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Es ist besser, sich den Himmel als blauen Dom denn als dunklen luftleeren Raum, und sich die Wolken als goldenen Thron vorzustellen denn als frostigen Dunst.
John Ruskin. Mod. Painters.
La vulgarité des formes ne ferait rien; c'est la vulgarité et l'inutilité de la pensée qui sont abominables.
Delacroix, über Courbet.
Wer dieses Jahr (1899) in gewohnter Weise zum »Salon« nach Paris ging, konnte, auch ausser den ausgestellten Bildern, einige künstlerische Neuigkeiten erleben. Zunächst fand er den alten Ausstellungspalast nicht mehr vor. Das Palais de l'Industrie des dritten Napoleon, das einst für ein Wunder moderner Architektur galt, verunziert nicht länger die Champs-Elysees mit seiner finsteren Hässlichkeit – und gewiss wäre noch manchen ähnlichen »Wundern« ein ähnliches Schicksal zu wünschen. An Stelle der eisernen Riesenbaracke erhebt sich jetzt, dank der Centenar-Weltausstellung, ein weithinleuchtender weisser Palast, wirklich ein Palast diesmal. Die Pariser, im Grund eine seltsam konservative Rasse, haben sich zuerst sehr gesträubt gegen die »Umbauung« der Champs-Elysees; sie gerathen immer in Alarm, wenn in ihrem geliebten Paris auch nur ein Stein von andren gerückt werden soll. Paris ist ja so schön, es kann unmöglich noch schöner werden. Gerade die Aesthetischen, der grosse Chauvinist Maurice Barres an ihrer Spitze, hatten die neue Weltausstellung in den Erdgrundboden hinein verflucht, nur weil sie es nothwendig machte, dass so mancher geliebte Fleck und Winkel umgewühlt und umgeformt werden musste. Sogar das Verschwinden einer Ruine mit recht hässlichen Erinnerungen, der Cour des Contes, hat man bitter beklagt und betrauert. Sie hatten ja mit manchen ihrer Klagen recht, aber im Ganzen haben sie sehr übertrieben. Das hat der ehemalige Minister Hannotaux jüngst in einem geistreichen Artikel überzeugend nachgewiesen. Paris ist eben doch seit Napoleon ein wenig stehen geblieben. Und der neue Ausstellungspalast auf den Champs-Elysées verspricht besonders den Beweis zu liefern, dass auch Paris noch Fortschritte machen kann, Fortschritte sogar in der Schönheit.
Von einer andern künstlerischen Ueberraschung soll hier eingehend die Rede sein.
Gleichzeitig mit dem »Salon« ist ein Haus öffentlich zugänglich gemacht worden, das für die künstlerischen Feinschmecker der ganzen Welt in der nächsten Zeit einen der grössten Anziehungspunkte der Seinestadt bilden wird: das Haus des Malers Gustave Moreau. Der Maler hat das Haus mit sammt seinem Inhalt als ein Museum der Stadt Paris vermacht.
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Ein Museum einziger Art ist das. Gustave Moreau war reich, er hat seit längerer Zeit kein Bild mehr von der Hand gegeben, das Publikum hatte keine Ahnung von dem, was ihm bevorstand.
In Deutschland ist der eigenartige Künstler kaum dem Namen nach bekannt. Wenn man bei Fachgelehrten nach Litteratur über ihn fragt, verwechseln sie ihn wohl mit der berühmten Malerfamilie des XVIII. Jahrhunderts. Soviel ich weiss, (wenigstens konnte ich sonst nichts erfahren) hat bis jetzt erst ein deutscher Kunstgelehrter über ihn geschrieben, und der hat sich begnügt, einige Seiten des Franzosen Ary Renan zu übersetzen. Freilich ist Moreau, wie Puvis de Chavannes, auch in Frankreich erst sehr spät zu einer verhältnissmässigen Anerkennung gelangt – er ist 1826 geboren – und das ist bei dem Charakter seiner Kunst allerdings sehr erklärlich.
Zur Zeit der Hochfluth des Naturalismus und Impressionismus malte Moreau, abseits von allen andern, seine Visionen. Im Jahre 1864 erschien er zum ersten Mal im »Salon« mit seinem »Oedipus und die Sphinx«, »oeuvre étrange, incompéhensible ..., qui sortait complètement des données habituelles de l'école«. Da galt er, und noch lange Zeit, für unmodern – ein schlimm gemeintes Wort, das doch, wie man heut immer deutlicher merkt, gar keine andere Bedeutung hat als die, nicht Mode zu sein.
Aber die Mode änderte sich und damit das Moderne. Paul Bourget verkündete in Frankreich das Evangelium der englischen Präraphaeliten, und in der Litteratur gewannen sich eine immer grössere Gemeinde die Huysmans, die Maeterlinck, die Eckhoud, die Georges Rodenbach – bezeichnenderweise lauter Vlamen, Landsleute von Ruysbroeck und Thomas à Kempis. Da war Gustave Moreau, ohne sich im Geringsten geändert zu haben, auf einmal modern geworden, der modernste von allen. Man bewies nun, dass Moreau ein moderner Künstler sei.
So hat also scheinbar die neue Richtung in der Litteratur die Geister für Moreau's Werk empfänglicher gemacht. Aber es kann auch umgekehrt sein. Vielleicht hat gerade Moreau, ganz im Stillen, den litterarischen Umschlag bewirkt. Vielleicht wäre ohne ihn dieser Umschlag gar nie gekommen.
Jedenfalls war seine That vorausgegangen.
Beider Ideal aber ist das gleiche: Nicht nur Flucht vor dem Impressionismus und Naturalismus, sondern vor der Natur selber, der Natur, die man so lange allzu brutal dargestellt hatte, dass man sich endlich davor entsetzte.
»Ich behaupte, dass die Natur unsere Feindin ist und dass wir immer gegen die Natur kämpfen müssen«, schrieb sogar ein Guy de Maupassant. Und s'embêter des oeuvres de Dieux bezeichneten schon die Goncourts als eine Begleiterscheinung aller hohen und alten Kulturen.
Das Ende des XVIII. Jahrhunderts hatte seine grosse heilige Sehnsucht. Das Jahrhundert der Ueberverfeinerung, der Ueberkultur endete mit der grossen Sehnsucht nach Natur. Rousseau wurde der grosse Prophet dieser Sehnsucht, Goethe ihr klassischer Dichter.
Wo fass' ich dich, unendliche Natur?
Euch Brüste, wo? Ihr Quellen alles Lebens,
An denen Himmel und Erde hängt,
Dahin die welcke Brust sich drängt –
Und siehe das XIX. Jahrhundert, das Jahrhundert der Naturwissenschaften, der Naturheilmethoden, des Natursports jeder Art, dieses Jahrhundert endet damit, dass seine zartesten Geister sich vor der Natur fürchten wie vor einer Feindin: Karl Huysmans und Gustave Moreau.
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Noch ein Wort über Puvis de Chavannes. Er und Moreau haben sicher eines gemeinsam: zuerst starke Schwimmer gewesen zu sein gegen den Strom, gegen den gleichen Strom, oder vielmehr gegen zwei einander feindliche Ströme, den theatralischen und den naturalistischen. Beide wollen nur »Stimmungen« wiedergeben, eigene, innere Stimmungen. Und beide haben, tiefer als ihre Zeitgenossen, das Gesetz ihrer Kunst begriffen, die nicht Bewegung darstellen soll oder gar heftige Bewegung, sondern in der Bewegung Ruhe. Keiner von beiden hatte wohl den Laokoon gelesen; aber das von Lessing ausgesprochene Grundgesetz, gegen das niemals schreiender gesündigt worden ist als gerade seit Lessing, haben beide instinktiv befolgt. Ne pas déranger l'eurythme hat es ein Franzose genannt.
Dass das musikalische Element eine Ingredienz jeder Kunst sein müsse, dass jede Kunst in ihrer Sprache den schönen Rhythmus haben müsse; diese Elementarweisheit der Aesthetik hatte man geradezu geleugnet. Puvis und Moreau haben dieselbe in Frankreich erst von neuem wieder zur Geltung bringen müssen. Das ist ihr grosses Verdienst. Beide haben zuerst wieder gezeigt, dass in der Malerei Linie und Farbe nicht zuletzt dazu dienen, der Natur nachzuahmen, sondern für sich eine eigene Sprache zu sprechen. Sie haben damit rein formell die Malerei aus dem Bann der Prosa erlöst, den Courbet über sie verhängt hatte. So lange dieser Bann nicht gebrochen war, wurden beide – gerade so wie Anselm Feuerbach in Deutschland – als »unmodern« gebrandmarkt. Sie haben aber nicht nur das geleistet, dass sie die nüchterne Prosa und das theatralische Pathos in der Malerei wieder als öd' empfinden liessen; sie haben zugleich über das wahre Wesen der malerischen Poesie aufgeklärt, welche nicht darin besteht, grosse oder kleine Dichter zu illustriren (Ary Scheffer, Thumann), sondern in Malerei zu dichten, nämlich den schönen Rhythmus der eigenen Seele ausklingen zu lassen und aus der Anschauung der Natur heraus eine neue Welt der Schönheit zu schaffen, der Schönheit und eines höheren Sinnes.
Puvis de Chavannes hat dies erreicht mit einem ausgesprochenen Streben nach monumentaler Einfachheit. Das Gesetz der Vereinfachung beherrschte diesen Meister vor allen. Seine zeichnerische Vereinfachung einer Landschaft, einer Körperbewegung, seine Zurückführung des Kolorits auf den leisesten aber vollkommensten Zusammenklang, der als Einklang empfunden wird, sind so stupend, dass man ihn lange als Stümper ausschrie und dass noch der schon erwähnte deutsche Kunsthistoriker seine malerische Qualifikation verhältnissmässig gering nennt, während mir jüngst ein Pariser Maler bemerkte: die Grösse dieses Meisters wird erst ganz gewürdigt werden, wenn wir Maler eines Tages alle genug von ihm gelernt haben.
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Nicht dasselbe lässt sich von Gustave Moreau sagen. Sein Charakter ist nicht Einfachheit. Er ist so wenig einfach, wie er naiv ist. Wer diese Eigenschaften bei ihm suchte, fände sich sehr getäuscht. Als Bracquemond sein berühmtes Illustrationswerk zu Lafontaine vorbereitete, forderte er auch Moreau zu Entwürfen auf. Moreau lieferte ihm eine ganze Reihe; aber seine Darstellungen erinnern viel eher an das Pantschatantra des Budpaï als an Lafontaine, neben Perrault das kindlichste Genie der ganzen französischen Litteratur. Moreau war eben so wenig naiv wie seine ganze Zeit – wenn man nicht die Schule von Fontainebleau ausnehmen will, besonders den liebenswürdig weichen Träumer Corot und den Bauern Millet, der ein Bauer geblieben ist Zeit seines Lebens und vielleicht gerade diesem Umstand seine grosse Wirkung verdankt.
Moreau hat in der Litteratur fast einen Doppelgänger, das Wort nicht allzu genau genommen: Karl Huysmans. Dessen Katholizismus und Mystizismus, wenn auch ursprünglich in der Seele des Dichters wurzelnd, sind doch zuletzt ganz künstlich in die Höhe geschraubt. Und die Atmosphäre, in die uns seine Werke eintauchen, gemahnt oft weniger an den Weihrauchduft der Kathedrale, als an den Opiumdunst von viel weniger heiligen Orten, wenn auch eine echte Sehnsucht nach Weltflucht und Heiligkeit das Ganze durchzieht und man auf wahrhaft fromme Stellen immer wieder stösst.
Weltflucht, ehrliche, aufrichtige, spricht auch aus Moreau's Werk. Nur hat sie hier nicht so wohl einen ethischen als einen ästhetischen Sinn und ist Flucht vor der gemeinen Natur, vor der gemeinen Wirklichkeit, vor dem harten farblosen Licht des Tages. Und Huysmans Sehnsucht nach Askese und Heiligkeit ist bei Moreau Sehnsucht nach dem Traum, nach der Schönheit des Traumes, nach der Stille und Einsamkeit des Traumes der ihm allein gehört, nach Farben, die keines Menschen Auge je gesehen, nach Tönen, die kein menschliches Ohr noch vernommen. Es ist oft eine still melancholische, oft aber auch eine unruhige und überhitzte, eine fieberkranke Sehnsucht. Und Opiumathmosphäre und Haschischdämpfe glauben wir auch oft genug zu spüren. Sie sind oft thatsächlich gemalt, wie sie aus orientalischen Räuchergefässen aufsteigen, und ihre Wirkung lesen wir auf den blutlosen traumstarren Gesichtern.
Und da habe ich auch das Wort genannt, das Moreaus Sehnsucht in ihrer irdischen Richtung ausdrückt, es heisst Orient. Moreaus ganzer Geschmack ist orientalisch: seine Bevorzugung der Ruhe vor der Bewegung, des Traumes vor dem wachen Zustand, der Ekstase vor der kühlen Betrachtung, und ganz besonders seine Bevorzugung des Schmucks vor der schönen Nacktheit oder nackten Schönheit, seine leidenschaftliche Liebe zur Farbenpracht und Gewänderpracht und fabelhaftem Edelgestein, seine Religion für Kleinodien, die er aus allen Reichen der Geschichte und des Märchens (des orientalischen Märchens) zusammenträgt, um seine schönen Frauen damit zu überhäufen, und um die er einen Kampf wagt auf Leben und Tod mit allen schätzehütenden Drachen der Unterwelt.
Moreau hat wohl auch griechische Mythen gemalt. Aber er gibt denen den Vorzug, die ihren orientalischen Ursprung am deutlichsten auf der Stirn tragen. Seine Lieblingsgestalt ist die Sphinx: La Sphinx dévinée, la Sphinx et ses victimes, la Sphinx dans son antre. Ebenso hat er die Hydra gemalt, in der auch mehr orientalische als griechische Fantasie spukt. Und wählt er einen andern Gegenstand, so kostümirt er ihn so viel als möglich orientalisch. Seine Helena auf dem Schlachtfeld von Troja ist mit Geschmeide überladen und auf dem Haupte trägt sie eine Mythra. Er gibt aber der schönen Bathseba, der jüdischen Ehebrecherin, den Vorzug. Und das Weib, das er am meisten liebt, ist die unheimliche Salome, die Tochter der Herodias, die er in einer ganzen Reihe von Bildern dargestellt hat, und für die ihm Heine ein klein wenig vorgemalt haben mag.
Auf dem glutenkranken Antlitz
Lag des Morgenlandes Zauber,
Auch die Kleider mahnten kostbar
An Scheherezadens Märchen.
Nun muss ich aber folgendes bemerken. Wer nach dem Gesagten auf den Gedanken käme, Moreaus Werke seien Kostümbilder, der wäre gewaltig im Irrthum. Eher sind es Traumbilder, Gedankenbilder, Sinnbilder. Eher sündigen sie in dieser Richtung mit zu Viel als zu Wenig, eher mit zu tiefem, mit zu verstecktem Sinn als mit gar keinem.
Ueberhaupt darf man bei Moreau nicht an herkömmliche Bilder orientalischen Kostüms denken. Er malt freilich den Orient, und wir glauben, er malt ihn wahr. Er wäre kein Künstler, wenn er uns das nicht einredete. Aber im Grund malt er nur seinen Orient, einen Orient, wie seine Seele sich ihn träumt, malt er vielleicht gar nur seine Seele, die Landschaften seiner Seele. Seine Bilder sind ganz intim. Nur er allein hat geschaut, was er malt. Sein Lieblingssymbol der Schönheitssehnsucht sind die Peri. Aber wer könnte behaupten, diese Fabelwesen geschaut zu haben, oder sie so geschaut zu haben, wie Moreau sie darstellt!
Und das gilt von allen seinen Bildern und Gegenständen. Das Kostüm übersehen wir fast vor dem mächtigen Ideeninhalt der Bilder, vor dem geisterhaften Schauer, der uns aus vielen von ihnen anweht.
Sonst hätten sie nicht die Bedeutung, die wir ihnen zuschreiben. Der Hauptsache nach hat sie der Maler aus seiner Seele herausgemalt, mehr als aus historischen und ethnologischen Dokumenten. Denn die bekannte Anekdote von dem deutschen Maler, der das Kamel aus der Tiefe des Gemüthes malte, hat doch auch einen anderen Sinn als den herkömmlichen satyrischen.
Im Ganzen habe ich vielleicht bis jetzt die Opiumstimmung zu sehr betont. In allen Bildern Moreau's ist sie keineswegs. Ich denke z. B. an den »Tod des Orpheus«, an die »Klage des Dichters«, an »Galatée«, an das ergreifende Bild »der junge Mann und der Tod«. Ihre Stimmung ist reine dichterische Melancholie. Solche Bilder können doch auch noch andere Leute erfreuen als etwa nur einen des Esseintes und Grafen Robert Montesquiou. Und Moreau hat gewiss noch viele ähnliche gemalt, die ich nicht kenne. Der »Tod des Orpheus« hat geradezu etwas einfach grosses; das ist, möchte man sagen, eine Tragödie, die in eine rührende Idylle ausklingt.
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Moreau's Schwelgen in Farben lässt an Böcklin denken. Aber diese beiden sind trotzdem gar nicht verwandt. Das geht aus meiner seitherigen Ausführung zur Genüge hervor. Moreau ist, wie Rossetti, ein Weltflüchtiger, ein Naturflüchtiger, ein vor Sehnsucht Kranker, dem das grelle Sonnenlicht und die Geräusche der Natur wehe thun.
Niemals blühten für ihn Veilchen und Primeln auf,
Niemals hat er gelauscht jubelndem Lerchensang!
Nur in mystischen Tönen
Kreiste Lohengrin's Schwan um ihn.
Dieses Wort eines deutschen Dichters auf Ludwig II. passt auch auf Moreau und seines Gleichen.
Böcklin, der grosse, gehört einer anderen Rasse an. Er ist der ganz Gesunde, der Uebergesunde, der in pantheistischem Gottgefühl und Seligkeitsrausch sich eins weiss mit der Natur als ihr Schöpfer und Geschöpf zugleich, für den es in der Natur keine Stimme gibt, die er nicht als Musik vernimmt, und keine Rohheit, die er nicht in Wiedergeburt umwandelt zu grausiger Schönheit. Für ihn sind, wie für alle ganz grossen Künstler, die Sinne und die Seele eine untrennbare Einheit. Er braucht nicht aus den einen zu flüchten, um zur andren zu gelangen. Nein nicht mit diesem ganz Grossen lässt sich Moreau vergleichen; aber er ist ungefähr für Frankreich, was Burne-Jones für England, eine eigenartige Blüthe, die sich inmitten der nationalen Kultur etwas exotisch und fast künstlich ausnimmt, aber, liebevoll für sich betrachtet, durch ihr zartes inneres Leben doch mit Bewunderung erfüllt.
Moreau ist durchaus Symbolist im engeren Sinne des Wortes, und bei vielen seiner Bilder, wie bei allen Werken dieser Art, steht man immer ein wenig wie vor einem Räthsel. Das ist aber ihre Schwäche und kaum ihre Stärke.
Es gibt heute eine Gruppe von Dichtern, die in der Dichtung, der allreichen und allumfassenden, nichts ausdrücken und nichts gelten lassen wollen als Klang, innern Stimmungsklang der Seele. Ich verachte sie nicht und lausche von Zeit zu Zeit gern ihrer zartschüchternen, fast möchte ich sagen, ihrer bleichen Musik – ihren blassen Cantilenen. Aber sie selber ahnen nicht, wie arm sie sind. Und Maler gibt es, die sich nicht entblöden, ihre Werke zu Charaden zu degradiren, die sich etwas darauf zu gute thun, mit einem Gemälde nicht etwa Gemaltes zu bieten und Geschautes, sondern Gedachtes. So stünden wir wieder da, von wo wir Deutschen im XIX. Jahrhundert ausgegangen sind. So bisse sich das Jahrhundert selber in den Schwanz. So war Moreau einst ein Erlöser, und heute ist er bereits eine Gefahr. Die Ringe schliessen sich rasch in unserer Zeit.