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Vorwort

Die Aufsätze, die ich hier zu einem Buche vereinigt habe, sind in den letzten 3 Jahren entstanden. Ihr gemeinsamer Ursprung ist die bald zu einer bitteren Erkenntnis verdichtete melancholische Stimmung, die »Grossmutter. Ein Buch von Tod und Leben. Gespräche mit einer Verstorbenen« (Stuttgart, 1906) gereift hatte. Sie schliessen an die Reihe von lehrhaften Versuchen an, die ich 1905 für »Kunst und Dekoration« geschrieben und 1906 in der vielgenannten Broschüre »Die Mietwohnung. Eine Kulturfrage« (Darmstadt 1906) gesammelt und so zu einem vorläufigen Abschluss gebracht habe. Inzwischen waren mir in einer vorzüglich epischen Epoche meines Schaffens »Giorgione oder Gespräche über die Kunst« und »Literatur. Drei Gespräche« (München, 1906) einer-, »Leben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser« anderseits geraten, die ich gern als Flügelaltarbilder des Triptychons bezeichne, dessen Mittelstück »Grossmutter« vorstellt. Vielleicht darf ich »Kapellmeister Kreisler« seine Rückwand nennen. Ich gebe hier nur Stationen meines Weges an, dessen Richtung meine Freunde kennen. Beiläufig bemerkt: seit »Grossmutter«, »Mietwohnung«, »Giorgione« und »Balthesser« sprechen mich in den scheinbaren Irrgängen meiner Autorerscheinung Unberatene bald als »Kunstschriftsteller«, bald als Modeschriftsteller, bald als Cicerone, bald als Knigge, bald als Dozenten, bald als Pädagogen an (nur nicht als Poeten). Ich lasse mir alles gefallen, und da ich – ich möchte sagen Gott sei Dank – in einem anstrengenden und verantwortlichen Berufe wenig Zeit zur notwendigsten, drängendsten Äusserung erübrige, bin ich nach Geschmack und Stimmung jeweils gern bereit, dem einen oder dem andern Begehren zusammengefasst zu entsprechen. Ich habe, vielfach umgetan, wenigstens immer wieder wirklich etwas zu sagen, und was ich sage, ist durch alle Stadien der Lust und der Hindernisse hindurchgegangen und also geläutert und ziemlich besonnen. Ob es eindrucksfähig, wirksam sei, will ich nicht beurteilen; dass es mir kaum je genügt, kann ich Berufenen verraten. (In diesem Bande scheint mir »Vom Tanzen« in seiner Art der vollkommenste Ausdruck einer reifen, tief wurzelnden Einsicht.) Ich habe auf Verlangen manches mir gelegentlich nicht unwichtig erschienene Thema des öfteren behandelt, ich darf bekennen, niemals mich selbst bloss wiederholend, immer wieder die nur zu häufige Gelegenheit zur Vereinfachung, Konzentrierung des seither besser Verarbeiteten benützend. Stösst sich vielleicht mancher oberflächliche Beobachter an einer Vielseitigkeit, die ihm bedenklich erscheint, so kann ich ihm versichern, dass mir mein weites Feld noch allzu enge dünkt, und ihm zur Erklärung sagen, dass einer, der kein Literat, sondern ein hin und wieder zum Schreiben geneigter Mensch ist, die Einseitigkeit, dünkelhafte Enge und Armseligkeit des »Schriftstellers« in einem Grad empfindet, der »Berufsgenossen« wohl kaum je glaubhaft erscheinen dürfte. Ich finde nämlich – und weiss mich leider dabei im sozusagen konstitutiven Gegensatze zu meinen viel, allzuviel schreibenden Zeitgenossen – dass abgesehen vom Dichter, einer Spezies, die trotz den krankhaften Versuchen der entsetzlichen Vertreter unseres Epigonentums am Aussterben ist, zum belangvollen, lebendigen Autor alles eher von nöten ist als die beliebte Weltfremdheit des Literaten, der seinen Entwicklungsgang von Publikation zu Publikation abschätzt. Ich finde, dass Menschen wie Montaigne, Rivarol, Bismarck, Benjamin Constant, Villiers in ihren zufälligen Mitteilungen dem besten Teil der Menschheit unendlich mehr gegeben haben als alle die unzähligen »Schriftsteller«, die von Zeit zu Zeit und gewissermassen auf Widerruf beliebt sind und beliebt gewesen sind. Im letzten Grunde freilich ist dies ja nicht so sehr Sache des Geschmacks – wenn auch gewiss der Erziehung, also doch des Geschmacks – als der Persönlichkeit. Ich wenigstens lese lieber irgendeine tatsächliche Bemerkung von Alfred Lichtwark oder Hermann Keyserling als einen sogenannten modernen Roman. Aber von einem grossen Künstler wie Flaubert – dies zur Richtigstellung – lese ich nicht nur jede Zeile, sondern jede Zeile immer wieder.

Ich weiss nicht, ob dies die richtige Einleitung zu einem Buch ist, das sehr viel begreift, mehr angreift, und doch vom Standpunkt eigentlich künstlerischer Durchbildung sehr anspruchsloser Natur zu sein bekennt: es ist, wie gesagt, aus Gelegenheitsaufsätzen zusammengestellt und bloss äusserlich zusammengehalten; es vertraut seiner innerlichen Einheit, die nichts anders vorgibt zu sein als – Wahrheit.

Brünn, Schreibwald, 21. Oktober 1909
Richard Schaukal


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