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Der Wonne Wehklage

Rati (»Wonne«), die Gattin des von Shiva mit dem Feuer seines Zornes verbrannten Liebesgottes Kâma, klagt um ihren Gemahl.

Sie, die bewußtlos lag, die Gattin Kâmas,
Ward vom Geschick geweckt,
Das ihr die Schmerzempfindung geben wollte
Der neuen Witwenschaft.

Die aus der Ohnmacht aufgegangnen Augen
Ließ sie umher nun spähn
Und wußte nicht, daß ihnen sei auf ewig
Des Liebsten Blick geraubt.

»O Herr des Lebens, lebst du?« also rief sie,
Stand auf und sah vor sich
In Mannsgestalt am Boden von des Gottes
Zornfeuer Asche nur.

Hin sank sie wieder, mit der Erd' Umarmung
Bestaubend ihre Brust,
Und klagt', ihr Haar zerraufend, ihre Schmerzen
Mitteilend dem Gefild:

»Dein Bild, das der Verliebten höchstes Gleichnis
Durch seine Schönheit war,
Ist so zerstört, und ich bin ganz geblieben?
Hart ist ein Frauenherz!

Mich, deren Leben hängt an dir, verlassend
Mit schnell getrenntem Bund,
Wie mit gesprengtem Damm verläßt Nymphäen
Ein Teich, wo flohst du hin?

Unliebes tatest du mir nie, und niemals
Tat ich zuwider dir;
Was ohne Grund entziehst du deinen Anblick
Der Wonne, die nun klagt?

Gedenkst du das mir, daß zur Leichtsinnstraf' ich
Mit meinem Gurt dich band?
Daß dir von Blumen, die ich trug im Ohre,
Ins Aug' ein Stäubchen fiel?

Was lieb du sprachst, du wohnest mir im Herzen,
Erkenn ich nun als falsch;
War es nicht Schmeichelei, wie wärst du leiblos,
Und heil die Wonne hier?

Ich will, o Wanderer, in andre Räume
Einschlagen deinen Weg;
Die Welt hier ist vom Glück getäuscht, denn du bist
Die Lust der Lebenden.

Wann Finsternis der Nacht liegt auf den Straßen
Der Stadt, und Donner rollt,
Wer außer dir soll zu geliebter Wohnung
Leiten der Liebe Tritt?

Entflammter Augen Funkeldrohen, der Wörtchen
Gebrochne Stammelung
Von schönen Fraun ist, wo du flohst, geworden
Ein leeres Gaukelspiel.

Hört er, daß du ein Märchen wardst, verliert
Den Mut dein Freund, der Lenz;
O Leiblos! auch der Mond, der wachsen sollte,
Wagt zuzunehmen kaum.

Mit bräunlich grünem Schaft geschmückt, besungen
Vom Ruf des Kokila,
Wem soll, o sprich, der Mangoschoß zum Pfeile
Zu dienen wachsen nun?

Die Bienenreihe, die du oft zur Sehne
Des Bogens hast gemacht,
Mit dumpfem Schwirren gleichsam klagt sie jetzt mir
Der Tiefbetrübten nach.

Nimm wieder deinen holden Leib und lehre,
Indem du dich erhebst,
Die Liebesbotin Nachtigall zu werben
Den süßen Gruß an mich!

Der zitternden Umarmungen mit Sinken
Des Hauptes im Genuß
Mit dir, gedenk ich heimlich, o Gedenker,
Und meine Ruh ist hin.

Noch hält, den du um meine Glieder schlangest,
O Wonnekundiger,
Mit eigner Hand, der Jahresblumenschmuck, und
Dein schöner Leib ist hin!

Du von grausamen Göttern abgerufen
Inmitten des Geschäfts:
Hier meinem linken Fuße sind die Farben
Noch anzulegen, komm!

Ich will auf Schmetterlingswegen kommend
Dir wieder ruhn im Schoß,
Eh du von artigen Götterfraun im Himmel,
O Freund, mir wirst verführt.

›Getrennt von ihrem Gatten, hat die Wonne
Ein Stündchen noch gelebt,‹
Das wird ein Schimpf beständig hier mir bleiben,
Auch wann ich folgte dir.

Wie soll die letzten Ehren ich erweisen
Dem Hingeschiedenen,
Da du mir bist verschwunden mit dem Leben
Und mit dem Leib zugleich?

Nun denk ich, wie im Schoß den Bogen haltend
Du schnitzend an dem Pfeil,
Sprachst lächelnd mit dem Lenz und aus dem Winkel
Des Augs ihn schieltest an;

Wo ist der Busenfreund, der deinem Bogen
Die Blumen gab, der Mai?
Es hat doch Shiva's grimmer Zorn nicht auch ihn
Dem Freunde nachgesandt?«

Von ihren Klagen, wie von giftgesalbten
Geschossen herzenswund,
Trat nun, zu trösten die betrübte Wonne,
Sichtbar der Mai heran.

Ihn schauend weinte sie erst recht, indem sie
Des Busens Fülle schlug;
Wohl tritt in Freundesgegenwart der Schmerz wie
Aus offnem Tor hervor.

So sprach die Schmerzenreiche: »Sieh, was übrig,
O Frühling, ist vom Freund!
Verweht vom Winde wird dies Aschenhäufchen,
Schillernd wie Taubenhals.

O zeige dich, Gedenker, doch! es steht hier
Der sehnsuchtsvolle Lenz;
Bleibt Männersinn, den Frauen unbeständig,
Doch wohl den Freunden treu.

Durch sein Geleit war Untertan der Götter
Und der Dämonen Reich
Einst deinem lotosbastbesehnten Bogen
Mit weichem Blumenpfeil.

Der Freund, einmal gegangen, kehrt nicht wieder,
Erloschner Lampe gleich;
Ich bin der Docht von ihr: sieh, wie der Kummer
Unleidlich mich umqualmt.

Das Schicksal tat nur halb sein Werk, das leben
Mich ließ bei seinem Tod.
Wenn Elefant den Baum brach, der sie trug, muß
Die Ranke fallen auch.

Drum ohn' Aufschub sei von dir, o Edler,
Das Freundeswerk getan:
Mit Flammenspende förder' mich verlassen
Zu meinem Gatten hin.

Nachtlilie geht mit dem Mond, es schwindet
Der Blitz mit dem Gewölk;
Das Weib geht ihrem Gatten nach, das weiß auch
Die leblose Natur.

Die Brüste will ich färben mit der Asche
Des holden Leibes hier,
Und wie auf jungen Laubes Bett die Glieder
Strecken auf Feuersglut.

Du hast so oft, o Schöner, mit uns beiden
Auf Blumenpfühl geruht;
Nun schichte schnell den Holzstoß mir! fußfällig,
Handfaltend bitt ich dich.

Die Flammen dann, die mich umfassen, rege
Mit Südwindhauchen an!
Du weißt, daß Kâma keinen Augenblick ja
Kann ohne Wonne sein!

Ist das getan, dann gieß uns beiden eine
Schale voll Wasser aus,
Die ungeteilt mit mir zugleich dort oben
Genießen soll der Freund;

Und bei dem Totenopfer weih', o Frühling,
Das schwankende Gesproß
Des Mangezweigs dem Freund, weil er vor allen
Die Âmrablüte liebt.«

Sie sprach's, bereit zu sterben, als aus Lüften
So eine Stimme scholl,
Die sie belebte, wie der erste Regen
Den Fisch im trocknen Teich:

»Gattin des Blumenwaffnigen! nicht lange
Bleibt unerlangbar dir
Der Gatte, der nun ward zum Schmetterlinge
In Shivas Augenglut.

Wann Shiva freit, von ihrer strengen Tugend
Gerührt, die Pârvatî,
Gibt sein erfreuter Sinn dem Liebesgotte
Auch seinen Leib zurück.

Darum behalt', o Schöne, zur Vereinung
Des Gatten deinen Leib!
Der sonnenbrandgetrunkne Bach kommt wieder
Bei Sommers End' in Fluß.«

Der unsichtbare Ruf macht' etwas wanken
Der Wonne Todsentschluß;
Und darauf fußend, tröstete der Freund sie
Mit angemessnem Wort.

Doch Kâmas Gattin, gramgenaget, harrte
Des Ausgangs ihrer Not,
Als wie des Abends harrt am Tageshimmel
Der bleiche Sichelmond.


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