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Liebten die Kinder ihre Eltern? Die Mutter? Sie sorgte um sie, verbot zuweilen Dinge, welche die Geschwister gern getan hätten. Ihr inneres und äußeres Leben war nur für den Kranken. Und den Vater? Sie würden kaum eine Antwort gewußt haben. In ihrem Herzen war keine Spur von kindlichem Vertrauen zu dem Manne, der Tag für Tag oft mit geschlossenen Augen, oft mit schauerlich verzerrten Zügen auf dem Ruhebett in der Säulenhalle lag und in Wintermonaten, wenn es regnete und das schwarzgraue Meer hoch und wild seine Wogen gegen die Felsen donnerte, fröstelnd in seinen Pelz gewickelt im Rollstuhl dicht neben den Kamin gerückt wurde, für dessen prasselndes Feuer die Geschwister eifrig Pinienzapfen und dürres Lorbeer- und Myrtenholz sammelten, damit es gut und würzig rieche.
Niemals hatten die Kinder einen herzlichen Kuß von ihrem Vater empfangen, er fürchtete ihnen den Keim der furchtbaren Krankheit zu übertragen. War er freundlich gestimmt, konnte er ihnen mit seiner hageren, leicht zitternden Hand über das Haar streichen. Aber es gab Zeiten, in denen er reizbar und ohne sichtbaren Grund heftig wurde. Michael Glenn war bekannt gewesen wegen der zornigen Ausbrüche eines unbändigen Temperamentes. Man hatte sie unter Mitarbeitern und Untergebenen gefürchtet wie Vulkanexplosionen, doch hatte niemand den Mann deshalb weniger verehrt und hochgeachtet.
Jetzt lauschten Erich und Irmgard bebend vor Schrecken, wenn sie des Vaters atemlose Stimme zu einem heiseren, stoßweisen Gebrüll sich steigern hörten, wenn Porzellangeschirr oder Bücher krachend zu Boden flogen und die Mama mit schneeweißem Gesicht und verstörtem Blick an ihnen vorüber durch die Zimmer lief. Sie war die einzige, die den Mann zu begütigen verstand, bis er sich, wie ein Kind um Verzeihung bittend, über ihre sanften Hände neigte.
Die Mama sprach nicht anders zu den Kindern als von dem guten Papa – dem lieben Papa . . . aber wie konnte er gut und lieb sein, wenn er sie, die doch nur einzig für ihn lebte, so häßlich anschrie? Erich und Irmel sprachen nie über ihre Eltern, die gleichsam, durch die Glaswand der Krankheit von ihnen geschieden, ihr eigenes unbegreifliches Dasein vollbrachten. In Erich befestigte sich der Gedanke, daß ein böser Zauber den Vater gebannt hielt, und er träumte noch zuweilen, ob er ihn nicht daraus befreien könne. Das Wunder hatte versagt – wie sollte er nun den Weg finden? Er sprach nicht mehr mit der Schwester über diese dunkle Sache, es mußte ein Geheimnis bleiben – aller Zauber und alles Erlösen war von Geheimnissen umringt.
Irmgard grübelte, warum sie den Papa und die Mama nicht heißer lieben könne. Der Dunst der Krankheit, von dem Leidenden ausgehend, der schwere Geruch der Arzneien, die immer um ihn schwebten, wirkte in einer schauerlichen Weise abstoßend. Sie versuchte, mit dem starken Drang nach Selbsterziehung, der in dem zarten Geschöpf lebte, die Abneigung zu überwinden. Sie begann sich häufiger in des Vaters Nähe aufzuhalten, versuchte ihm kleine Dienste zu erweisen – bis er gequält von der ihn nie verlassenden Furcht, die Kinder könnten den Keim der Krankheit durch ihn empfangen, ihre schüchternen Versuche mürrisch abwies.
Im Anfang seines Aufenthaltes in der Villa Marina hatten häufig Freunde und Mitarbeiter aus den Zeiten seines Wirkens den kranken Mann aufgesucht. Er empfing sie mit sichtbarer Freude. Frau Luise bewirtete sie mit Sorgfalt und festlichem Glanze, der denn auch den Kindern einen hohen Eindruck machte.
»Euer Vater ist doch noch eine Autorität«, sagte Frau Luise mit frohem Stolz. Erich und Irmgard fühlten sich ein wenig wie kleine Prinzen, die in einer unbegreiflichen Verbannung von der Welt ihre Tage zubringen mußten – bis einmal alles sich verändern würde. Diese Anschauung war in Erich sehr lebhaft und konnte hin und wieder als jugendlich eitler Hochmut ans Tageslicht treten.
Einmal geschah es, daß eine Gruppe von Herren, wohl ein halbes Dutzend, in schwarzen Röcken und schwarzen hohen Hüten, die Brust mit Orden geschmückt und Ledermappen unter den Armen, sich um den Rollstuhl Michael Glenns versammelten. Es sollte dort eine Konferenz stattfinden, erklärte Frau Luise den Geschwistern. Es handle sich um einen neuen großartigen Bahnbau, diesmal in Europa, zu dem der Papa sein Gutachten geben solle.
Wenige Tage nachdem die Herren abgefahren waren rief Glenn seinen Sohn, der sich vor der Halle beschäftigte, und befahl, ihm eines der leichteren Reißbretter mit Papier zu bespannen, ihm die Reißfeder, Zirkel, Lineale zu reichen und ihn durch eine Drehvorrichtung, die sich an seinem Ruhebett befand, in eine höhere Lage zu bringen. Darauf wurde Erich fortgeschickt. Die Neugier trieb ihn, sich in der Nähe aufzuhalten und den Vater zu beobachten. Glenn versuchte zu zeichnen, seine graublauen Augen unter den dunklen starken Brauen in dem verfallenen Gesicht öffneten sich weit und starrten mit einem geisterhaften Blick in leere Ferne. Wieder versuchte die zitternde Hand nach einer langen Weile die innere Schau in die äußere Form mathematischer Berechnungen zu bannen. Schweiß troff dem Kranken von der Stirn, die Hände begannen im Krampf zu fliegen – ein röchelndes Aufstöhnen, das Brett stürzt zu Boden. Erich kam zu Hilfe gelaufen und sah, wie Tränen über das erschöpfte, verzerrte Gesicht rannen und nicht hinweggewischt wurden.
Der Junge blieb stehen – der Vater bemerkte ihn nicht. So leise er konnte, schlich er sich davon.
Am Abend, als er auf Irmgards Bettrand saß, in der Stunde, in der die Geschwister flüsternd ihre Geheimnisse tauschten, berichtete Erich der Schwester von dem, was er gesehen.
»Denke nur – die Tränen liefen ihm herunter, und er hat sie nicht fortgewischt . . .«
Erich drückte den Kopf an Irmgards Schulter, und sie fühlte, wie er selbst weinte. »Irmel, es war so furchtbar – ich werde es nie vergessen . . .«
»Sprich niemals davon«, flüsterte Irmgard und legte mütterlich den Arm um des Bruders Hals. »Es ist so heilig.«
Erich machte eine stumme Bewegung, die der Schwester zeigen sollte, daß er verstand.
*
Die Geschwister saßen, umgeben von Nacht, auf der Marmorbank der unteren Terrasse, beobachteten aufmerksam und schweigend die Helle am Horizont. Hoch und dunkel wölbte sich der Himmel über der finsteren See. Doch aus der Helle blitzte ein Strahl – ein Sternlein stieg, scheinbar aus der murmelnd sich bewegenden Feuchte, empor, wurde größer, formte sich zur orangeroten Scheibe, die ohne Glanz in den Dünsten hing und sehr langsam von innen heraus zu strahlen begann. Sie stieg, wurde kleiner, körperhafter und verbreitete Licht um sich her. Der Himmel, an dem die Sterne schwanden, wurde blauer, durchsichtiger, auf dem bebenden, leise rauschenden, gleichsam in der Tiefe erregten Meer zitterte ein goldener Steg, von der Ferne kommend bis zum Ufer, aus Milliarden Lichtfunken gebildet, die ineinanderrannen, sich teilten, wieder zusammenfügten, in ständiger Bewegung blieben und kaum noch eine Beziehung zu dem großen runden Gestirn zu haben schienen, das in undenkbarer Höhe ruhevoll über die Erde schaute. Weit draußen erschien das Meer gleich einer Decke aus schwarzem Samt, mit der das Himmelsgewölbe zu einem schweren Dunkel zusammenschmolz.
Erich seufzte, unterbrach so die feierliche Stille, in der die Kinder den Aufgang des Vollmondes erwarteten, losgelöst aus ihrem kleinen Leben, hingegeben einem Unbegreiflichen, das sie mit Entzücken und Schauern banger Andacht erfüllt.
»Ob man nicht auf der goldenen Straße gerade hinein in den Himmel gehen könnte«, flüsterte Irmgard. »Ich denke, dort, wo sie aufhört, ist das Tor – wenn man nur leicht genug auftreten würde.«
Sie könnte es – sie könnte es gewiß, dachte Erich und blickte lächelnd nieder auf die nackten braunen Mädchenfüße seiner Schwester, an denen sich die Zehen leise bewegten. Sie waren wie zierliche kleine Tierchen – er fürchtete sich vor ihnen und sagte, laut lachend: »Du würdest schön ersaufen, wenn du's versuchen wolltest!«
»Dann sinke ich unter zu den Meernixen, die würden mich in des Meerkönigs Schloß tragen. Dort würde ich wieder lebendig. – Aber ich glaube, sie haben die schönen Prinzen lieber. Weißt du, in den Märchen sind es immer die Knaben, die sie locken . . . Mich würden sie vielleicht mit meinen gelben Zöpfen an einen roten Korallenast hängen . . .«
»Nein, du sollst nicht an einem Korallenast hängen«, rief Erich empört. »Sie sind wohl eifersüchtig auf dein blondes Haar, sie haben ja nur grünes und schleimiges – ach, gräßlich. Ich würde sie an ihren grünen Tanghaaren zusammenbinden, und dann müßte ein Haifisch kommen und nach ihnen schnappen, bis sie dich wieder losmachten. Und dann müßten sie uns dienen, und wir wohnten im Meerkönigsschloß und ritten auf Delphinen durch die Wellen.«
»Ja, ja«, rief Irmgard, »das wäre schön, und in den Mondnächten würden wir vor Mamas Fenster traurige, wundervolle Lieder singen, sie müßte weinen und wäre doch so innerlich froh.«
»Und dann legten wir Perlen und Korallen und kostbare Muscheln auf die Stufen nieder«, phantasierte der praktische Bruder, »die holte sie sich jeden Morgen und verkaufte sie – davon könnte sie gut leben, meinst du nicht, Irmgard?«
Die Schwester nickte. »Ich weiß nicht, wie das ist«, begann sie bedächtig, »Mama sagt, unser ganzes Geld ginge zu Ende.«
»Die Villa Marina ist sehr wertvoll«, meinte Erich altklug. »Wir könnten sie verkaufen . . .«
»Ach nein«, bat Irmgard, »das wäre zu traurig, ich könnte nicht in einem anderen Hause leben.«
»Mit den Nixen, das ist ja Unsinn«, begann Erich zu überlegen. »Aber ich könnte Taucher werden. Dann fände ich auch Perlen und Korallen und Bernstein. Taucher verdienen sehr viel Geld, hat mir Lino gesagt.«
»Nein, nein«, rief Irmgard angstvoll, »das ist schauerlich . . .«
»Ach – ich möchte etwas Gefährliches, Schauerliches werden – wenn du nicht Taucher willst, dann vielleicht Schmuggler oder Räuber in den Bergen?«
»Mama sagt, du sollst ein großer Baumeister werden wie Papa . . . Warum willst du nicht?«
Erich sah die Schwester groß an mit seinen schwermütigen blauen Augen zwischen den schwarzen Wimpern in dem zarten kleinen Gesicht, das vom Mondlicht weiß und rätselhaft erhellt wurde.
»Ich will schon – aber ich kann nicht«, sagte der Knabe leise. »Ich kann ja nicht lernen – ihr wollt es nicht glauben, aber es ist doch so – wenn der Pfarrer mir etwas erklärt, geht es mir alles im Kopf rundum. Ich weiß nicht, was es ist – ich bin wohl dumm.«
»Nein – dumm bist du nicht, Erich«, widersprach Irmgard energisch. »Du gerätst nur immer ins Träumen.«
»Ja – ich will nicht, aber es kommt so – es ist so schön –, es ist so, als ob ich ganz sachte ins Meer sänke – immer tiefer und tiefer –, ich sage dir, Irmgard – es ist zauberhaft –, vielleicht sind es doch die Nixen . . .«
»Du mußt dich wehren . . .«
Erich lächelte. Ein müdes, wehmütiges Lächeln, das ihn plötzlich dem Vater ähnlich werden ließ. Er antwortete der Schwester nicht mehr.
Eine Weile saßen sie still beieinander, und die Träume, gestaltenlose Träume, wie feine Nebel, zogen über sie hin.
»Wir müssen ins Haus gehen«, sagte Irmgard. Sie stiegen den steilen Weg durch den Orangenhain empor zur Villa. Die verborgenen Blüten unter dem in den Mondstrahlen aufglänzenden Laub dufteten schwül und süß. – – –
*
Dunkler schattend sank die hoffnungslose Resignation über Michael Glenn und Luise. An den schlank aufwachsenden Kindern konnte der Kranke das Vergehen der Zeit beobachten. Zwei Jahre hatten die Ärzte, hatte er selbst sich gesetzt als Ziel für seine Genesung – für seine Geduld. Solche bestimmten Abschnitte schienen ihm in ferner Vergangenheit zu liegen – ein törichtes Versteckspielen vor dem Unabänderlichen. Sein eiserner Wille, die Kraft seiner Konstitution hatten nur dazu gedient, ein nutzloses Leben der Qual über alle medizinischen Voraussetzungen hinweg zu verlängern. Das Leiden breitete sich aus, langsam, doch mit stetiger Sicherheit – stand still –, Besserungen traten scheinbar ein, bis es sich erwies, daß es nur zu neuem Angriff ausholte, sich in einem anderen Organ einnistete. Die Lähmung der Beine war unabänderlich. Die Lungen waren längst ergriffen – die Nächte nur durch schwere Morphiumgaben zu ertragen.
Aus eigenem Willen ein Ende zu machen – dazu reichte die Energie nicht mehr aus. Glenn gestand es sich in lichteren Stunden mit müder Selbstverachtung und empfand es als eine Erleichterung, daß das fortwährende leise Fieber, die vielen Betäubungsmittel ihn mehr und mehr in einen Zustand geistigen Halbschlummers erhielten. Er konnte wohl mit seiner Frau das Notwendige reden, konnte den Kindern freundlich zulächeln, meistens doch dämmerte er, auf seinem Lager ausgestreckt, schweigend so hin, fühlte sich ferne von allem, in einer grauenvollen Einsamkeit.
Seit jener letzten Konferenz konnte er den Anblick der Gefährten seiner tätigen Zeit nicht mehr ertragen. Auch die Anfrage der deutschen Verwandten, einer Schwester von Luise und deren Mann, ob ihr Besuch erwünscht sei, mußte mit Nein beantwortet werden.
Einzig der Arzt, ein italienischer Sonderling und Philosoph, kam zweimal in der Woche aus Neapel, in leidlichen Stunden liebte es Glenn, mit ihm zu plaudern. Hin und wieder brachte er eine ärztliche Autorität mit hinaus in die rosenrote Meervilla, die ihm bestätigte, was er selbst wußte.
Als der Justizrat Lodger, der Schwager Luisens, einmal wieder und etwas gereizt meldete, er werde mit seiner Frau eine Ferienreise nach Venedig unternehmen, und es sei wahrhaftig an der Zeit, daß er sich einmal mit Luise über verschiedene wichtige Fragen unterhalte – man dürfe Kranken auch nicht allzuviel nachgeben, flocht er ein –, entschloß sich Michael Glenn plötzlich, seine Frau zu einem Stelldichein mit den Verwandten nach Venedig fahren zu lassen. Erich solle sie begleiten. Es sei notwendig, daß der Onkel Interesse für den Jungen fasse und sich dann nach einer geeigneten Erziehungsanstalt für ihn umsehe.
Nach diesem kurzen Energieaufschwung sank der Kranke in seine gewöhnliche Apathie zurück.
Luise reiste mit dem Jungen. Irmgard blieb zur Unterhaltung des Papas zurück. Seine persönliche Bedienung hatte schon seit längerer Zeit ein stämmiger Krankenpfleger übernommen. In dem Mädchen war eine immerwährende Unruhe des Gewissens; ihre liebessehnsüchtige Natur begehrte, sich hinzuschenken und Opfer zu bringen. Michael Glenn lernte in diesen wenigen Tagen das zarte schöne Herz seines Kindes kennen. Die Frische dieser Jugend belebte ihn, er unterhielt sich zuweilen ganz munter mit Irmgard, lockte sie, ihm Gedanken, Träume, Ansichten mitzuteilen, lauschte lächelnd und interessiert.
Nachdem die Reisenden heimgekehrt waren, tat die Mama ein paar Äußerungen, es sei gut, daß der Vater nun wieder seine richtige Pflege bekomme. Irmgard hatte einen aufmerksamen, nicht eben freundlichen Blick bemerkt, mit dem die Mutter sie streifte, als sie die Vertraulichkeit bemerkte, die zwischen Vater und Tochter herrschte und Michael freundlich beteuerte, es sei ihm lange nicht so gut gegangen als unter Irmgards Fürsorge.
Das Mädchen durchzuckte der Gedanke: ob die Mama eifersüchtig sein könne? In der Tat schöpfte Luise aus der Vorstellung, daß sie die einzige sei, die das wertvolle Leben erhalten könne, die Kraft zu der schweren Aufgabe. Irmgard spürte etwas von diesem Seelenzustand der Mutter, zog sich ehrfürchtig und schüchtern zurück. Glenn machte keinen Versuch, sie in seiner Nähe zu halten. Im Grunde war ihm ja alles gleichgültig, außer seinen Schmerzanfällen.
Erich erzählte mit bubenhafter Komik von vielen Ereignissen der Reise und schilderte den Onkel:
»Er hat einen Bauch und eine Glatze, trägt eine goldene Brille und lächelt unausstehlich, wenn man etwas sagt, so, als wüßte er alles besser als andere Menschen. Er fragte mich lauter dumme Sachen: wie weit ich im Rechnen sei, schrieb mathematische Formeln auf – von denen ich keine Ahnung hatte. Da machte er Mama Vorwürfe, bis sie anfing zu weinen.«
Ein unangenehmer Herr, fand Erich und war froh, daß die Verwandten so weit fort wohnten. Die Tante sei ja ganz freundlich gewesen, aber sie habe ein komisches kleines Hütchen getragen, das immer schief auf dem Kopf gesessen, und jeden Satz fing sie mit den Worten an: »Mein Mann sagt«. Erich äußerte die Ansicht, es sei gut gewesen, daß Irmgard sie nicht begleitet hätte, sie wären sonst sicher beide vor Lachen erstickt.
Aber Irmgard hätte Venedig gern gesehen – die Gondeln – die Paläste im Wasser und die schönen Bilder.
Ja, von den Bildern fiel Erich etwas ein: die meisten waren langweilig. In einem Zimmer aber habe er das Bild gesehen, dessen Photographie in Irmgards Schlafzimmer hing – groß und bunt – und wirklich schön. Das kleine Mädchen, das in seinem blauen Kleidchen die große Treppe hinaufsteigt, und alle Menschen wundern sich, weil ein so heller Schein um sie her ist . . .
»Das kleine Mädchen sah dir ähnlich«, erklärte er zuletzt, »die blonden Zöpfe und so das Feierliche, was auch manchmal um dich ist.«
»O Erich – das ist doch die Heilige Maria, die später die Mutter vom Herrn Jesus wurde.«
»Darum kannst du ihr doch ähnlich sehen.«