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Zur Zeit als jenseits der Save noch der Halbmond herrschte, lebte in dem croatischen Dorfe Krukovacz ein seltsames Ehepaar. »Es ist genau so, als hätte man Wolf und Lamm zusammen eingespannt«, sagten die Leute in der Gegend, wenn sie von Starbo Barowitsch und Ursa, seiner Frau, sprachen. Der Wolf war Starbo, und doch war er eigentlich kein böser Mensch, nur leichtfertig, und von allen leichten Dingen, die er an sich hatte, war sein Gewissen das allerleichteste.
Gut, daß sie keine Kinder hatten. Ursa war hübsch und klug und fleißig, aber was half das. Der Taugenichts Starbo ließ doch alles durch die Kehle rinnen, und was nicht durch die Kehle rann, das verspielte er, und was er nicht verspielte, das verflog Gott weiß wohin.
Ja, die Guzla konnte er spielen, daß die Leute die Thränen wischten oder aufjauchzten oder die Beine selbst zu hüpfen begannen, je nachdem es eine Weise war, die von den alten Helden und den Türkenkämpfen sang, oder ein Schelmenlied oder die Melodie des Kolotanzes. Auch stehlen konnte er, das mußte man ihm lassen. Die Zigeuner schämten sich und giengen bei Seite, wenn sie ihm begegneten, so sehr war er ihr Meister. Doch stahl er nur Pferde und verkaufte sie über die Save hinüber und schwärzte Waren hin und her, vor allem gelben, lockigen türkischen Tabak. Aber sonst that er nichts als auf der Ofenbank liegen oder zur schönen Sommerzeit in irgend einem Heuschober.
Drüben, an dem anderen Ufer hatte Starbo Barowitsch einen guten Freund, den Beg Asmam Gopcinowitsch. Wenn sie auch verschiedenen Glaubens waren, und der Beg wohlhabend war, und Starbo nie einen Gulden in der Tasche hatte, so liebten sie sich doch zärtlich. Sie trieben ihren Handel seit langer Zeit und trieben ihn ehrlich, und jedesmal, wenn sie sich trafen, schüttelten sie sich die Hände und küßten sich und küßten sich wieder.
So gieng es Jahr aus Jahr ein, bis es endlich einmal nicht mehr gieng. Es kam der Winter, Schnee war gefallen, und es fehlte an allem im Hause, die Steuern waren nicht bezahlt und kein Groschen war da, nichts.
Starbo saß und brütete.
»Arbeite doch lieber«, sagte Ursa seufzend.
Starbo erhob sich und gieng hinaus. Als er zurückkam, brachte er ein Pferd mit und band es im Stalle an. Dann lag er wieder da und träumte.
»Höre doch, mein Theuerer«, begann Ursa, indem sie sich zu ihm setzte und ihm den schwarzen Kopf zu krauen begann, »so kann es nicht fortgehen.«
»Du hast recht«, gab er zur Antwort, »ich bin ein Lump, ja das bin ich, ein Taugenichts; aber warum hat mich Gott in seiner Güte so erschaffen und nicht anders?«
»Nimm dich zusammen, arbeite.«
»Ich kann nicht, Ursa, hab' nicht die Natur dazu, aber ich sehe ein, daß Du ein schlechtes Leben bei mir hast. Ändere Dir's.«
»Wie?«
»Wie? Ich wüßte ein Mittel, durch welches uns beiden geholfen werden könnte.«
»Was also? sprich!« Sie stieß ihn mit der Faust in die Rippen.
»Wenn Du einwilligen wolltest – daß ich – daß ich Dich als Sclavin verkaufe.«
»Mich, als Sclavin! Bin ich denn ein Vieh?«
»Der Mensch ist auch eine Ware«, erwiderte er, »besonders ein Weib, und nun gar ein schönes Weib wie Du.«
Ursa hatte die Arme unter der vollen Brust gekreuzt und sah ihn an, sie verstand ihn nicht, sie wurde irre an ihm, an sich selbst, an Gott. »Du bist ein Unmensch, Starbo«, murmelte sie endlich.
»Im Gegenteil, ich meine es nur gut mit Dir«, versetzte er lächelnd, »im Harem, da erst würdest Du ein Leben haben, Deiner würdig! Ist denn das hier ein Haus für Dich? Hast Du nicht das Recht andere Kleider zu tragen als diese geflickten, die Dich verunstalten. Dort würde man Deinen weißen Leib in wohlriechendem Wasser baden, Deine schlanken Glieder in Hermelin hüllen, Dir Teppiche unter die Füße breiten. Und Sclaven und Sclavinnen würden Dich bedienen, und Du könntest sie schlagen soviel es Dir Vergnügen macht. Lacht Dir nicht das Herz dabei, Weibchen?«
»Nein.«
»Du kannst sogar Sultantin werden, was? ein Weib wie Du, warum nicht?«
»Das gefiele mir schon«, sagte Ursa.
»Also, entschließe Dich«, drängte Starbo.
»Du liebst mich also gar nicht?« fragte Ursa mit einemmal, während ihre blauen Augen an ihm hingen, als wollten sie ihm das Blut aus dem Leibe saugen.
»Gewiß, Ursa, aber was kannst Du Dir dafür kaufen? Gibt Dir der Jud' auch nur ein Schminktöpfchen für meine Liebe? Kannst Du Dich in meine Liebe kleiden? oder damit Deinen Hunger stillen, wenn Dein Magen knurrt?«
Wirklich knurrte Ursa's Magen, laut, wie ein böser Köter, der unter der Bank liegt und eine fremde Stimme hört.
»Na, so sei's denn«, sagte sie.
»Du willst also, ja?«
Sie nickte mit dem Kopf. Dann stand sie auf und gieng zu der Wasserkufe, und da sie keinen Spiegel hatte, betrachtete sie sich aufmerksam in dem reinen Wasser, und das Gesicht, das ihr entgegenblickte, machte ihr Muth.
Ja, sie wird Sultanin werden, warum nicht?
»Du mußt schön sein«, sagte Starbo am Abend zu ihr, »wenn ich Dich verkaufen soll. Klopft nicht Abraham auch erst die Motten aus seinen Pelzen heraus, ehe er sie zu Markt bringt?«
Nun gieng er in den nächsten Tagen umher und erzählte jedem dasselbe Märchen von einem Pascha, der sich in Ursa verliebt habe. Diesem Pascha werde er sie jetzt um tausend Ducaten verkaufen. Und mit diesen schönen Reden borgte er hier ein Paar neue Stiefel, dort ein Kopftuch, schwatzte dem Einen Korallenschnüre ab und dem Anderen ein paar Ohrgehänge und lockte endlich sogar dem schlauen Abraham einen neuen Schafspelz heraus.
Ursa wusch sich indes ihr Sonntagshemd und stickte sich dasselbe vorne und an den Ärmeln mit rother Wolle. Dann trug sie heimlich ein paar Scheffel Kartoffel, die letzten, zu dem Krämer Pinzach Grünstein und handelte dafür rothe und weiße Schminke ein.
Als alles da war, beschlossen sie auszuziehen. »Nur keine Zeit verlieren«, sagte Starbo, der in bester Laune war.
So zog sich denn Ursa an, ruhig, ohne Freude und Trauer. Sie ließ sich von Starbo die Stiefel anziehen, dann den Pelz, ließ sich von ihm die Ohrgehänge befestigen und die Korallenschnüre, ließ sich das Tuch um den Kopf binden, und einen Ring an den Finger stecken, alles gleichgiltig, wie eine Wachsfigur, der man ein anderes Costüm anzieht. Dann schminkte sie sich vor der Kufe, während er sich bereit machte und das Pferd aus dem Stalle führte.
»Teufel! Bist Du hübsch!« rief Starbo, als sie in den Hof, in das grelle winterliche Licht heraustrat. Mit einemmale war es ihm leid um sie. Sie lächelte stolz, und ihre Brüste, die wie zwei Schneeballen in dem schwarzen Pelz lagen, hoben sich.
»Laß mich«, sagte sie, »Du wischst mir das theuere Weiß und Roth herab, und ich habe kein anderes.« Starbo sah sie noch einmal an, seufzte auf und stieg zu Pferde, während sie ihm den Bügel hielt. So verließen sie denn das Haus und das Dorf. Er ließ das Pferd im Schritt gehen, und sie watete neben ihm durch den Schmutz.
Die künftige Sultanin fand das ganz in der Ordnung.
Der Tag war übrigens schön. Die Bäume standen kahl gegen den hellen Himmel, dafür gab es aber auch überall Durchsicht und Sonne, und so erschien alles freundlich und heiter. Das Thauwetter hatte den Schnee weggefegt und der Wind die Landstraße getrocknet. Das Laub raschelte unter Ursas Füßen. Die Sonne stand schon nieder. Die Bäume warfen große, aber schwache Schatten, Schatten, die riesigen Ruthen glichen.
Das schöne Weib im Lammpelz dachte, dachte an die Sclaven, die es bald unter den Füßen halten und schlagen sollte, und lachte.
Alles war hell. In der Ferne lag ein leiser Duft. An dem blaßblauen Himmel waren nur ein paar weiße Flocken zu sehen.
Vor ihnen stieg ein Dorf herauf, von der Sonne beglänzt. Der Rauch erhob sich gerade in die Luft. Tauben flogen hin und her. Die Erde lag kahl, ohne jeden Schmuck, kahl die Felder, die Wiesen, die Bäume, Krähen zogen in Scharen. Von Zeit zu Zeit erhob sich ein leichter frischer Wind, bewegte die dürren Blätter, die noch an den Zweigen hiengen und schüttelte die Disteln am Wegsaum wie Schellen durcheinander.
Auf der Wiese, vor dem Dorf, weideten ein paar Gänse. Auf einem schwarzen Acker stand ein Mistwagen mit zwei Ochsen bespannt.
Tiefe Stille herrschte in der todten Natur, nur das Krächzen der Saatkrähen unterbrach manchmal das lautlose Schweigen.
Bei der Schenke machte Starbo Halt und trank, trank ordentlich, wie ein Mann, der dem Sultan schöne Ware liefert, schönes Frauenfleisch, das Pfund zu hundert Ducaten. Er reichte Ursa das Glas, aber sie nippte nur leise.
Und so machte er es jedesmal, bei jeder Schenke, und es gab deren viel auf dem Wege, ehe sie von Ferne das Silberband der Save blinken sahen. Jedesmal wurde es ihm schwerer abzusteigen, jedesmal schwankte er mehr und mehr, jedesmal dauerte es länger, ehe er mit Hilfe seines Weibes in den Sattel kam.
Endlich, im letzten Dorf, wollten ihn die Beine schier nicht mehr tragen. Er saß da, an die Wand gelehnt und nickte ein, während Ursa draußen stand und die Blicke über den Fluß hinschweifen ließ.
Über der Thüre der Schenke hieng ein großer, dürrer Busch. Der Wind ließ ihn wie einen Gehängten am Galgen langsam hin- und herbaumeln.
Starbo war jetzt wie dieser Busch, dachte Ursa, ja noch schlimmer, ein Vieh. Pfui! Sie spie aus.
Plötzlich gieng ihr ein komischer Gedanke durch den Sinn, ja, er war zu komisch, dieser Gedanke; er kitzelte sie, sie mußte lachen.
»Warum soll er mich verkaufen?« dachte sie, »ich kann ja ebenso gut ihn verkaufen. Da bin ich ihn auch los.«
Sie gieng rasch zum Zaun, an dem zwei starke Stricke hiengen, spähte umher, ob sie jemand beobachte, nahm sie herab und gürtete sie dann mit denselben unter dem Pelz, den sie schloß. Dann trat sie in die Schenkstube und schlug Starbo auf die Schulter.
»Vorwärts, Mann«, rief sie, »es wird Nacht.«
Starbo riß die Augen weit auf.
»Ja, ja.«
Er stand auf, tastete sich an dem Tische hin und pflanzte sich jetzt mitten in der Schenkstube auf, die Beine auseinandergespreizt, während er, einem betenden Juden gleich, den Oberkörper hin- und herschaukelte. Ursa führte ihn hinaus, hob ihn mit Hilfe der Wirtin auf das Pferd, und es gieng wieder vorwärts.
Sie waren mitten in einem kleinen Hain, als Starbo sein Pferd anhielt, abstieg, zur Erde fiel, wieder aufstand, und endlich, den Arm um den Hals des Pferdes gelegt, Athem schöpfte. »Es geht nicht mehr, – ich sehe nichts mehr – ich bin schwindlig« – stammelte er, »laß mich ausruhen.«
»Es wird ja Nacht.«
»Nacht? Schlafenszeit! Schlafen wir also.« Er versuchte den nächsten Baum zu erreichen, wie er aber so hin und herschwankte, faßte ihn Ursa plötzlich beim Genick, stieß ihn mit den Knieen in den Rücken und warf ihn zur Erde. Dann setzte sie sich rittlings auf ihn, hielt ihn zwischen ihren starken Schenkeln gefangen, bog ihm die Arme nach rückwärts, löste die Stricke und band ihm die Hände auf den Rücken.
Bisher hatte Starbo keinen Laut von sich gegeben, als sie aber jetzt aufsprang, und ihn auf die Kniee aufrichtete, starrte er sie an und lallte: »Was – soll – denn das?«
Sie gab ihm keine Antwort, sondern schlang ihm den anderen Strick um den Leib und zog ihn fest zu.
»Was willst Du denn von mir?« fragte Starbo.
»Was ich will?« erwiderte sie, »Dich als Vieh behandeln, denn Du bist ein Vieh.«
Plötzlich war Starbo vollkommen nüchtern. Er stand auf, begann zu fluchen und mit dem Fuße nach Ursa zu stoßen. »Was hast Du vor, Teufelsweib, Hündin!« rief er, »wozu hast Du mich gebunden, Bestie?«
Ursa, das Ende des Strickes, den er um den Leib hatte, fest in der Faust, hob den Kantschu auf, bestieg rasch das Pferd und befestigte die Schlinge an dem Sattelknopf. »Vorwärts!« gebot sie dann ruhig.
»Nein, ich gehe nicht, ich gehe nicht von der Stelle«, schrie Starbo, doch sie trieb das Pferd an und schwang den Karbatsch über Starbo's Rücken, und er gieng doch.
»Was hast Du vor?« fragte er wieder.
»Dich als Sclaven zu verkaufen«, gab sie zur Antwort.
»Welche Sünde! Bist Du eine Christin?«
»Der Mensch ist auch eine Ware«, erwiderte sie, »hast Du's nicht selbst gesagt? und der Mann ebenso gut wie das Weib.«
»Erbarme Dich, Ursa, ich will mich bessern, will Dir gehorsam sein, Dir unterthänig.«
Sie lachte ihn nur aus. »Für Dich gehört die Peitsche«, sagte sie, »ich bin zu gutmüthig, ich könnte Dich doch nicht so tractieren, wie Du es verdienst. Du mußt einen Herrn haben, der Dir den Fuß kräftig auf den Nacken setzt. Freue Dich, das Sclavenleben ist wie für Dich geschaffen, da wirst Du alle Deine Sünden abbüßen und Dir das Himmelreich erringen. Wenig zu essen, nichts zu trinken, Maulschellen, Fußtritte, Prügel. Das ist es ja eben was Du brauchst.«
»Oh! ich Dummkopf!« jammerte Starbo, »ich Spatzenkopf, ich Schwein ... mich um meinen Kopf zu saufen ...«
Als sie an das Ufer der Save kamen, zu dem hölzernen Kreuz, erwartete sie bereits Asmar mit seinem Kahn und seinen Leuten.
Erst war er ein wenig verwundert, als er Ursa zu Pferde und Starbo gebunden sah, dann lächelte er jedoch in seinen schönen, schwarzen Bart hinein und fand den Spaß unbezahlbar. Hätte es ihm seine orientalische Würde erlaubt, so hätte er laut aufgelacht.
Ursa begann mit ihm zu handeln.
»Was? Du willst mich kaufen? mich, Deinen Freund?« rief Starbo.
»Warum nicht«, sagte Asmar immer lächelnd, »ich kaufe alles, Handel ist Handel.«
»Oh! Du Schuft!« schrie Starbo auf.
Das entschied. Asmar schlug in Ursa's Hand ein. Das Geschäft war abgeschlossen. Er zählte ihr das schöne blanke Gold in ihre Schürze, und sie band es ruhig in ihr blaues Taschentuch und zog mit ihren schönen, festen Zähnen den Knoten zu.
»Also ein Schuft bin ich?« fragte jetzt Asmar den bleichen, bebenden Starbo, der die Augen zur Erde senkte, und ehe der Unglückliche antworten konnte, gab er ihm eine Ohrfeige, riß ihn beim Haar zu Boden und trat auf ihm herum, wie auf einem Hund, der sich nicht dressieren lassen will.
»Genug! genug!« rief Starbo, »ich ergebe mich – ich bin Dein Sclave – ich will Dir dienen.« Und als der Türke ihn losließ, schleppte er sich auf den Knieen zu ihm hin und preßte seine Lippen auf die rothen Pantoffel seines Tyrannen.
Auf Asmars Wink packten ihn dessen Leute, warfen ihn in den Kahn, nicht anders als einen Warenballen und stießen dann rasch vom Ufer ab.
Ursa, die Arme in die vollen Hüften gestemmt, blickte ihnen eine Weile nach, dann wendete sie ihr Pferd und ritt langsam den Weg zurück, den sie gekommen war.
Während Asmar mit seinem neuen Sclaven dem türkischen Ufer zusteuerte, hörten die im Kahn Ursa drüben lachen, und wie? so laut, so herzlich, wie ein Kind, das zum erstenmal den Hanswurst sieht.
Starbo stöhnte auf. »Oh! ich Dummkopf«, begann er zu klagen, »mich um den Verstand zu saufen, um die Freiheit, um mein Weib, um alles.«
»Schweig!« herrschte ihm Asmar zu, und gab ihm einen Fußtritt.
Starbo verstummte, aber von drüben her, wo die österreichischen Tschardaken standen, hörte man noch immer Ursa lachen, so laut! so silberhell! so glücklich!