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(Fortsetzung.)
Die Sonne geht um diese Zeit, in der ersten Hälfte des März, in der nordischen Breite um sechs Uhr auf, ihre Vorläufer, die Eosfinger, ragten bereits am Horizont empor, als der Mond sich diesem zusenkte.
Trotz ihrer freigeistigen Meinung und dem Versuch, was sie vor sich sah, auf natürliche Weise zu erklären, hielt etwas, wie mit Zauberketten, Edda Halsteen an dem Lager des Lappenmädchens fest. Wenn sie zuweilen, erschöpft, ermattet, für eine halbe Stunde sich auf ihr Lager geworfen, – Schlaf konnte sie doch nicht finden, und immer und immer wieder kehrte ihr Auge unter dem eintönigen Gesang des Lascaren, der in der übernommenen Pflicht sie ablöste, auf die regungslose Gestalt zurück.
Sie hatte verschiedene Versuche mit ihr gemacht, den Arm gehoben, einen Spiegel vor die bleichen Lippen gehalten, nichts, nichts, – keine Bewegung, kein Odem, der ganze Körper kalt, starr, tot!
Mehr als einmal war sie im Begriff gewesen, um Beistand zu rufen: den Vater, der zweimal vergeblich an ihrer Tür gewesen; die Diener, um nach dem Arzt zu schicken, diesen Starrkrampf, für den sie den Zustand noch immer zu halten suchte, zu brechen – aber immer hielt sie ein Blick auf das bleiche Gesicht oder auf den wilden Sohn der fernen Tropen, der gläubiger als sie, einfach sein Wort hielt und singend und murmelnd am Teppich saß, wieder zurück und mahnte sie an ihr eigenes Versprechen.
Stunde auf Stunde war so verronnen, die Jungfrau glaubte kaum noch die Überreizung der eigenen Nerven durch den Anblick der Toten, durch die Wirkung des eintönigen Gesanges, ertragen zu können, als eine Bewegung des Lascaren sie von dem nochmals ausgesuchten Lager emporschreckte.
Die Hand Sukys, während er weiter und weiter murmelte, deutete auf den toten Körper.
Tot – nein, das war er nicht – nicht mehr! oder war es die Morgenröte, die sich zum Fenster hereinstahl und über das Antlitz huschte?!
Eine Veränderung war sicher mit ihr vorgegangen, – dicke Schweißtropfen perlten auf der weißen Stirn der Unheimlichen und rannen an den Schläfen und Wangen nieder.
Dann kehrte Blut in die Lippen zurück, sie öffneten sich, – eine leichte Röte, wie von einer Anstrengung hervorgerufen, erschien auf den Wangen, die Brust begann sich zu heben – –.
Mit einem Sprung war das Fräulein von ihrem Lager und an der Seite des Körpers – der geheimnisvolle Ring durchbrochen – Adda! Schwester Adda!«
Ein fast seliges Lächeln lies über die Züge der Samelaz – ihre großen Augen öffneten sich und sahen sie an – anfänglich starr, dann wie erkennend! Sie hob die Hand und strich über Stirn und Augen, als müsse sie sich erst an das Bild wieder gewöhnen.
Edda hatte sie aufgerichtet und hielt ihren Oberkörper gestützt, – immer mehr schien der Starrkrampf, in dem sie gelegen, zu schwinden, ihre Besinnung wiederzukehren. Sie sah sich um, sie strich das Haar zurück, sie öffnete den Mund.
»Er lebt! – er wird leben – er ist gerettet!«
»Wer? wer? Adda, komme zu dir!«
»Wer sonst? Claus Hansen, den du im Herzen trägst, und er dich! ich habe darin gelesen und wünschte, du hättest Jambe Akko der Todesmutter diesen elenden Leib überlassen, statt die wandernde Seele mit ihrem Leid zurückzurufen in ihre Hülle! – Geh' – du hast mich beraubt mit der Stunde deiner Geburt, und wirst mich berauben, solange ein Odem über unsere Lippen weht!«
Ihr Blick hatte den alten Haß, die alte, dämonische Feindschaft.
»Adda, fasse dich! ich weiß, daß wir Schwestern sind, wenn auch eine andere Mutter uns gebar, und Schwestern sollen, dürfen sich nicht hassen. Ich habe dich nie gehaßt, und mit dir gelitten. Das soll anders werden – du sollst mit uns gehen aus dieser Umgebung, die deinen Fall, aber auch deine Leiden gesehen.«
Die Schwarze stieß sie zurück. »Nein – das darf nicht sein! Jetzt nicht! – Aber ich werde bei dir sein, wenn es gilt. Noch ist der Kampf zwischen uns nicht zu Ende – nur jetzt bin ich matt und kraftlos. Höre d'rum was ich dir zu sagen habe.«
»Adda beruhige dich! – ich will nach Stärkungsmitteln senden! – willst du Wein?«
»Gib!«
Edda erinnerte sich, daß in einem Wandschrank des Korridors Wein und andere Getränke stehen mußten – sie sandte eilig den Lascaren, eine Flasche von ersterem zu holen und zu entkorken.
»Ich fühle es – ich habe meine Lebenskraft an ihn gesetzt! Jetzt nur Schlaf, Ruhe,« stöhnte das finstere Weib. »Doch zuvor – höre!«
»Nicht jetzt, Adda! – Du bist erschöpft!«
»Wer weiß, wann wir uns Wiedersehen! – Gib! – Schnell!« Sie riß den Becher dem Indier aus der Hand, und trank den schweren, feurigen Burgunder mit langem Zug bis auf die Neige. Dann ließ sie den Becher fallen.
»Weißt du, wo ich ihn fand?«
»Adda – du träumst noch immer!«
»Nein,« sagte sie hart, »ich träume nicht, aber du bist eine Törin, die nicht glaubt, was ihre Sinne doch empfunden. Ich traf ihn im Zwischendeck des Schiffes, seine Hände und Füße in schweren Fesseln, an den Boden gekettet – die Matrosenwache mit dem blanken Kurzdegen auf und niederschreitend an seiner Seite, als hätte er ihnen entfliehen können der gefesselte Mann, hinüber an das Land, wo die Palme schwankte im Seewind, und sie heulten und beteten, die Feiglinge in den braunen Röcken und dem breiträndigen Hut, statt wie Männer zu den Waffen zu greifen und aus den Händen des Grausamen, der nichts kennt als den starren Buchstaben eurer blutigen Gesetze, den Mann zu befreien, der für sie sein Leben eingesetzt.«
»Um Gott, Adda – was phantasierst du? Kapitän Hansen wieder in Ketten?«
»Und der Strick an der Rahe bereits gehißt, der ihn heute mit Sonnenaufgang als Opfer ihrer Tyrannei in die Luft – in die Ewigkeit hinauswerfen sollte!«
»Adda – du redest Entsetzliches! Aber der Brief – wo ist mein Brief, der die Mörder hindern soll …«
»Hätte er sie hindern können über das weite Meer hinüber?« fragte sie mit Hohn. »Was nützte der tote Buchstabe, den du erwarbst mit deinen Schmeichelkünsten, wenn ich ihn nicht hinübertrug mit meiner Seele!«
»Den Brief! den Brief! – Unglückselige, wo ist er?«
»Auf dem Tisch des Kapitän Hammer, an Bord des Lyimfjord! Ich kann nicht mehr! Gib mir Ruhe! – Schlaf! Schlaf!«
Sie sank in den Armen der Schwester zusammen, die sie, vor dem Unerklärlichen schaudernd und doch wieder wie von einem unabweisbaren Glauben gestärkt auf ihr eigenes Lager trug. – – – – – – – – – – –
Als drei Stunden später der Wagen harrte, der sie zum Dampfer »Aurora« bringen sollte, der nach Kiel fährt, und der Konferenzrat bereits ungeduldig am Schlage wartete, schaute sie eben noch einmal in das streng verschlossen gehaltene Schlafgemach und gab dann den Schlüssel dem treuen Lascaren.
»Du weißt, was du zu tun hast, Suky. Wenn sie erwacht, laß sie bis zum Abend verweilen und bringe sie dann unbemerkt nach ihrer Wohnung. Von London aus schreibe ich und lasse dich nachkommen.«
Er küßte demütig ihre Hand, ihr Kleid. »Missus, denken an meinen Herrn! Möge der Christengott dich segnen, dich und ihn!«
Eine Träne hing an ihren Wimpern bei dem Wunsch des ehrlichen Burschen. – Fünf Minuten später rollte der Wagen davon.
In den Gemächern der Gräfin Danner hatte am Abend vorher ein Ministerkonseil stattgefunden, das dem Konferenzrat Halsteen die letzten Instruktionen für seine Mission nach London und Paris erteilen sollte.
König Frederik liebte es, wie bereits früher erwähnt, die vertraulichen Beratungen mit seinen Ministern sehr ungeniert, gewissermaßen inkognito zu halten, und sie fanden daher gewöhnlich in den Appartements seiner Gemahlin, der Gräfin Danner, statt. Nur wenn die Familienmitglieder und die Chefs der Departements und einflußreichen Mitglieder des Reichsrats zugezogen werden mußten, geschah es in dem dazu bestimmten Konferenzsaal.
Die Gräfin, die stets zugegen sein mußte, denn der König liebte es, in seiner oft grämlichen Laune ihr dabei ein Wort zuzuwerfen und nahm nur von ihrer Hand den stark mit Rum versetzten Tee, benahm sich dabei äußerst taktvoll und mischte sich nie in die Debatten, außer wenn sie direkt von ihrem hohen Gemahl dazu aufgefordert wurde. Die Minister sahen die Anwesenheit der Gräfin übrigens sehr gern, da sie häufig zum Ablenker für die schroffen Launen des Königs dienen mußte.
Auch heute wohnte sie der Beratung bei, hinter ihrem Gemahl an einem der Nebentische sitzend und mit einer Handarbeit beschäftigt.
Auf dem Tisch, um den die Minister saßen, lagen eine Menge Papiere und Karten.
Der Konseilpräsident Hall, der zugleich das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten verwaltete, hatte eben seinen Vortrag beendet: eine nochmalige kurze, historische Übersicht der Rechtsverhältnisse der beiden Herzogtümer und ihres Zusammenhangs mit der Gesamtmonarchie, auf die der kürzlich erhobene Protest am deutschen Bundestage gegründet worden war.
»Und der Bülow Der dänische Gesandte am deutschen Bundestag. hat den deutschen Dickköpfen dies alles klar und deutlich auseinandergesetzt, und sie wollen mein Recht auf Schleswig doch nicht einsehen?«
»Eure Majestät kennen bereits den Beschluß des Bundes. Die Relation des Herrn Gesandten hat an Klarheit und Präzision nichts zu wünschen übrig gelassen, aber es existieren Einflüsse im Bunde, welche sich jeder Logik der Tatsachen verschließen.«
»Schwerenoth! von welchen Einflüssen reden Sie? Diese verfluchten Augustenburger haben doch keine Stimme im Rat, sie sind nichts anderes als gewöhnliche Landedelleute, – daß sie Prinzen heißen – nun es laufen ihrer schockweise in Deutschland herum. Der Erbprinz ist ein bornierter Mensch voll Hochmut und Dünkel!«
Der silberne Löffel in der Tasse der Gräfin klingelte – das gewöhnliche Zeichen, mit dem sie ihren Gemahl zur Mäßigung zu mahnen pflegte.
»Gottes Tod,« sagte der König ärgerlich – »selbst am Berliner Hofe lachen sie über ihn. Der Vater ist ein alter Schacherjude! Blixen, was hat er damals gefeilscht und gewinselt um die Abfindung. Man hat mir da eine köstliche Anekdote von dem Erbprinzen aus Schlesien erzählt.«
Wieder klingelte der Löffel. »Es kommt da ein benachbarter Guts – Ach was, laß mich in Ruh! – besitzer zu ihm, um etwas über einen Grenzgraben oder sonst dergl. zwischen beiden Besitzungen zu besprechen. Seine Durchlaucht hört den Nachbar mit sehr steifem Rücken, die Hände dahinter gefaltet, an und sagte dann mit hoher Miene: »Wenn Sie zu mir kommen werden, wie sich schickt, in weißer Halsbinde, und sich melden lassen, dann werde ich vielleicht geneigt sein, weiter mit Ihnen darüber zu sprechen.« Teufel, ich seh' ihn schon residieren in Kiel mit seinem ganzen Hofstaat von Krakehlern und Narren, die vor lauter Deutschtum nicht wissen, ob sie noch dänischen Wind in ihren Nasen vertragen können!«
»Um einer solchen Eventualität beizeiten zu begegnen, Majestät,« sagte Dr. Monrad, der Minister für das Kirchen- und Schulwesen, der zugleich das Portefeuille des Innern führte, – »ist es eben nötig, daß wir beizeiten uns nach Alliancen umsehen.«
»Ich habe ja nichts dawider, lieber Bischof,« meinte der König, »und bin mit der Sendung unseres Halsteen nach London und Paris vollkommen einverstanden. Aber glauben Sie denn wirklich, daß Preußen oder Österreich wegen dieses Professorengeschrei's einen Krieg mit uns anfangen werden?«
»Sicher nicht, Majestät, solange in Berlin das jetzige Ministerium am Ruder ist. Herr von Schleinitz liebt die Phrasen. Aber ich traue dieser sogenannten Militär-Reorganisation nicht, mit der sich der König Wilhelm so eingehend beschäftigt, daß darüber die Demokratie in Kammer und Land den Maitre spielen kann.«
»Aber die Kammern werden sie ja nicht einmal bewilligen! Dann zerfällt die ganze Seifenblase und es bleibt beim alten, in Berlin wie am Bund.«
»Nicht, wenn in Preußen einmal ein energischer Minister die Leitung übernimmt und in die Intentionen des Königs einzugehen versteht. Man würde mit dieser verbesserten Militäreinrichtung über die Kammer zur Tagesordnung gehen und im Felde versuchen, wie man ihre Vorzüge oder Mängel ohne große Gefahr erproben kann.«
»Der Herr Bischof scheinen zu vergessen,« fiel der Kriegsminister Generalmajor von Thestrupp ein, »daß die dänische Armee sich in schlagfertigem Zustande befindet.«
»Die Marine,« stimmte der Kammerherr Kontre-Admiral Steen-Bille bei, »ist nach der neuen Rekrutierung von sechstausend Mann im Stande, es selbst mit einer Seemacht von bedeutend größerer Stärke aufzunehmen, als diese preußischen Versuche bieten. Wir können zur See, auch ohne die schwedische Alliance zu zählen, der ganzen deutschen Seemacht die Spitze bieten.«
»Ja, wenn Rußland oder England nicht Einspruch tun; die verdammten Krämer sehen nicht gern ihren Handel auch nur um einen Spezies geschmälert. – Wir müssen erst festere Zusicherungen von diesem Fuchs Palmerston haben, und wenn er bestimmte Entschließungen weigert, dann lieber Halsteen müssen Sie alle Segel aufspannen in Paris.«
»Das Kabinett der Tuilerien muß in seinem eigenen Interesse eine gemeinsame Aktion von Preußen und Österreich verhindern, die sicher erfolgen würde, wenn der Bund einem oder dem andern Teil seine Exekutive übertragen wollte. Mit einer solchen der Kleinstaaten getrauen wir uns schon fertig zu werden.«
»Sie haben mir aber immer noch nicht gesagt, Herr Konseilpräsident,« meinte der König, »wer denn nun eigentlich der Stänkerer am Bunde ist, der auf diese sogenannte Exekutive dringt, wovon doch Herr Raslaff behauptet, daß sie die Holsteiner als ein großes Übel fürchteten, da sie die Herren Exekutoren selbstverständlich an ihrem Tisch und in ihren Betten haben würden.«
»Euer Majestät werden sich erinnern, daß hauptsächlich von seiten Sachsens und Hannovers die Anträge am Bund unterstützt worden sind, deren Stellung man dem Helden von Eckernförde, Seiner Hoheit dem Herrn Herzog von Koburg überlassen hatte, der es liebt, sich als Protektor des Nationalvereins brauchen zu lassen. Herr von Beust und Graf Platen möchte eine kleine Unterlage für die Triasidee gewinnen. Herrn von Beust läßt der Gedanke, daß Preußen gleiche Rechte mit Österreich beansprucht, nicht schlafen.«
»Ich dächte, ich hätte gehört, daß zwischen Österreich und Preußen Verhandlungen schweben über eine Reform der deutschen Bundeskriegsverfassung?« fragte der König.
»Eben deshalb! die Verhandlungen sind am Scheitern. Erlauben Euer Majestät mir nun um Allerhöchstdero Entscheidung in betreff der skandinavischen Alliance zu bitten, damit wir Herrn von Halsteen eine positive Unterlage für die Verhandlungen auf den Weg geben können. Lord Palmerston dürfte unser Anerbieten der Abtretung von Sankt Thomas aus einem ganz andern Licht ansehen, wenn wir bereits eine geschlossene Alliance vorlegen können.«
»Aber Schweden verlangt ja die Preisgebung aller unserer Rechte.«
»Nur auf den Eintritt Holsteins in die norwegisch-schwedische Alliance. Das Kabinett von Stockholm erklärt ganz offen, daß es in diesem Eintritt einen Gegenstand fortwährender Verwicklungen erkennen müsse, und so bereit es ist, unsere unbedingte Souveränität in Schleswig …«
»Südjütland!« verbesserte der König.
»Also Südjütland mit seinen Waffen zu unterstützen, so wenig will König Karl sich wegen Holsteins in einen Krieg verwickeln lassen, der ihm die Gegnerschaft Rußlands zuziehen könnte.«
»Vorsicht und Rücksicht – und Rücksicht und Vorsicht,« rief der König ärgerlich – »auf das läuft alles hinaus! Ich hatte gehofft, daß die Verbindung unserer »Bauernfreunde« mit Jung-Schweden wenigstens das Gute haben würden, die Herren in Stockholm ohne jede Bedingung mit uns zu verbinden. Ich kann mich nicht zur Unterzeichnung einer solchen Klausel entschließen!«
Der Konseilpräsident zuckte die Achseln. »Die Herren Generale werden am besten wissen, in wieweit diese Politik durchzuführen sein wird. – Ich bitte alsdann um die Unterschrift Eurer Majestät zu dieser Vorlage, die Grundzüge einer neuen dänischen Gesamtverfassung an die holsteinsche Ständeversammlung in Itzehoe.«
Der König unterschrieb hastig das vorgelegte Papier. »Wäre es denn nicht möglich, durch das Anerbieten anderer auch der weitgehendsten Konzessionen die Majorität der Stände für diesen Vorschlag zu erhalten? Wenn Herr von Scheel-Plessen sich dafür bemühte?«
»Herr von Scheel-Plessen,« bemerkte hastig der neue Minister für Holstein-Lauenburg, Herr Raslaff, »hat es abgelehnt, dort die Vorlage zu vertreten. Die Stände sind so verstockt in der Verkennung ihrer eigenen Interessen, daß sie wahrscheinlich die Vorlage einstimmig ablehnen werden.«
»Dann müssen strengere Maßregeln sie zur Vernunft bringen.«
»Das ist der Krieg, Majestät!« sagte der Bischof.
»Sei es! ich kann meine Rechte nicht bloßen Raisonnements opfern. Herr von Halsteen, Sie haben Ihre Instruktionen. Die Grundlage der Verhandlungen: unbedingte Einverleibung Südjütlands in den Gesamtstaat; Personalunion von Holstein mit der dänischen Krone, sonst jede billige Konzession in der Verwaltung. Dafür den Schutz der beiden Seemächte. Dafür Abtretung von St. Thomas und stilles Bündnis mit Frankreich im Fall eines Krieges mit Deutschland auf die Bedingungen des Vertrages von 1806. –«
»Hast du für Halsteen noch Aufträge, Christine? was suchst du da auf der Karte?«
»Nichts mein Freund – ich informierte mich bloß über den nächsten Weg von Schleswig nach Fühnen.«
»Ich dächte, den wüßtest du! Wenn du die Seefahrt nicht vorziehst: über Flensburg und Alsen.«
»Eben, was ich meine. Nur finde ich da einen eigentümlichen Namen, der mir zu denken gibt.«
»Heraus damit! Was steckt dahinter? Wie ist der Name?«
»O – ich wollte ihn nicht nennen, weil er dich an eine Familie erinnert, die du nicht liebst.«
»Den Namen! den Namen!«
» Sonder – Burg!«
Ihr Finger wies auf die Karte.
»Was soll das heißen?«
»Nur, daß – wenn mein Herr und König solche Entschlüsse gefaßt hat, er auch bedenken möge, daß der Weg nach Fühnen und Seeland von der Seite der Herzogtümer her zurzeit sonder – Burg ist!«
Der Kriegsminister hatte sich erhoben. »Ihre Exzellenz haben vollkommen Recht. Wenn Euer Majestät entschlossen sind, es auf die Kriegseventualität ankommen zu lassen, so fordere ich die Befestigung von Düppel. Den Seeweg verteidigt der Herr Admiral.«
Noch in derselben Konseilsitzung wurde die neue und ausgedehnte Befestigung, der Düppeler Höhen beschlossen.
Am 17. April 1861 wurde sie begonnen; – ein neues Zwing-Uri war dem Danebrogh geschaffen gegen deutsches Land.
(Ende des vierten Bandes.)
Herrose & Ziemsen, G. »i. b. H., Wittenberg.