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Das Pfeiferhänsle von Niklashausen

In Bronnbach rühmt man das Bier und in Niklashausen den neuen Fünfundsechziger, der hier wie anderwärts alle Jahrgänge unserer Zeit übertreffen soll. Der berühmteste Niklashäuser ist aber doch der 1475er, ein Revolutionswein. Damals war der Wein am Main und an der Tauber besser geraten und wohlfeiler als seit Menschengedenken. Wie er nun im folgenden Jahre recht vergoren und das stärkste Jugendfeuer gewonnen hatte, da strömten die Leute zu Tausenden hier zusammen, lagerten sich im Felde ringsum und schlugen Wirtsbuden auf, um zu trinken und die Predigt des Hirten und Paukenschlägers Henselin zu hören, der in Ermangelung einer besseren Rednerbühne den Kopf zum Dach eines Bauernhauses herausstreckte und wie Johann Herold, der Haller Chronist, sagt, heftig eiferte »wider die Obrigkeit und Klerisei, auch spitzige Schuh, ausgeschnittene Goller und lange Haare«. Diese Rede war auch ein junger Wein, aber noch etwas unvergoren. Und bei den Zuhörern arbeitet der vergorene Fünfundsiebziger und dieser unvergorene Sechsundsiebziger durcheinander, sie bereuten ihre Sünden und noch mehr das »trockene Elend« (wenn einer großen Durst und nichts zu trinken hat) und trugen Schmuck, Kleider, Haare, Schuhspitzen, Geld und Kerzen in die Kirche, welche noch als ein verwitternder gotischer Bau am Platze steht. Da aber der Tauberwein feurig ist und leicht berauscht, doch ebenso rasch auch wieder verfliegt, so wären (nach Herolds Zeugnis) viele, oft bis aufs Hemd entkleidet, gern wieder umgekehrt und hätten ihre Kleider wieder geholt. Allein der Rausch, welchen die Gleichheitspredigt jenes Propheten des Bauernkriegs in den Köpfen der großen Menge entzündet, blieb dennoch nachhaltiger als der rasch verdampfende Weinrausch, und so ward denn bekanntlich die Zeche erst später in Würzburg gemacht, wo die Bauern von den Reisigen des Bischofs zersprengt und erschlagen wurden, der Pauker aber verbrannt und seine Asche in den Main gestreut.

Auch heuer, wo der Wein wieder so gut geraten ist, strömte in der zweiten Oktoberwoche eine große Menschenflut das stille Tal der unteren Tauber hinab, aber nicht nach Niklashausen, sondern nach Wertheim zu einem landwirtschaftlichen Feste des »Taubergaues«. Das Fest soll äußerst fröhlich und gelungen gewesen sein, und man pries besonders die anmutige und lehrreiche Vorführung der Bodenprodukte und der Betriebsamkeit des Tales auf den malerisch geschmückten Festwagen.

Vom Schicksal vorbestimmt zum nationalökonomischen Romantiker, kam ich auch hier unverschuldet um einen Tag zu spät und sah also nur die Trümmer des Festes. In Dertingen stand ein Festwagen, abgeladen bis auf einen Kranz fruchtbehangener Rebstöcke, welche wie zu einem Weinberg hinaufgepflanzt waren. Neben einem Spruch vom Segen des Fleißes trug er die Aufschrift: »Gott gibt alles der Betriebsamkeit!« Das ist ein Zeichen der Zeit. Und bei Reichholzheim hatte ich tags zuvor einen anderen solchen Wagen gesehen: er lag umgestürzt im Graben, die Kränze zerrissen, der Schmuck und Aufbau von Werbacher Bruchsteinen umhergestreut. Der Fuhrmann mit verbundenem Kopfe trieb vergebens vier Pferde an, um ihn wieder emporzuheben, und ein Festgenosse oder zwei hatten bei dem Sturze den jähen Tod gefunden. Die Aufschrift »Festwagen«, welche aus den Trümmern weithin lesbar hoch aufragte, machte einen schaurigen Eindruck. Ein achtzehnjähriger wandernder Schneidergeselle stand bei der Gruppe und hielt eine Standrede: wie ungewiß der Ausgang aller irdischen Lust, wie gewiß aber der Tod sei. Während so der Jüngste im Tone der bekannten Gesellenvereine predigte, halfen die älteren Leute dem Fuhrmann bei seinen Pferden. Das ist auch ein Zeichen der Zeit.


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