Peter Rosegger
Peter Mayr der Wirt an der Mahr
Peter Rosegger

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Ihr geht zum Sandwirt!

In denselben Tagen war es, daß eines Abends vor dem Wirtshause an der Mahr neben der Holzplanke, wo die Pferde angehängt zu werden pflegten, ein fremder junger Mensch saß. Er hatte graue, staubige Kleider an und über der Schulter ein Ledertäschchen hängen; die Stiefel machten bei den Zehen ihre Schnäbel auf, wie zwei hungrige Krokodile. Das Gesicht war blaß und eingefallen, den üppigen braunen Haaren und dem Schnurrbärtchen sah man an, daß sie gepflegt wurden. Der Fremde saß zusammengekauert auf einem Stein an der Mauer und schien sehr erschöpft zu sein.

Die Kellnerin kam heraus und fragte ihn, was er schaffe.

Der junge Mensch schüttelte müde sein Haupt – er schaffe nichts.

Als später der Wirt das Hausthor schloß, saß der Fremde noch immer da. Also ging Peter mit der Laterne zu ihm und fragte: »Was ist's denn mit Euch? Da könnt Ihr doch nicht sitzen bleiben über Nacht.«

Der Fremde war bei dieser Anrede aus dem Halbschlummer aufgefahren und schaute betroffen auf den Mann, der ihn von dieser Ruhestätte verscheuchen wollte.

»Seid Ihr krank?« fragte ihn der Wirt.

Der Fremde schüttelte das Haupt.

»Warum geht Ihr nicht ins Haus? Wir haben ja Betten. Und solltet auch was essen.«

»Ich danke,« antwortete der junge Mensch. »Ich kann wohl auch im Freien schlafen.«

»Im Freien? Es ist jetzt nicht gesund im Freien, und Ihr scheint mir nicht der Stärksten einer zu sein. Geht nur mit ins Haus.«

Nach einigem Zögern gestand der Fremde, er hätte nicht viel Geld bei sich. Da lachte der Wirt, nahm ihn am Arm und führte ihn in die Stube. Dort ließ er ihm etwas zu essen und zu trinken vorsetzen; der Gast genoß nur wenige Bissen und dabei fielen ihm schier die Augen zu. Peter brachte ihn in eine kühle Dachkammer, wo ein reines, hochgeschichtetes Bett stand, stellte dort die Kerze auf den Tisch und sagte: »Ruhet Euch nur aus. Gute Nacht.«

Am nächsten Morgen, als der Fremde gefragt wurde, was er zum Frühstück wünsche, begehrte er allein mit dem Wirte sprechen zu können. Er sah heute viel frischer aus als gestern und sagte, als er vor dem Mahrwirte stand: »Geruht hätte ich sehr gut und möchte mich nun wieder auf die Wander machen, aber in einer Verlegenheit bin ich. Bezahlen kann ich jetzt nicht.«

Peter hielt seine Arme über die Brust gekreuzt, wie er gerne that, schaute fast ernsthaft auf den jungen Mann und sagte hernach: »Was glaubt Ihr denn eigentlich von mir? – Um Gottes willen, ist denn das ein Spottwort? Wenn heute der Herr Jesus bei mir einkehrt, daß er sich in der Pilgerfahrt auf Erden ein wenig labe und ausruhe in meinem Haus: wird er beim Fortgehen in seinen Hosensack greifen, den Geldbeutel herausziehen und fragen: Wirt, was bin ich schuldig? Und werde ich mir fünf bayrische Groschen vorzählen lassen? – Seid nicht kindisch.«

Antwortete der Fremde nicht ohne Schalkheit: »Ich bin halt nicht der Herr Jesus und Ihr seid ein Wirt an der Straßen, wo man gewöhnlich alles eher bekommen kann, als eine geschenkte Zeche.«

»Woher und wohin denn die Reise, wenn man fragen darf?«

Der junge Reisende zuckte die Achseln: »Mir geht's halt auch nicht viel besser wie vielen andern.«

»Setzt Euch nur noch einmal nieder und erzählt mir Euer Anliegen. Ich glaube nicht, daß Ihr auf einer Vergnügungsreise seid.«

»Das wahrlich nicht. Mein Name ist Joseph Dörninger, bin ein Student aus Innsbruck. Mein Vater, ein Bürger dort, hat mit den Franzosen Händel gehabt; darauf hat der General Dittfurt unser Vermögen eingezogen, so daß ich meine Studien nicht mehr fortsetzen kann. Meinen Vater wollten sie hängen, aber fast vom Stricke weg hat ihn der Bauer Speckbacher entführt. Jetzt sind sie alle, auch eine Mutter habe ich noch und drei Geschwister, ins hintere Pitzthal geflohen. Ich will ihnen nach.«

»Das ist aber nicht der Weg in das hintere Pitzthal,« bemerkte der Wirt.

»Ich will jetzt nach Bozen.«

»Was wollt Ihr denn in Bozen?«

Nun zögerte der junge Mann mit der Antwort.

»Ihr wollt mit der Sprache nicht heraus,« sagte Peter, »da kann ich mir's schon denken. Ihr geht zum Sandwirt!«

Dörninger langte schweigend nach des Wirtes Hand; dieser reichte die Rechte hin und achtete auf die Lage des Mittelfingers. Die beiden Tiroler schauten sich fest ins Auge und verstanden sich.

»Der Sandwirt ist jetzt in Bozen, das hat mir Freund Eisenstecker geschrieben,« sagte der Mahrwirt. »In Bereitschaft wäre alles, aber die Stunde ist noch nicht gekommen. Bleib ein paar Tage bei mir, daß du dich stärkest. Dann sollst du von hier Botschaften mitnehmen für den Hofer. Und nun wollen wir miteinander frühstücken.«

Und Joseph Dörninger, der versprengte Student, blieb etliche Tage im Wirtshause an der Mahr. Die beiden Männer waren, wenn auch unauffälligerweise, viel beisammen, und es war bald, als hätten sie sich lieb gewonnen. Manche Stunde auch saßen sie hinter verschlossener Thür und beredeten vieles. Dörninger hatte sich von seiner beschwerlichen Flucht über das Pfitschergebirge bald ganz erholt und nun zeigte es sich, daß er ein hübscher Junge war. Eines Morgens rief er die Magd Hanai und fragte, wo seine Stiefel wären.

»Der Schuster verklenkt ihnen die Mäuler,« antwortete die Magd, »und ich habe Auftrag, daß ich an Euren Strümpfen dasselbe thu'. Und die Frau hat gesagt, Ihr sollet dem Wirt sein Gewand anlegen, daß man Eures derweil wieder festmachen kann.« Damit raffte sie die Kleider zusammen, soweit sie nicht schon an seinem Leibe hingen, ging damit davon und in wenigen Stunden war alles heil.

Gerne that der junge Mann mit seines Gastherrn Kindern um, besonders mit dem klugen, unternehmungslustigen Hans. »Wie alt bist du?« fragte er diesen einmal.

»Zwanzig!« antwortete der Knabe. Das war um die Hälfte zu hoch gegriffen und vor dem Vater hatte er darob ein herbes Verhör zu bestehen.

»Hans, warum hast du's gesagt?«

»Weil ich kein Kind will sein, weil ich gegen die Fremden will.«

»Ich will dir ein Merkzeichen geben!«

»Es war ja nur im Scherz!« wollte Dörninger beschwichtigen.

»Mit der Wahrheit gibt's keinen Scherz.« wies der Wirt zurück. »Daß ich dir's nur sage, Dörninger, du bist auch nicht redlich gewesen. Du wärest auf deinem wichtigen Wege lieber verhungert, als von einem Tiroler Nahrung zu begehren. Das mußt du dir abgewöhnen, Kamerad! Wer fürs Vaterland was thut, der ist in jedes Tirolers Haus daheim. Da hat keiner was für sich allein, da ist alles gemeinsam – verstehst?«

Es kam die Zeit, da Dörninger sein Ränzlein packen mußte zur Weiterreise nach Bozen. Seine Stiefelröhren hatten beim Schuster ein doppeltes Leder bekommen und dazwischen eingenäht staken Briefe. – Da hielt vor dem Mahrwirtshaus eine vornehme Kutsche. Ein Diener und zwei fremdartig gekleidete Frauen stiegen aus, sie sprachen auch ein fremdartiges Deutsch. Die eine war jung, hatte ein sehr blasses Gesicht und ein sehr schwarzes Haar und sehr lebhafte Augen. Die andere war älter, gewöhnlicher, und mochte zu der ersteren in einem abhängigen Verhältnisse stehen. Sie traten rasch ins Haus, sie waren überaus erregt. Das wäre ein unerhörtes Land! riefen beide zu gleicher Zeit, sie seien auf der Reise nach Milano und nun seien sie unterwegs angefallen worden. Angefallen mitten im tiefsten Frieden! Weniger das bißchen Wertsachen wäre in Gefahr gewesen, als vielmehr ihre Fraulichkeiten. Nur zur Not hätten sie sich durch den braven Kutscher und die schnellen Pferde noch retten können vor den hommes dissolus.

»Das sind keine Tiroler gewesen,« sagte Peter kurz.

Wer es denn sonst gewesen sein solle mitten im Lande Tirol?

»Fremde führen die Herrschaft.«

»Possible!« Möglich, daß es keine Tiroler gewesen wären, meinte die jüngere Frau, aber nun müsse es sich weisen, ob die Tiroler besser wären und wirklich ein so ritterliches Volk, wie man höre. »Wir sind hilflose Frauen und begehren Schutz!«

»In meinem Hause sollt ihr ihn haben,« versetzte der Wirt und lüpfte sein braunes Käppchen. »Für die Straßen übernehmen wir keine Verantwortlichkeit, die gehören jetzt den Bayern und Franzosen. Zu einer solchen Zeit sollen Weibsbilder nicht reisen.«

»Im schönsten, tiefsten Frieden!« sagte die Frau.

Der Wirt zuckte die Achseln.

»Was sollen wir machen? mon dieu!« rief die ältere Frau und klammerte die Finger aneinander.

Nun trat Dörninger vor, der versprengte Student aus Innsbruck. Seine Verbeugung machte er und sprach: »Ich reise nach dem Süden. So weit unser gemeinsamer Weg ist, will ich mit Ihnen sein, wenn Sie mir auf dem Wagen einen Platz anweisen wollen. Es soll Ihnen nichts geschehen. Wird das angenommen?«

Die Frauen betrachteten den jungen Mann ein Weilchen und dann sagte die eine: »Bien obligée! Wir werden außerordentlich verbunden sein.«

Das war abgemacht.

Am nächsten Morgen reiste die Gesellschaft ab. Dörninger schied vom Mahrwirtshause wie ein alter Freund, der sich nie wieder lösen wird von diesen Leuten. Im letzten Augenblicke, da die beiden Männer sich gegenüberstanden, sagten sie kein Wort mehr – nur ein fester, langer Händedruck. In der Kutsche war dem Studenten ein ziemlich bequemer Platz angewiesen worden. Zuerst hatte er sich der älteren Dame gegenübergesetzt, später verordnete die jüngere aus Rücksicht für die größere Bequemlichkeit der Genossin, daß der Mitreisende ihr gegenüber Platz nehme. Dörninger schwieg zumeist, war ernsthaft und die Fahrt ging ruhig vor sich.

Zu Weidbruck beim Adler nahmen sie Nachtherberge. Die Einladung zu Tische nahm der Student von seinen Reisegefährten nicht an. Es war Freitag und er aß für sich eine Fastenspeise. Die Damen wollten Braten haben, zu solchem Wunsche lächelte der Adlerwirt mitleidig, ohne ihn übrigens eines Wortes zu würdigen. Also verzehrten auch sie eine Fastenspeise. Dörningers Bett stand im Nebenzimmer vom Schlafgemache der Frauen. Auf den Nachttisch legte er vor dem Schlafengehen eine geladene Pistole.

Mitten in der Nacht weckte ihn ein Schrei. Eine der Frauen hatte ihn ausgestoßen. Dörninger erfaßte die Waffe und eilte sofort ins Zimmer. Die junge Dame saß halb angekleidet auf ihrem Bette. Sie war verwirrt und gestand, daß sie einen schweren Traum gehabt habe; wieder die Wegelagerer seien ihr vorgekommen. – Sonst war es nichts und der junge Mann ging zurück in seine Kammer.

»Je suis calmée,« flüsterte die junge Frau zur älteren, »ich weiß nun, daß er wachsam ist.«

Am nächsten Tage auf der Weiterfahrt durch die wilden, endlos langen Schluchten des Eisack, genannt der Kuntersweg. wurde die junge Dame vertraulicher mit dem ritterlichen Reisegenossen. Schon früher hatte sie erwartet, daß er nach dem Zwecke ihrer Reise, nach ihrer Herkunft fragen werde; da das nicht geschehen war, da der Tiroler sich so gar nicht neugierig zeigte, begann nun sie, ihn auszufragen. Er antwortete kurz. Dann hub sie an, von sich selbst zu sprechen. Es sei die erste große Reise, die sie so allein machen müsse. Sie sei aus Lothringen, einem Lande, das jenseits des Rheines liege und zum glorreichen Frankreich gehöre. Sie entstamme einer Kaufmannsfamilie, die im südlichen Frankreich Güter besitze; sie liebe aber ein außerordentliches Leben und sei mit einem Bruder, der Offizier wäre, in die Hauptstadt des Bayernlandes gekommen. Nun sei ihr Bruder nach dem Norden kommandirt worden, wo es ihr nicht gefalle, so reise sie zu Verwandten nach Milano. Das sei aber gegen den Willen des Bruders, der sie gerne an einen österreichischen General verheiratet hätte. Der General sei ihr aber schon zu ehrwürdig, und darum gehe sie nach Milano. Dort sei der Vicekönig, auch ein Bonaparte. – Als sie den Namen Bonaparte aussprach, begann ihr Auge zu lodern wie ein doppeltes Freudenfeuer. Napoleon sei ein Held, wie ihn die Welt bisher nicht gesehen. »Quel homme! – Un dieu en ciel, un roi sur la terre! Ein Gott im Himmel und ein König auf Erden! Wer hat je ein so stolzes Wort gesprochen? Er erobert die Völker, nicht um sie zu knechten, sondern um sie glücklich zu machen. Darum jubeln ihm, wohin er sich auch wende, die Menschen zu, wie dem Erlöser, und seine Soldaten lieben ihn mit einer Leidenschaft, die keine Grenzen hat. Die wenigen Thoren, die ihm entgegen sind, müssen vernichtet werden; wie gering ist ein solches Opfer im Vergleich zum großen, göttlichen Zeitalter, das eintreten wird. Dann wird es keinen Schlagbaum mehr geben zwischen den Ländern und keinen Krieg zwischen den Völkern. Ein Gott im Himmel, ein König auf Erden und eine glückselige Menschheit!«

Erstaunt blickte Dörninger die glühende Sprecherin an.

»Ach, Napoleon Bonaparte!« flüsterte nun auch die ältere Dame und preßte ihre Hände an die Brust. »Wenn dieser Mann, dieser einzige Mann um den Erdball seinen Siegeszug macht, vraiment! so werfe ich mich jubelnd vor die Räder seines goldenen Wagens. Il serait un plaisier, de mourir sous ses pieds!«

»Und Sie?« fragte Dörninger die junge Frau, »was würden Sie thun?«

»Unbedenklich dasselbe, mein Herr!« war ihre Antwort.

Er schwieg.

Der Weg war holperig. Der Kutscher und der Diener auf dem Bock wurden manchmal ein wenig emporgeschnellt und die Kniee der Insassen stießen manchmal unwillkürlich zusammen, so sehr Dörninger sich Mühe gab, das zu vermeiden. Die Frauen thaten mißmuthige Aeußerungen über die schlechten Straßen und da sehe man wieder, wie gut es sei, daß dieses Tirol endlich einmal den Kulturländern einverleibt werde.

Dörninger schwieg.

Wiederholt begegneten sie auf dem Wege betenden Scharen von Bauersleuten. Diese trugen rote Kirchenfahnen voraus, welche sie vor jedem Kirchlein und vor jeder Kreuzsäule neigten. Sie sangen Marienlieder, die in ihren ernsten, oft ergreifenden Tönen seltsam in den Felsen der Schlucht widerhallten.

Da bemerkte die jüngere Dame einmal: »Ein bigottes Volk, diese Tiroler! Ein verächtliches Volk!«

Der junge Mann zuckte nach rückwärts. Ihm war, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen. Ein Weilchen noch war er still, während seine Schutzbefohlenen ihrem Hohne freien Lauf ließen. Endlich unterbrach er sie. Rauh und ungefüg setzte er die Worte, indem sein Auge zu brennen begann: »Verzeihen Sie, daß Sie nicht allein sind im Wagen. Es ist nicht meine Schuld. Ein verächtliches Volk! Bigott, weil es vor Gott kniet und nicht vor einem wahnwitzigen Abenteuerer! Ich sage Ihnen das: Menschen, die betend und singend durch ihr Heimatland ziehen, fallen keinen Wanderer an und keinen Wagen auf der Straße. Aber Fremde thun das, Fremde sind gekommen, Bonapartes Knechte, um fromme Sitten auszurotten und aller Begier zu fröhnen. Diese Tiroler, starr halten sie an ihrem Herkommen, vielleicht an sinnlosem Aberglauben auch, aber die Lüge kennen sie nicht und die Treue brechen sie nicht. Allein, wenn jene hohen Herren, die ihr eigenes Land verraten und verkauft haben an den korsischen Räuberhauptmann, der in höllischem Hochmut aus seinen Grenzen bricht und die Welt mit Not und Greueln überhäuft – wenn jene noch länger blind sind, dann wird auch bei uns die Falschheit angehen; kein Gut wird mehr sicher sein in den Truhen, kein Weib vor dem Wüstling, kein Mensch vor dem Verrate seines Bruders. Hin und verflucht wird alles sein, was uns bisher stark hat gehalten und redlich – und ein Lumpenvolk wird frevlen zwischen diesen ewigen Bergen! – Napoleon! Wie beispiellos hat er Deutschland geschändet! Welch grenzenloses Unglück hat er gebracht über unser armes Tirol!«

Die Kehle krampfte es ihm zusammen, da er also sprach, die beiden Fäuste schlug er sich ins Angesicht und einen schrilltönigen Schrei stieß er aus. Die beiden Frauen stutzten. Da sprang er plötzlich von seinem Sitze auf, hob die Rechte zur Faust geballt gegen den Himmel und rief: »Bei unserm gekreuzigten Heiland, es kommt die Rache!«

Die Frauen zuckten zusammen und wimmerten: »Nous sommes perdues!«

Als Dörninger sich ein wenig gefaßt hatte, blickte er mit verachtendem Auge und sagte bitter lachend: »Fürchten Sie nichts. Höflich und schmeichelnd, wie es der Welschen Art, kann ich meine Rede nicht setzen. Aber was ich versprochen habe, das soll gehalten sein. Sie sind zwei arme Weiber und in meiner Gegenwart wird Ihnen nichts geschehen.«

Da schlugen sie ihre Augen nieder und die jüngere besonders war insgeheim empört über diese Demütigung. Kein Wort sagten sie mehr gegen Land und Volk. Alles schwieg und nichts hörte man, als das Rollen der Räder, das Traben der Pferde und das Rauschen des wilden Wassers. Endlich kamen sie nach Bozen, in die alte Stadt auf dem traubenprangenden Gelände der Etsch, wo in besonntem Verstecke schon der Lorbeer grünt und die Palme. Darob erstaunten die Frauen aus Lothringen, und sie hätten jetzt das Land wahrscheinlich gerne gelobt, wenn es der Trotz gestattet haben würde.

Zu Bozen empfahl Dörninger die weiblichen Reisenden dem Schutze eines tirolischen Pferdehändlers, der mit seinem Wägelein gegen Trient fuhr. In Trient würden die Frauen schon auf Landsleute stoßen, denen sie sich anvertrauen könnten für die weitere Reise.

Kurz und gemessen gab Dörninger diesen Rathschlag. Als er noch am Straßenrande stand, trat die jüngere einen Schritt hin gegen ihn und zögernd flüsterte sie: »Monsieur«

Er hörte es nicht.

»Mein Herr!« wiederholte sie.

Er wendete sich um.

Da sagte die Dame in einem fast innigen Tone: »Verzeihen Sie mir! Scheiden Sie freundlicher von uns, denn wir sind Ihnen tausend Dank schuldig.«

»Glück auf die Reise!« antwortete der junge Mann und schwenkte seinen Hut zum letzten Gruße.

»Na, wollt's mit, so ist's Zeit!« drängte der dicke Pferdehändler. Er fuhr schon voraus. Die Frauen stiegen in ihren Wagen. Joseph Dörninger hörte ihn davonrollen, aber er blickte nicht hin. Erst als das Rollen verhallt war, schaute er hin, auf der Straße war eine weiße Staubwolke, sonst sah er nichts. Dann lenkte er seine Schritte, um den Sandwirt zu suchen.



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