Johann Kaspar Riesbeck
Briefe über das Mönchswesen
Johann Kaspar Riesbeck

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Achtzehnter Brief.

Den 20. November 1779.

Du erwartest nun ein vollständiges Tagebuch meiner Reise nach Hof – Ich sage dir ganz kurz, daß ich da war; durch den geheimen Rath von S – – , der Gutmanns Freund ist, dem Hochwürdigsten bin vorgestellt worden, und daß ich meine ganze Absicht erreicht habe. Ich habe einen Brief mit bekommen, der so gut als eine Exemtion von der väterlichen Obsorge meines Dechants ist: Dieser hat nun natürlich grosse Augen gemacht, wie er das Ding gelesen hat – doch das muß ich dir in der gehörigen Ordnung vortragen.

Als ich nach Hause kam, sagte mir meine Magd, daß der Herr Dechant, der P. Guardian, und Fulgentius schon lange auf mich warteten; daß sie ihnen gesagt habe, ich käme heute gewiß nach Hause; und daß es nun das drittemal sey, daß mich diese Herren hätten besuchen wollen. Ich schlich in mein Kämmerchen, verboth ihr etwas von meiner Ankunft zu sagen, und wollte während des Auskleidens meine Gäste beobachten.

Sie sassen um meinen Tisch, hatten eine Flasche Wein, und ein Buch vor sich. Sie liessen sich ungefähr also vernehmen.

Dech. Wie, lese der Pater nochmal den Titel, wie heißt der Pursch –

Fulg. Geschichte der Menschheit von Iselin –

Dech. Les der Pater doch recht: Eselin wirds heissen –

Das Späßchen wird manchem Leser sehr bleyern vorkommen: Der Herausgeber aber versichert, daß er es wirklich auch von Ehrwürdigen gehört hat, und daß es also unter dieser Classe ein geläufiges bon mot seyn muß.

Fulgent. und Guard. Rem acu tetigisti, Magnificentissime! Ha ha ha ha!

Dech. Nomen & omen habet

Guard. 'ne hübsche Compagnie für den Pfarrer! Eselin – ha ha –

Fulg. Was aber der Narre mit seiner Menschheit – wie heißt's – (schlägt um) Menschheit will –

Dech. Substantivè fumitur pro, esse humanum,Substantivè ... – Über die Geschichte der Menschheit (1764 erschienen) und bedeutet also, Humanität. Was nun die studia humaniora

Guard. Scilicet ars poëtica & rhetorica

Dech. Bene, bene – Er muß sich durch kein Wort irre machen lassen, Fulgentius. Schau er, such er nur den radix, den übersetzt er ins Lateinische; dann derivirt er ihn nach der Etymologia zu der Proprietät, die das deutsche Wort hat, & factum est. Menschheit, humanitas. Seh er, wenn sich unser Einer, der nun mit verschiednen Weltleuten umgehn muß, nicht gleich helfen könnte, so müßte man alle Augenblicke so neumodische Wörter für einen nodus gordius ansehn, und stühnde dann, wie der Ochs am Berg. Euch Klosterleuten kann mans freylich nicht übel nehmen – Lese er nur weiter, Fulgentius.

Guard. Salva venia, Euer Magnificenz verstehn doch wohl alles, was der Fulgentius gelesen hat?

Dech. Ob ichs verstehe – Ha ha –ob ichs verstehe – Wie können Sie so was fragen, Pater Guardian? – Lämpchen, ubi judicum?

Guad. Ich muß gestehn – bin doch auch kein Esel – mir ist das Zeug wie wälsch –

Dech. Dummes Geschwätze ist's, lauter dummes Geschwätze, Guardian. So Schulfüchserey, Spiegelfechterey, verstehn Sie mich wohl; so Larifari, so –

Guard. Daß nicht viel daran ist, ist sehr natürlich; sonst wärs nicht deutsch: Aber exempli gratia, geruhen mir Euer Magnificenz doch einmal zu expliciren, was der deutsche Michel mit seiner Barbarey sagen will. Unsre Patres Mißionarii erzählen oft von einem Land die Barbarey genannt –

Dech. Wo's viel Krieg giebt, nicht wahr? Das ist's eben, wovon der Eselin schreibt – So lang die Barbarey ist, oder die ganze Barbarey durch und durch, ist nichts als Krieg, sagt er eben – Mein, fragt mich doch nicht um solch Zeug; sind ja lauter Dinge, die wir schon lange verschlissen haben.

Fulg. Was doch der Gutmann für närrische Sachen hat! Wie doch einem Menschen einfallen mag so was zu lesen? Er ist halt die Perplexität mit Leib und Seel.

Dech. Ach ihr Leute wißt halt nicht mit so einem Menschen umzugehn. Mit dem Gutmann will ich zehnmal eher fertig werden, als mit dem naseweisen Pfarrer. Er hat Capacität der Gutmann, das versichre ich euch; wenn er nur hier wäre, ihr solltet sehn, wie ich ihn drehn und wenden kann. Wenn nur der rechte Mann über ihn kömmt, man kann ihn schon ins Bockshorn bringen. Schweiß hat michs freylich gekostet; denn nichts davon zu melden, daß ich das Vogel friß, oder stirb, item Neumayers Controversen, item das Leben der Katherl von Borre; hört ihr Patres, das ist ein Buch! – item noch eine Menge solcher kräftiger Bücher, die den Lutheranern den Garaus machen, gelesen und durchstudirt habe, so bin auch benebst meinen ganzen cursum theologicum durchgegangen – Meine scripta sive notata polemica haben mir trefliche Dienste gethan: Ich habe noch dazu gegen die drey und siebenzig Bibeltexte auswendig gelernt, mit Capitel und Versnumern, die ich ihm alle an den Kopf geschmissen hätte, wenn er mir nicht pariren wollte. Als ich nun ausstaffirt war, rief ich den heiligen Geist recht inbrünstiglich an, und machte seine Bekehrung einigemal zu meinem Meßmemento; und ich kann sagen veni, vidi, vici. Für die Teufel, Hexen und Gespenster, seyd ihr freylich die rechten Kerls; denn eure Klöster können sich durch die ganze Welt alle die erforderlichen arcana communiciren; aber so einen verstockten Freymäurer zur Räson zu bringen; da müßt ihr euch nach Hause geigen lassen; denn da gehört judicium dazu –

Guard. Euer Magnificenz geruhen nicht ungnädig aufzunehmen – Sie erinnern mich eben durch Ihren Besuch, wodurch sie den Freymäurer Gutmann zu Schanden gemacht haben, an gewisse sehr präjudicirliche, nicht gar erbauliche und fast scandalos expressiones & nomenclaturas, deren Sie sich gegen uns zu gebrauchen gütigst beliebt haben sollen.

Fulg. Besonders hat der unmündige Pfarrer hujus loci sehr ungebührlich ausposaunt, wie ärgerlich Euer Magnificenz meine Jagdhistorie –

Guard. Und Gutmann hat affirmirt, daß er dergleichen injuriose, kalumniöse expressiones s. v. von Gassenbuben nicht gehört habe, wie Euer Magnificenz gegen uns usurpirten.

Fulg. Und sollen Eure Magnificenz annektirt haben, daß Sie eine herzinnigliche Freude über meine Verberation empfunden haben.

Guard. Und sollen Euer Manificenz, weit entfernt seine Freygeisterey zu confundieren, ihr Gläschen fein geleert, ihr Schlafstündchen hübsch –

Dech. (Der bis jezt, so oft einer der Mönche das Wort wieder nahm, ein volles Glas ansetzte, und nur mit dem Geräusch des Einschenkens, manchmal auch mit Drehung seiner Perücke protestirte; fuhr nun auf, stieß den Stul um, schlug auf den Tisch) Potz Wetter und alle Sackerment! Seyd ihr Leute denn närrisch worden? Meint ihr etwa, ihr habt einen Schulbuben vor euch? Potz Wetter – Potz alle – wißt ihr denn nicht, was Art und Mode ist; wenn man mit Weltleuten von Distinktion und Edukation umgeht – daß man euch allzeit en bagatelle tractieren muß? Dient das nicht eure Humilität zu exercieren? Steht nicht in euer Regel, unusquisque despiciat femetipsum? Heißt euch dann ein gnädiger Herr im ganzen Revier anderst, als wie ich euch nennte, Limmel, Esel, Flegel, Schnapsäcke; und neuerdings ist noch eine andre Modeexpreßion gegen euch aufkommen; sie heißt Hummeln. Unser einer, der doch mit Gnaden und Excellenzen umgeht, muß mit den Hunden bellen, damit man nicht für einen Pedanten und Idioten paßiere. Was ihr einem gnädigen Herrn erlaubt, das werdet ihr doch hoffentlich mir gestatten können? Potz Wetter und alle – jagt mich nicht in Harnisch, das sag ich euch!

Guard. Eure Magnificenz extravagirn zu sehr. Wir habens nicht so bös gemeynt: Wir sind gar nicht die Leute, die alles gleich so übel deuten – Um aber nicht solchergestalten von unserm propositum wegzukommen, so muß ich Ihnen referieren, daß bey dem Gutmann von Tag zu Tag schlimmere Aspecten aufsteigen, und also Eure Magnificenz gar keine rationem sufficientem haben, zu glauben, daß sie ihn convertirt hätten.

Fulg. Die Magd, die ein Ehr und Wahrheit liebendes Mensch ist –

Guard. Sie ist, ut hoc confirmem, von unserm dritten Orden –

Fulg. Die uns auch pflichtschuldigst von Euer Magnificenz modo se exprimendi erga nos referiert hat, sagt, daß sie vor einigen Tagen drey Ducaten in seinen gelben Pantoffeln, und die Fußstapfen von Bocksfüssen im Sand vor seinem Bette gesehn habe. Sie hat schon einigemal den Teufel mit ihm reden gehört; und wenn er noch schläft, so legt ihm jener sein tägliches Geld in die Pantoffeln.

Guard. Es ist schon eine natürliche Consequenz, daß es mit seinem Geld nicht just ist, da er es so profan und unchristlich verwendet.

Fulg. Es ist nun gar kein Zweifel mehr, daß er etwas viel ärgers als ein Freygeist, ärgers als Jude, Türk und Heide ist – Er ist ein ausgemachter Freymäurer.

Guard. Euer Magnificenz sehn also, daß er noch der alte ist, und daß er Sie wahrscheinlicher Weise nur zum Narren gehabt hat.

Dech. Dergleichen expressiones de me oder erga me will ich mir verbitten, Pater Guardian –

Guard. Oder daß er sie bey der Nase herumgeführt hat –

Dech. Phrasis minus adhuc congrua

Guard. Oder daß er seinen Spaß mit Ihnen gehabt, oder daß er Sie zum Besten gahabt, oder daß er Sie gefopt, oder –

Dech. Insolentiores adhuc

Guard. Oder daß er Ihnen was vorgespiegelt hat

Dech. Bene, bene,

Guard. Geschehn ist es allezeit, Euer Magnificenz, wie man es exprimirt. Man muß also auf neue media denken, das Unthier zu bändigen oder zu erlegen.

Dech. Wenn wir nur den Pfarrer erst von ihm los haben. Wenn er allein ist, so können wir auf die Bestie bessern Anstand nehmen – Daß er sich verstellt, und uns also letzhin hintergangen hat, wird uns auch nach und nach verisimilius. Aber ihr Leute solltet ja gleich mit dem Menschen fertig seyn –

Guard. Wie meinen Euer Magnificez?

Dech. Citiert den Teufel, und forscht aus ihm, was der Gutmann, oder noch besser die Freymäurer überhaupt für einen Accord mit ihm haben. Dazu seyd ihr ja die Leute. Fragt ihn, wie lange nach dem Accord der Gutmann noch Frist habe; denn ich bin gar curios, um welche Zeit ihn der Satan hohlen wird. Vergeßt nicht, wieviel Geld er ihm täglich bringen muß, und ob er ihm auch seinen Wein liefert – Der ist recht gut, das versichre ich euch. Wissen wir das einmal, so muß er uns ja parieren wie wir nur wollen; denn da können wir den Leuten, und auch höhern Orts berichten, was es mit dem Menschen für eine Bewandtniß hat. Wir können noch eine grosse Recompenz zusammen bekommen, wenn wir dem Teufel die arcana der Freymäurer extorquieren, die kein Mensch weiß, und doch jedermann gern wissen möchte. Was sagt ihr zu dem Gedanken?

Fulg. Der Teufel ist der Vater der Lügen; der tractiert uns, wie der Gutmann Euer Magnificenz; spiegelt uns was vor, und sticht uns hintendrein ein Eselsohr. Wir kennen die Musie –

Dech. Ihr seyd mir die rechten – Wenn ihr nicht einmal die Wahrheit aus dem Teufel heraus exorcieren könnt!

Guard. Non semper ridet Apollo, Euer Magnificenz; und dann ist es ein gefährliches Ding mit den arcanis der Freymäurer. Viele haben schon alles davon gewußt; sie sind aber alle, wie unsre Lecktores erzählen, so heimlich aus der Welt geschaft worden, ehe sie haben ausplaudern können. Sie reißt erschrecklich ein, die Freymäurerey. Es sind gar viele Grossen mit darunter: Sogar der F. v. * ist einer, und der G. * Sie kommen alle Woche zusammen, und treiben ihre Teufeleyen; trinken z. E. Menschen=Blut aus Hirnschädeln. Allzeit wird der geschlacht, dem nach dem Accord mit dem Teufel seine Zeit verlaufen ist. Der böse Feind ist allzeit leibhaftig unter ihnen, und sie heissen ihn Bruder. Das Zimmer ist ganz schwarz behangen, sie sitzen unter lauter Todtenknochen, und allerhand magische Zeichen sind herumgemahlt. Es ist einmal ein vir cordatus von uns unter sie kommen; der machte sein benedictiones, und siehe! Alles verschwunden. Statt der Messer und Gabeln lagen Mistkärste und Schauffeln, statt der Teller Kühfladen auf dem Tisch. Die Lichter wurden zu feurigen Drachen, und die Figuren alle lebendig; lauter Schlangen und Kröten, und alles sumste und zischte. Der nämliche Pater hat erzählt, ich habs aus seinem Munde, daß er den G. * neben dem Satan erkannt habe. Der Teufel seye sehr artig und vertraut gegen ihn gewesen, habe ihm die Backen gestrichen, und so im Discurieren an den Knöpfen gezupft. Man siehts ja auch schon an seiner Aufführung, daß er mit dem Teufel gut Freund seyn muß.

Giebt er denn das ganze Jahr unsern Mendikanten nur einen Pfennig? Mätressen kann er doch halten; sein Kammermädchen ist wieder schwanger, Euer Magnificenz; und wie der Confeßarius, den sie hat, herausgebracht, so ists Kind auch von ihm: Da ist nun kein Wunder, daß er mit dem Teufel Brüderschaft trinkt; denn das hat der Pater auch gesehen, daß sie am Tisch, ehe sie verschwunden waren, ihre Gläser zusammengestossen, und es dem Teufel zugetrunken haben. Nach der Beschreibung die wir ihm vom Gutmann gemacht haben, so betheuert eben dieser Pater, daß er ihn erkannt und gesehen habe, wie ihm der böse Feind lange ins Ohr gelispelt hat; Gutmann habe darauf vor der übrigen Gesellschaft das Wort geführt: Denn Euer Magnificenz müssen wissen, daß die Freymäurer auf die Minute, wenn sie wollen, beysammen seyn können, wären sie auch tausend Meilen von einander. Sie reiten auf jungen lustigen Teufeln in Gestalt von Besen, Mistgabeln, Flederwischen, Fuchsschwänzen zusammen; das stimmt nun mit dem Bericht der Magd genau überein, daß Gutmann manche Nächte abwesend sey, und gemeiniglich durch den Rauchfang ausfahre. Auch hat diese – sie war um die Herren recht zu belauschen in den Ofen gekrochen – von Gutmann sagen gehört, daß er den hiesigen Pfarrer in ihre Gesellschaft wolle einschreiben lassen. Eure Manificenz sehn also, daß die Sache dringend ist. Wir müssen dem Pfarrer zu Leibe gehn, ehe er seinen Bund mit dem Teufel gemacht hat; sonst ists zu spät.

Dech. Das soll heute noch abgethan seyn – wär er nur gleich hier – Mit dem sprech ich jetzt aus einem ganz andern Ton; da heißts Obedienz –

Ich konnte nicht länger übers Herz bringen, die Herren ihren Unsinn einander mit so viel Ernst und Würde vorschwäzen zu hören: ich trat also unvermuthet auf. Ich wollte nicht gleich mit meinem Rescript heraus, weil ich ihre Anstalten zu meiner Bekehrung recht reif wollte werden lassen; und daß sie um so mehr betroffen würden, je gewisser sie glaubten, mich unter ihren Füssen zu haben. Der Dechant gab mir einen derben Verweis, daß ich ohne seine Erlaubniß verreist seye; das wichtige Geschäft meiner förmlichen Bekehrung dadurch verzögert, und ihn mit den zween Ehrwürdigen umsonst hieher gesprengt habe. Ich entschuldigte mich durch die dringende Nothwendigkeit und Eile meiner Reise. – Nun nahm der Guardian das Wort; ich würde mich ohne Zweifel erinnern, wie sehr ihr guter Name durch die schändliche, mit aller erdenklichen feinen Spitzbüberey gegen die zween Terminanten veranstaltete Mißhandlung von mir und Gutmann seye verunglimpft worden; die Ehr und Glorie ihres ganzen Ordens seye so stark dabey intressiert, daß sie zween im Namen desselben da wären, um eine förmliche Abbitte von mir zu empfangen; und eine hinlängliche Satisfaction durch Almosen ihrem Kloster mit Bewilligung des Herrn Dechants Magnificenz mir zu dictiern: Sie seyen ferner als Zeugen meiner Glaubekenntniß, und als Mithelfer meiner gänzlichen Bekehrung von Herrn Dechant Magnif. mit hieher gebeten worden: Sie hoften, ich werde mich als ein Kind gegen seine Eltern gehorsamlich ihrer heilsamen Operation unterwerfen. Ich antwortete darauf mit nichts, als einem Knicks. Der Dechant fuhr hiernächst auf mich los, daß ich das Gelübde des Gehorsams so wenig beobachtet, indeme ich gegen das ausdrückliche Verboth mit Gutmann zu reden, sogar mit ihm verreist seye. Fulgentius mußte auch noch seinen Theil dazu geben; er machte es sehr plump – Ich wäre noch viel zu jung, zu unbändig, Männern ihres Gelichters probatae virtutis & doctrinae über die Nase zu fahren. Sie hätten mich lange mit ihnen spielen lassen, wie der Löwe die Maus; nun aber wäre es Zeit, der Kinderey ein Ende zu machen, und die Reihe wäre jetzt an ihnen, meiner zu lachen.

Der Dechant hat mich hierauf gefragt, ob ich zu der Generalbeicht präpariert seye: Anstatt ihm mit ja oder nein zu antworten, gab ich ihm mein Präservative. Nun wünsche ich dir, lieber Bruder, den viereckigen Dechant in seiner tragicomischen Attidute mahlen zu können. Er gieng vom Tisch weg ans Fenster, als wenn er es nicht recht lesen könnte; es war aber blos um seiner Bestürzung Luft zu machen, und seine Beschämung zu verbergen. Er trippelte, wischte sich die Augen, als wenn Niesepulver aus dem Papier in seine Nase geflogen wäre; seine Perucke mußte auch viel dabey leiden; er humste bald etwas laut; bald buchstabirte er, und wischte, und wischte immerfort, als wenn der Streusand den Brief unleserlich gemacht hätte: Aber es stand so klarschwarz, da daß er ein Gek sey, und mich ungehudelt lassen sollte, daß er es nicht wegwischen konnte; er fieng drey, viermal von vorne an, und nahm zuletzt noch seine Brille, um Zeit genug zu gewinnen, sich in eine leidliche Fassung zu bringen. Er räusperte sich, legte den Brief sehr langsam zusammen, und stotterte endlich, ohne mir ins Gesicht zu schauen, daß er wohl wisse, durch welchen krummen Weg ich zu diesem Freyheits=Brief kommen sey – er wolle nicht freventlich urtheilen; aber des Teufels Anhang seye in diesem Revier sehr groß; es gäbe viele Freymäurer – er winkte dabey den Mönchen mit einer vielbedeutenden Miene – er wolle nicht böse von seinen Obern denken; aber wenn man mit dem Teufel Brüderschaft trinke, könne man unmöglich selig werden. Er nahm seinen Stock und Hut, und gieng. Die Mönche, die nun gar nicht wußten wie sie dran waren, stülpten ihre Kapuzen über den Kopf, murmelten lateinisch unter den Bart, und folgten ihm.

Wie ich mich dabey gebehrdet habe – fragst du Bruder: Recht boshaft; ich gestehe es dir gerne. Als sie im Anfang mich so schrecklich bombardirten, nahm ich die gleichgültigste folgsamste Schafsmiene an, um ihrer Insolenz Raum zu lassen, um sie mit der Abzugsordre unvermutheter zu überraschen. Als der Dechant durch den Brief nun in seine burleske Bewegung kam, und die Mönche nicht begreifen konnten – quer herüber auf mich, bald wieder auf den Dechant, bald mit halboffnem Mund senkrecht auf die Erde niederblickten – nahm ich meine Dose, präsentirte ihnen mit der schalkhaftesten Höflichkeit Tobak, schenkte ihnen Wein ein, und bat sie, zum Nachtessen bey mir zu bleiben. Als sie giengen machte ich recht tiefe Verbeugungen; freute mich und dankte für die Ehre ihres Besuchs; bedauerte, daß sie nicht länger bleiben wollten; und wünschte, bald wieder die Gnade zu haben, sie bey mir zu sehn.

Als ich alleine war machte ich wieder meine Betrachtungen über das Verderbnis der Mönche. Mir fiel die Stelle in dem Testament des heiligen Franciscus ein, wo er sagt: wäre ich auch so weise wie Salomon, und ich fände ein armes Priesterlein auf seiner Pfarre, so wollte ich doch nicht gegen seinen Willen predigen. Ich würde es wie alle übrigen fürchten, lieben und ehren, wie meinen Herrn.

Et si haberem tantam sapientiam, quantam Salomon habuit, & invenirem pauperculos sacerdotes hujus saeculi in parochiisin quibus morantur, nolo praedicare contra voluntatem ipsorum. Et ipsos & omnes alios volo timere, amare, & honorare sicut meos dominos. Test. S. P. Francise.Et si haberem ... – Es ist der soeben auf Deutsch genannte Satz aus dem Testament Franziskus': Wäre ich auch so weise wie Salomo ...

Seinen Söhnen ist es nicht genug sich in alle priesterliche Verrichtungen einzudrängen; sie machen noch obendrein die Schelmischsten Cabalen gegen den harmlosesten Pfarrer wie ich bin; und doch befiehlt ihr Ordensstifter, dieses Testament, worin er so erbaulich spricht, grade so wie die Regel anzusehen und pünktlich zu befolgen. Der gute Vater oder sein Major Domus der Meister Helias würden ihre Zöglinge wenig erkennen, wenn sie aus ihren Gräbern aufstünden – Höre nur Bruder, wie deutlich die Schriften des Franciscus sind, seine Regel und sein Testament in aller möglichen Einfalt zu verstehen, und gar keine Auslegungen und Glossen darüber zu machen. Und allen meinen Brüdern, Priestern und Layen, befehle ich ernstlich durch das Gelübde des Gehorsams, keine Glossen über die Regel oder über diese Worte (das Testament) zu machen; nicht zu sagen: So ist es zu verstehen: Sondern, wie mir der Herr eingab die Regeln und diese Worte einfältig und rein auszusagen und zu schreiben; so sollet ihr sie auch einfältig und rein ohne Glosse verstehn, und mit heiliger Thätigkeit befolgen bis zum Ende. Ohne die Glossen, die freylich nach dem Titel keine Glossen sind, als des H. Bernardius Tractat von den Eigenthümern, das Lob dieser Regel, der brevis discursus über die Beobachtung der Armuth von P. de Fano, die alle der Regel beygedruckt sind – ohne diese Tractaten, Lobeserhebungen, kurze Reden, für würkliche Glossen anzunehmen, so kann man doch die Eintheilung der Regeln, in praecepta formalia, aequipollentia, exhortitationes & c. die auf dem Rande jeder derselben bemerkt ist, unmöglich für etwas anders als eine Glosse ansehn. Wie ungebührlich diese Eintheilung sey, will ich dir nur durch eine Vergleichung begreiflich machen. Ein praeceptum formale wird genennt die Verordnung, daß der ganze Orden einen General haben solle; ein General=Capitel alle drey Jahre müsse gehalten werden etc. und eine Conditio aequipollens heißt das Verboth ihres Vaters, daß sie in dem Sprengel eines Bischofs gegen seinen Willen nicht predigen sollten.

Fratres non praedicent in episcopatu alicujus episcopi, cum ab eo illis fuerit contradictum. Reg. S. P. Franc. Glossa: aequipollens.Fratres non ... – der lateinische Originaltext: Verbot der Predigt gegen den Willen des Bischofs

Unter dem Wort aequipollens verstehn sie eine ganz gleichgültige, unbedeutende Warnung. Es ist zum krank Lachen, daß die Mönche die Verordnungen ihres Vaters, die sogar nach der christlichen und philosophischen Moral Sünden verbiethen, für keine förmliche Befehle, sondern nur für heilsame Ermahnungen, exhortationes ausgeben, bloß weil der H. Franciscus den Period mit moneo & exhortor anfängt. So ist nach der Glosse eine blosse Ermahnung der Absatz: Ich warne meine Brüder, die Leute die weiche und bunte Kleider tragen, und köstliche Speisen geniessen, nicht zu beurtheilen und zu verachten. Verachtung seines Nebenmenschen ist bey dem Christen überhaupt, und bey dem Philosophen auch, Sünde; sie kann ohne Stolz nicht begangen werden, und Stolz gehört zu den Hauptsünden; aber in der Franciscanerregel ist das nur eine gleichgültige, unbedeutende Ermahnung. So läßt sichs leicht begreifen, warum sogar wegen der Form der Capuzen unter den Franciscanern und Capucinern eine so stolze Antipathie ohne Sünde bestehn kann, die schon zu den heftigsten Verfolgungen Anlaß gegeben hat. Die Regel verbietet nicht einmal förmlich, die bunten und reichen Kleider, samt den Leuten die drinne stecken, zu verachten; wie unschuldiger muß noch der Groll auf eine spitze Capuze seyn? Ist es ein Wunder, Bruder, daß unsre moralische Begriffe durch die Möncherey so abscheulich sind verunstaltet worden, wenn man das Aeusserliche, die Form, zum Wesen eines Ordens, und das Wesentliche durch Glossen und Distinctionen zum unbedeutendsten, willkürlichsten locus communis macht! O liebes Christenthum!

Auch war die Absicht des Meister Helias und des Franciscus gar nicht, der Nachwelt eine Rotte Bettler zu stiften. Die Kirche, die den Orden gesetzmäßig aufnahm – kann die zugeben, daß das Betteln für das Wesentlichste des Ordens angesehen werde, woran bey seiner Aufnahme gar nicht gedacht worden? Aber wenn man den Pabst, den römischen Hof für die Kirche Gottes ansieht, so ist es sehr begreiflich, daß diesem Mann viel daran gelegen seyn muß, viele müßige Subalternen zu haben, die gar von keiner Beschäftigung wissen, als ihn zu predigen. In dem Testament des Franciscus, welches die nämliche Kraft wie die Regel haben soll, wird den Brüdern das Betteln nur dann erlaubt, wenn sie durch Arbeiten kein hinlängliches Brod zusammen bringen können. Es heißt in diesem Testament: Und ich arbeite mit meinen Händen, und will arbeiten; und will ernstlich, daß alle meine übrigen Brüder auch arbeiten. Die kein ehrbares Handwerk verstehn, sollen es lernen. Und im folgenden Paragraph: Und wenn uns die Arbeit nicht bezahlt wird, so laßt uns zum Tisch des Herrn laufen, und das Almosen an den Thüren betteln. Arbeit also ist der von der Kirche bestätigte Sinn des Stifters; das Betteln nur die Ausnahme, die Nothhülfe. Auch steht es ausdrücklich in der Regel: Die Brüder sollen treu und fleißig arbeiten, um dem gefährlichen Müßiggang zu entfliehn. Von dem Lohn der Arbeit aber sollen sie die Leibsbedürfnisse für sich und ihre Brüder anschaffen, in Naturalien etc. Wie weit sind unsre heutigen Mönche von dem wahren Zweck ihrer Stiftung entfernt! Das ausdrückliche Geboth ihres Vaters, mit den Händen zu arbeiten, haben auch ihre Gloßisten zu einer ohnmächtigen, unverbindlichen Admonition herabgewürdigt.

Siehe die Regel des H. Franciscus, K. V. Fratres laborent fideliter & devote. Marginal: Admonit.

Die Erlaubniß im Nothfall zu betteln hingegen haben sie zu ihrem Institut gemacht; und statt der Vorschrift, ein Handwerk zu treiben, den Müßiggang durch Gewohnheit geheiligt. Herr Gutmann hat mir unlängst die Oeconomie der Herrnhuter ausführlich beschrieben. Wenn ich doch ein Landesherr wäre, lieber Bruder! Ich würde weniger Klöster aufheben; aber in zwanzig Jahren müßten alle meine Mönche catholische Herrnhuter seyn. Mich wunderts recht daß noch kein Fürst diesen Plan, der gewiß auszuführen wäre, sobald man sich über die durch Gewohnheit geheiligten Vorurtheile hinaussetzt, unternommen hat. Diese Einrichtung der Klöster ist eigentlich die wahre Absicht der Stifter und der Kirche; sie ist das einzige Gute, was sich bey dem Mönchsstand denken läßt. Die wichtigen, sehr zahlreichen Etablissements der Herrnhuter sind ja Beweis genug, daß ein Staat alle seine Mönche beschäftigen könne, ohne das innere Sistem, den Zusammenhang des Ordens, zu zerstöhren; ohne sie mit der übrigen Gesellschaft zu vermengen. Man hat sich in den meisten catholischen Staaten von Deutschland überzeugt, daß sie zur Seelsorge weder Beruf noch Anlage haben; und jeder Weltpriester hat deswegen den Fürsten sehr viel Dank zu sagen: Aber durch die Einsperrung in ihre Klöster werden sie gar nicht gebessert. Im Gegentheil wird die stinkende Gährung des Müßiggangs dadurch verstärkt. Ich weiß wohl, daß der Mendicant aus seiner Kutte für Aerger springen möchte, wenn man ihm sagt, daß Arbeit seine wahre Bestimmung sey; ich weiß, daß es sogar mancher Laye unter uns Catholiken für eine Gotteslästerung aufnimmt, wenn er hört, daß ein Priester seines Priesterthums unbeschadet ein Handwerker seyn könnte: Aber so dachte man nicht, als die Mönche in unserm Occident sich ausbreiteten: Selbst auf ihre Arbeitsamkeit gründete sich die Aufnahme der berühmtesten Orden. Auch waren die Priester nicht die grösseste Zahl von ihnen; die meisten waren Layen, handfeste, fleißige Layen; sie hatten gemeiniglich so viele Priester in dem Kloster, als zu ihrem eignen Kirchendienst erfodert wurden: Waren die Priester auch mehrere als nöthig, so giengen sie auf Missionen oder arbeiteten selbst mit. Das Concilium von Trient redet sehr viel von der Klösterreformation; aber alles ist grade so viel als – nichts gesagt. Die Zahl der Priester hätte müssen in jedem Kloster sehr vermindert, und Handarbeit überhaupt zum wahren Klostergeist gemacht werden, wenn diese Reformation nach dem ursprünglichen Sinn der Stifter und der Kirche hätte fruchten sollen. Und dann überläßt das Concilium im Grunde die ganze Arbeit dem Pabst, der natürlich bey einer wahren, vernünftigen Klosterverbesserung verlieren mußte.

Das tridentische Concilium in seiner XXV. Sitzung, 21.Capitel sagt: Verum adeo dura difficilisque est praesentium temporum conditio, ut possit – – Sancta Synodus quidem confidit, Sanctissimum Romanum Pontificem pro sua pietate & prudentia ??raturum & c.Verum adeo ... – Aber die Bedingungen der gegenwärtigen Zeiten sind so hart und schwer, daß die Heilige Synode auf den Heiligen Römischen Papst vertraut, der mit seiner Weisheit und Frömmigkeit ... Das Concilium!!

Da die Mönche wegen der wohlfeilen Kleidung, Mangel an Familie, den vielen Fasten, und dem Verboth Eigenthum zu besitzen, die wolfeilsten Taglöhner von der Welt wären, so würde ich durch die Klöster alle die Manufacturen, deren Ertrag und Vortheil zweifelhaft ist, betreiben lassen. Jedes Kloster hätte eine weltlichen Controlleut; und alle Klöster in meinem Lande, als Fabrikanten betrachtet, eine besondere Deputation von meinem Finanzrath. Der strenge Gehorsam, das Bestimmte jedes Mitglieds, wäre der Arbeit unendlich vortheilhaft, und das Mysteriöse des Klosterlebens würde jede Gattung von Fabrike ganz eigenthümlich machen. Man sehe nur, mit welchem vorzüglichem Fleiß, mit welcher eigenthümlichen Bestimmtheit und Accuratesse sich die Manufacturen der Herrnhuter empfehlen. Porcellan, Fayence, alle Artikel von dieser Gattung; Seidenzucht besonders, und Webereyen, müßten die Beschäftigungen meiner Mönche seyn. Diese Manufacturarten können von unregulierten Layen unmöglich so gut betrieben werden, als von sistematischen Klöstern. Die Zöglinge gerathen in der Welt lange nicht so, wie dorten, und die Producten haben die Einheit nicht. Man denke sich zum Beyspiel eine Porcellänfabrike in einem Kloster. Hier ist man der Untersuchung – ob es vortheilhafter sey, den Arbeitern Tage= Wochen= Monatsgehalt zu geben, oder sie stückweise zu bezahlen – ganz überhoben: Die Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Lohn des Grob= und Feinmahlers, kurz aller Unterschied hört auf. Man kann für ewig seine Unkosten berechnen, und immer gleichen Preis vestsetzen. Die Farben und Kompositionsarkanen sind heiliger bewahrt, alle Ausschweifungen der Arbeiter, die Eifersucht zwischen Künstler und Vorgesetzten, Betrug und Unterschleif, alles das fällt wenigstens um drey Viertel weg. Neue Entdeckungen, Verfeinerungen sind hier viel eher zu erwarten, wo Einsamkeit und Religion die Phantasie höher stimmt; die Zöglinge nach dem nämlichen Grundsätzen alle gebildet, alle keimende Entwürfe, alles erfundne Gute und Schöne eher mitgetheilt werden, ohne dabey Gefahr zu laufen, daß mir es Ausländer gleich nachmachen können. Unzählige Collisionen und Beschwerlichkeiten , woran die landesherrlichen Fabriken alle, jede nach ihrem besondern Maaße, krank liegen, hören hier auf. Man hat der Arbeiter nie zu wenig; und sind ihrer zu viele, so sind sie nicht kostspielig. – Man sehe nur die unnachahmlich niedlichen Arbeiten der brabanter und wälschen Nonnen; oder die Kunstproducten der Jesuiten, besonders die für die Mathematick: Wie ganz eigenthümlich schön und gut! Wenn ich auch in meinem Lande keine Mönche hätte, so würde ich einen Orden stiften, der sich gewisse Manufacturen eigen machte; und der müßte sehr regulär, auch sehr religiös seyn.

Wie mich die zween Mönche ins Schwätzen gebracht haben! Und du mußt doch noch eine Reflexion von mir anhören, Bruder, die mir eben recht quer in den Kopf kömmt.

Unsre Mönche würden über eine Reformation nach diesem Plan erbärmlich schreyn. Das wahre Zettergeschrey würde aber erst anfangen, wenn sie Venusse, Cupidos, den träumenden Endymion, Priapuße und dergleichen Abscheulichkeiten auf Porcellän mahlen, oder formen sollten. In Frankreich und Italien, wo die Geistlichkeit mit der schönen Natur im Original vertrauter ist, würden freylich die Mönche eben nicht das Erbrechen für Ekel bekommen, sie zu copieren: Aber in unserm freyen Deutschland – Gewiß ist diese übertriebene Züchtigkeit nicht der besondre Fehler unsrer Mönche; sondern sie ist wirklich eine von unsern Nationalunarten. Unsre ärgerlichsten Dichter – oder damit ich mich mönchisch ausdrücke – unsre säuischten Schriftsteller sind noch nonnenkeusch gegen eine Menge sogar privilegirter französischer und welscher Werke. Wir haben viele solche Einschränkungen der Begriffe bey all unserm Geschrey über deutsche Freyheit, wovon andre Nationen, die wir für Sclaven halten, nichts wissen. Das Clima hat wohl die meiste Schuld; es giebt aber gewiß noch Nebenursachen – denn das Clima von England ist dem lebhaften Gefühl, und dem Schwung der Phantasie nicht günstiger, als deutsche Luft und Erde. Das Celibatgelübde macht nun diese Nationalzüchtigkeit bey unsern deutschen Mönchen spröde genug, daß ihr Gewissen den verbotnen Apfelbiß in einem dunkeln Kämmerlein eher verdauen würde,

Um den Pfarrer – oder Gutmann, gegen alle Ketzerey zu verwahren, bemerkt der Herausgeber, daß Apfelbiß im buchstäblichen Verstand, nach dem Sinn der Kirche, zu verstehen sey.

als daß sie zu bereden wären, einen nakten Bauch der Mutter Eva oder Mutter Venus vor aller Welt Augen hübsch rund, oder nach einer andern Manier abwärts mehr oval hinzumahlen. In Rom denken Clerisey, Layen und Ordensmänner ganz anderst. Copeyen von gesunden Schönheiten, die noch lebendig in Roms Strassen herumwandeln, sind ihnen nicht sehr anstößig: Sobald es aber eine Antiquität heißt, so ist es vollends auch in puris naturalibus gegen den Tadel des alten, enthaltsamsten, abgestorbendsten Capuciners gesichert. Die Regel, die Antiken in aller natürlichen Blösse frey die öffentliche Revüe paßiren zu lassen, ist vom Pabst bis zum Küster allgemein. Sogar in den Regeln des römischen Index ist sie beobachtet. In der siebenten Regel, worinn die unzüchtigen Bücher verbothen werden, ist ausdrücklich beygefügt, daß die Bücher der alten Heiden wegen der Schönheit und Eigenthümlichkeit der Rede erlaubt wären. Wie unendlich die Begriffe der Römer in Rücksicht auf die schönen Künste über deutsche Art und Kunst erhaben sey, läßt sich vorzüglich daraus ersehn, daß man von Bettlern auf der Strasse angefallen wird unter dem Titel, sie müßten in die Oper und hätten kein Geld; denn die Musik wäre von Sachini, Piccini, Guilelmi, Gazzaniga etc. Ein deutscher Baron sollte um das Entree in eine Oper angebettelt werden! Den Stock in die Höhe: Kanaille, die Oper ist nur für unser Einen, der Geld hat; arbeit Schlingel! Esel etc.

Nun also, und damit ichs kurz mache, um die der Kunst so nachtheilige Züchtigkeit meiner Mönche in der Fabrik zu überwinden, müßte ihnen Liebe zur Kunst, Enthusiasmus – Ha ha ha! Enthusiasmus von deutschen Mönchen für Kunst! – Lache fort Bruder! – man müßte ihnen beweisen, daß unter den Augen des Pabsts und der Cardinäle Venusse und Cupidos gemahlt werden. Nun habe ich dir für heute nichts mehr zu sagen, als daß das Alles nicht ein Originalprojekt von mir ist. Ich habs so von Gutmann als eine Postwagen=Unterhaltung. Leb wohl.


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