun zur Erörterung der oben aufgestellten Gesetze zurück.
Erstens behaupten wir: die spezifische Wärme eines Körpers beim Gleichgewicht der Temperatur, oder die Kapazität desselben, wenn dieses Gleichgewicht gestört wird, verhalte sich umgekehrt wie seine absolute Wärme, oder wie der Grad der Erregbarkeit seines ursprünglichen Wärmeprinzips.
Der Begriff der Wärmekapazität ist eine Klippe, woran die atomistische Physik scheitern muß, die dürftigen Erklärungen, die sie von der spezifischen Wärme usw. zu geben genötigt ist, sind die nächsten Vorboten ihres Untergangs. Crawford, der zuerst deutlicher als alle andern den Satz erwies, daß es eine spezifische Wärme der Körper gebe, und so viele andere scharfsinnige Männer, die ihm hierin nachfolgten, haben durch diesen Satz allein zur Vorbereitung einer dynamischen Naturwissenschaft mehr getan, als sie selbst ahnen oder beabsichtigen konnten.
Man sieht, daß die Körper von geringerer Kapazität, indem sie die Wärmematerie zurückstoßen, sie gegen Körper von größerer Kapazität treiben, und daß so endlich ein Gleichgewicht entstehen muß, weil die spezifische Wärme in einem System von Körpern sich im umgekehrten Verhältnis ihrer Zurückstoßungskraft an sie verteilt, nicht als ob die Körper von großer Kapazität keine Zurückstoßungskraft äußerten, sondern, weil diese Zurückstoßungskraft, an sich schon schwächer, durch die Zurückstoßungskraft der Körper von geringerer Kapazität überwältigt wird.
Es erhellt hieraus, daß jeder Körper in bezug auf seine spezifische Wärme in einem gezwungenen Zustand ist, worin ihn die Körper, mit denen er in Zusammenhang steht, erhalten, daher er diesen Zustand so bald verläßt, als sich sein Verhältnis zu den andern Körpern ändert.
Zweitens behaupten wir, daß hinwiederum die absolute Wärme eines Körpers beim Gleichgewicht der Temperatur sich umgekehrt verhalte wie seine spezifische, und bei gestörtem Gleichgewicht umgekehrt wie seine Kapazität.
Wir setzen voraus, daß phlogistisieren und desoxygenieren Wechselbegriffe sind, wovon der eine gerade so viel als der andere bedeutet, so wie umgekehrt oxygenieren und dephlogistisieren eins und dasselbe ist. Nun ist der Grad der absoluten Wärme eines Körpers gleich dem Grade seiner phlogistischen Beschaffenheit. Also werden wir das oben aufgestellte Gesetz auch so ausdrücken können: Die spezifische Wärme eines Körpers beim Gleichgewicht der Temperatur steht im geraden Verhältnis mit dem Grad seiner Oxydation, und im umgekehrten mit dem Grad seiner Desoxydation.
Ich setze hierbei immer voraus, daß man die Terminologie der Chemie verstehe. Wir haben dieses Gesetz ganz und gar a priori gefunden; der Leser wird zu unserer Art zu philosophieren Zutrauen fassen, wenn er sieht, daß dieses so gefundene Gesetz mit der Erfahrung vollkommen übereinstimmt.
Die allgemeine Folge des Verbrennens (d.h. der Oxydation) ist die vergrößerte Wärmekapazität des Körpers oder, was dasselbe ist, die verminderte Zurückstoßung, welche der Körper in diesem Zustande gegen fremde Wärmematerie beweist.
Nach Crawford (in seiner Schrift on animal heat, 2. Ausg. S. 287) ist die Wärmekapazität des Eisens 1/8; des Eisenkalks 1/6; die des Kupfers 1/6; des Kupferkalks 1/4; die des Bleis 1/28; des Bleikalks 1/15; die des Zinns 1/14; des Zinnkalks 1/10. Man bemerke, daß die Versuche hierüber mit der möglichsten Genauigkeit angestellt wurden.
Dieses Gesetz: daß mit der Oxydation die Zurückstoßungskraft des Körpers gegen die Wärme vermindert wird, öffnet uns den Weg zu einer vollständigen Konstruktion des Verbrennens als einer chemischen Erscheinung.
Jedem Verbrennen geht eine Erhöhung der Temperatur vorher. Durch diese wird die Zurückstoßungskraft des Körpers erregt, und somit seine Kapazität vermindert. Denn was heißt einen Körper erwärmen? Nichts anders als sein ursprüngliches Wärmeprinzip bis zu dem Grade erregen, daß es die fremde gegen den Körper strömende Wärmematerie zurückwirft. Indem der Körper dies tut, fühlen wir uns durch ihn erwärmt; er treibt die Wärme gegen Körper von größerer Kapazität, z.B. das Thermometer (das also nicht die Wärmequantität anzeigt, die ein Körper enthält, sondern die, welche er zurückstößt).
Nun muß es aber in jedem Körper ein Maximum jener Zurückstoßung geben. Diese Grenze der Erregbarkeit oder dieses Minus von Zurückstoßungskraft ist das negative Prinzip, das bei jedem Prozeß des Verbrennens dem positiven Prinzip (außer dem Körper) gegenüberstellt. Denn sobald die Zurückstoßungskraft des Körpers bis zum höchsten Grade erregt ist, und das Gleichgewicht der Kräfte im Körper schlechthin gestört wird, eilt die Natur es wiederherzustellen, was nicht anders geschehen kann als dadurch, daß die Zurückstoßungskraft des Körpers bis zu einem (relativen) Minimum vermindert, oder daß seine Kapazität zu einem (relativen) Maximum vermehrt wird. Dies geschieht durch das Verbrennen. Die Kapazität des Körpers wird vermehrt, und: der Körper durchdringt sich mit dem Oxygene, sagt gerade dasselbe. Vergrößerung der Kapazität und Verbrennen des Körpers ist ein und dasselbe Phänomen.
Man sieht hieraus, daß den neueren Verteidigern des Phlogiston eine bei weitem philosophischere Idee vorschwebte, als man ihnen insgemein zutraut: diese, daß der Körper sich beim Verbrennen nicht absolut- passiv verhalten könne, und daß bei jedem phlogistischen Prozeß eine Wechselwirkung stattfinden müsse.
In der Tat ist auch die Anziehung, welche der Körper gegen das Oxygene beweist, nichts anderes als ein Maximum von Zurückstoßungskraft gegen die Wärme, das der Körper erreicht hat. Ein Körper, der durch kein Mittel bis zu diesem Maximum gebracht werden könnte, wäre schlechterdings unverbrennlich. Was also alle verbrennlichen Körper gemein haben, ist eine gewisse Grenze der phlogistischen Erregbarkeit. Man kann diese Eigenschaft der Körper, nur bis zu einem gewissen Grade erregbar zu sein, ihr Phlogiston, oder auch ihr negatives Wärmeprinzip nennen. Ein solches negatives Prinzip ist notwendig, um das Phänomen des Verbrennens zu konstruieren. Ich brauche nicht zu erinnern, wie weit entfernt diese Theorie von dem unphilosophischen Gedanken ist, die Ursache der Verbrennlichkeit in einem besonderen Bestandteil der phlogistischen Körper zu suchen.
Wenn nun oxydierte Körper eine größere Wärmekapazität beweisen, so geschieht dies nicht etwa, als ob sie in diesem Zustande eine positive Anziehung gegen die Wärmematerie bewiesen. Ich habe schon oben bemerkt, daß die Körper von größerer Zurückstoßungskraft die Wärmematerie gegen Körper von minderer Zurückstoßungskraft treiben. Die Wärmematerie kann daher Körpern, die vom Oxygene durchdrungen sind, nur adhärieren, sie kann (ohne Mitwirkung eines dritten Körpers, der jenen Körpern das Oxygene entzieht) nicht chemisch wirken, ihr Wärmeprinzip (das gleichsam neutralisiert ist) nicht erregen, also auch nicht zurückgestoßen werden. Sie adhäriert also solchen Körpern nicht durch wirkliche Verwandtschaft, sondern nur, weil sie von ihnen nicht zurückgestoßen und von andern (phlogistischen) Körpern gegen sie getrieben wird.
Zuletzt lasset uns aus den bisherigen Prinzipien Gesetze herleiten, nach welchen die verschiedene Wärmeleitungskraft der Körper bestimmt werden kann.
Wärmeleiter sind mir solche Körper, deren eignes Wärmeprinzip, durch Wirkung der Wärmematerie erregt, diese forttreibt und zurückstößt. Nichtleiter der Wärme, an welchen sich die Wärmematerie nur durch ihre eigne Elastizität fortbewegt (mit andern Worten: solche, die sich gegen die Wärme neutral verhalten).
Ich wünsche, daß meine Leser sich während des Folgenden die Bedeutung merken, die ich diesen Worten gebe. Denn es gehört nur geringe Belesenheit dazu, um zu wissen, daß sie von verschiedenen Schriftstellern in ganz verschiedenem Sinne gebraucht werden. Wenn man z.B. die Leitungskraft der Körper nach der Schnelligkeit schätzt, mit der sie einen erwärmten Körper erkälten, so ist z.B. das Wasser ein weit besserer Wärmeleiter als das Quecksilber. Ich verbinde aber mit jenem Worte einen ganz andern Sinn. Das Wasser ist mir kein Wärmeleiter, denn es verhält sich gegen die Wärme ganz neutral, stößt sie nicht fort, wie das Quecksilber, und hat insofern größere Kapazität. Nach jenen Schriftstellern ist die Leitungskraft der Körper gleich ihrer Kapazität, meinem Begriff nach verhält sie sich umgekehrt wie ihre Kapazität.
So sind alle durchsichtige, d.h. solche Körper, durch welche das Licht fortgepflanzt wird, Nichtleiter der Wärme, entweder weil sie gar kein phlogistisch- erregbares Prinzip enthalten, oder weil wenigstens dieses Prinzip in ihnen neutralisiert ist. Die Kapazität des Wassers verhält sich zu der des Quecksilbers, wie 28:1. Daß das inflammable Prinzip des Wassers durch Oxygene neutralisiert ist, sieht man daraus, daß es die Natur des Lichts nicht verändert. Auf Nichtleiter also wird die Wärme nur quantitativ wirken, sie wird bloß ausdehnen oder den Zustand der Körper verändern, ohne eine Qualität zu geben oder zu nehmen. Aller Analogie nach verbindet sich die Wärme, die das Eis in Wasser verwandelt, mit dem letztern nicht als absolute, sondern nur als spezifische Wärme. Doch scheint die Wärme, welche dem Eis Flüssigkeit gibt, das Verhältnis seiner beiden Bestandteile zu ändern. Wasser bricht das Licht stärker als Eis. Man weiß, in welchem Zusammenhang die Stärke der Brechung mit der Inflammabilität steht. – Die Wärme, die sich mit dem schmelzenden Eis verbindet, kann nicht auf das Thermometer wirken, sie ist wie verschwunden (daher Dr. Blacks latente Wärme). Die Ursache ist, daß das Schmelzen des Eises selbst Ausdruck der unterliegenden Zurückstoßungskraft gegen die Wärme ist, »daß das Eis keine Zurückstoßungskraft gegen die Wärmematerie beweist«. Erste Auflage. und daß es also so lange Wärme aufnimmt, bis durch diese Wärme selbst seine Zurückstoßungskraft erst erregt wird. Es ist also unmöglich, daß es mit dieser Wärme auf andere Körper, etwa aufs Thermometer, wirke. Erst »Erst nachdem es ganz flüssig geworden, ist seine Zurückstoßungskraft erregt«. Erste Auflage. durch mitgeteilte Wärme kann es allmählich erhitzt, d.h. dahin gebracht werden, daß es aufs Thermometer wirkt. Wird der Wärmestrom so verstärkt, daß er die Zurückstoßungskraft des Wassers aufs neue überwältigt, so dringt er in das Wasser ein, verbreitet es zu Dampf, und ändert so seinen Zustand abermals ohne ihm eine Qualität zu geben oder zu nehmen.
Die Wärme kann also weder mit dem Wasser noch mit dem Wasserdampf chemisch vereinigt sein; denn Festigkeit, Flüssigkeit, Dampfgestalt des Wassers sind bloß relative Zustände (keine Veränderungen seiner Qualitäten), Zustände, die man noch überdies als gezwungen ansehen kann; denn wäre das Wasser nicht in einer Temperatur, in welcher ihm andere Körper von minderer Kapazität eine beträchtliche Wärme zutreiben, so war' es Eis, und läge nicht die Atmosphäre auf ihm, so war' es Dampf. Daß die Wärme, welche dem Eis mitgeteilt wird, nicht als Wärme auf andere Körper wirkt, kommt nicht daher, daß es vom Eis chemisch gebunden, sondern daher, daß das Eis in diesem Zustand unfähig ist, der Zurückstoßungskraft, welche andere Körper gegen die Wärme äußern, das Gleichgewicht zu halten, oder sie gar zu überwältigen.
Hier sehen wir also, daß das Wort Kapazität zweierlei bedeuten kann, die Kapazität des Volumens und die Kapazität der Grundstoffe, oder kürzer: quantitative und qualitative Kapazität. Nach der atomistischen Philosophie ist freilich alle Kapazität nur quantitativ. Es ist zu bedauern, daß bei der Undeutlichkeit der Begriffe, welche so lange Zeit über diese Gegenstände geherrscht haben, keiner der großen Physiker, denen wir die wichtigsten Entdeckungen über die Natur der Wärme verdanken, den eigentlichen Unterschied der spezifischen und der quantitativen Kapazität scharf genug gesehen und bestimmt hat, wodurch in ihren Angaben große Verwirrung entstanden ist. Gleichwohl zeigt sich dieser Unterschied sehr deutlich. Auf jeden Körper, welches chemische Verhältnis er auch gegen die Wärmematerie zeige, wirkt die Wärme quantitativ, d.h. durch Vergrößerung seines Volums, Veränderung seines Zustandes. Dies ist gleichsam die allgemeine Wirkungsart der Wärme; bei Körpern aber, die gegen die Wärme ein besonderes Verhältnis zeigen, ist diese Veränderung des Volums nur die äußere Erscheinung gleichsam der Veränderung, welche die Wärme durch besondere Wirkungsart im Innern des Körpers bewirkt.
Dies erhellt daraus, daß diese Veränderung des Volums der Körper durch die Wärme nicht immer im Verhältnis ihrer Dichtigkeit, wie man sonst erwarten müßte, sondern in einem gewissen Verhältnis mit ihrer spezifischen Kapazität geschieht. Man muß hier auf zweierlei Rücksicht nehmen. Wenn man die Wärme, welche zu den Versuchen über die Ausdehnbarkeit der Körper angewandt wird, dem Grade nach als gleich annimmt, so muß man nicht nur auf das Volum, zu dem sie ausgedehnt werden, sondern auch auf die Zeit, innerhalb welcher es geschieht, Rücksicht nehmen.
Zieht man nun
1. das Volum in Betrachtung, so scheint es allerdings, daß Körper durch dieselbe Wärme im umgekehrten Verhältnis ihrer Dichtigkeit ausgedehnt werden. So wird brennbare Luft durch dieselbe Wärme mehr ausgedehnt als gemeine Luft, gemeine Luft mehr als Weingeist, Weingeist mehr als Wasser, Wasser mehr als Quecksilber. Dies ist ganz so, wie man es zum voraus erwarten mußte.
Nimmt man nun aber
2. auf die Zeit Rücksicht, in welcher diese Ausdehnung erfolgt, so daß man außer der Wärme auch den Grad der Ausdehnung als gleich annimmt, so zeigt sich dabei ein ganz anderes Verhältnis. Quecksilber, weit dichter als Wasser, braucht weniger Zeit, auf einen bestimmten Grad ausgedehnt zu werden, als Wasser, dieses wieder mehr Zeit als Weingeist, der weniger dicht ist als das Wasser.
Lavoisier, nachdem er über die Ausdehnbarkeit flüssiger Körper durch die Hitze eine Reihe mühsamer Versuche angestellt hatte, wurde durch dieses besondere Verhältnis des Volums, zu welchem, und der Zeit, in welcher Flüssigkeiten ausgedehnt werden, so befremdet, daß er es nicht wagte, irgend eine Theorie aus seinen Versuchen herzuleiten. Nach den Grundsätzen, welche wir bisher über die Wirkungsart der Wärme aufgestellt haben, kann uns ein solches besonderes Verhältnis nicht unerwartet sein.
Daß Körper von ursprünglich-höherer Elastizität (von geringerer Dichtigkeit) durch gleiche Wärme stärker ausgedehnt, d.h. elastischer werden als solche, die ursprünglich weniger elastisch sind, kann uns nicht befremden. Wenn also die Wärme zu verschiedenen Körpern ein verschiedenes, spezifisches oder qualitatives Verhältnis hat, so kann sich diese Verschiedenheit, die Wärme, und das Volum der Ausdehnung als gleich gesetzt, in der Tat durch nichts als die Verschiedenheit der Zeiten, in welcher gleiche Wärmequantitäten gleiche Wirkungen hervorbringen, offenbaren.
Das besondere, spezifische Verhältnis der Wärme zu verschiedenen Körpern hängt nun ganz und gar von dem Grade der Erregbarkeit des ursprünglichen Wärmeprinzips dieser Körper ab. Es ist natürlich, daß Körper, in welchen das ursprüngliche Wärmeprinzip erregbarer ist, wenn sie mit andern Körpern, in welchen dasselbe minder erregbar ist, durch gleiche Wärme zu gleichem Volum ausgedehnt werden, dieses Volum in kürzerer Zeit annehmen müssen. So ist das Quecksilber zwar dichter, aber zugleich ursprünglich- phlogistischer, als das Wasser, es wird also durch gleiche Wärme in kürzerer Zeit zu einem gleichen Volum mit dem Wasser ausgedehnt werden. Ebenso ist der Weingeist zwar weniger dicht, dagegen aber ursprünglich erregbarer durch Wärme, als das Wasser; kein Wunder, daß die Zeit, in der er durch gleiche Wärme zu gleichem Volum mit dem Wasser ausgedehnt wird, gar nicht das Verhältnis seiner Dichtigkeit beobachtet.
Ich glaube, daß nach so vielfachen Beweisen kein Zweifel übrig bleiben kann, daß nicht in jedem phlogistischen Körper ein ursprüngliches Prinzip liege, das, durch fremde Wärme in verschiedenem Grade erregbar, eigentlich dasjenige ist, was die Wanne in verschiedenem Grade zurückstößt. Es ist ohnehin allen gesunden Prinzipien zuwider, einen Körper bei irgend einer Veränderung, die er erleidet, als lediglich passiv anzunehmen. Wie ein Körper die Wärme mit eigentümlicher Kraft zurückstoßen kann, begreife ich nicht, wenn nicht diese Kraft selbst durch Wärme erregbar ist. Und da in der ganzen Natur jene elastische Materie, die wir Wärmestoff nennen, nur durch sich selbst im Gleichgewicht erhellten, nur durch sich selbst beschränkt werden kann, so begreife ich wiederum nicht, wie ein Körper mit so großer Kraft auf die Wärmematerie zurückwirkt, wenn nicht in ihm selbst ein Prinzip liegt, das, der Wärmematerie ursprünglich verwandt, allein fähig ist sie in ihrer Bewegung aufzuhalten, oder ihr eine Bewegung in entgegengesetzter Richtung einzudrücken.
Wenn die Wärme im Körper selbst ein ursprüngliches Prinzip erregt, d.h. wenn sie chemisch, dynamisch auf ihn wirkt, so wird dadurch ein Bestreben zur Zersetzung in ihm hervorgebracht werden. Ist die Materie zusammengesetzt aus homogenem, nur spezifisch verschiedenem phlogistischem Stoff, so wird die Zersetzung durch bloße Wärme bewirkt werden können, weil die verschiedenen Bestandteile eine verschiedene Erregbarkeit durch Wärme, und also auch einen verschiedenen Grad der Volatilität haben. So sind Öle als Produkte aus Wasser- und Kohlenstoff, so Pflanzen und überhaupt alle Zusammensetzungen phlogistischer Stoffe durch bloße Wärme zersetzbar.
Ganz anders ist es mit Körpern, die aus heterogenem Stoffe bestehen. Ist ein Körper in oxydiertem Zustande, so kann die Wärmematerie für sich wohl eine Veränderung der quantitativen, nicht aber der qualitativen Kapazität bewirken. So wird Wasser durch Wärme ins Unendliche ausdehnbar, nicht aber zersetzbar sein, wofern nicht die Wahlanziehung einer dritten Materie hinzukommt. (Ein Satz, der gegen manche meteorologische Vorstellungsarten sehr beweisend ist). Das Vehikel der Wärmematerie im Wasser ist nur das Hydrogene, das Oxygene kann davon nicht affiziert werden. Die Wärmematerie wird sich des Hydrogenes bemächtigen und es in den Zustand der Zersetzbarkeit bringen. Aber nur erst, wenn eine dritte Materie hinzukommt, welche das Oxygene aus der Verbindung mit dem Hydrogene reißt, wird das letztere dem Impuls der Wärmematerie folgen. Das Wasser wird reduziert (desoxydiert), es entsteht entzündliche Luft (gaz hydrogène); diese wird eine weit geringere qualitative, aber eine größere quantitative Kapazität haben als das Wasser, mit andern Worten, indem das Wasser das Oxygene verliert, wird seine Zurückstoßungskraft gegen die Wärmematerie vergrößert, unerachtet es dem Volum nach jetzt weit mehr Wärmematerie aufnehmen kann. Das gerade Gegenteil geschieht, wenn der Körper phlogistisch ist und mit der atmosphärischen Luft in Berührung steht; denn nun wird jede Erhöhung der Temperatur die qualitative Kapazität des Körpers bis zu einem Maximum vermindern, bei welchem er das Oxygene anzieht.
Man bemerke, wie überall Wärme- und Sauerstoff sich entgegengesetzt sind und in jedem Phänomen einander ablösen, wenn ich so sagen darf. In dem Grade, in welchem der Körper erwärmt ist, d.h. die Wärmematerie zurückstößt, zieht er das Oxygene an. Das Maximum der Zurückstoßung des einen ist das Maximum der Anziehung des andern. Sobald dieses Maximum erreicht ist, ändert sich die Szene. Denn sobald das Oxygene an den Körper tritt, wird die qualitative Kapazität des Körpers vermehrt, d.h. mit andern Worten, sobald der Körper das Maximum der Anziehung gegen das Oxygene erreicht hat, erreicht er zugleich das Minimum der Zurückstoßung gegen den Wärmestoff, dessen er fähig ist. Man sieht, daß diese Vorstellungsart auf weit philosophischere Begriffe führt, als die Vorstellungsart der Antiphlogistiker, die aus der Chemie in der Tat allen Dualismus verbannen.
Jetzt sehen wir uns auch instand gesetzt, den verschiedenen Grad der Brennbarkeit verschiedener Körper zu erklären. Zu erklären sage ich; denn daß man sagt, die Körper haben größere oder geringere Verwandtschaft zum Oxygene, heißt die Sache nicht erklären. Denn davon nichts zu sagen, daß das Wort Verwandtschaft überhaupt nichts erklärt, – so ist ja eben diese verschiedene Verwandtschaft der Körper zum Oxygene dasjenige, was man erklärt haben will.
Wenn sich der verbrennende Körper beim Prozeß wirklich so passiv verhielte, als manche einseitige Antiphlogistiker glauben, so ließe sich gar kein Grund angeben, warum nicht alle Körper bei gleicher Temperatur und alle mit derselben Leichtigkeit verbrennen. Es muß als Grundsatz angenommen werden, daß der Körper nur dann mit dem Oxygene sich verbindet, wenn seine Zurückstoßungskraft gegen die Wärme ihr Maximum erreicht hat (oder: wenn sein ursprüngliches Wärmeprinzip bis zum höchsten Grade erregt ist). Denn sobald seine Zurückstoßungskraft der fremden Wärmematerie nicht mehr das Gleichgewicht hält, muß seine Kapazität vermehrt werden, oder, was dasselbe ist, er muß sich mit dem Oxygene verbinden.
Die verbrennlichsten Körper also sind diejenigen, deren Zurückstoßungskraft am ehesten überwältigt ist, oder deren ursprüngliches Wärmeprinzip am ehesten das Maximum der Erregung erreicht. In einigen Körpern ist die ursprüngliche Zurückstoßungskraft so gering, daß sie bei der niedrigsten Temperatur schon sich mit dem Oxygene verbinden, oder, was dasselbe ist, eine größere Kapazität annehmen. Es wird auch umgekehrt gelten, nämlich daß diejenigen Körper durch Wärme am stärksten erregbar sind, welche am schwersten verbrennen (wie die Metalle).
Auf das Thermometer kann nur diejenige Wärme wirken welche vom Körper zurückgestoßen wird. Der Grad also, in welchem ein Körper durch eine bestimmte Quantität Wärmematerie erwärmt wird, ist gleich dem Grad seiner Zurückstoßungskraft gegen die Wärme, oder gleich seiner Erregbarkeit durch Wärme. Es werden also durch gleiche Quantitäten Wärme von allen Körpern diejenigen am stärksten erwärmt, welche am schwersten verbrennen.
Auch folgt aus dem Vorhergehenden das Gesetz: daß ein Körper von doppelter Erregbarkeit durch einfache Erhöhung der Temperatur in gleichem Grad erhitzt wird, als durch doppelte Erhöhung der Temperatur ein Körper von einfacher Erregbarkeit, oder: daß die einfache Erhöhung der Temperatur bei, doppelter Erregbarkeit des Körpers (in bezug auf das Thermometer) der doppelten Erhöhung der Temperatur bei einfacher Erregbarkeit des Körpers gleich gilt. Man setze die Erregbarkeit des Wassers = 1, die des Leinöls = 2, so wird das Wasser durch die doppelte Quantität mitgeteilter Wärme nicht stärker erhitzt, als das Leinöl durch die einfache, oder, wenn man die Wärmequantität, welche beiden mitgeteilt wird, als gleich annimmt, wird sich der Grad ihrer Erwärmung verhalten wie ihre Erregbarkeit = 1 : 2.
Wenn Wärmeleiter solche Körper sind, welche durch eigentümliche Zurückstoßungskraft die Wärmematerie fortbewegen, so wird auch die Leitungsfähigkeit der Körper sich verhalten wie ihre Erregbarkeit, und umgekehrt wie ihre Kapazität. (Es brauchen einige Schriftsteller das Wort Kapazität als gleichbedeutend mit dem Wort Leitungsfähigkeit. Es ist aber widersinnig zu sagen, daß ein Körper um so größere Leitungsfähigkeit habe, je mehr er Wärme aufzunehmen, d.h. zurückzuhalten, fähig sei). Mit diesem Gesetz stimmt die Erfahrung vollkommen überein. Wärmeleiter sind nur phlogistische Körper, weil diese allein durch Wärme erregbar sind. Unter den phlogistischen Körpern werden diejenigen die besten Wärmeleiter sein, die im höchsten Grade erregbar sind, d.h. nach dem Obigen, die am schwersten verbrennen, die Metalle, und unter diesen z.B. das Silber usw. Die schlechtesten Wärmeleiter diejenigen, die durch Wärme am wenigsten erregbar sind, d.h. die leicht verbrennlichen Körper, wie Wolle, Stroh, Federn usw. Doch hat wahrscheinlich auf die Leitungskraft dieser Körper noch ein anderes Verhältnis Einfluß, wovon nachher. Ich bemerke nur noch, daß die Entdeckung des Grafen Rumford, daß diese Materien Nichtleiter sind für geringere, Leiter aber für größere Grade von Wärme, ein neuer Beweis ist, daß die Leitungskraft der Körper von dem Grad ihrer Erregung abhängig ist.
Nichtleiter der Wärme sind alle dephlogistisierten oder oxydierten Körper, wie Metallkalke. In allen diesen Körpern ist nur geringe Zurückstoßungskraft gegen die Wärme erregbar.
Vollkommene Nichtleiter der Wärme sind das Wasser und die Luft, versteht sich die reine Luft (denn kohlengesäuertes oder entzündliches Gas sind allerdings Wärmeleiter. Die eingeschlossene Luft eines Orts, in welchem viele Menschen sich befinden, wird zuletzt glühend heiß).
Es ist eine merkwürdige Entdeckung des Grafen Rumford, die er in seinen Experiments upon heat in den Philos. Transact. Vol. LXXXII, P. I. zuerst mitgeteilt und durch sinnreiche Versuche außer Zweifel gesetzt hat, daß die gemeine Luft für die Wärme undurchdringlich sei, daß zwar jedes einzelne Luftteilchen Wärme aufnehmen und durch Bewegung andern mitteilen könne, daß aber die Luft in Ruhe, d.h. ohne daß ihre Teilchen eine relative Bewegung haben, die Wärmematerie nicht fortpflanze. Dies heißt nun gerade nicht mehr und nicht weniger, als daß die Luft keine eigentümliche Zurückstoßungskraft gegen die Wärme äußere, sondern sie nur fortpflanze, insofern sie selbst durch eine äußere Ursache in Bewegung gesetzt wird. Ich wüßte nichts, wodurch ich die oben gegebene Definition eines Wärmeleiters und Nichtleiters besser erläutern könnte.
Ich habe soeben bemerkt, daß die Leitungskraft mancher leichtverbrennlichen Körper, wie der Wolle, der Federn usw., geringer sei, als man sie, ihrer schwachem Erregbarkeit unerachtet, doch erwarten sollte. Das Rätsel löst sich durch eine andere Beobachtung des Grafen Rumford. Er hat gefunden, daß die geringere Leitungskraft der Materien, die wir zur Bedeckung und Bekleidung anwenden, nicht sowohl von der Feinheit oder der besondern Disposition ihres Gewebes, als von einem gewissen Grad der Anziehung, den diese Materien gegen die umgebende Luft beweisen, abhängig sei. Vermöge dieser Anziehung hält eine solche Materie die Luft mit mehr oder weniger Hartnäckigkeit zurück, selbst dann, wann sie durch eine momentane Ausdehnung ärostatisch leichter wird als die umgebende Luft, und also sich erheben und die Wärme, von der sie ausgedehnt wurde, mit sich wegführen sollte. (Man begreift daraus, warum oft bei gemäßigter Temperatur der Luft ein Wind weit mehr erkältet, als die ruhige, aber äußerst kalte Luft).
Am deutlichsten sieht man diese Eigenschaft leichtverbrennlicher Körper, die Luft um sich her zu sammeln, an dem sogenannten Hexenmehl (semen lycopodii). Man weiß, daß dieses Mehl beinahe keine Nässe annimmt; es schwimmt nicht nur auf dem Wasser, sondern es schützt auch, auf dessen Oberfläche ausgebreitet, die Hand, die man ins Wasser taucht, vor aller Feuchtigkeit; den Grund davon muß man in der Luftschichte suchen, die jedes einzelne Körnchen dieses Staubes umgibt; denn, wenn man ein Glas voll dieses Staubes auf den Boden eines mit Wasser angefüllten Gefäßes unter den Rezipienten der Luftpumpe bringt, füllt im Augenblick, da man den Druck der Atmosphäre wiederherstellt, das Wasser in dem Glas alle Zwischenräume des Staubs aus, und macht ihn naß wie jede andere Materie; trocknet man ihn nachher, so nimmt er wieder seine Luftbedeckung an, und mit dieser auch wieder die charakteristische Eigenschaft, der Nässe zu widerstehen. (Man sehe eine Anmerkung des Herrn Pictet zu dem Auszug aus des Grafen Rumford Abhandlung in der Bibliothèque britannique, redigée à Genève par une société de gens de lettres T. I, p. 27.)
Vorausgesetz auch, daß die leichtverbrennlichen Substanzen, deren wir uns zum Schutz gegen die Kälte bedienen, die vollkommensten Nichtleiter der Wärme wären (was man doch aller Analogie nach nicht annehmen kann), so ist doch die wirkliche Solidität dieser Substanzen in Vergleichung der Zwischenräume, die sie leer lassen, so gering, daß sie, wenn sie nicht auf die Luft selbst einen Einfluß hätten, wodurch die freie Bewegung derselben in jenen Zwischenräumen und auf ihrer Oberfläche verhindert wird, unmöglich die Wärme so zurückhalten könnten, wie sie es wirklich tun. Wenn es nun erwiesen ist, daß die Luft nicht durch eine eigentümliche Zurückstoßungskraft auch in der Ruhe, sondern nur insofern sie selbst bewegt wird, die Wärme fortpflanzt, und wenn es ferner erweisbar ist, daß jene Substanzen durch die Anziehung, welche sie gegen die umgebende Luft beweisen, eine relative Bewegung der letztern verhindern, so wird man die geringe Leitungskraft jener Materien nicht allein von ihrer schwachem Erregbarkeit, sondern noch vorzüglich von dem Schirm, den die Luft um sie her bildet, ableiten müssen: das letztere aber läßt sich leicht erweisen. Es gewährt einen schönen Anblick, wenn man feines Pelzhaar unter Wasser getaucht unter den Rezipienten einer Luftpumpe bringt. Jedes einzelne Haar zeigt in dem Verhältnis, als die Luft verdünnt wird, seiner ganzen Länge nach eine unzählige Menge Luftblasen nacheinander, die ebenso vielen mikroskopischen Perlen gleichen.
Ich füge eine Bemerkung hinzu, wodurch, wie ich glaube, die Sache noch mehr erläutert wird. Man sieht leicht ein, daß die Natur, wenn sie den Tieren zu ihrer Bedeckung Substanzen gegeben hätte, die vollkommene Wärmeleiter sind, sehr grausam gehandelt hätte. Aber man bemerkt nicht so leicht, daß es ebenso grausam gewesen wäre, ihnen vollkommene Nichtleiter, oder Substanzen von großer Kapazität, zur Bedeckung zu geben. Die Natur mußte die Tiere mit einer Bedeckung von geringer Kapazität umgeben, denn eine Bedeckung von großer Kapazität hätte ihnen alle eigentümliche Wärme geraubt und nicht Zurückstoßungskraft genug gehabt, um die vom Körper ausströmende Wärme gegen ihn zurückzutreiben. Denn der Körper kann durch natürliche oder künstliche Bedeckung nur insofern erwärmt werden, als diese der vom Körper ausströmenden Wärme das Gleichgewicht zu halten imstande ist. Allein hinwiederum hätten Substanzen von geringerer Kapazität als Wärmeleiter die Wärme nicht nur gegen den Körper zurück, sondern auch vom Körper hinweg getrieben, wenn die Natur nicht in einem umgebenden Medium das Mittel gefunden hätte, die Fortpflanzung der Wärme in dieser Richtung zu verhindern. Diesen Zweck hat sie dadurch erreicht, daß sie die Tiere in ein Medium versetzte, das nicht nur ein vollkommener Nichtleiter ist, sondern auch von den leichtverbrennlichen Substanzen, aus denen die tierischen Bedeckungen bestehen, auf besondere Art angezogen und so modifiziert wird, daß es alle Fortpflanzung der Wärme in der entgegengesetzten Richtung des Körpers beinahe unmöglich macht.
Der Pelz z.B., mit dem vorzüglich die Tiere der kälteren Klimate versehen sind, beweist gegen die umgebende Luft eine Anziehung, die stark genug ist, der spezifischen Leichtigkeit dieser durch die eigne Wanne des Tiers ausgedehnten Luftteilchen das Gleichgewicht zu halten, und so zu verhindern, daß sie die eigne Wärme des Tiers nicht fortführen. Diese Bedeckung, welche die Luft um sie bildet, ist eigentlich die Beschirmung, welche das Tier vor dem Einfluß der äußeren Kälte schützt, oder, eigentlicher zu sagen, ihm seine innere Wärme erhält.
»Man sieht daraus«, sagt der Graf Rumford, »warum das längste, feinste und gedrängteste Pelzwerk das wärmste ist (und, kann man hinzusetzen, warum Feinheit und Länge dieser tierischen Bedeckungen mit der Kälte der Himmelsstriche zunimmt); man sieht, wie der Pelz des Bibers, der Fischotter und anderer vierfüßiger Tiere, welche im Wasser leben, wie die Federn der Wasservögel, unerachtet der großen Kälte und der Leitungsfähigkeit (Kapazität) des Mittels, in dem sie leben, die Wärme dieser Tiere im Winter erhalten können; die Verwandtschaft der Luft mit ihrer Bedeckung ist so groß, daß sie durch das Wasser nicht verdrängt wird, sondern hartnäckig ihren Platz behauptet, und zu gleicher Zeit das Tier vor der Nässe und der Erkältung bewahrt«.
Ich habe mit Absicht länger bei diesen Betrachtungen verweilt, weil sie mir der offenbarste Beweis von der Richtigkeit des Begriffs zu sein scheinen, den ich oben von der Leitungsfähigkeit der Körper aufgestellt habe. Der Graf Rumford hat es unterlassen, den Grund anzugeben, warum die (gemeine) Luft für die Wärme undurchdringlich ist, oder warum sie die Wärme nicht durch eigentümliche Bewegung fortpflanzt. Wenn die oben aufgestellten Grundsätze richtig sind, so ist dieser Grund nicht schwer zu finden.
Die gemeine Luft ist von dem Oxygenegas durchdrungen. Dieses ist nach den obigen Prinzipien durch Wärme nicht erregbar, oder es beweist keine eigentümliche Zurückstoßungskraft gegen die Wärmematerie. Der evidenteste Beweis davon ist, daß die Körper, sobald sie sich mit dem Oxygene verbinden, eine weit größere Kapazität annehmen.
Ich fasse um so eher Zutrauen zu dieser Erklärung, da derselbe Graf Rumford durch neuere Versuche überzeugt worden ist, daß das Wasser gerade so wie die atmosphärische Luft fremde Wärme nicht durch eine eigentümliche Propulsionskraft, sondern nur durch relative Bewegung seiner einzelnen Teilchen fortpflanzt. Er hat die Natur gleichsam über der Tat belauscht, indem er Mittel fand, die entgegengesetzten Ströme im erhitzten Wasser zu beobachten, wodurch sich die Wärme allmählich in der ganzen Masse verbreitet. Er hat bemerkt, daß, was die Verbreitung der Wärme durch die Luft erschwert, z.B. Federn, auch die Verbreitung der Wärme durchs Wasser verhindert. (Man s. die weitläufigere Nachricht hievon in v. Crell's chemischen Annalen 1797, 7. und 8. Heft.)
Der Graf Rumford glaubt sich durch diese Entdeckung zu dem allgemeinen Satz berechtigt, » daß alle Arten von Flüssigkeiten dieselbe Eigenschaft haben, Nichtleiter der Wärme zu sein« (a. a. O. S. 80), ja sogar zu der Vermutung, » das wahre Wesen der Flüssigkeit möchte wohl darin bestehen, daß die Elemente derselben alle fernere Umtauschung oder Mitteilung der Wärme unmöglich machen« (a. a. O. S. 157). Ich habe aber Grund zu glauben, daß weitere Versuche, die dieser ebenso tätige als sinnreiche Naturforscher ohne allen Zweifel anstellen wird, ihn nötigen werden, jene Behauptung auf die dephlogistischen oder dephlogistisierten (durch Oxygene neutralisierten) Flüssigkeiten einzuschränken.
Ein Hauptbestandteil des Wassers ist das Oxygene. Diese Materie ist es, was dem Hydrogene zugleich mit seiner phlogistischen Beschaffenheit auch die Erregbarkeit durch Wärme und mit ihr die Fähigkeit raubt, Wärmematerie durch eigentümliche Zurückstoßungskräfte fortzupflanzen.
Vielleicht gelingt es uns in der Folge unserer Untersuchungen wahrscheinlich zu machen, daß die Anziehung, welche leichtverbrennliche Substanzen gegen die atmosphärische Luft beweisen, nicht nur die relative Bewegung der Luftteilchen verhindert, wie der Graf Rumford behauptet, sondern noch überdies durch eine besondere Modifikation die atmosphärische Luft auch der geringen Leitungsfähigkeit beraubt, welche sie noch ihrer Vermischung mit dem Stickgas verdankte.
Die Eigenschaft des Wassers, Nichtleiter der Wärme zu sein, reizt ebenso zu Betrachtungen über die allgemeine Ökonomie der Natur, als dieselbe Eigenschaft der Luft. Hr. de Luc, als er durch Versuche ein Fluidum finden wollte, das im Verhältnis der Wärmegrade sich ausdehnte, war sehr erstaunt, als er das große Mißverhältnis wahrnahm zwischen der Ausdehnung, welche das Wasser, und der, welche andere Flüssigkeiten durch Wärme erlangen. Wenn man die Ausdehnung, zu welcher das Wasser und das Quecksilber im Übergang vom Gefrier- zum Siedepunkt gelangen, in 800 gleiche Teile teilt, und die korrespondierenden Grade dieser Ausdehnung in beiden vergleicht, so findet man, daß das Quecksilber vom Eispunkt an bis zu dem höchsten Wärmegrad, der beim Anfang der Vegetation an der Oberfläche der Erde herrscht (ungefähr = 10° eines 80 teiligen Thermometers) um 100, das Wasser aber nur um 2 jener 800 Teile ausgedehnt wird, daß von diesem Punkt an bis zu dem herrschenden Wärmegrad im Sommer (ungefähr = 25°) das Quecksilber sich um 150, das Wasser nur um 71 jener 800 Teile ausdehnt. Also folgt das Wasser bei seiner Ausdehnung gar nicht dem Verhältnis der Erwärmung, denn die ersten Grade seiner Ausdehnung wenigstens sind in Vergleichung der letztern höchst unbeträchtlich. Hr. de Luc wurde in Bewunderung gesetzt, als er bedachte, daß das Wasser die Flüssigkeit ist, die am meisten auf der Erde verbreitet, in allen Substanzen enthalten, das Vehikel aller vegetabilischen und tierischen Nahrung, in allen Gefäßen, welche dazu dienen, enthalten ist; daß also, wenn das Wasser ein »turbulentes«. Zusatz der ersten Ausgabe. in seinen Ausdehnungen rapides Fluidum wäre, keine Organisation der Erde bestehen könnte.
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Ich denke, daß man es der vorgetragenen Wärmetheorie als. Verdienst anrechnen wird, Worten, die bisher nichts als dunkle Qualitäten ausgedrückt haben (wie dem Wort Kapazität), durch Zurückführung der Wirkung, die sie bezeichnen, auf physikalische Ursachen reale Bedeutung verschafft zu haben. Ich hoffe, daß man diese Theorie nicht durch die bisherigen Theorien bestreiten werde, denn eben das ist der Zweck dieser Theorie, das Schwankende der bisherigen Begriffe aufzudecken. Wer übrigens diese Theorie verwirren will, hat leichte Arbeit, wenn er nur die bisherige Unbestimmtheit des Wortes Kapazität und mehrerer anderer gehörig zu benutzen weiß, welches zu verhüten ich doch mein Mögliches getan habe.