Peter Rosegger
Die Waldbauern
Peter Rosegger

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Die Rauferbuben

Seppel, Seppel, am Montag mußt du zum Gericht!«

»Wer – – ich?«

»Du.«

»Bist aber nicht gescheit.«

»Das bitte ich mir aus, der Gerichtsbote ist immer gescheit.«

»Ja, was soll denn ich beim Gericht? Hab' ich was angestellt?«

»Stechen hast dich lassen«, antwortete der Bote.

»Ach, alleweil noch diese dumme Geschichtet« rief der Seppel aus. »Wer hat ihn denn verschergt, den Klachelschneider?«

»Hast denn nicht du ihn selber verklagt, daß er dir das Messer in den Leib gerannt hat?«

»Geh, wer wird der Dummheit wegen so Geschichten machen! Ich hab' nichts gesagt.«

»Alsdann hat der Herr Staatsanwalt die Anzeige gemacht«, sagte der Bote.

»Was geht denn das den Staatsanwalt an?« begehrte der Seppel auf, »den hat er ja nicht gestochen, der Schneider!«

»Den Staatsanwalt geht das schon was an, mein Lieber!« belehrte der Gerichtsbote. »Wer gestochen wird, der ist ihm freilich gleichgültig, aber wer sticht, den packt er. Der Herr Staat, mußt du wissen, kümmert sich nur um die schlechten Leut', nicht um die braven. Und ist in Ordnung, das; der Schlechten wegen ist er da, die Braven brauchen gar keinen Herrn Staat.«

»So soll er auch mich in Fried' lassen!« sagte der Seppel, »ich will nichts mehr wissen vom Handel, und der Klachelschneider ist mein Kamerad, über den laß ich nichts aufkommen.«

»Mußt am Montag zur Tagsatzung, gegen ihn Zeugenschaft geben, da hast die Vorladung. Und da auf diesen Zettel schreibst deinen Namen her, daß das Gericht weiß, ich hätt' dir die Zustellung richtig zugestellt. Kannst nicht schreiben, so mach ein Kreuz.«

»Deswegen hat's nix; schreiben können wir schon!« sagte der Seppel und zeichnete mit schwerer Not, aber innerem Stolz seinen Namen aufs Papier. Damit gab der Bote sich zufrieden und ging seines Weges.

Der Seppel war ein etwa fünfundzwanzigjähriger Bauernbursche von hünenhafter Größe. Über sechs Schuh an Länge, bei den Achseln fast drei Schuh an Breite, aber mit gewöhnlichen Schuhen gemessen, nicht mit den seinen, denn von diesen war jeder zwei Schuh lang; großknochig an den Gliedern und muskelstark, aber schwerfällig an Bewegungen. Auf dem sonngebräunten Stiernacken ein stattlicher Kopf mit schlichtem rotblonden Haar, das breite Gesicht wohl gerötet, aber bartlos, die Augen mattgrau und gutmütig dreinschauend, in die Welt, die er gerade so nahm, wie sie war.

Als der Montag kam mit der »Tagsatzung« (der Verhandlung), stand nun dieser Bursche vor dem Gericht. Vor dem stand aber auch ein mageres, überaus rührsames Kerlchen in schwarzem, halb städtischem Anzug, und ihm zur Seite ragten zwei baumstarke Gendarmen mit aufgesteckter Waffe.

»Also, Josef Lichtenbacher«, sagte der Richter nach einigen Vorfragen zum Bauernburschen, »wie war es?«

»Ja, wie war es!« antwortete der Seppel achselzuckend. »Eine Dummheit!«

»Warum ist an jenem Abende im Wirtshause gerauft worden?«

»Aus Unterhaltung.«

»Aus Unterhaltung bringen sich ja doch vernünftige Leute keine Wunden bei«, meinte der Richter, »es muß einen Grund gehabt haben.«

»Freilich hat's einen gehabt«, berichtete der Seppel, »weil wir haben wissen wollen, welcher stärker ist.«

»Wie viele waren ihrer?«

»Mein Gott, wieviel werden gewesen sein?« sagte der Bursche nachsinnend. »Da war einmal der Blasernatz, nachher war der Schwaighofersimmerl, nachher war auch noch der Klopfersohn, der Franzl.«

»Waren das alle?«

»Ich bin halt auch dabei gewesen.«

»Und –?«

»Nachher wird auch der Fleischhackersteffel gewesen sein und der Rösselwirt. Sonst weiß ich keinen mehr. Richtig, ein etlich Weiberleut' sind auch noch gewesen.«

»Und der Anton Pöllersberger?« fragte der Richter.

»Der Anton Pöllersberger – wer ist der?«

»Genannt der Klachelschneiderl«

»Jesses, der Klachelschneiderl« rief der Seppel, »den hätt' ich bald vergessen.«

»Der hat Ihnen ja das Messer in den Leib gesteckt!« rief der Richter.

»Aber sie haben's ja wieder herausgezogen.«

»Sind Sie mit ihm in Feindschaft gewesen?«

»Ah beileib' nit«, sagte der Bursche. »Der Mirzl wegen ist's halt hergangen. Wir haben sie halt jeder haben wollen.«

»Der Schneider und Sie?«

»Ah nein, ich und der Simmerl. Und die Mirzl hat gesagt: Den Stärkeren nehm' ich. Also haben wir halt wissen wollen, welcher der Stärkere ist.«

»Wie kam aber der Schneider dazu?«

»Ja, der ist halt auch dabei gewesen.«

»Mit dem Schneider sollen Sie ja gar nicht gerauft haben!« sprach der Richter.

»Na, freilich nit«, entgegnete der Seppel schmunzelnd, »da haben wir's schon so auch gewußt, welcher der Stärkere ist. Mit dem Natz und dem Simmerl hab' ich gerauft.«

»Und wie war es weiter?«

Der Bursche zuckte die Achseln: »Wie soll's denn gewesen sein? Wir haben halt gerauft.«

»Fenster zerschlagen, hat ein Zeuge ausgesagt, heidenmäßig geschrien, mit den Fäusten aufeinander losgedroschen und zwei Stuhlfüße abgebrochen.«

»Na freilich, weil wir gerauft haben.«

»Und der Anton Pöllersberger?«

»Ja – der Schneider«, sagte der Bursche, »der hat zuerst nur so zugeschaut. Nachher, wie er gesehen hat, der Schwaighofersimmerl liegt untenauf, da hat er ihm geholfen, weil er sein Kamerad ist.«

»Wie hat er ihm geholfen?« fragte der Richter.

»Halt aushelfen hat er ihm wollen, weil ich dem Simmerl so auf dem Bauch bin gekniet und der Simmerl alleweil schreit: Du Gimpel, du druckst mir ja das ganze Bäuschel heraus!«

»Und was hat der Schneider gemacht?«

»Ich hab' nichts gesehen. Wie wir nachher aufgestanden sind und brav gelacht haben, schreit auf einmal ein Weibsbild: Jesses Maria, Seppel! Dir steckt ja ein Messer im Buckel! – Ich drah' mich um, seh' nichts. Teuxel! sag' ich, hab' schon a Weil' was beißen gespürt! Hab' nachher hinüber'griffen mit der Hand und steckt richtig das Messer drin!«

»Soll ja gute zwei Zoll tief gesteckt sein«, sagte der Richter.

»Kann schon sein«, antwortete der Bursche ruhig, »weil es gar nicht heraus hat wollen. Ich gwiglatz' (hin und her ziehen) eine Weil', g'schaff aber nichts. Man kann selber nit gut an. Simmerl, sag' ich, sei so gut, zieh mir das Messer heraus. Der Simmerl hat's bald heraußen gehabt.«

Nun fragte der Richter den Burschen: »Was haben Sie nachher gemacht?«

»Wer, ich?« fragte der Sepperl entgegen. »Das Messer hab' ich angeschaut. Ist ein Taschenfeitel gewesen, aber weiter nit abgebrochen.«

»Und das Loch?«

»Das Loch in der Jacken hat der Schneider wieder zugeflickt.«

»Ich meine die Wunde, die er Ihnen gestochen hat!«

»Ja so, die Wunde auf dem Buckel. Die Weiberleut' haben ein Pflaster draufgelegt –«

»Und dann –?«

»Dann nachher sind wir Kartenspielen gegangen.«

»Und der Anton Pöllersberger?«

»Ja, der Schneider! Der Schneider hat auch mitgespielt.«

»Und haben Sie ihn nicht zur Rechenschaft gezogen?«

»Freilich haben wir gestritten. Der Schneider hat alleweil falsch ausgespielt.«

»Und des Messerstiches wegen? Haben Sie es gleich gewußt, daß der Pöllersberger gestochen hat?«

»Ah freilich.«

»Er hätte Sie ja totstechen können!«

»Ja«, meinte der Bursche, »das hab' ich ihm auch gesagt, ein anders Mal sollt' er nit so ungeschickt sein.«

»Josef Lichtenbacher!« sprach nun der Richter, »Sie fordern wohl Schmerzensgeld.«

»Ich? Wegen was?«

»Ist die Wunde jetzt heil?«

»Ich glaub' schon. Hab' nachher nimmer nachgeschaut.«

»Also verzeihen Sie ihm auch?«

»Wem?«

»Dem Anton Pöllersberger!«

»Ah«, sagte der Seppel, »verzeihen! Warum denn? Bin ja gar nie harb (böse) gewesen auf ihn. Er hat mich halt a bissel jucken wollen.«

Jetzt wendete der Richter sich zum Angeklagten und sprach: »Nun, Anton Pöllersberger, was sagen Sie dazu?«

Der Anton Pöllersberger zuckte erst recht die Achseln.

»Warum haben Sie gestochen?«

Der Schneider antwortete ganz beklommen: »Weil ich dem Schwaighofersimmerl hab' helfen wollen.«

»Mit dem scharfen Messer?«

»Ja, mit den Händen allein hätt' ich halt nichts ausgerichtet«, gestand der Schneider treuherzig zu.

»Pöllersberger, ich werde Sie einsperren lassen!«

Nun trat der Seppel vor und sagte: »Ich bitt', Herr Richter, machen's keine Geschichten. Der Schneider ist halt just ein bissel gut aufgelegt gewesen. Hat ein etlich' Glaserl Schilcher 'trunken gehabt. Einsperren wegen so einer Dummheit! Ist mein guter Kamerad, der Schneider. Ich bitt', lassen's es gut sein.«

Der Richter rückte auf seinem Sitze etwas unstet hin und her und dann sprach er: »Ich fürchte, der Pöllersberger könnte wieder einmal gut aufgelegt werden, und will ihm nun Zeit geben zum Nachdenken, daß man bei guter Laune nicht dem guten Kameraden das Messer in den Leib rennt. Drei Monate Arrest werden nicht zuviel sein.«

Der Schneider sagte kein Wort. Der Seppel rief ihm zu: »So, Toni, jetzt hast die Dummheit!« und ging mißmutig nach Hause.

 

Um Steiermark herum

 

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Semmering: Polleroswand, im Hintergrund die Rax

 

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Traunkirchen, Blick vom Friedhof zum Traunstein

 

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Traunkirchen am Traunsee

 

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Badgastein, Wasserfall bei der Hohen Brücke

 

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Blick auf die Bischofsmütze

 

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Fronleichnamsprozession in Hallstatt

 

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Aufstieg in die Bischofsmütze

 

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Pogöriach, Blick gegen die Kirche

 

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Ruine Hohenberg

 

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Am Bockhartsee

 

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Bauerhaus im Burgenland

 

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Burg Forchtenstein im Burgenland

 


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