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Der Doktor Philipp Rebmann war in seinem Bauernwirtshaus in Hochsavoyen Punkt drei Uhr aufgebrochen, und zu einer Zeit, wo er sonst noch lange zu schlafen pflegte, hatte er bereits den Col de la Seigne erreicht.
Er befand sich hier auf beträchtlicher Höhe, hoch über den Voralpen von Savoyen. Sie lagen unter ihm im Nebel. Wie ein weißer Ozean erstreckte sich's in der Tiefe nach Westen und Südwesten, nur einzelne Kuppen ragten daraus empor wie schwarze Inseln. Es war, als läge das grauliche Ungeheuer des Nebels gebunden unter den Strahlen des herrschaftlichen Gestirns wie unter einem goldenen Netz. Es bäumte sich wohl manchmal in die Höhe, wie die weißen Bäuche gefangener Riesenfische, aber nur – als ob das goldene Netz stellenweise schadhaft wäre –, nur da und dort riß sich's los, eine weiße Masse, und ballte sich und stieg frei in den Raum und segelte nun als leuchtende Wolke ruhig dahin gleich einem weißen Segelschiff auf seiner Fahrt in die Unendlichkeit. Aber lange dauerte das Leben dieser Frühwolken nicht. Wie zierliche Frauenfinger den Flachs vom Rocken spinnen, daß die Docke kleiner und kleiner wird, so zupfte die Sonne Flocke um Flocke von den schimmernden Wolkengebilden und dröselte sie auf zu unsichtbaren Fäden, und das legte sich als ein Anhauch von weißlichem Schimmer über das dunkle Blau des Himmels.
Gen Osten, wie zum Greifen nahe, lagen vor dem Wanderer die unendlichen Schneegefilde der Montblancwelt.
Die dreieckige granitene Stirne des Bergriesen erschien von hier aus überhängend, als ob sie sich beuge unter der Last des ewigen Schnees. Und weit wie der Himmel selbst war die hochgewölbte Schneeflur. Unzählige scharfkantige Granitzacken, alle himmelhoch, umstanden die Hauptkuppe in dichtem Gedränge; das Ganze sah aus wie eine weißgezuckerte Artischocke, aber eine Artischocke, die groß war wie eine Welt.
Dem Doktor weitete sich die Brust in dieser Umgebung. Er dachte mitleidig an das, was hinter ihm lag, an die zweijährige Privatdozentenexistenz, denn das war off ein recht elendigliches Leben für einen jungen Menschen ohne Geld, der sich einmal mit kühnen Dingen getragen hatte.
Auf dem Gymnasium, als Schüler, hatte er sogar mit seinem Freunde Richard zusammen eine Art Hainbund gegründet. Die beiden haften damals geschworen, ihr ganzes Leben der Poesie zu weihen. Aber nur Richard, bei Berlin wohnend, draußen in Pankow, hielt den Schwur und nährte sich einstweilen, bildlich gesprochen, von Heuschrecken und wildem Honig und der Erwartung künftiger Unsterblichkeit.
Darüber aber hatte später Philipp Rebmann gelächelt wie über eine Kinderei und halbe Verrücktheit. Kein vernünftiger Mensch konnte in Deutschland, wo ja nach dem bekannten Wort jedermann ein Dichter ist oder ein Denker, von der Dichtkunst leben wollen. Da war's mit der Wissenschaft etwas anderes. Um sie kümmerte sich der Staat. Ihre Diener besoldete der Staat. In ihr waren die höchsten staatlichen Ehren zu erlangen. Die Poesie konnte man ja doch so nebenher kultivieren.
Freilich, Freund Richard wurde teufelsmäßig wild, wenn man solche Ansichten vor ihm entwickelte. Nach ihm verlangte die Poesie ihren ganzen Mann, die ganze Kraft, das ganze Leben. Die Poesie zur Nebenbeschäftigung zu machen, erklärte er für die größte Sünde wider den Heiligen Geist.
»Du wolltest ein Gelehrter werben und ein Bezahlter des Staates,« erklärte er dem ehemaligen Schulgenossen, »gut, aber nun laß die Finger von der Poesie. Und werde mir kein Ebers, kein Dahn.«
Philipp wagte manchmal einen schüchternen Einwand.
»Werde sein solcher Kerl,« brach Richard los, »du kennst die alte Fabel vom geschundenen Marsyas.«
»Das Märchen hat mir nie besonders imponiert«, wagte Philipp einzuwenden. »Ich finde da den Herrn Phöbus ganz unverständlich grausam. Warum sollte der arme Ziegenfuß nicht ein wenig die Flöte blasen in der Einsamkeit seiner Täler.«
»Ja, das war ein verhältnismäßig unschuldiges Vergnügen«, fiel ihm Richard scharf ins Wort. »Aber euer Treiben, meine Herren, das ist nicht unschuldig, und wenn euch der Gott die Haut lebendig vom Leibe zöge, das wäre eine erlösende Tat, das wäre eine Freude und Genugtuung für alle ehrlichen Priester des Gottes. Und er wird wiederkommen, und ihr werdet ...«
Richard wurde manchmal grotesk in seinen Bildern, und Philipp Rebmann fand ihn dann ein wenig lächerlich.
Überhaupt fand er, daß sein Freund schwer unrecht hatte. Die Malerei, die Skulptur, die Musik, diese Künste verlangten ihren ganzen Mann. Aber die Poesie? Goethe war Staatsminister. Homer war allem nach Schweinehirt – er hätte sonst den Eumäus nicht mit solcher Liebe behandelt. Voß war Schulmeister zu Eutin. Diese jungen Leute unserer Tage, die lieber hungerten als etwas Nützliches trieben, mochten das halten wie sie wollten und mochten auch immerhin aus ihrer Faulheit eine Tugend machen, aber Philipp Rebmann ließ sich von ihnen nicht imponieren. Freund Richard mochte ein Dichter sein, aber sonst war er eben auch nichts. Unter solchen Gedanken und Erinnerungen war Philipp in die Gegend gelangt, die man dort die Allée blanche zu nennen pflegt, eine fast unendliche Flucht von kolossalsten Felswänden, von weithin sich erstreckenden Gletscherströmen, von unabsehbaren Schneefeldern, von Moränenwällen, die sich wie Berge türmen.
In diesen ewigen Wüsten von Stein und Eis war Philipp Rebmann heute »die einzige fühlende Brust«, wie er selber zitierte. Er wußte sich kaum zu fassen vor all diesen Wundern, vor dieser Kraft der kalten Lichter, vor dieser sinnverwirrenden Größe aller Verhältnisse, wo den Menschen aller Maßstab aus den Händen fiel, vor dieser grausenerregenden Wildnis. Und durch seine erschütterte Seele zog es wie heiliger Schauer der Ewigkeit.
Ein See lag in der Nähe. Schwarze Felsen umstarrten ihn von drei Seiten, lotrecht, himmelhoch. Sein Wasser reflektierte einen schwarzen Glanz wie das Auge einer Neapolitanerin.
Aus der schwarzen Flut aber ragte blaugrünlich eine ungeheure Gletscherscholle empor, eine zerklüftete Kristallmasse, ein Märchenhort von Lichtern und Farben.
Jahrtausendlange Gletscherschiebungen hatten in dem braunroten Granit eine glatte muldenartige Vertiefung ausgehöhlt; darin ruhte das Wasser wie in einer Kupferschale, und wenn die Sonne darauf fiel, funkelte sein Schwarz in rotgoldenen Lichtern.
Wenn irgendein Wasser der Welt, lud dieses zum Baden ein, und schnell entledigte sich Philipp seiner Kleider.
So schön hatte er in seinem Leben nicht gebadet. Und in der Sonne ließ er sich trocknen, denn wenn das Licht hier kalt war für das Auge, so war es doch warm für das Gefühl. Nur als Hitze wurde es nicht empfunden in dieser dünnen reinen Luft.
Wie diese Luft und die Sonne zusammen seine Haut liebkosten! Es war eine ganz neue Sensation für ihn.
Wer hätte da so schnell wieder in die plumpen Kleider schlüpfen mögen!
Philipp beeilte sich nicht.
Er hatte ein Gefühl wie ein nackter Heidengott. In diesem Zustand fühlte er sich erst ganz losgelöst von der Unnatürlichkeit unserer gesellschaftlichen Lebensgestaltung, fühlte er sich erst ganz eins mit der Natur, als ihr Kind, das an ihren mütterlichen Brüsten saugen durfte als an zwei unversieglichen Quellen von Kraft und Schönheit, der Poet in ihm war von der Wissenschaft keineswegs ganz ertötet.
Also nur so lange als möglich nicht mehr in diese erborgte Haut der Kleider. Er brauchte steh ja nicht zu beeilen, er hatte den Tag vor sich.
Nur die Schuhe zog er an, weil er auf nackten Füßen nicht gehen konnte. Er wollte sich aber bewegen. Damit wurde sein Gefühl der Gottähnlichkeit erst voll.
Er unternahm also kleine Streifungen. Er kletterte auf Felsen und Moränen, er wandelte über Schneefelder und Gletscherarme. Er spiegelte sich in dem schwarzen rötlich funkelnden Kristall seiner mehr als märchenhaften Badewanne. Immer mehr kam er sich vor wie ein nackter Heidengott.
Nur den Unsterblichen selber, die ihm vom Olymp aus zusahen, kam er eigentlich nicht recht so vor. Sie lachten sogar über ihn. Seine nordisch gebleichte Nacktheit erbaute sie keineswegs, sie fanden sie mehr als schäbig. Venus sah hinweg, aber nicht aus Prüderie, was bekanntlich ihr geringstes Laster ist. Ganymed scherzte: »Seht doch den betrunkenen Satyr, der sich weiß angestrichen hat wie ein Clown im Zirkus der Barbaren; nur die Bocksfüße hat er vergessen, sich weiß zu machen.«
In der Tat hatte Philipps Ansehen etwas von einem Bocksgesicht, die weißgelben Bartzöttelchen wuchsen ihm am stärksten und längsten unter dem Kinn, dazu stand die goldene Brille höchst komisch.
Einmal mußte Philipp nach Hause denken, in die deutsche Universitätsstadt. Wenn jetzt Seine Exzellenz der Geheimrat Bitterlich daher käme, was der für Augen machen würde.
Oder das schöne Nannerl, die Gattin des philologischen Ordinarius, seine besondere Protektorin.
Aber diesen Gedanken wagte Philipp aus Schamgefühl gar nicht weiter auszudenken.
Plötzlich erschrak er. Jemand hatte gepfiffen. So war er bei keinem Pfiff mehr erschrocken seit seiner Knabenzeit, wenn er fremde Kirschen genascht oder nach roten Äpfeln geworfen und die Pfeife des Feldhüters sich hören ließ.
Schnell kauerte er sich hinter einen Block. Und vorsichtig lugte er hervor. Der Geheimrat Bitterlich wird ja nicht gepfiffen haben. Das schöne Nannerl wohl auch nicht. Aber immerhin, wer es auch sein mochte, der heutige Mensch ist nicht gewöhnt, seinem Nebenmenschen nackt gegenüber zu treten.
Der Pfeifende aber war gar kein Mensch gewesen, nur ein Murmeltier.
Diese Winterschläfer säßen zu Hunderten da oben auf den Felsplatten, zu sehen waren sie nicht, obwohl sie aufgerichtet auf den Hinterbeinen hockten.
Ja, wenn sie wie Elefanten so groß gewesen wären, dann hätte sie das Auge vielleicht gerade noch wahrgenommen in dieser Welt, und jemand hätte geglaubt, es seien graue Mäuse, die ihre Männchen machten.
Auch sie sahen dem nackten Menschen verwundert zu. Sie hielten ihn wohl für ein seltsam nacktes Tier. Aber was sie sich sonst dabei dachten?
Die Gedanken der Götter mag ein Mensch erraten, doch wer hätte je erforscht, was ein Murmeltier denkt, das neun Monate schläft und sich während dreier Monate von der Sonne das Fell wärmen läßt, indem es im Angesicht des Montblanc in stiller Betrachtung auf den Hinterbeinen sitzt ...
Philipp Rebmann gewahrte übrigens, wie seine weiße Haut allmählich einen rosigen Anflug bekam.
Immer rosiger wurde sein ganzer Körper. Ein förmliches Blühen überflog ihn. So günstig wirkten Luft und Licht.
Erst spät am Abend kam der Doktor wieder in Gegenden menschlichen Lebens.
Es war höchste Zeit.
Er fühlte sich müde. Auf den Rausch war die Abspannung gefolgt.
Fast ein Gefühl von Übelkeit überkam ihn. Seinen Körper durchlief ein nervöses Kribbeln, manchmal wollte ihm schwindlig werden.
Noch kurz vor anbrechender Nacht fand er ein primitives Unterkunftshaus, die Leute sprachen ein Patois, wovon der Doktor bei all seiner Sprachgelehrsamkeit kaum hier und da ein Wort verstand. Es gelang ihm dennoch, sich eine Suppe zu bestellen; er meinte, die müsse ihm gut tun.
Aber wie sie nun dampfend vor ihm stand, setzte er kaum den Löffel an, er spürte keinen Antrieb dazu.
Nur durstig fühlte er sich, und er trank hintereinander mehrere Gläser von dem dicken roten Wein.
Die Suppe zu essen konnte er sich nicht entschließen. Er war offenbar krank. Eine seltsame Hitze umflammte ihn. Sein ganzer Körper glühte. Und von innen heraus schüttelte ihn der Frost. Das war Fieber. Und es verlangte ihn nach nichts so sehr als nach dem Bett.
Die Magd, eine ältere häßliche Person, begleitete ihn nach der Schlafstube zu ebener Erde auf den Hof hinaus, durch das offene Fenster hörte man den Brunnen rauschen.
Der Doktor zweifelte nicht mehr, daß er schwer krank sei. Sein Körper, wo er ihn nur anrührte, brannte wie ein glühendes Eisen, und im Innern schüttelte es ihn, und immer heftiger. Er beeilte sich, unter die Decke zu kommen.
Im Bett hörte das Frösteln auf, aber die Hitze wurde immer größer. Er lag wie im Feuer. Er fühlte sich mit der Hand an die Stirn, die war, wie wenn eine Flamme daraus emporschlüge.
Und eine ungeheure Angst stieg in ihm auf. War das am Ende Typhus? Alle Symptome stimmten. Herrgott, und auch noch unter diesen wilden Menschen, wo vielleicht auf zwanzig Stunden kein Arzt zu finden war.
Tausend Angstgespenster umgaukelten ihn, er fing an, für seinen Verstand zu fürchten.
Wenigstens wollte er sich kalte Umschläge auf die Stirne machen; er zündete sich ein Licht an, um sich nach Wasser und Handtuch umzusehen. Aber weder Wasser noch ein Gefäß war zu entdecken. Er öffnete die Tür und rief in den Flur hinaus. Nichts regte sich.
»Hallo!« Er rief's einigemal, immer lauter, das Haus lag wie ausgestorben in Nacht und Finsternis.
Ein neuer heftiger Schüttelfrost trieb ihn in die Federn. Aber er meinte verbrennen zu müssen. Nein, länger hielt er's nicht aus. In der Hölle konnte es nicht schlimmer sein. Er drohte rasend zu werden.
Wo soll es auch mit dem armen Verstand hinaus, wenn sein Haus brennt, und wenn aus dem Dach die Flammen schlagen?
Den armen Philipp Rebmann ergriff die helle Verzweiflung.
In der höchsten Not erinnerte er sich, daß Typhuskranke im entscheidenden Augenblick noch durch ein kaltes Bad gerettet werden konnten.
Und draußen rauschte der Brunnen durch die Nacht.
Er raffte also sein letztes Bewußtsein zusammen, die Türen waren unverriegelt, er erreichte ohne Schwierigkeit den Brunnen. Ein langer Trog war voll von Wasser.
Es kostete ihn keine geringe Überwindung. Aber er war entschlossen. Ein Ruck, und er saß darin, und das Wasser klatschte auseinander nach allen Seiten.
Zugleich rasselte ganz nahe eine Kette. Und ein Hund schlug an. Philipp wollte sich erheben, aber er sah sich einem schrecklichen Feind gegenüber.
Ein Bernhardinerbastard, ein schwarzes zottiges Ungeheuer, die Vorderpfoten auf dem Trog, stand vor ihm, Kopf an Kopf, Gesicht an Gesicht ... und bellte fürchterlich.
Philipp war einen Augenblick starr vor Schrecken. Was sollte er tun? Er konnte doch nicht im Wasser bleiben.
Er wußte sich nicht anders zu helfen, er erhob ein lautes Geschrei. Er schrie, als ob ihm die Bestie an der Kehle hänge.
Doch eine lange, lange Zeit rührte sich nichts im Hause. Der Hund wurde immer aufgeregter über den nackten Zweihänder im Brunnentrog, er bellte immer wütender. Und immer gotteserbärmlicher schrie der arme Doktor.
Endlich – endlich erschien unter der Haustür die alte Magd im Hemd, eine Laterne in der Hand. Langsam, mißtrauisch näherte sie sich. Als sie aber schon ganz nahe gekommen war und den seltsamen Fisch im Brunnentrog erblickte, ließ sie die Laterne fallen und sprang mit einem Schrei des Entsetzens davon.
Sie glaubte entweder ein Gespenst zu sehen, oder sie hielt den Fremden für einen Verrückten, der in einem Anfall von Tobsucht das Wasser aufgesucht hatte.
Und Minuten vergingen wieder, schreckliche Minuten, bis endlich ein alter Knecht herbeihinkte und den Doktor aus seiner verzweifelten Lage befreite.
Fünf Tage hatte Philipp Rebmann das Bett gehütet. Nun saß er beim Frühstück, ein fremder Tourist teilte es mit ihm.
»Sie waren ein wenig sehr unvorsichtig«, sagte der Fremde lächelnd. Und das Lächeln war nicht ohne Anflug von Spott.
»Ich habe den Schaden von meiner Unerfahrenheit«, meinte Philipp kleinmütig; »man soll ja überhaupt nur durch Schaden klug werden. Es hätte mir schlimmer gehen können.«
Der Fremde lachte: »Gewiß, der ganze Spaß kostet Sie nur die Epidermis, das ist alles. Sie haben einmal wörtlich Ihre eigene Haut zu Markte getragen.«
»Wie hätte ich mir träumen lassen,« sprach Philipp, »daß die Sonne so heimtückisch sein könnte. Ihre Strahlen kitzelten so wohlig.«
»Es hat keinen Sinn, andere der Heimtücke anzuklagen. Besser klagt man sich selber dafür an, daß man nicht besser auf seiner Hut war. Die Sonnenstrahlen wirken natürlich nicht anders, als wie glühend Eisen auch wirkt, sie verbrennen einfach das Gewebe. Sie verbrennen ja auch die Leinwand auf der Bleiche, wenn sie nicht genetzt wird. Und Sie, mein Herr, Sie merkten die Wirkung nur zu spät.«
Noch einige Tage und dem Doktor Philipp Rebmann fiel die Haut fetzenweise vom Leibe. Doch dieser Naturprozeß verdroß ihn nicht weiter. In bester Laune nach den überstandenen Schmerzen und Ängsten schrieb er folgende Postkarte an seinen Freund Richard:
Stets der prophetischen Gabe rühmten sich stolz die Dichter,
Du auch, Poeta, mein Freund, rühme dich ihrer getrost.
Denn womit du mir drohtest, des Marsyas grausames Schicksal
Hat mich getroffen schon heut; schmerzend und wund ist mein Leib.
Ganz nach der Regel geschunden bin ich an Leib und Gliedern:
Das hat Phöbus getan, Phöbus mit goldenem Pfeil.
Ja, so hör' ich dich rufen, daran erkenn' ich Apollo,
Und die Pfuscher der Kunst haßt er noch heute wie eh.
Nein, mein Freundchen, er hasset, ganz wie irdische Dichter,
Haßt und verfolgt mit Neid konkurrierende Kraft.
Philipp schmunzelte. Die Verse gefielen ihm. Und – Richard wird sich ärgern.