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Von der Kanzel sag' ich es immer wieder, einem nach dem andern, aber ihr seid, wie die Hunde, immer aufeinander los, immer nur,« / der Wind stieß dem Priester den Rest seiner Rede in die Kehle zurück, so daß er einen Hustenanfall bekam; Antek schritt neben ihm daher, schwieg und spähte zwischen die Bäume ins Dunkel.
Der Wind fuhr immer stärker einher, wälzte sich über den Weg und schlug so stark gegen die Pappeln und rüttelte sie so heftig, daß sie sich stöhnend neigten und empört aufrauschten.
»Und hab' ich dem Biest nicht gesagt,« fing wieder der Priester an, »daß er die Stute selbst nach dem Weiher führen soll, da hat er sie doch herausgelassen / na, und da hat sie sich nun glücklich verlaufen ... Wo sie doch blind ist, ... und wenn sie nun zwischen die Zäune kommt. Die Beine kann sie sich brechen!« jammerte er und suchte sorgsam umher, sah fast hinter jeden Zaun und ließ die Blicke über die Felder gehen.
»Sie ist doch aber immer selbst gegangen ...«
»Die kennt den Weg nach dem Weiher ... das schon, wenn einer das Faß mit Wasser füllen würde und sie nur in die Richt drehen wollte, dann würde sie schon von selbst zum Pfarrhaus zurechtfinden ... Aber sonst haben sie sie doch bei Tag herausgelassen ... und heute hat Magda oder Walek sie doch erst bei Dunkel vorgespannt ... Walek!« rief er laut, denn irgendein Schatten tauchte zwischen den Pappeln auf ...
»Walek hab' ich auf unserer Seite gesehen, aber noch vor Dunkelwerden.«
»Der ist natürlich erst suchen gegangen, als die rechte Zeit schon vorbei war! / Die Stute ist an die zwanzig Jahre schon, die ist bei mir zur Welt gekommen ... und ihr Gnadenbrot hat sie sich schon langst verdient ... und anhänglich ist sie wie ein Mensch ... Mein Gott, wenn ihr nur nichts Böses passiert!«
»Was soll ihr da geschehen,« brummte Antek voll Wut, denn hätte er sich etwa nicht ärgern sollen, er war doch zu Hochwürden gegangen, um sich Rat zu holen, um sich zu beklagen, aber der, nur angeschrien hatte er ihn da, und obendrein hatte er ihn dann noch mitgeschleppt, um seine Stute zu suchen! Natürlich ist es schade um die Stute, wenn sie auch blind und alt ist, aber immerhin ist doch der Mensch die Hauptsache!
»Und du, gehe in dich und hüte deine Zunge, denn es ist dein leiblicher Vater! Hörst du!«
»Das weiß ich gut genug!« antwortete er giftig.
»Eine Todsünde ist es und Gottesfrevel. Nichts Gutes wird sich der da erkämpfen, wer in Pflichtvergessenheit die Hand gegen die Eltern hebt und sich dem Gebot Gottes widersetzt. Deinen Verstand hast du, du solltest es doch wissen.«
»Ich will nur Gerechtigkeit!«
»Und suchst Rache, was?«
Antek wußte nicht, was er darauf sagen sollte.
»Und das will ich dir noch sagen, ein frommes Kalb wird von zwei Müttern gesäugt.«
»Das sagen mir alle ... natürlich, nur daß ich diese Frommheit satt habe, länger halt' ich's nicht mehr aus! Wenn er selbst ein Räuber und ein Betrüger wäre ... weil es der leibliche Vater ist, da ist ihm schon alles erlaubt, und die Kinder dürfen nicht für ihr Recht stehen! Herrgott nochmal, das ist 'ne Einrichtung in der Welt, daß man ausspeien möchte und so weit fortlaufen, wie einen die Augen nur führen können.«
»Na, da geh' doch, wer hält dich denn!« warf der Priester aufbrausend dazwischen.
»Vielleicht geh' ich auch, was soll ich denn hier noch tun, was bloß?« murmelte er leise und tränenschwer.
»Du redest, und das ist alles. Manch einer hat auch nicht ein Ackerbeet und sitzt da, arbeitet und dankt noch Gott dafür. An die Arbeit solltest du dich halten und nicht herumjammern wie 'n Weib. Gesund bist du, stark, hast was, wo du dich dran halten kannst ...«
»Gewiß, ganze drei Morgen sogar!« warf Antek verächtlich hin.
»Hast Frau und Kind, daran solltest du lieber denken.«
»Ich denk' schon, ich denk' ...,« murrte er zwischen den Zähnen.
Sie kamen auf die Schenke zu, deren Fenster erleuchtet waren. Bis auf den Weg drangen vereinzelte Stimmen herüber.
»Was ist denn das, wieder eine Sauferei, was?«
»Das sind die Rekruten, die man dieses Jahr ausgehoben hat, sie trinken zum Zeitvertreib ... Sonntags treibt man sie in die Welt hinaus, da machen sie sich noch heute einen lustigen Tag ...«
»Die Schenke ist so gut wie voll!« murmelte der Priester, an der Pappel stehenbleibend, von wo man gut durchs Fenster den ganzen Innenraum überblicken konnte, der mit Menschen vollgepfropft war.
»Sie sollten doch heute zusammenkommen, um wegen dem Wald Rat zu halten ... den der Gutsherr an die Juden zum Fällen losgeschlagen hat ...«
»Den ganzen hat er doch nicht verkauft, es ist noch so viel nachgeblieben!«
»Bevor er mit uns nicht einig ist, wird nicht eine Tanne angerührt!«
»Wie denn?« ... fragte der Priester mit etwas erschrockener Stimme.
»Wir lassen's nicht zu, dagegen hilft nichts! Der Vater will prozessieren, doch Klemb und die, die mit ihm halten, sagen, daß sie keine Gerichte wollen, aber daß die Bäume gefällt werden, das ließen sie nicht zu, und wenn es selbst nötig wäre, daß das ganze Dorf hinaus müßte, dann werden sie gehen, selbst wenn es mit Äxten und Heugabeln ist, wie es gerade kommt, ihr Eigenes geben sie nicht her ...«
»Jesus Maria! Dann würd' es ja ohne Schlägerei und ohne Unglück nicht abgehen!«
»Das versteht sich! Erst muß man ein paar Köpfe der Herrenhofleute mit der Axt spalten, dann hat man gleich Gerechtigkeit!«
»Antek! Du hast wohl den Verstand verloren vor Wut, oder was fehlt dir? Du redest ja Unsinn, mein Bester!«
Aber Antek hörte nicht mehr auf ihn, er wandte sich rasch ab und verschwand im Dunkel; und der Priester, der das Rädergeroll und das leise, klagende Wiehern der Stute vernommen hatte, schritt rasch auf den Pfarrhof zu ...
Antek seinerseits ging in der Richtung der Mühle, ins untere Dorf und zwar auf der anderen Seite des Weihers entlang, um nicht an Jagnas Haus vorüber zu müssen.
Wie ein Splitter steckte sie ihm unter dem Herzen, wie ein böser Splitter, so daß man sie weder herausreißen noch vor ihr flüchten konnte.
Ein grelles Licht strahlte aus ihrem Haus, hell und besonders lustig ... er blieb stehen, um nur das eine einzige Mal hineinzusehen, um wenigstens seiner Wut Luft zu machen / aber es riß ihn irgendwas von der Stelle, so daß er davonraste wie ein Sturm, ohne sich umzusehen.
»Dem Vater Seine war sie schon, dem Vater Seine!«
Zum Schwager, dem Schmied flüchtete er / einen Rat wird der auch nicht geben, aber man kann unter Menschen sitzen und nicht dort sein in Vaters Haus ... Und dieser Priester zum Beispiel! Die Arbeit hält er ihm vor! Hale, und selbst macht er nichts, hat keinen Kummer und keine Sorgen, dann ist es leicht, andere anzutreiben. Auf Weib und Kinder hat er ihn verwiesen ... Die vergißt er schon nicht, nein! Dieses Geflenn, diese Demut und die bettelnden Hundeaugen hat er schon gerade genugsam satt ... und wenn sie nicht wäre! ... Wenn er allein wäre! Herr Jesus! Er stöhnte auf und es packte ihn eine solche wahnsinnige Wut, daß ihn die Lust ankam, irgendwem an die Gurgel zu springen, zu würgen, zu zerreißen und bis zum Tod zu schlagen! ...
Aber wen? ... Nein, er wußte es nicht und die Wut schwand so plötzlich, wie sie gekommen war; mit leeren Augen starrte er in die Nacht und horchte auf das Rütteln des Sturmes, der sich durch die Gärten wühlte und so an den Bäumen rüttelte, daß sie sich über die Zäune lehnten und ihn mit ihren Zweigen gegen das Gesicht peitschten ... Er schleppte sich so langsam und schwerfällig weiter, daß er kaum vorwärtskam, denn es begannen seine Seele die Gespenster der Müdigkeit, Trauer und Ohnmacht zu bedrängen, so daß er bald vergessen hatte, wohin er ging und was er gewollt hatte ...
»Dem Vater Seine ist Jagna, dem Vater Seine!« sprach er immer wieder vor sich hin / »dem Vater Seine,« immer stiller / wie ein Gebet, das einem nicht entschwinden darf.
In der Schmiede war es rot von der Feuerglut, ein Bursche blies so mächtig mit dem Blasebalg, daß die aufglühenden Kohlen brausten und zu einer blutigen Flamme aufloderten; der Schmied stand am Amboß, hatte die Mütze aus der Stirn geschoben, die Ärmel hochgekrempt, einen Lederschurz um und ein dermaßen rußgeschwärztes Gesicht, daß ihm die Augen nur wie kleine Kohlen im Kopfe glühten; er hämmerte ein rotgeglühtes Eisenstück so stark, daß es donnerte, und ein Funkenregen unter dem Hammer hervorsprühte, mit Zischen in die aufgeweichte Erde fallend.
»Was gibt's denn?« fragte er nach einer Weile.
»Ja, was soll es da geben!« antwortete Antek leise, gegen einen Korbwagen lehnend, von denen etliche zum Beschlagen dastanden, und starrte versunken in die Glut.
Der Schmied schaffte tüchtig, immer wieder glühte er das Eisen und hämmerte, schlug den Hammer im Takt oder half dem Burschen nach beim Blasen mit dem Blasebalg, wenn man stärkeres Feuer brauchte, und heimlich sah er zu Antek hinüber. Ein boshaftes Lächeln schlängelte sich unter seinem rostroten Schnurrbart.
»Du warst, hör' ich, bei Hochwürden? Na und was gab's?«
»Was sollte es geben, gar nichts. Dasselbe hätte man in der Kirche hören können.«
»Und hast du was anderes erwartet?« meinte der Schmied ironisch lachend.
»Er ist doch der Priester, ein gelernter Mann ...,« sprach Antek, sich gleichsam entschuldigend.
»Gelernt, wie man was nehmen soll, aber nicht wie man einem was gibt.«
Antek war schon die Lust vergangen, etwas dagegen zu sagen.
»Ich geh' in die Stube,« sagte er nach einer Weile.
»Geh nur, der Schulze kommt auch 'rüber, da kommen wir gleich nach! Und der Tabak ist auf dem Schränkchen, kannst was rauchen ...«
Er hörte kaum hin und trat in die Wohnung, die auf der anderen Seite vom Weg lag.
Die Schwester zündete Feuer an und der älteste Junge lernte am Tisch aus der Fibel ... sie begrüßten sich schweigend.
»Lernt er da?« bemerkte er, denn der Junge buchstabierte laut und deutete mit einem zugespitzten Stöcklein von Buchstabe zu Buchstabe.
»Seit der Kartoffelernte schon; das Fräulein von der Mühle zeigt ihm das, denn Meiner hat keine Zeit dafür.«
»Rochus tut auch seit gestern in Vaters Stube wieder lehren.«
»Ich wollte den Jasiek da auch hinschicken, aber Meiner läßt das nicht zu, weil es bei Vater ist und weil das Fräulein mehr gelehrt ist, denn sie war auf den Schulen in Warschau ...«
»Gewiß, gewiß ...,« sagte er, um irgendwas zu sagen.
»Und Jasiek ist so anstellig dabei, daß sich das Fräulein selbst wundert.«
»Wie sollt' er auch nicht ... ist doch dem Schmied sein Fleisch und Blut ..., der Sohn von solchem Klugschnacker ...«
»Du machst dich lustig, und er hat doch recht, wenn er sagt, daß der Vater, solange er lebt, die ganze Schenkung zunichte machen kann.«
»Versteht sich, reiß mal dem Wolf aus der Gurgel, was er schon verschluckt hat! Sechs ganze Morgen Land. Ich mit der Frau, wir dienen ihm da fast wie Gesinde, und er verschreibt's einer Fremden, der ersten besten ...«
»Wenn du dich zanken wirst, und fluchen, und Rat bei anderen holen, und dich prozessieren / dann jagt er dich noch zum Hause 'raus,« redete sie leise, sich nach der Tür umblickend.
»Wer hat das gesagt?« brach er los, vom Stuhl auffahrend.
»Still doch ... das sagen die Leute, still! ...« flüsterte sie ängstlich.
»Weichen tu' ich keinen Schritt, laß ihn mich mal mit Gewalt 'rausjagen, zum Gericht geh ich, prozessieren werd' ich mich, weichen tu' ich nicht!« schrie er schon fast.
»Du wirst die Mauer schon nicht mit dem Kopf einrennen, und wenn du auch noch so sehr, wie ein Schafsbock, drauflos stoßen würdest!« sagte der Schmied, die Stube betretend.
»Was soll man da tun? Du hast klug reden, da gib denn auch einen klugen Rat ...«
»Mit Böswilligkeiten ist nichts vom Alten 'rauszukriegen!« Er zündete die Pfeife an und fing an, ihm vorzustellen, zu erklären und ihn zu begütigen, und er drehte so viel herum, daß Antek endlich ein Licht aufging.
»Du hältst es mit ihm?« schrie er los.
»Für die Gerechtigkeit bin ich!«
»Hat er dir gut dafür bezahlt?«
»Wenn er bezahlt hat, dann nicht aus deiner Tasche.«
»Gerade aus meiner, hundsverdammt noch mal, aus meiner! Das ist mir ein Wohltäter aus andermanns Tasche, so 'n Aas. Genug hast du gekriegt, da soll's dir wohl nicht eilig sein.«
»Dasselbe nur, was du auch bekommen hast!«
»Hale, dasselbe ... und das Hausgerät, und die Kleider und die Kuh, und was hast du nicht alles dem Vater abgelistet? Ich merk' es mir schon, und die jungen Gänse, und Ferkel, wer kann das alles aufzählen. Und das Bullenkalb, das er dir neulich gegeben hat, ist das nichts?«
»Du hättest es ja auch nehmen können.«
»Ein Dieb bin ich nicht und 'n Zigeuner auch nicht!«
»Ich aber bin der Dieb, ich? ...«
Sie sprangen aufeinander zu, bereit, sich gleich an den Rockklappen zu packen, aber sie ließen bald nach, denn Antek sagte leiser.
»Ich sag' das nicht für dich ... Aber das Meine geb' ich nicht ab, wenn ich drumumkommen sollte.«
»Ih ... dir geht es nicht so um den Grund und Boden, deucht mir...,« warf der Schmied spöttisch ein.
»Und warum denn sonst?...«
»Hinter der Jagna bist du her gewesen, da kommt es dir jetzt sauer an.«
»Hast du 's gesehen?...« schrie Antek, wie ins Herz getroffen.
»Es gibt solche im Dorf, die es gesehen haben, und das nicht nur einmal ...«
»Daß ihre Augen mit Nacht geschlagen werden!« murmelte er schon etwas leiser, denn gerade trat der Schulze in die Stube und begrüßte die Anwesenden; er schien zu wissen, weshalb sie sich zankten, denn auch er begann alsogleich den Alten zu verteidigen und zu entschuldigen.
»Gut mit Schnaps traktiert hat er euch und mit Würsten gefüttert, kein Wunder daß ihr jetzt zu ihm haltet ...«
»Rede nicht das erste beste Zeug, wenn der Schulze zu dir spricht!« rief dieser hochmütig.
»Eure Schulzenschaft ist für mich grob so viel wert, wie dieser zerbrochene Stecken ...«
»Was hast du gesagt, was?«
»Ihr habt es gehört! Und wenn nicht, dann sag' ich euch noch solches Wort dazu, daß euch die Fersen jucken werden ...«
»Sag' dieses Wort, untersteh' dich!«
»Das sag' ich / ihr seid ein Saufkumpan, Wortbrecher, ein Judassohn! Ich will es sagen, ich tu' es sagen, daß ihr für das Geld der Gemeinde herumludert, und daß ihr euch gut dafür vom Herrenhof habt schmieren lassen, daß der Gutsherr unsern Wald hat verkaufen können! ... Und wenn ihr noch was wollt, dann leg' ich euch noch was drauf, aber mit diesem Knüttel ... rief er hitzig, nach seinem Stecken langend.
»Du sprichst zu einem Beamten, mäßige dich, ehe es dich gereuen sollte, Antek!«
»Und in meinem Haus falle nicht die Menschen an, denn hier ist keine Schenke,« schrie der Schmied, indem er sich schützend vor den Schulzen aufpflanzte; aber Antek achtete auf nichts mehr, schnauzte die beiden hundsmäßig an, schmiß die Türe zu und entfernte sich ...
Es hatte ihn redlich erleichtert, und er kehrte etwas beruhigt nach Hause zurück; nur das eine tat ihn verdrießen, daß er sich unnötigerweise mit seinem Schwager gezankt hatte.
»Jetzt werden sie schon alle gegen mich sein,« dachte er am nächsten Tag des Morgens beim Frühstück, und erblickte mit Staunen den Schmied, der in die Stube trat.
Sie begrüßten sich, als ob nie etwas zwischen ihnen vorgefallen wäre.
Und da Antek im Begriff war, nach der Scheune zu gehen, um Häcksel zu schneiden, ging ihm der Schmied nach, setzte sich auf einen Garbenhaufen nieder, den man von der Banse zum Dreschen hinuntergeworfen hatte und fing leise an:
»Zum Teufel alle Zänkereien und weswegen noch? Wegen einem dummen Wort! Da bin ich denn als erster zu dir gekommen, hier hast du meine Hand, wir wollen wieder Frieden machen ...«
Antek reichte ihm die Hand, sah ihn mißtrauisch an und murmelte:
»Selbstredend war es nur wegen der Worte, denn Ärger gegen euch hatt' ich nicht. Der Schulze hat mich aufgebracht, denn was soll er für ihn eintreten, ... ist doch nicht seine Sache, da soll er seine Finger davon lassen!«
»Gerade das habe ich ihm auch gesagt, als er dir noch nachrennen wollte ...«
»Mich schlagen ... ich würde ihm schon eine Tracht verabfolgen wie seinem Vetter, der noch von der Erntezeit her seine Rippen kuriert ...,« rief er aus und fing an, das Stroh in die Häckselschneide zu stopfen.
»Auch daran hab' ich ihn erinnert ...,« warf der Schmied bescheiden ein und lächelte durchtrieben.
»Ich werd' schon mit ihm abrechnen, er wird schon an mich denken ... Diese noblichte Personage, so 'n Beamtenbiest! ...«
»Ist doch nur 'n Hohlkopf, und damit genug, laß ihn fahren. Etwas anderes hab' ich mir ausgedacht und darum will ich mit dir reden ... Das muß man so machen ... Nachmittags wird hier die Meine kommen, dann geht ihr mit ihr zusammen zum Alten, euch gründlich zu bereden ... Das Gewüte und Geklage in allen Ecken herum hat da keinen Wert, vor die Augen muß man treten und geradeaus sagen, was man auf der Leber hat ... Gut kann es werden, oder nicht gut werden, aber vorgehalten muß ihm alles werden!«
»Was hat man ihm da vorzuhalten, wenn er die Verschreibung gemacht hat!«
»Mit Wut bringt man es bei ihm zu nichts! Natürlich, daß er ihr die Verschreibung gemacht hat, solange er lebt kann er sie aber immer wieder zurücknehmen, merk' dir das; darum eben braucht man nicht gegen ihn anzugehen. Laß ihn sich verheiraten, laß ihn seinen Spaß haben.«
Antek erblaßte etwas bei dieser Erwähnung und begann innerlich zu beben, so daß er mit dem Häckselschneiden aufhören mußte.
»Dagegen empöre dich nicht ihm direkt ins Gesicht hinein, lob' nur erst, daß er gut dran tut zu heiraten und daß er das mit der Verschreibung nach seinem Willen tun konnte ..., wenn er nur den Rest uns verspricht, dir und der Meinen, aber vor Zeugen!« fügte er schlau hinzu.
»Und Fine und Gregor?« fragte Antek widerwillig.
»Die wird man auszahlen! Hat denn vielleicht der Gregor wenig im voraus bekommen? Fast jeden Monat schickt er ihm doch was nach seinem Regiment. Hör' nur auf mich und tu' wie ich rate, und du wirst nichts dabei verlieren. Das ist schon mein Verstand, ich werde das schon so deichseln, daß alles unser sein wird ...«
»Der Hammel lebt noch und der Kürschner näht schon einen Schafspelz aus seinem Fell ...«
»Höre auf mich ... Laß ihn erst mal vor Zeugen versprechen, damit man was hat, wo man die Krallen ansetzen kann ... Gerichte sind noch da und Gerechtigkeit auch, hab' keine Angst. Und es ist schon ein Haken dran, denn von deiner Mutter ist doch Grund und Boden nachgeblieben ...«
»Große Geschichte, vier Morgen zusammen / für mich und für die Deine ...«
»Aber weder du noch die Meine haben ihn gekriegt! Und so viele Jahre, die er darauf sät und erntet! / Dafür wird er euch gut zahlen müssen und mit Prezenten! ... Ich wiederhole es dir noch einmal, sei dem Alten in keiner Sache entgegen, lobe und red' ihm um den Bart, gehe hin zur Hochzeit, spare nicht an guten Worten und du wirst sehen, daß wir ihn uns deichseln werden ... Und wenn es nicht in Güte geht, dann wird das Gericht ihn schon 'rumkriegen ... Mit Jagusch kennt ihr euch gut aus... da könnte sie dir auch was nützen ... sag' ihr nur was davon ... sie könnte den Alten noch besser auf unsere Seite kriegen ..., na, einverstanden? ... Ich muß nämlich schon gehen ...«
»Einverstanden! beeil' du dich, mir aus den Augen zu kommen, damit ich dir nicht eines ins Maul gebe und dich vors Tor schmeiße!« preßte er zwischen den Zähnen hervor.
»Was ... Antek? Was ist dir?« stotterte der Schmied erschrocken, denn Antek ließ die Sense fahren und kam auf ihn zu; blaß und mit schrecklichen Augen.
»Judas, Aas, Dieb!« gurgelte er aus sich heraus mit schnaubendem Haß, so daß der Schmied aufsprang und auf und davon rannte.
»Er ist wohl nicht richtig geworden, oder was war das? ...« dachte er immerzu unterwegs. »Was soll ich da denken, ich hab' ihm einen guten Rat gegeben ... und der? ... wenn er so dumm ist, dann laß ihn als Tagelöhner gehen, mag der Alte ihn fortjagen, da will ich noch mithelfen ... und so oder anders, ich laß nicht von dem Grund und Boden ... So einer bist du also! Ins Maul wolltest du mir eine langen, vors Tor schmeißen, daß ich mit dir teilen wollte, ... daß ich wie zu einem Bruder gekommen bin mit einem guten Wort! So einer bist du! Aha, allein möchtest du alles einstecken! Daß du's nicht erlebst! Meine Pläne hast du mir 'rausgelockt, da werd' ich dir, Biest, schon was einbrocken, daß dich das englische Fieber schütteln wird.« Er wurde immer wütiger, denn es ärgerte ihn fürchterlich, daß Antek seine Pläne durchschaut hatte und vielleicht noch gar imstande sein würde, ihn vor dem Alten zu verraten. Davor hatte er die größte Angst.
»Dem muß man vorbeugen!« entschied er sofort; und trotz der Angst vor Antek kehrte er nach dem Borynahof um.
»Ist der Hofbauer da?« fragte er Witek, der vor dem Haus auf die Gänse im Weiher mit Steinen warf.
»Hale, was soll er zu Hause sein, ist ja zu den Müllers gegangen zur Hochzeit zu laden ...«
»Ich geh' ihm entgegen, wir werden uns sozusagen zufällig treffen,« dachte er und ging in der Richtung der Mühle davon; aber unterwegs kehrte er noch bei sich ein und befahl der Frau, sich schön anzukleiden, die Kinder mitzunehmen und gleich, wenn man zu Mittag geläutet hatte, zu Anteks hinüberzugehen.
»Er wird dir schon sagen, was du zu tun hast! Mache nichts allein und nichts nach deinem eigenen Kopf, denn du bist dumm genug, und nur wenn 's nötig sein wird, dann heule los, umfange Vaters Knie und leg' dich aufs Bitten ... und höre gut zu, was Vater sagen wird und was Antek vordem sagt...« Ein gutes Paternoster lang unterwies er sie so und schaute dabei zum Fenster hinaus, ob der Alte nicht auf der Brücke auftauchen sollte.
»Ich geh' in die Mühle gucken, ob sie die Hirse schon fertig haben.« Die Zeit wurde ihm zu Hause lang.
Er ging langsam, blieb stehen und überlegte. Gewiß, wer kann da wissen, was er tun wird.
»Angefahren hat er mich, und tun könnte er doch was ich ihm geraten habe ... dann ist's besser, daß die Frau dabei ist ... und wenn er es nicht tut, werden sie sich verzanken ... der Alte wird ihn 'rausschmeißen ...«
»So oder so, immer gibt's für einen was ab ...,« er lachte befriedigt auf, rieb sich die Hände, drückte die Mütze fester auf, knöpfte den Knierock zu, denn es war windig und eine durchdringende Kühle kam vom Weiher.
»Einen Nachtfrost kriegen wir oder neue Regenfälle!« murmelte er, auf der Brücke anhaltend und den Himmel beschauend. Die Wolken jagten tief, waren dunkelgrau und schwer und wie beschmutzt, gleich Herden ungewaschener Schafe. Der Weiher murrte dumpf, seine Wasser platschten von Zeit zu Zeit an die Ufer, wo hier und da zwischen schwarzen gebeugten Erlen und weit ausladenden Weiden Frauen in grellroten Röcken sichtbar waren, die Wäsche wuschen / die Waschhölzer klopften wütend an den beiden Ufern des Weihers. Die Wege waren leer, nur ganze Scharen von Gänsen paddelten im dicken Schmutzbrei und in den Gräben, die voll abgefallener Blätter und Kehricht waren, und Kinder schrien vor den Häusern. Die Hähne fingen an auf den Zäunen zu krähen, als ob sie einen Witterungswechsel melden wollten.
»In der Mühle paß ich ihn schneller ab!« brummte er vor sich hin und ging talwärts.
Nachdem der Schmied gegangen war, fing Antek mit solcher Wut an, Häcksel zu schneiden und hatte sich dermaßen in diese Arbeit vertieft und so viel Häcksel bis Mittag fertig gemacht, daß Jakob, der vom Walde gekommen war, rief:
»Für eine ganze Woche wird das reichen, na!« Er gab seiner Verwunderung so laut Ausdruck, daß Antek zur Besinnung kam, das Häckselmesser hinwarf, sich räkelte und den Weg zum Wohnhaus einschlug.
»Was kommt, das kommt; aber heute sprech' ich mit dem Vater!« beschloß er ... »Ein Zigeuner ist er, der Schmied, und ein Judas, vielleicht tut er aber doch gut raten ... gewiß steckt da was dahinter ...,« dachte er und ging in Vaters Stube nachzusehen, er trat aber gleich zurück, denn es saßen dort an die zwanzig Kinder, die alle zugleich buchstabierten ... Rochus unterrichtete sie und paßte fleißig auf, daß sie keine dummen Streiche machten ... Er wandelte in der Stube herum mit einem Rosenkranz in der Hand, hörte zu, verbesserte manchmal eins, zupfte ein anderes am Ohr, streichelte hier und da einen der kleinen Köpfe und setzte sich des öfteren heran, um geduldig zu erklären, was da im Buch stand; er stellte Fragen, und die ganze Schar der Kinder drängte sich, eins das andere überbietend, zur Antwort heran, wie Truthähne, wenn sie einer aufgereizt hat ... sie machten einen solchen Lärm, daß man sie auch auf der anderen Seite hören konnte...
Anna bereitete das Mittagessen und redete hier und da mit ihrem Vater, dem alten Bylica, der sich bei ihr selten sehen ließ, da er viel kränkelte und sich kaum mehr fortbewegen konnte.
Er saß am Fenster, auf seinen Stock gestützt, ließ die Augen durch die Stube schweifen und blickte einmal zu den Kindern hin, die in der Ecke zusammengekauert und still dasaßen, dann wieder auf Anna ... er war ganz weißhaarig, seine Lippen bewegten sich rastlos und seine Stimme war schwach, wie die eines Vögleins ... sein Atem ging in pfeifenden Tönen ...
»Habt ihr denn schon gefrühstückt, he?« fragte sie leise.
»Ih... die Wahrheit zu sagen, hat es Veronka vergessen ... und ich hab' mich auch nicht gemeldet, nein ...«
»Veronka läßt selbst die Hunde hungern, denn sie kommen hier zu mir manchmal zum Nachfuttern!« rief sie. Sie hatte außerdem noch etwas gegen die ältere Schwester seit dem vergangenen Winter, weil diese nach dem Tode der Mutter alles, was übriggeblieben war, an sich gerissen hatte und nichts wieder herausgeben wollte, deswegen sahen sie sich so gut wie gar nicht.
»Weil sie doch auch keinen Überfluß haben, nein ...« versuchte er mit leiser Stimme zu verteidigen ... »Stach drischt beim Organist', da ißt er auch was mit, und nimmt noch vier Groschen jeden Tag ... und zu Haus sind so viel Mäuler zu stopfen ... daß es selbst mit den Kartoffeln nicht reicht ... Das ist schon wahr ... daß sie zwei Kühe haben, und Milch ist auch da ... so daß sie Käse und Butter nach der Stadt tragen kann und dafür manchen Groschen bekommt ... aber sie vergißt oft, daß man essen braucht ... kein Wunder, wohl / wohl ... die vielen Kinder ... Beiderwand webt sie den Leuten auch noch ... und spinnt und tut sich abschinden, wie ein Lasttier ... viel brauch' ich doch auch nicht ... wenn es nur zur rechten Zeit was gäbe und jeden Tag ... dann könnte man ...«
»Dann zieht doch zum Frühjahr besser zu uns, wenn ihr es bei dieser Hündin so schlecht habt ...«
»Ich tu' mich doch nicht beklagen, klagen tu' ich nicht, nur ... von wegen ...« die Stimme brach ihm plötzlich zusammen ...
»Ihr könntet die Gänse hüten und auf die Kinder passen...«
»Ich würd' schon alles machen, Hanusch, alles,« flüsterte er ganz leise.
»In der Stube ist Platz, da würde man ein Bett hineinstellen, damit ihr es warm habt ...«
»Ich würd' ja schon im Kuhstall oder auch bei den Pferden..., wenn ich nur bei dir sein könnte, Hanusch, nur nicht mehr zurück! Nur nicht ...« er verschluckte sich bei dieser flehentlichen Bitte und die Tränen fingen an, ihm aus den tiefliegenden, geröteten Augen zu tropfen ... »Das Federbett hat sie mir weggenommen/sie sagt, die Kinder haben nichts zum Zudecken ... das ist wahr... sie froren, daß ich sie selbst zu mir nahm ... aber der alte Schafspelz ist nun schon ganz ausgeschabt, der wärmt mich gar nicht mehr ... und das Bett hat sie mir genommen... und auf meiner Seite ist es kalt ... nicht ein Stück Holz erlaubt sie mir... und jeden Löffel Essen hält sie vor ... zum Betteln treibt sie mich 'raus ... Aber ich hab' doch gar keine Kraft, zu dir hab' ich mich kaum noch hingeschleppt ...«
»Um Gottes willen! Warum habt ihr uns denn nie etwas gesagt, daß ihr's so schlecht habt ...«
»Wie soll man denn ... die eigene Tochter ... er ist 'n guter Mann, aber immer auf Taglohn... wie soll man denn ...«
»Dieses Höllenweib! Die Hälfte des Bodens hat sie genommen, und das halbe Haus und alles, und gibt euch solch ein Altenteil! An die Gerichte muß man sich wenden! Sie sollten euch doch Essen geben und Heizung und das, was ihr an Kleidern braucht, und wir die zwölf Rubel das Jahr ... denn wir haben auch noch eure Schuld bezahlt ... ist es nicht so? ...«
»Is wahr! Ehrlich seid ihr, is wahr ... Aber auch die paar Silberlinge von euch, die ich, weil ich doch mal begraben werden muß, zurückgelegt habe, hat sie mir abgetrieben ... und dann, man mußte es doch auch geben... das hätte man doch nicht anders können... das Kind doch ..Er schwieg, still und zusammengekauert blieb er sitzen und glich mehr einem Haufen alter Hobelspäne, denn einem lebendigen Menschen.
Nach dem Mittagessen, als die Schmiedin mit ihren Kindern eingetreten war und man gerade angefangen hatte, sich zu begrüßen, nahm er das Bündelchen, das ihm Anna im geheimen zurechtgemacht hatte, und machte sich leise davon.
Boryna war zu Mittag nicht gekommen.
Die Schmiedin beschloß also zu warten, selbst wenn es bis in die Nacht gehen sollte. Anna stellte den Webstuhl am Fenster zurecht und zog die Wergfasern durch den Weberkamm. Hin und wieder nur, wenn auch schüchtern, warf sie irgendein Wort ins Gespräch, das Antek mit der Schwester führte. Er breitete vor ihr seine Klagen aus, denen sie beipflichtete; aber das dauerte nicht lange, denn Gusche stürzte herein und sagte so nebenher:
»Von den Organistenleuten komm' ich eben zu euch 'rübergelaufen, ich hab' da waschen müssen ... Eben war Matheus mit der Jagna da, zur Hochzeit zu bitten. Die gehen hin! Natürlich, Art find' sich zu Art, der Reiche zum Reichen ... auch der Priester ist gebeten ...«
»Auch Hochwürden haben sie gebeten!...« rief Anna.
»Warum denn nicht, ist er vielleicht ein Heiliger, oder was? Sie haben gebeten, er hat gesagt vielleicht wollte er kommen ... warum denn auch nicht? Ist die Braut vielleicht nicht schmuck, werden sie vielleicht kein gutes Essen und Trinken bereit halten! Die Müllersleute haben auch zugesagt mit der Tochter. Ho, ho, solche Hochzeit hat man noch nicht gesehen, seit Lipce Lipce ist! Ich weiß Bescheid, weil ich doch mit Müllers Eve das Essen kochen soll. Ein Mastschwein hat ihnen schon Ambrosius ausgeweidet, Würste machen sie auch schon ...«/sie unterbrach sich plötzlich, denn niemand sagte etwas, niemand befragte sie, sie saßen mürrisch da. Gusche sah die ganze Gesellschaft aufmerksam an und rief aus:
»Bei euch soll's wohl Sturm geben?«
»Sturm oder nicht, das ist nicht eure Sache!« sagte die Schmiedin so schneidend, daß Gusche beleidigt nach der anderen Seite zu Fine abschob, die die Bänke und Stühle wieder zurechtrückte, denn die Kinder hatten sich schon zerstreut und Rochus war ins Dorf gegangen.
»Gewiß wird sich Vater nichts abgehen lassen,« murmelte die Schmiedin mit einer gekränkten Stimme.
»Hat er's am Ende nicht dazu!« sagte Anna und verstummte erschrocken, weil Antek drohend zu ihr herübergeblickt hatte. Sie saßen nun fast schweigend da und warteten; hin und wieder sagte eines von ihnen ein Wort und wiederum trat das dumpf-drückende und beunruhigende Schweigen ein ...
Vor dem Hause auf der Galerie machte Witek mit den Kindern einen solchen Spektakel, daß Waupa bellte und das ganze Haus dröhnte.
»Bares Geld muß er auch genug haben, denn immerzu verkauft er was, und wo sollte er es sonst lassen?«
Antek machte eine wegwerfende Bewegung bei den Worten seiner Schwester und trat aus der Stube ins Freie. Es wurde ihm langweilig zu Hause, die Unruhe und die Angst wurden stärker in ihm, er wußte selbst nicht warum; er wartete auf den Vater, konnte sich kaum mehr gedulden, und war doch in tiefster Seele zufrieden, daß dieser sich so lange nicht blicken ließ. »Nicht wegen Grund und Boden ist es dir zu tun, sondern um die Jaguscha!« Er dachte an diese Worte, die der Schmied gestern gesagt hatte ... »Wie ein Hund lügt er!« rief er ganz außer sich. Er machte sich daran, die Wände nach der Hofseite zu für den Winter abzudichten. Witek trug ihm von einem Haufen Nadelstreu herbei, er stampfte sie fest und umsteckte sie mit kleinen Latten, aber die Hände zitterten ihm und immer wieder unterbrach er die Arbeit. Er stützte sich gegen die Wand und sah zwischen den nackten, blätterlosen Bäumen hindurch auf den Weiher, hinüber zu Jaguscha ihrem Haus ... Nein, nicht Liebe wuchs da in ihm, sondern Wut und tausend feindliche Gefühle, so daß es ihn schon wundernahm! »Hündin, Aas, einen Knochen hat man ihr hingeworfen und sie läuft,« dachte er. Aber es kamen auf ihn Erinnerungen zu, krochen von irgendwo heran aus den öden Feldern, von den Wegen, aus den schwarzen Obstgärten mit ihren krummästigen Bäumen, umstellten sein Herz, hakten sich an seine Gedanken, tauchten vor seinen Augen auf ... bis Schweiß seine Stirn bedeckte, seine Augen aufglühten und ein starker feuriger Schauer ihn durchrieselte! ... Hah, dort im Obstgarten ... und damals im Wald ... und als sie zusammen aus der Stadt heimkamen ...
Jesus! er torkelte fast, dann plötzlich sah er ganz nahe vor sich ihr glutüberflammtes Gesicht, glaubte den leidenschaftlichen Atem zu hören; ihre hellblauen Augen, ihr voller Mund, so rot und so nah, daß er seinen Hauch spürte, übergossen ihn mit einer Glut ... und ihre leise, stockende Stimme hörte er leidenschaftlich und liebestrunken: »Antosch! ... Antosch!« flüstern/sie neigte sich nahe an ihn heran, so daß er ihren Leib dicht bei sich fühlte, ihre Brüste, ihre Arme, ihre Knie/und er rieb sich die Augen und jagte diese lockenden Traumgesichte von sich. Seine ganze verbissene Wut taute ihm vom Herzen herab, wie das Eis der Strohdächer, das die Sonne zur Frühlingszeit erwärmt, und eine solche Liebe erwachte in ihm aufs neue, eine so schmerzliche Sehnsucht erhob in ihm ihr stachlichtes Haupt, ein solches furchtbares Sehnen, daß er am liebsten mit dem Kopf gegen die Wand gerannt wäre und gellend aufgebrüllt hätte!
»Daß da der Blitz hineinfahren möchte!« rief er, zu sich kommend, und sah scharf auf Witek, ob er nicht irgend etwas merke ...
Seit drei Wochen war er in Fieber, in Erwartung irgendeines Wunders, er wußte keinen Rat, konnte keinen Einspruch erheben! Wie oft waren ihm schon die wahnsinnigsten Gedanken und Entschlüsse gekommen, so daß er schon hinlaufen wollte, um sie zu sehen, war es eine Nacht vielleicht, daß er in Regen und Kälte wie ein Hund vor ihrer Tür auf der Lauer gelegen hatte! Sie war nicht herausgekommen, sie mied ihn, auf der Straße ging sie ihm schon von weitem aus dem Weg!...
Wenn nicht, dann schon nicht! Und immer mehr verbiß er sich in Groll gegen sie und gegen alles! Dem Vater Seine ist sie, dann gilt sie mir dasselbe, wie eine Fremde, irgend so eine Hergelaufene, so 'n herrenloser Hund, so 'n Dieb, der unser höchstes Gut an sich reißt, unseren Boden nimmt/mit dem Knüttel werd' ich sie hinaustreiben und noch dazu zu Tode schlagen!
Und wollte er nicht oft genug dem Vater vor die Augen treten und sagen: ihr könnt Euch nicht mit Jagna verheiraten, denn sie ist Meine! Aber die Angst ließ ihm das Haar zu Berge stehen, was wird darauf der Alte sagen, die Leute, das Dorf?...
Jagusch will doch aber seine Stiefmutter werden, eine Mutter sozusagen/wie darf denn das sein, wie?... Das muß doch eine Sünde sein, eine Sünde! Er hatte sogar Angst, daran zu denken, weil ihm das Herz vor unerklärlichem Grausen zu stocken drohte, aus Furcht vor irgendeiner entschlichen Strafe Gottes... Und niemandem davon sagen können, und es immer in sich zu tragen, wie eine Glut/wie ein lebendiges Feuer, das bis auf die Knochen brennt ... das geht über Menschenkraft, das kann er nicht!
Und schon in einer Woche soll der Priester sie ihm antrauen...
»Der Hofbauer kommen!« rief Witek hastig, so daß Antek erschrocken aufzuckte.
Es dunkelte schon rings im Land...
Die Dämmerung schüttete sich über das Dorf aus, wie noch nicht erloschene Asche, noch rötlich von verborgenen Gluten/die Abendröten brannten aus, verblaßten zur Farbe der dunkelbraunen Wolken, die der Wind vor sich hertrieb, im Westen aufstaute und zu riesenhaften Bergen aufeinandertürmte. Es wurde kalt, die Erde erstarrte, die Luft hatte eine Schärfe und eine Frische, als wäre Nachtfrost zu erwarten, und so hellhörig war sie, daß das Aufstampfen des zur Tranke getriebenen Viehs lauter herklang, und das Knarren der Einfahrtstore und der hölzernen Brunnenschwengel, sowie die Gespräche, Kindergeschrei und Hundegebelfer deutlicher von jenseits des Weihers herüberkamen; hier und da leuchteten schon die Fenster auf und lange, zuckende, zerfetzte Lichtspiegelungen fielen auf die Wasserfläche... Am Waldsaum schob sich langsam eine rostrote Mondscheibe hervor, Feuerbrände standen über ihr, als ob in der Tiefe des Waldes eine große Feuersbrunst lohte.
Boryna zog seine Werktagskleider an und ging über den Hof, nach der Wirtschaft zu sehen, er guckte zu den Kühen ein, bei den Pferden, in die Scheune und selbst noch zu den Ferkeln, schnauzte Jakob wegen irgend etwas an, und Witek kriegte auch was ab wegen der Kälber, die aus der Umzäumung ausgebrochen waren und sich zwischen den Kühen herumtrieben. Als er wieder in seine Stube eintrat, warteten sie da schon alle auf ihn... Sie schwiegen, nur aller Augen richteten sich auf ihn und glitten gleich wieder ab, denn er blieb mitten in der Stube stehen, sah sie sich nacheinander an und fragte spöttisch:
»Alle da! wie zu irgendeinem Gericht!«
»Darum nicht, Vater, aber mit einer Bitte sind wir zu euch gekommen,« sagte die Schmiedin eingeschüchtert.
»Und warum ist denn der Deine nicht dabei?...«
»Er hat eine dringende Arbeit vor, da ist er zu Hause geblieben...«
»Natürlich ... Arbeit ... natürlich ...,« lächelte er verständnisvoll, warf den Kapottrock ab und fing an, die Stiefel auszuziehen; und sie schwiegen, ohne zu wissen, wo sie ansetzen sollten. Die Schmiedin räusperte sich und ermahnte die Kinder zur Ruhe, die anfingen, herumzutollen, Anna saß auf der Schwelle und stillte den Jungen und überflog mit unruhigen Augen das Gesicht Anteks, der am Fenster lehnte und sich im Kopfe zurechtlegte, was er sagen sollte. Er zitterte am ganzen Leibe vor Aufregung und Ungeduld. Die einzige, Fine, schälte ruhig Kartoffeln am Herd, warf Stücke Holz aufs Feuer und blickte neugierig alle der Reihe nach an, denn sie konnte nichts begreifen.
»Was wollt ihr, redet?« rief er scharf, durch das Schweigen unruhig gemacht.
»Das heißt ... red' doch, Antek ... das heißt, wir sind gekommen, von wegen ... was die Verschreibung ist,« stotterte die Schmiedin.
»Die Verschreibung hab' ich gemacht und Sonntag ist die Hochzeit ... laßt es euch gesagt sein!«
»Das wissen wir, aber nicht darum sind wir gekommen.«
»Und warum denn sonst?«
»Ganze sechs Morgen habt ihr abgeschrieben!«
»Weil ich das so wollte, und wenn es mir einfällt, dann werde ich diesen Augenblick alles verschreiben ...«
»Wenn alles euer sein wird, dann werdet ihr's verschreiben!« sagte Antek.
»Und wem seins ist es denn, was, wem seins? ...«
»Der Kinder ihr's, unser.«
»Dumm bist du, wie 'n Hammel! Der Boden ist mein und ich mach' mit ihm, was mir gefällt.«
»Ihr macht es, oder ihr macht es auch nicht ...«
»Wirst du's mir verbieten, du?«
»Ich, versteht sich, und wir alle, und wenn nicht, dann werden es euch die Gerichte verbieten,« schrie er, denn er konnte nicht länger an sich halten und ließ sich von einer sinnlosen Wut hinreißen.
»Mit Gerichten drohst du mir, was? Mit Gerichten! Halt' deine Schnauze, solang ich noch gut bin, sonst wirst du es bereuen!« schrie er, mit den Fäusten auf ihn losspringend.
»Unrecht lassen wir uns nicht tun!« kreischte Anna auf, sich hochrichtend.
»Und was willst du? Drei Morgen Land hat sie in die Ehe gebracht und einen alten Fetzen und wird hier das Maul aufreißen?«
»Selbst das nicht habt ihr Antek gegeben, selbst die paar Morgen, die ihm von der Mutter Seite zukommen, und arbeiten müssen wir für euch wie Gesinde, rein wie die Ochsen.«
»Dafür nehmt ihr die Ernte von drei Morgen ein.«
»Und Arbeit leisten müssen wir euch wie für zwanzig oder noch mehr.«
»Wenn ihr meint, daß euch unrecht geschieht, geht hin und sucht euch was Besseres.«
»Suchen brauchen wir nicht, denn hier ist unser Besitz! Unser seit Ahn und Urahn!« rief Antek mit Wucht.
Der Alte warf ihm einen harten Blick zu und antwortete nicht; er setzte sich an den Feuerherd und stieß so heftig mit dem Feuerhaken in die Scheite, daß die Funken auseinanderstoben. Böse war er, feurige Zornwellen gingen über sein Gesicht und die Haarsträhnen fielen ihm immer wieder über die Augen, die wie bei einer Wildkatze glühten ... doch er bezwang sich noch, obgleich er kaum an sich halten konnte.
Ein lange währendes Schweigen, erfüllte die Stube, so daß man nur das Keuchen und die raschen Atemzüge hören konnte. Anna schluchzte leise und schaukelte das Kind, das zu greinen angefangen hatte.
»Wir haben nichts gegen diese Heirat, wenn ihr wollt, dann heiratet ...«
»Ihr könnt euch widersetzen, ich geb' nichts drum.«
»Nehmt doch nur die Abschreibung zurück,« warf Anna unter Tränen ein.
»Willst du wohl still sein, was hast du, gottverflucht nochmal, in einem fort herumzuplärren, wie eine Hündin!« Er warf so stark den Feuerhaken in die Glut, daß Feuerbrände durchs Zimmer flogen.
»Und ihr mäßigt euch, denn es ist nicht eure Magd, daß ihr das Maul aufreißt!«
»Was hat die denn hier zu schnauzen!«
»Das Recht hat sie schon, denn sie tritt für ihr Eigenes ein!« schrie Antek immer lauter.
»Wenn ihr wollt, dann könnt ihr schon verschreiben, aber was übriggeblieben ist, das schreibt für uns ab,« fing die Schmiedin leise wieder an ...
»Guck einer die Dumme an, mit meinem Hab und Gut will sie hier disponieren. Brauchst keine Angst zu haben, auf den Altenteil geh' ich zu euch nicht ... laßt euch das gesagt sein!«
»Und wir lassen doch nicht ab. Gerechtigkeit wollen wir.«
»Wenn ich einen Knüttel nehme, dann werd' ich euch Gerechtigkeit austeilen.«
»Versucht nur anzutippen, dann erlebt ihr gewißlich die Hochzeit nicht mehr ...«
Und sie fingen an, sich gegenseitig zu beschimpfen, aufeinander loszuspringen, sich zu bedrohen, mit den Fäusten auf den Tisch zu schlagen und alle ihre Kränkungen und Klagen herzuzählen! Antek war so außer sich geraten und hatte sich so erbost, eine solche Wut brach aus ihm hervor, daß er den Alten mal am Arm, mal an der Rockklappe schüttelte und bereit war loszuschlagen ..., aber Boryna beherrschte sich immer noch, er wollte keine Schlägerei, schob Antek beiseite, antwortete nur hin und wieder auf die Beleidigungen, um nur den Nachbarn und dem ganzen Dorf kein Schauspiel zu geben! In der Stube erhob sich ein solches Geschrei, eine solche Unordnung und ein solches Heulen, denn die beiden Weiber weinten und schrien um die Wette, und die Kinder kreischten ebenfalls, daß Jakob und Witek vom Hof aus unter die Fenster gelaufen kamen, aber auseinanderkennen konnten sie nichts, weil alle zugleich schrien, und zuletzt, als die Stimmen ihnen schon versagten, krächzten sie einander nur noch mit Flüchen und Drohungen an. Da brach Anna in ein neues gewaltiges Schluchzen aus; sie lehnte gegen den Rauchfang und begann mit einer sinnlos erregten Stimme, deren Worte durch Tränen fast erstickt waren, zu schreien:
»Bleibt uns nur übrig, auf den Bettel zu gehen, in die Welt ... oh, mein Jesus, mein Jesus! ... Wie die Lasttiere haben wir gearbeitet, tage- und nächtelang ..., als Gesinde hat er uns gehalten ... und jetzt, was? ... Der liebe Gott wird euch strafen für unser Unrecht! ... das wird er ... Ganze sechs Morgen hat er verschrieben ... und die Kleiderstücke der Mutter ... und die Perlenschnüre ... alles das ... Und für wen ist das alles? Für ein solches Schwein ... Daß du unter dem Zaun verreckst für unser Unrecht, daß dich die Würmer zernagen, du Abschaum, du Straßendirne, du!...«
»Was hast du gesagt? ...« brüllte der Alte auf und sprang auf sie zu ...
»Daß sie ein Frauenzimmer für alle ist und ein Rumtreiber, das weiß das ganze Dorf ... die ganze Welt weiß das ... alle ... alle ... alle ...«
»Heb' du dich weg von ihr, sonst schlag' ich dir die Schnauze an der Mauer entzwei ... wahr' dich! ...«/Und er fing an, sie hin und her zu schütteln, aber Antek sprang hinzu, schützte sie und fing ebenfalls an, laut zu schreien:
»Ich sag' es mit, daß sie ein Frauenzimmer für jeden ist, ich! Mit der schlief schon jeder, der es gewollt hat, ich! ...« rief er und redete, was ihm der Speichel in den Mund trug; er kam nicht zu Ende, denn der Alte, schon bis zum äußersten aufgebracht, schlug ihm dermaßen mit der Faust ins Gesicht, daß er mit dem Kopf gegen einen Glasschrank taumelte und im Fallen ihn mit sich zu Boden riß ... Er sprang blutüberströmt auf und stürzte sich auf den Vater. Sie warfen sich aufeinander, wie zwei wütige Hunde, packten sich vor die Brust und schoben sich, miteinander ringend, in der Stube hin und her, sie warfen einander, schlugen gegen die Betten, gegen die Laden und Wände auf, daß die Köpfe krachten. Ein unbeschreibliches Geschrei erhob sich, die Frauen wollten sie auseinanderzerren, aber es gelang ihnen nicht, denn sie waren schon zu Boden gestürzt, und so verknäult miteinander durch Haß und Kränkung, wälzten, drückten und würgten sie sich ...
Zum Glück hatten sie die Nachbarn bald auseinandergebracht und voneinander entfernt ...
Antek trugen sie auf die andere Seite und gossen kaltes Wasser über ihn, weil er ohnmächtig geworden war vor Ermattung und Blutverlust, denn die Scheiben des Schrankes hatten ihm das Gesicht zerschnitten.
Dem Alten war nichts geschehen; sein Spenzer war nur etwas zerrissen, das Gesicht zerschunden und ganz blau vor Wut ... Er beschimpfte die Leute, die zusammengelaufen waren, und wies sie zum Hause hinaus, die Tür zum Flur schloß er ab und setzte sich an den Feuerherd ...
Aber beruhigen konnte er sich nicht, denn in einem fort kehrte ihm die Erinnerung an das wieder, was sie von Jagna gesagt hatten, es stieß ihn wie mit einem Messer ins Herz ...
»Das werd' ich dir nachtragen, du Hund, das sollst du fühlen!« schwor er sich zu. »Wie kann man denn, auf Jagusch ...« Aber gleich kam ihm zu Bewußtsein, was er schon öfters über sie gehört hatte, was früher über sie geredet worden war und was er nie beachtet hatte! Es überkam ihn heiß und es wurde ihm seltsam atembeklemmend und verdrießlich zumute ... »Lügenkram, Klatschmäuler und neidisches Pack, das weiß man!« rief er laut aus, aber immer mehr von dem Gerede der Leute kam ihm in den Sinn. »Wie denn, der eigene Sohn sagt's ja! Wie sollten denn die da nicht herumkläffen? Aaszeug!« Aber diese Gedanken fraßen wie Feuer in ihm ...
Nachdem Fine die Spuren des Kampfes beseitigt hatte, und das Abendbrot, wenn auch verspätet, auf den Tisch kam, machte er den Versuch, ein paar Kartoffeln zu essen. Er legte aber den Löffel bald weg. Es war ihm unmöglich, irgend etwas herunterzuschlucken.
»Hast du den Pferden Futter eingeschüttet?« fragte er Jakob.
»Versteht sich ...«
»Wo ist Witek?«
»Zu Ambrosius ist er gelaufen, damit er Antek den Kopf verbindet; sein Gesicht ist ihm aufgeschwollen, sieht schon aus wie 'n Suppentopf,« fügte er hinzu und machte sich gleich davon, denn der Mond schien und er hatte gerade heute vor, sich auf Jagd auf die am Waldrand liegenden Felder zu begeben ... »Biester,« brummte er vor sich hin, das gute Leben bläht sie auf, darum schlagen sie sich.
Auch der Alte hatte sich noch aufgemacht und war ins Dorf gegangen, zu Jagna sah er aber nicht ein, obgleich noch Licht bei ihr war; gerade schon vor ihrer Tür kehrte er um und ging die Dorfstraße entlang der Mühle zu.
Die Nacht war kalt und sternenklar; der Nachtfrost ließ die Erde erstarren; der Mond hing hoch und schien so hell, daß der ganze Weiher wie Quecksilber auffunkelte, die Bäume warfen lange zittrige Schatten auf die leeren Wege. Es war schon spät, die Lichter in den Häusern erloschen, nur die geweißten Wände traten noch stärker hervor aus den kahlen Gärten. Stille und Nacht umfingen das ganze Dorf, einzig die Mühle ratterte und das Wasser gurgelte eintönig ... Matheus ging mal auf der einen, mal auf der anderen Seite des Weihers auf und ab und wußte nicht, was er mit sich anfangen sollte; er hatte sich nicht beruhigt, nein, weit davon entfernt, die Wut und der Haß gruben noch stärker in ihm; bis er schließlich nach der Schenke ging und nach dem Schulzen schickte, mit dem er dann bis Mitternacht saß und trank, aber den nagenden Wurm zu ertränken, wollte ihm nicht gelingen ... nur einen Entschluß faßte er.
Am nächsten Tag des Morgens, sobald er aufgestanden war, ging er auf die andere Seite hinüber. Antek lag noch im Bett, mit einem Tuch verbunden, das voller Blutflecken war; er richtete sich auf.
»In diesem Augenblick verlaßt ihr mein Haus, daß nicht eine Spur von euch nachbleibt,« schrie der Alte. »Willst du Krieg, willst du Gericht, geh' nach dem Gericht, verklage mich, such' dir dein Recht. Was du von deinem gesäet hast, wirst du im Sommer ernten, und jetzt, schere dich! Daß meine Augen euch nicht mehr sehen! Hast du gehört!« brüllte er los, denn Antek erhob sich, antwortete nichts ... und fing an, sich langsam anzuziehen...
»Daß ihr mir bis Mittag weg seid!« rief er noch vom Flur her.
Auch darauf antwortete Antek kein Wort, als ob er nichts gehört hätte ...
»Fine, rufe mal Jakob her, er soll die Stute vor den Wagen spannen und sie hinausfahren, wohin sie wollen!«
»Hale, dem Jakob fehlt aber was, er liegt auf der Pritsche und stöhnt in einem fort, und sagt, daß er gar nicht aufstehen kann, so schmerzt ihn das schiefe Bein ...«
»Hale, das Bein schmerzt ihn! Das Faultier, sich ausruhen will er ...,« und er machte sich selbst an die morgendliche Verrichtung der Wirtschaftsarbeit ...
Aber Jakob wurde ernstlich krank; er sagte nicht, was ihm fehlte, obgleich ihn Boryna danach gefragt hatte; er klagte nur, er wäre krank und stöhnte und ächzte so, daß die Pferde wieherten, an die Pritsche herankamen und ihm das Gesicht beschnupperten und leckten; Witek trug ihm immer wieder Wasser in einem Eimer zu und wusch heimlich im Strom irgendwelche blutige Fetzen ...
Der Alte merkte es nicht, denn er stand und paßte auf, daß die Anteks wegkamen.
Schon ohne Geschrei, ohne zu zanken, ohne sich zu widersetzen, sie packten ihre Sachen, trugen ihre Wirtschaftsgeräte hinaus und schnürten ihre Bündel; Anna wurde ein paarmal schlecht vor Kummer, so daß Antek ihr Wasser holen mußte, um sie wieder hochzukriegen; er trieb in einem fort an, um nur so schnell wie möglich dem Vater aus dem Gesicht zu kommen ... je eher je besser...
Er hatte sich ein Pferd von Klembs geborgt, das väterliche wollte er nicht, und brachte sein Hab und Gut zu Annas Vater hinüber, der am Ende des Dorfes, noch hinter der Schenke wohnte ...
Aus dem Dorf kamen ein paar Hofbauern mit Rochus an der Spitze; sie wollten Frieden stiften zwischen den beiden; doch weder Vater noch Sohn ließen sich irgendwie beikommen ...
»Er mag versuchen, wie die Freiheit schmeckt und das eigene Brot,« entgegnete der Alte.
Antek antwortete nichts auf die Zureden, er hob nur die Faust und stieß einen solchen Fluch aus und drohte so furchtbar, daß selbst Rochus erblaßte und zu den Weibern zurücktrat, von denen sich eine gehörige Anzahl an den Hecken und auf der Galerie des Hauses angesammelt hatte, um Anna zu helfen, hauptsächlich aber, um laut zu jammern, das Mundwerk im Gange zu halten und miteinander zu klatschen! ...
Als Fine mit verheultem Gesicht das Mittagessen für den Vater und Rochus aus den Tisch stellte, bogen die anderen mit den letzten Sachen und den Kindern aus dem Heckenweg auf die Landstraße ... Antek sah sich nicht einmal um nach dem Haus, er bekreuzigte sich nur und seufzte schwer auf, schlug auf das Pferd ein, stützte den Wagen, der hoch vollgeladen war und ging, wie ein Toter, leichenblaß nebenher. Die Augen glühten ihm im verbissenen Haß und die Zähne knirschten wie im Fieber ... aber er sprach nicht ein einziges Wort; Anna aber schleppte sich hinter dem Wagen her, der ältere Junge klammerte sich an den mütterlichen Beiderwandrock und schrie gottsjämmerlich, den jüngeren hielt sie an ihre Brust gepreßt und trieb ein paar Kühe, zwei magere Ferkel und eine Schar Gänse vor sich her, und sie heulte, und wehklagte und fluchte so laut, daß die Menschen aus den Häusern traten und im Zuge wie auf einer Prozession ihnen nachfolgten ...
Beim Alten aß man Mittag in düsterem Schweigen.
Der alte Waupa bellte auf der Galerie, lief dem Wagen nach, kehrte wieder um und heulte ... Witek rief ihn, aber der Hund hörte nicht, lief im Garten umher, beschnüffelte den Hof, stürzte in die leere Stube, raste in ihr ein paarmal umher und rannte zurück auf den Flur, wo er zu bellen und zu winseln begann; er strich um Fine herum, raste wie toll wieder hinaus, blieb sitzen mit starren, wirren Augen und sprang schließlich auf, klemmte den Schwanz zwischen die Beine und rannte hinter Anteks drein ...
»Da ist auch der Waupa ihnen nachgegangen ...«
»Der kehrt schon zurück, wenn er erst hungern muß, der kehrt zurück, brauchst keine Angst zu haben, Fine,« sagte der Alte weich. »Weine nicht. Dummchen, mach' die andere Seite rein, dann wird der Rochus da 'ne Wohnung haben können. Ruf' Gusche, dann wird sie dir helfen ... und guck' auf die Wirtschaft, bist doch die Hofbäuerin jetzt, auf deinen Schultern liegt jetzt alles ... na, nun wein' man nicht mehr,« er zog ihren Kopf zu sich heran, streichelte, preßte sie in die Arme und liebkoste sie.
»Nach der Stadt werde ich gehen, dann kauf' ich dir neue Schuhe!«
»Kauft ihr, Väterchen? Werdet ihr wirklich kaufen? ...«
»Ich kauf' sie dir, ich kauf' dir auch noch mehr, sei nur 'ne gute Tochter und paß schön auf die Wirtschaft.«
»Werdet ihr mir denn auch Stoff für eine Jacke kaufen, wie Nastuscha Täubich eine hat?«
»Ich kauf' ihn dir, meine Tochter, ich kauf' ihn ...«
»Und Bänder, aber lange, damit ich sie auf eurer Hochzeit tragen kann.«
»Was du nur brauchst, kannst du sagen, alles wirst du kriegen, alles.«