Fritz Reuter
Ut mine Festungstid
Fritz Reuter

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IV. De Festung Gr.

KAPITTEL 14

Worüm de Herr General von T. nich för Fickfackerien is, un wörum hei uns en Abendbrod schickt. Wat en studierten Philosoph för en Jammer in de Fomilien un en unstudierten Balbierer för en Elend bi Prüken anrichten kann, un wo't nu nahgrad' mit den Kapteihn sinen Bort en gesegenten Anfang nimmt. Ganz tauletzt: Herr Bartels.

Wenn en Minsch blot von unsen Herrgott afhängt un von dat, wat de em schickt, denn möt hei sick bescheiden, wat em drapen deiht, un wenn hei en framen Sinn hett, denn ward hei seggen möten: wat de mi schickt, dat is gaud. Anners is't äwer, wenn Glück un Unglück von einen Minschen in de Hand von einen annern Minschen leggt is. In so en Fall äwerkümmt einen en bang Gefäuhl, denn jedwerein weit ut sinen eigen Verstand un ut sin eigen Gewissen, wo swack dat mit menschliche Insichten un mit menschliche Gaudheit bestellt is. – Nu lagg wedder unsere ganze Taukunft in de Hand von einen einzigen Mann, von den Kummandanten von Gr., un wotau dat führen kann, wiren wi bi'n Grafen H. tau M. all wohr worden.

De Festung liggt en En'nlang afsid von de Stadt up en Äuwer an den Strom, un ehre Muren un Wäll segen von butwennig ebenso trostlos un langwilig ut as all de annern, wenigstens in de Ogen von en Gefangenen; ehre Durweg wiren ebenso düster, un ehre Togbrüggen rummelten ebenso holl, as wi doräwer führten, äwer von inwennigtau kreg dat doch en anner Anseihn. Frilich wiren dor ok ringsum luter Kasematten, un de kennte ick all von S. her, äwer sei wiren sauber afputzt, un von buten leten sei recht schön, un denn gung dörch de ganze Festung 'ne Reih Hüser entlang, so dat einer seihn kunn, dat hir ok anner Lüd' wahnen deden, as blot Soldaten un Gefangen, un ok Alleen wiren dor von Linden un von Pöppeln; kort, de irste Anblick was nich slicht, as Adam säd, as hei Eva tau seihn kreg.

Vör dat grötste von de Hüser führten wi vör, dat was de Kummandantur, un as wi afstegen wiren, gung Vatter Res' mit uns' Poppieren tau den General von T. herinne, un wi lurten up den Vörsal. – Na en beten gung de Dör up, un de General kamm herute, en groten, statschen Mann mit en slohwitten Snurrbort un slohwittes Hor – nahsten säden sei, dat wir man 'ne Prük, äwer de Prük, de kledt em mal! –, un säd tau uns mit 'ne dütliche westfälsche Utred': »Ich seh' aus Ihren Papieren, daß Sie ordentliche Leute sind, und Sie sollen's hier auch gut haben, denn meine Sache ist es nicht, Leute, die im Unglück sind, noch mehr hinunterzutreten. Sie sind von Ihren Kameraden, die mir angemeldet sind, hier zuerst angekommen, ich will Ihnen deshalb die Erlaubnis geben, von den Kasematten, die für Sie bestimmt sind, sich die auszusuchen, die Ihnen am besten scheint. Haben Sie aber eine gewählt, denn müssen Sie sie auch behalten; denn für Fickfackereien bin ich nicht.« Dat wiren – ick weit't noch ganz genau – sine eigenen Würd'.

Wi bedankten uns un wullen gahn, dunn röp hei uns noch mal taurügg un säd: »Und denn ist hier noch einer von Ihren Kameraden, er heißt ›Schr.‹ – Sie mögen ihn wohl kennen –, der hat hier den dummen Streich gemacht, daß er sich mit einem Mädchen verlobt hat – ein ordentlich Mädchen und ordentlich verlobt –, dem habe ich die Erlaubnis gegeben, daß ihn seine Braut und deren Bruder wöchentlich dreimal besuchen kann; darauf werden Sie sich nicht berufen, denn die Erlaubnis kann ich Ihnen nicht geben.« – Wi säden denn, up so'ne Saken wullen wi uns nich inlaten, un för unserntwegen künn Schr. sogar ümmer frigen, wenn't de Herr General för gaud inseihn ded. – »Solche Antwort habe ich von Ihnen erwartet«, säd hei, un wi gungen.

Hei hadd uns den Kummandanturschriwer mitgewen, dat de uns Bescheid wisen süll; de ded dat ok, un nu hadden wi tau wählen. Taum Glücken wüßt ick mit den Krempel all Bescheid, ick hadd all jahrelang in Kasematten seten; »Kapteihn«, säd ick, »wi nemen ein in't tweite Stock, 't süht frilich gruglich ut, as wenn einer in en groten Reis'kuffert inspunnt is, von wegen dat runne Gewölw baben; äwer't is ümmer beter, wenn einer anner Lüd' up den Kopp peddt, as wenn hei sick sülwen up den Kopp pedden laten sall, denn tüschen de beiden Stockwark sünd keine Windelbähns, blot Bred', un in den Frühjohr, in den irsten Andäu, denn fangen de ollen Dinger an tau lecken, un de Wän'n, de driwen, un de unnen wahnt, kriggt allens duwwelt.«

Wi wählten uns also dat tweite Stock von 'ne Kasematt; de Kummandanturschriwer sorgte för 'ne Upwohrfru, de sorgte för en Bedd, uns' Saken würden ruppe bröcht, un Vatter Res' un Prütz säden adjü! – Wo't woll mit Vatter Resen sine velen, schönen Quittungen aflopen was? – Ick frog den Kummandanturschriwer dornah, un de säd mi: »Um so etwas bekümmert der General sich nicht, das ist Sache des Platzmajors, und der wird morgen wohl zu Ihnen kommen und mit Ihnen darüber verhandeln.« – De Mann was en beten niglich, einer kunn em dat anmarken, denn hei blew tau lang' bi uns, ahn dat hei dor wat tau dauhn hadd; na, ick was ok niglich un frog em denn also, woans dat Schr. hir güng, ick kennte em all von Jena her un von den Unnersäukungsarrest. De Antwurd was: »Sehr gut!« – Ein Wurd gaww dat anner, un hei verteilte denn tauletzt, as Schr. hier ankamen was un de General sinen Namen lesen hadd, hadd hei em fragt, wer sin Vader wir. – Dat wir de Regimentsarzt Schr. tau Gl. – Dunn hadd de olle brave General de Hän'n tausam slagen un hadd utraupen: »Und den Sohn des Mannes, der mir bei Waterloo das Leben gerettet hat, soll ich hier mit solcher Strenge behandeln!« – Hei hadd't äwerst intaurichten wüßt, un Schr. hadd't gaud hatt, hadd äwer vel dumm Tüg bedrewen.

Je, so geiht dat in de Welt, dese Burs hadd dat gaud hatt, wil dat annere un betere Lüd' bitter leden un weck von ehr gänzlich tau Grun'n gahn wiren. Hei was in unsere Verbindung in Jena west, un dörch sin grotes Mul hadd hei dor de irste Vigelin mitspelt, äwer as de Sak taum Klappen kamm, as em Unkel Dambach de Klemm upsetten ded un as em Unkel Dambach üm den Bort gung un em vörpredigte, hei wir »ein philosophischer Kopf, er könnte das Objekt der Untersuchung in seiner ganzen Totalität umfassen und übersehen«, dunn kamm de erbärmlichste Eitelkeit un de jämmerlichste Swäcklichkeit bi em tau Rum, un hei gestunn nich blot – dat hewwen wi annern all dahn –, ne, hei fung an tau denunzieren un wull sick leiw Kind maken un let sick bi Nacht un bi Dag' bi den Herrn Kriminalrat mellen, wenn em so'n arme Paster in Sachsen oder so'n arme Doktor in Schlesingen ut olle Tiden inföll, de ok einmal »Burschenschaft« spelt hadd un nu mit Fru un Kinner dor set, dormit dat sei doch ok dat Vergnäugen hadden, sin vergritztes Angesicht bi 'ne Konfrontation mal wedder tau seihn. – Un de Knaw hadd dat hir gaud hatt! – De Herr Kriminalrat Dambach kunn ok dankbor sin, denn hei hadd em nah 'ne Festung set't, wo hei allein was un wi annern em de Höll nich heit maken kunnen, un nu hadd de Taufall mit den ollen General noch en äwriges dahn. Wildeß, dat wi knapp unner'n anner spreken dürwten, hadd hei mit gebildte Lüd' ümgahn dürwt un hadd 'ne Brud up den Schoot un herzte un küßte sick dormit, un de armen Frugens un Kinner von de Lüd', de hei angewen hadd, hadden wildeß in Jammer de Arm nah den Mann un den Vader utreckt. – So geiht't in de Welt.

Hieräwer redten wi, de Kapteihn un ick, as de Kummandanturschriwer gahn was, un ick was vör allen up em falsch, denn mi hadd hei ok ümmer unnödige Wis' in sine friwilligen Bichten mit herinne fligt, un glik den irsten Dag hadd hei mi verraden un hadd anzeigt, dat ick em en Erkennungsteiken makt hadd, äwer't was jo nu all so lang' her, allentwegen, wo wi west wiren, hadden wi unner enanner in Freden lewt, wat süllen wi hir olle Geschichten uprühren? Un de Kapteihn un ick besloten, wi wullen mit em in Freden lewen, un dat, meinten wi, süll uns so swor nich warden, denn wi süllen man in de Fristun'n mit em tausam kamen, wil dat hei up dat anner En'n von de Festung wahnen ded; äwer hei makte uns hir ok so velen Spermang, dat ut de gaude Afsicht nich recht wat würd.

As dat Abend was, let de wachthabend Unteroffzierer den General sinen Bedeinter bi uns rin, un de bröcht uns en Korw: 'ne Empfehlung von den Herrn General, un hei schickte uns hir en beten taum Abendbrod, denn wi wiren woll nich vüllig inricht't. – Dat kamm uns schön tau Paß, un ut de brunen Bradtüften un dat heite Eierbir keken allerlei schöne Hoffnungen för de Taukunft herute, un die Kapteihn säd: »Charles, ick glöw, wi sünd hir beter dran as bi den seligen Grafen.« – »Ick glöw ok, Kapteihn, äwer nu will'n wi tau Bedd gahn, ik bün hundsföttchen mäud'. Äwer noch eins! Wenn du tau Bedd geihst, denn darwst du nich steidel herinne stigen, du möst di up de Beddlad setten un ganz dukerig rinne krupen, süs wardst du di an dat olle Tunnengewölw häßlich den Kopp stöten. Süh! so makt em dat in de Kasematten.« Ick krop herin, un hei pusselt un kramt dor noch wat, un as ick all binah inslapen was – bautz! knallte dor wat up de ollen Breddelen dal. Min oll Kapteihn hadd mine Warnung vergeten, was mit den Kopp gegen den Swibbagen rönnt un nu rügglings ut dat Bedd rute schaten. Ja, ehre Unbequemlichkeiten hewwen de ollen Kasematten ok.

Den annern Morgen kamm de Platzmajur tau uns, hei was en ollen gaudmäudigen Drähnbartel un vertellte sick mit uns von allerlei, blot nich von Schandor Resen sine Quittungen, un as hei uns unsere königlich preußschen Staats-Traktementen mit fiw Sülwergröschen däglich blank un bor up den Disch tellen ded, dunn segen wi, dat wi von jitzt an wollhabende Lüd' warden süllen, de bi passende Gelegenheit doch ok mal in de Taschen rümklimpern kunnen. – Nu müßten wi tau den General, müßten uns äwer vörher doch balbieren laten, denn de Bort stunn uns as de Hekeltinnen in't Gesicht. En studierten Balbierer kunn sick up de Festung nich hollen, 't was also en Soldat, de dat Horsniden un Balbieren bedrew, wenn hei just kein Holt tau hau'n hadd. Sei säden all, hei hadd keine lichte Hand, un dat heww ick ok spört, un dortau hadd hei blot en Sößlingsmetz; un dat hadd em just den Damp nich dahn, de arm Schelm hadd äwerst dat Unglück hatt un hadd den General sine schöne Prück för natürlich Hor anseihn, un as hei em de por würkliche Locken ut den Nacken hadd sniden süllt, hadd hei sine Sak recht gaud maken wullt un hadd em de schöne Prück hinnenwarts ganz kahl scheert. Dorüm was hei denn nu bi allen un jeden in en recht leges Verhältnis geraden, un ahn grote Not let sick keiner von em sniden un scheeren. – Na, wi wiren in grote Not, un ick set'te mi also dal; äwer so lang, as ick bi dit Geschäft worden bün, bün ick vördem un sörredem meindag' nich west, un lütt Lüd' süllen sick ümmer von en preußischen Füselier un mit en Sößlingsmetz balbieren laten. – Nah mi kamm de Kapteihn, hei höll ok drist ut; äwer as em de Kirl den Snurrbort insmeren wull – denn hei balbierte nich in'n ganzen, blot stückwis' –, dunn säd de Kapteihn: Holt! dat wir sine Sak, hei hadd sine Schonung nu äwer 'ne Woch glücklich dörchbröcht, ut den gräwsten wir sei nu, un hadd hei de Last dorvon hatt, wull hei nu ok sin Vergnäugen doran hewwen. Un sörredem hett hei ok sin Vergnäugen doran hatt, un so'n Bort, as hei sick anbändigen ded, heww ick meindag' nich wedder tau seihn kregen. Hei krüs'te em nich, klisterte em nich, hei smerte em nich, ne! hei treckte em ganz einfach as an 'ne Spaljeh blot nah unnenwarts, stats süs nah babenwarts, un gel un unschüllig hung hei em äwer sine beiden Lippen dal, as en niges Strohdack äwer de beiden halwen Dören von en Katen, in den Taufredenheit un Gaudhartigkeit wahnen. – Ick heww mi nahsten ok wat wassen laten; äwer't würd ok dornah.

Wi kemen tau den General; hei stellte uns einen Herrn vör, de süll up uns uppassen un süll uns bewohren un bewachten, dat wi nich von den vörschrewen Spaziergang up Afweg' geröden; dat was de Herr Unteroffzierer Bartels. Herr Bartels gung mit uns af, un as wi in de Lindenallee kemen, säd hei: »Sehn Sie, meine Herren, von diese kleine Linde an bis ans Niedertor können Sie nun 's Morgens zwei Stunden lang immer in der frischen Luft auf und nieder gehen und 's Nachmittags wieder, d. h., reden dürfen Sie nicht mit keinem Menschen, als bloß mit Ihnen und mit mir.«

So wüßten wi jo denn nu Bescheid, un wil wi't so gaud noch meindag' nich hatt hadden un von den Esel up't Pird kamen wiren, so lewten wi uns bald in de Verhältnissen in.


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