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Die Einleitung von Wilhelm Weigand ist aus Urheberrechtsgründen bis 31. 12. 2019 gesperrt und wurde aus diesem Buch gelöscht. Re.
1675-1692
Geburt und Familie Saint-Simons / Seine Erziehung / Sein erster Feldzug
Ich bin in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 1675 geboren, als einziges Kind von Claude, Herzog von Saint-Simon, Pair von Frankreich usw., und seiner zweiten Frau, Charlotte von L'Aubespine. Die feierliche Taufe, bei der Ludwig XIV. und die Königin Maria Theresia Paten waren, fand erst am 29. Juni 1675 statt. Der Herzog Claude (1606-1693) war achtundsechzig und seine Gemahlin, Charlotte de l'Aubespine de Châteauneuf d'Hauterive (1641-1725), über vierunddreißig Jahre alt, als ihr einziges Kind zur Welt kam.
Ich bekam den Namen Vidame Vidame (Vice-dominus) war der Titel der Edelleute, die ein bischöfliches Lehen innehatten. Saint-Simons Vater hatte die prächtige Herrschaft La Ferté-au-Vidame, an deren Besitz der Titel eines Vidame de Chartres geknüpft war, 1635 erworben. In der Regel trug der älteste Sohn hochadeliger Häuser den Titel Vidame. von Chartres und wurde mit großer Sorgfalt und Aufmerksamkeit erzogen. Meine Mutter, eine Frau von hoher Tugend, außerordentlich festem Charakter und klarem Verstand, trug fortwährend die größte Sorge für meine leibliche und geistige Ausbildung. Sie fürchtete für mich das Schicksal jener jungen Leute, die ihr Glück gesichert glauben, aber allzufrüh ihre eigenen Herren werden. Mein Vater, der 1606 geboren war, durfte nicht lange genug leben, um mich vor diesem Unglück zu bewahren, und meine Mutter machte mich deshalb unaufhörlich darauf aufmerksam, wie notwendig ein junger Mensch wirklich etwas wert sein müsse, wenn er als einzelner ohne Beziehungen und als Sohn eines Günstlings von Ludwig XIII. in die Welt trete. Meines Vaters Freunde seien alle tot oder außerstande, mir behilflich zu sein, und sie, meine Mutter, bei einer ihrer Verwandten, der alten Herzogin von Angoulême, erzogen und dann einem bejahrten Manne angetraut, habe immer nur mit deren alten Freunden und Freundinnen verkehrt und keine Freundschaft mit Altersgenossen schließen können. Ohne nahe Verwandte, wie Oheime, Tanten und Vettern, also ganz auf mich angewiesen, müsse ich um so mehr alles aufbieten, um ohne Beistand und ohne Stütze vorwärts zu kommen. Ihre beiden Brüder hätten keine hohe Stellung; der ältere sei zugrunde gerichtet und mit seiner Familie im Streit, der einzige Bruder aber meines Vaters kinderlos und acht Jahre älter als dieser.
Zu gleicher Zeit ließ sie sich es angelegen sein, meinen Mut zu stärken und mich anzueifern, so zu werden, daß ich aus eigener Kraft die Schwierigkeiten meiner Lage zu überwinden imstande sei. Es gelang ihr auch, in mir ein großes Verlangen darnach zu erwecken. Ich fand zwar wenig Geschmack am Lernen und an den Wissenschaften; aber mein gewissermaßen angeborener Hang zum Bücherlesen und zur Geschichte und der Drang, in Nacheiferung der Vorbilder, die ich darin fand, etwas zu leisten und zu werden, glichen meine Abneigung gegen die Schulweisheit aus. Ich habe immer gedacht, daß ich ein Mann der Geschichte geworden wäre, hätte man mich weniger Zeit mit der Literatur verlieren lassen und mehr zum Studium der Geschichte hingelenkt. Die Weltgeschichte und besonders die Denkwürdigkeiten unserer eigenen, der Zeit seit Franz I., die ich für mich las, erweckten in mir den Wunsch, auch meine Erlebnisse aufzuzeichnen, wobei ich Sehnsucht und Hoffnung hegte, Zeuge von Geschehnissen und ein möglichst guter Kenner der Geschichte meiner Zeit zu werden. Wohl verhehlte ich mir die Unannehmlichkeiten nicht, die damit verbunden waren; aber der feste Entschluß, meine Aufzeichnungen als mein Geheimnis ganz für mich zu behalten, dünkte mir allem abzuhelfen. Ich begann sie also im Juli 1694, als Oberst eines Reiterregiments, das meinen Namen trug, im Feldlager zu Gimbsheim am Alten Rhein, im Heere, das der Marschall Herzog von Lorge Guy de Durfort, zuerst Graf und seit 1691 Herzog von Lorge, 1630-1702, war ein Neffe Turennes. Saint-Simon wurde 1695 sein Schwiegersohn.führte.
Im Jahre 1691 studierte ich Philosophie und lernte in der Akademie der Herren Mesmont und Rochefort reiten. Nebenbei ward ich auch in anderen Fächern unterrichtet. Alsogleich fing ich an, Lehrer und Lernen höchst langweilig zu finden und stark nach dem Eintritt in das Heer zu trachten. Die Belagerung Von Mons, die der König zu Beginn des Frühjahres in Person eröffnete, hatte fast alle jungen Leute meines Alters dorthin gezogen, damit sie ihre Feuertaufe empfingen; und was mich am meisten reizte, war der Umstand, daß der Herzog von Chartres Philipp von Orleans, der Neffe des Königs, Sohn seines Bruders und der Prinzessin Elisabeth Charlotte von der Pfalz, geboren am 2. August 1674, gestorben am 2. Dezember 1723 als Regent Frankreichs. darunter war. Mit ihm war ich sozusagen erzogen worden. Ich war acht Monate jünger als er und eng mit ihm befreundet, wenn dieser Ausdruck bei jungen Männern so verschiedenen Ranges statthaft ist.
Ich faßte den Entschluß, einen Strich unter meine Kinderzeit zu setzen. Welche Listen ich gebrauchte, um meine Absicht zu erreichen, will ich nicht näher erörtern. Ich wandte mich zunächst an meine Mutter, merkte aber bald, daß sie auf meinen Plan nicht ernstlich einging. Nun steckte ich mich hinter den Vater und redete ihm vor, da der König in diesem Jahre eine große Belagerung vorhabe, werde er im nächsten nichts unternehmen. Es gelang mir, meine Mutter zu täuschen. Sie kam erst hinter meinen Plan, als er fast ausgeführt war und ich meinen Vater so weit hatte, daß er sich nicht wieder umstimmen ließ.
Der König bestand darauf, daß jeder, der in sein Heer eintrat, mit Ausnahme der Prinzen des Königlichen Hauses und seiner natürlichen Söhne, ein Jahr lang in einer seiner Musketierkompagnien Die Musketiere waren eine Art Nobelgarde. Die beiden Kompagnien wurden nach der Farbe ihrer Pferde »schwarze« und »graue« Musketiere genannt. Jede bestand aus 250 Herren (maîtres). dienen mußte. Die Wahl war freigestellt. Um Manneszucht zu lernen, mußte man weiterhin eine mehr oder weniger lange Zeit eine Schwadron führen oder Offiziersdienst in seinem Leib-Infanterieregiment leisten, das der König begünstigte und allen andern Regimentern vorzog. Erst dann durfte man das Kommando eines Kavallerie- oder Infanterieregiments kaufen, je nachdem wie sich das jeder vornahm. Mein Vater brachte mich deshalb nach Versailles, wohin er nach seiner Rückkehr aus Blaye (wo er todkrank gewesen) noch nicht wieder hatte kommen können. Meine Mutter hatte ihn mit der Post abgeholt und ihn in sehr schwachem Zustande heimgebracht. Damals hatte er nicht geglaubt, den König je wiederzusehen. Jetzt machte er ihm seine Aufwartung und stellte mich ihm zugleich als künftigen Musketier vor. Das war am Tage der Heiligen Simon und Juda Am 28. Oktober 1691, an einem Sonntag, an welchem Tag der König Ministerrat hielt und sich Persönlichkeiten vorstellen ließ., mittags halb ein Uhr, als der König aus dem Ministerrat kam.
Seine Majestät ehrte meinen Vater mit einer dreimaligen Umarmung. Als dann die Rede auf mich kam, bemerkte der König, ich sähe klein und zart aus und wäre wohl noch sehr jung, worauf mein Vater entgegnete, um so länger vermöchte ich ihm zu dienen. Darnach fragte der König, in welche von den beiden Leibkompagnien er mich eintreten lassen wolle. Mein Vater entschied sich für die erste, weil ihr Hauptmann, der Marquis von Maupertuis Louis de Melun, genannt Marquis de Maupertuis, 1620 bis 1706., ein Vertrauter Freund von ihm war. Er rechnete auf dessen Fürsorge für mich, weil er wußte, daß sich der König bei den Kompagnieführern nach den jungen Edelleuten in den beiden Kompagnien genau erkundigte und daß diese erste und entscheidende Beurteilung für immer maßgebend blieb. Mein Vater hatte darin sehr recht. Die gute Meinung, die der König von Anfang an von mir hatte, verdanke ich der Güte des Herrn von Maupertuis.
Ein Vierteljahr, nachdem ich Musketier geworden, also im März des Jahres 1692, war der König nach Compiègne gefahren, um eine Besichtigung der Garde abzuhalten. Eines Tages hatte ich dort die Wache beim König. Diese kleine Reise gab Anlaß, daß von einer größeren Unternehmung gesprochen wurde. Meine Freude darüber war ganz außerordentlich; aber mein Vater, der wirtschaftlich nicht damit gerechnet hatte, bereute jetzt, daß ich Soldat geworden war, und ließ es mich merken. Meine Mutter war anfangs zwar ein wenig ärgerlich und ungehalten darüber gewesen, daß ich mich vom Vater gegen ihren Willen hatte einstellen lassen; trotzdem brachte sie ihn dahin, daß er mir eine Ausrüstung von fünfunddreißig Pferden und Maultieren verschaffte und was sonst noch nötig war, um im Felde anständig aufzutreten.
Der König rückte am 10. Mai 1662 mit den Damen des Hofes ins Feld. Der König hatte die Gewohnheit, sich von seinen Geliebten ins Feld begleiten zu lassen. Ich ritt bei meiner Truppe und mit meiner ganzen Dienerschaft wie die anderen Musketiere. Der Marsch dauerte acht Wochen. Ich hatte zwei Edelleute als Begleiter. Der eine gehörte schon lange zu unserem Hause; er war mein Erzieher gewesen. Der andere stand im Dienste meiner Mutter. Die Armee des Königs sammelte sich im Lager von Givry Stadt im Hennegau, nicht weit von Mons.; die des Marschalls von Luxemburg François-Henry de Montmorency, Graf von Bouteville, 1628 bis 1695, wurde durch Heirat 1661 Duc de Luxembourg; 1673 Kommandeur der Gardes-du-corps. stand in der Nähe. Die Damen hatten ihr Quartier in Mons, zwei Wegstunden entfernt. Der König lud sie in sein Lager ein und bewirtete sie daselbst, worauf eine Heerschau abgehalten ward, wie man sie prächtiger vielleicht noch nie gesehen hatte. Beide Armeen waren nebeneinander in zwei Treffen aufgestellt; die des Königs auf dem rechten Flügel. Die Front war drei französische Meilen lang.
Nach zehntägigem Aufenthalt in Givry trennten sich die beiden Armeen und traten den Vormarsch an. Zwei Tage später ward die Belagerung von Namur angeordnet, wo der König nach fünf Marschtagen anlangte. Monseigneur (der Dauphin) Ludwig, geboren am 1. November 1661, gest. am 14. April 1711., Monsieur Philipp, Herzog von Orleans, der Bruder des Königs, 1640 bis 1701, der Gemahl der Pfälzerin., der Prinz von Condé Henri-Jules de Bourbon, Großmeister von Frankreich, 1643 bis 1709, der Sohn des »großen Condé«. und der Marschall von Humières Louis de Crevant, zuerst Marquis und dann Herzog d'Humières, 1638 bis 1694. führten die eine Armee der Reihe nach unter der Oberleitung des Königs, während der Marschall von Luxemburg, der die seinige allein führte, die Belagerung deckte und für die Aufklärung sorgte. Die Damen hatten sich inzwischen nach Dinant begeben. Am dritten Marschtage ward der Prinz von Condé zur Belagerung der Stadt Namur entsandt. Der berühmte Vauban siehe Anmerkung zu S. 147 der Einleitung. die Seele aller Belagerungen, die der König je unternommen, setzte es durch, daß die Stadt getrennt von der Burg belagert wurde, gegen den Vorschlag des Barons von Bressey, der Stadt und Burg zugleich angreifen wollte. Er hatte den Platz befestigt. Aus Unzufriedenheit hatte er unlängst den spanischen Heeresdienst verlassen. Daß er sich gleich darauf Frankreich zur Verfügung gestellt, war seinem guten Rufe nicht gerade dienlich gewesen. Er ragte durch Tüchtigkeit und Fähigkeiten hervor und war ein ausgezeichneter Kriegsbaumeister und ein vorzüglicher Truppenführer. Nach seinem Übertritt in des Königs Dienste wurde er Generalleutnant und bekam ein beträchtliches Gehalt. Er war ein Mann von kleiner Gestalt, bescheiden und zurückhaltend. Eigentlich sah er nach gar nichts aus, aber er erlangte bald des Königs Vertrauen und dessen ganze militärische Hochachtung.
Der Prinz von Condé, der Marschall von Humières und der Marquis von Boufflers Zuerst Chevalier und dann Marquis de Boufflers, 1644 bis 1711. leiteten einer nach dem anderen einen Angriff. Während der zehn Tage, die die Belagerung der Stadt dauerte, trug sich nichts Besonderes zu. Am elften, nach Öffnung der Laufgräben, begann die Unterhandlung. Die Bedingungen fielen ungefähr so aus, wie die Belagerten sie wünschten. Nun zogen sie sich in die Burg zurück. Man war übereingekommen, daß von der Stadt her kein Angriff auf die Burg erfolgen und daß andrerseits die Stadt von der Burg aus verschont und unbeschossen bleiben sollte. Der König hielt sich während der Belagerung beständig im Lager auf. Es war sehr heiß und immer klarer Himmel. Nennenswerte Verluste gab es nicht, abgesehen davon, daß Graf Cormaillon fiel, ein junger tüchtiger Ingenieuroffizier, der eine gute Laufbahn vor sich gehabt und den Vauban sehr betrauerte. Der Graf von Toulouse Louis-Alexandre de Bourbon, 1678 bis 1737, einer der anerkannten Söhne der Montespan, den Ludwig 1683 zum Admiral von Frankreich ernannt hatte. erhielt eine leichte Verwundung am Arm, und zwar ganz in der Nähe des Königs, der von einem Hügel, aber ziemlich weit von der belagerten Stadt entfernt, dem Sturm zusah, den eine Abteilung der älteren Musketiere aus beiden Kompagnien bei Tage auf eine Schanze machte.
Das Heer wechselte seine Stellung, um die Burg zu belagern. Als die einzelnen Truppenteile den ihnen bestimmten Plätzen zustrebten, stieß das Königs-Infanterie-Regiment auf eine kleine feindliche Abteilung, die den betreffenden Ort besetzt hielt und sich daselbst verschanzte. Alsbald entwickelte sich dort ein ziemlich heftiges Sondergefecht. Der Fürst von Soubise François de Rohan (1631 bis 1712), von dem, wie auch von seiner Frau, bei Saint-Simon sehr häufig die Rede ist, zeichnete sich bei Mons aus. Über die Fürstin siehe Einleitung S. 101., der an diesem Tage den Oberbefehl führte, eilte hin und zeichnete sich aus. Das Königs-Regiment erntete bei geringen Verlusten viel Ehre. Der Feind war bald verjagt. Der König, der diese Truppe sehr liebte und sie vor allen anderen stets als sein Leibregiment ansah, war höchst erfreut darüber.
Die Zelte des Königs und des ganzen Hofes standen auf einer schönen Wiese fünfhundert Schritt vom Kloster Marlagne entfernt. Das gute Wetter, das seit dem Abmarsch von Paris geherrscht, schlug in Regen um, der so reichlich und so andauernd war, wie ihn noch keiner im Felde erlebt hatte. Die Soldaten gerieten über diese Sintflut in Verzweiflung. Der Regen ward zur wahren Plage der Belagerer. Die Zelte des Königs waren nur durch Wege erreichbar, die man mit Reisigbündeln überdeckte. Da sie immer wieder versanken, mußten sie alle Tage erneuert werden. Lager und Quartiere waren ebenso unzugänglich; die Belagerungsgräben voller Wasser und Schlamm. Man brauchte oft drei Tage, um die Geschütze von einer Schanze zur anderen zu bringen. Die Munitionswagen waren unverwendbar, so daß man die Geschosse nur auf Maultieren und Pferden herbeischaffen konnte.
Genau so ging es bei der Armee des Marschalls von Luxemburg, wo der Zustand der Wege jeden Fahrverkehr verhinderte. Es trat Mangel an Lebensmitteln und Futter ein, ein großer Übelstand, dem nur durch einen Befehl des Königs abgeholfen ward, demzufolge tagtäglich eine Abteilung der Garde Säcke voll Getreide auf den Kruppen ihrer Pferde hinbringen mußte.
Obgleich die Garde Die Garde (la Maison militaire du Roi) bestand aus etwa 10 000 Mann Infanterie und Kavallerie. während der Belagerung kaum je zur Ruhe kam, weil sie die Reisigbündel herbeischleppen, die verschiedenen Wachen stellen und den sonstigen täglichen Dienst leisten mußte, wurde ihr auch dies noch aufgebürdet, weil die Heeresreiterei gleichfalls immer beschäftigt war und sie obendrein ihre Pferde fast nur noch mit Laub fütterte. Der Hinweis hierauf beruhigte aber die Gardetruppen nicht, die durch allerhand Auszeichnungen verwöhnt waren. Sie beklagten sich und murrten. Der König blieb aber hartnäckig und verlangte Gehorsam. Es mußte also gemacht werden.
Am ersten Tage war eine Abteilung von Leibkürassieren und Leichten Gardereitern sehr früh morgens am Kornspeicher eingetroffen. Die Reiter begannen vor sich hin zu brummen, hetzten einander dadurch auf, warfen schließlich die Säcke hin und weigerten sich rundweg, sie wegzutragen. Unteroffizier Cresnay, zu dessen Beritt ich gehörte, hatte mich höflich gefragt, ob ich am Kornfassen teilnehmen möchte. Wenn nicht, wolle er mich zu anderm Dienst befehligen. Ich wählte das Getreideschleppen, weil ich in Anbetracht des erregten Aufsehens vermeinte, es könne mir dies zum Vorteil sein. In der Tat kam ich mit meiner Abteilung Musketiere gerade in dem Augenblick an, als die Rotröcke streikten. Ich buckelte mir meinen Getreidesack vor aller Augen auf. Der Brigadekommandeur Marin von den Gardes-du-corps, der das Verladen der Säcke besichtigte, bemerkte mich alsbald. Höchst zornig über die Dienstverweigerung, die er eben wahrgenommen, rief er laut, indem er auf mich wies und meinen Namen nannte: »Wenn der solchen Dienst nicht unter seiner Würde findet, so wird es euch Kürassieren und Leichten Reitern auch keinen Abbruch an der Ehre tun!« Diese Worte und Marins strenger Ton verfehlten ihre Wirkung nicht. Augenblicklich und ohne weitere Widerrede luden die Rotröcke ihre Säcke auf. Seitdem gab es dabei auch nicht mehr die leiseste Schwierigkeit. Marin blieb, bis er die Abteilung beladen abreiten sah, und erstattete alsbald dem König Meldung über den Vorfall, wobei er den guten Eindruck meines Beispiels nicht unerwähnt ließ. Mein Zugreifen trug mir mehrere gnädige Anreden von seiten Seiner Majestät ein. Während der weiteren Belagerung nahm der König jedesmal, wenn er mich sah, Gelegenheit, gütige Worte an mich zu richten. Ich war Marin um so dankbarer, als ich ihn gesellschaftlich gar nicht kannte.
Am 27. Tage nach der Öffnung der Laufgräben – das war Dienstag den 1. Juli 1692 – bot der Kommandant des Platzes, Fürst von Barbançon Octave-Ignace von Aremberg, geb. 1640. Er fiel 1693 in der Schlacht bei Neerwinden., die Übergabe an. Es war die höchste Zeit für die Belagerer, die nach all den Mühsalen und bei dem endlos üblen Wetter vollkommen fertig waren. Sogar die Pferde des Königs bekamen nur noch Laub, und von den zahlreichen Reiterei- und Troßpferden erholte sich kein einziges je recht wieder. Zweifellos hätte man ohne die persönliche Anwesenheit des Königs die Belagerung nie zu Ende führen können. Seine Regsamkeit beseelte die Belagerung, und ohne daß er es ausdrücklich forderte, erreichte er das Unmögliche. So groß war das Streben, ihm zu gefallen, sich vor ihm auszuzeichnen. Übrigens hätte wer weiß was geschehen können, wenn sich die Festung noch zehn Tage gehalten hätte, was sehr wohl möglich gewesen wäre. Die körperlichen und geistigen Strapazen, die der König während der Belagerung aushielt, zogen ihm den schmerzlichsten Gichtanfall zu, den er je erduldet hatte. Indessen hinderte ihn dies nicht, vom Bett aus für alles zu sorgen und wie in Versailles zur Erledigung der inneren und äußeren Staatsangelegenheiten seinen Rat um sich zu versammeln, wie er dies während der ganzen Belagerung getan hatte.